QUELLE

DATUM1834   Suche Portal
AUSSTELLUNGSORTPaderborn
TITEL/REGESTDie Provinzial-Hebammen-Lehr- und Entbindungsanstalt zu Paderborn (3. Jahresbericht)
TEXTAnhang,
die Entbindungs-Anstalt betreffend.

Die Stadt Paderborn verdankt dem Gemeinsinne ihrer Bewohner eine Reihe von Wohlthätigkeits-Anstalten, worin die meisten Formen der Armuth ziemlich durch alle Stadien des menschlichen Lebens, vom zarten Knaben-Alter (Waisenhaus, Knaben- und Mädchen-Freischule) durch das Jünglings- und Jugfrauen-Alter (Marianer-Stiftung, Nähschule) Mannes-Alter (Arbeitshaus, Krankenhaus, allgemeine Armen-Gasse) bis zum späten Greisen-Alter (Armenhaus, 18 Armen-Stiftung u.a.) chronologisch verfolgt sind. In der übrigens vollständig gegliederten Kette fehlten indes die beiden Schlußringe; - die äußersten Endpuncte menschlichen Elends (Geburt und Ableben) waren unberücksichtigt geblieben. Arme Kinder mussten oft unter den ungünstigsten Verhältnissen das Licht der Welt erblicken und schon in den ersten Tagen des Lebens ein langes Siegthum sundiren; arme Sterbende mussten einer harten Alternative entgegen sehen, entweder als Leiche mit theuren Nachgelassenen ein enges Gemach Tage lang theilen, oder sich selbst, noch ehe der Tod gewiß ist, in die Erde senken zu lassen. So zeigten sich beim Eintritte in die Welt und beim Austritte aus der Welt die Folgen Armuth in ihrer aller beklagungs-werthesten Gestand. Entbindungs-Anstalten und Leichenhäuser sind der Anfang und das Ende, aber auch ganz eigentlich die deutlichsten Lichtpuncte der Humanität und vielleicht die unentbehrlichsten Armen-Anstalten. Beide Requisite waren für Paderborn noch zu berücksichtigen. Das Leichenhaus musste billig der Stadt als solcher und der Wohlthätitgkeit ihrer Bewohner umsomehr überlassen bleiben, als hierbei die Wohlhabenden mit interessirt sind und sich durch ihre Almosen zugleich vor der Gefahr des Wiedererwachens im Grabe sicher stellen. Für das Entbindungshaus war auf das Publicum weniger zu rechnen, da über die mildesten Anstalten nicht immer die mildesten Ansichten herrschen. Die armen Kinder wären daher sicher vergessen geblieben, wenn nicht ein großer Vater vieler tausend Armen sich derselben angenommen hatte.

Des Königs Majestät haben die Gnade gehabt, mittelst Allerhöchsten Cabinets-Befehls vom 11ten November v.J. unserer Kranken-Anstalt ein neues wichtiges Additament hinzuzufügen, und sie, welche bisher blos in die Grenzen der Medicin und Chirurgie eingeengt war, auch auf das Gebiet der Geburtshülfe auszudehnen.

Durch dieses 3te Ergänzungstück ist es der Anstalt möglich geworden, sich nicht blos als Heilanstalt, sondern auch als clinische Lehr-Anstalt nützlich zu beweisen, auch in dieser Beziehung ihre Wirksamkeit über die Schranken ihrer Mauern zu verbreiten und durch Einwirkung auf das Medicinal-Wesen überhaupt auch für solche elende Menschen zu wirken, die nicht in dieselbe aufgenommen sind.

4 kleinere Hebammen-Institute in Meschede, Bielefeld, Minden und Paderborn, welche früher einen zwar guten, aber vorzugsweise theoretischen Unterricht gewährten, sind in ein größere Lehr-Anstalt (für die Regierungsbezirke Minden und Arnsberg) deren clinische Stütze die neugegründete Entbindungs-Anstalt ist, centralisirt worden.

Im neuen Institute, welches am 1sten Januar d.J. ins Leben getreten ist, sind bereits in 2 auf einander folgenden 4monatlichen Lehrkursen 17 und resp. 11 Schülerinnen gebildet worden, (unter diesen 11 aus dem Regierungsbezirk Arnsberg, 17 aus dem Regierungsbezirk Minden) von denen bei den Schlußprüfungen

12 das Prädikat vorzüglich gut
6 “ “ sehr gut
9 “ “ gut
erhalten haben.

Die Entbindungs-Anstalt selbst ist bis jetzt von 36 armen Müttern, unter denen sich
31 Ehefrauen, 5 Unverehelichte befanden, in Anspruch genommen.
ERLÄUTERUNGFrüh konzentrierte sich die Hebammenausbildung auf Paderborn. 1839 ging die Münstersche Anstalt in der Paderborner auf, so dass seitdem Paderborn ganz Westfalen mit Hebammen zu versorgen hatte und die Bezeichnung Provinzialanstalt bekam. Hier wurden nicht nur "Lehrtöchter" zu guten Hebammen ausgebildet, sondern auch Ärzte zu guten Hebammenlehrern. 1876 trat die Anstalt in Provinzialbesitz über als Provinzialhebammenlehranstalt bzw. Landesfrauenklinik. 1916 wurde die Lehrabteilung dieser Anstalt bis auf weiteres geschlossen.


PROVENIENZ  Stadtarchiv Paderborn
SIGNATURA1369


QUELLE    Schmitz, Trude | Frauen in Paderborn 1840-1918 | S. 81


SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ1.3   Einzelquelle (in Volltext/Regestenform)
Zeit3.7   1800-1849
Ort2.7.8   Paderborn, Stadt
Sachgebiet3.9.2   Provinzialverband / Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL)
6.8.8   Frauen
6.8.15   Säuglinge, Kinder, Jugendliche
8.5   Medizinische Versorgung, Ärztin/Arzt
DATUM AUFNAHME2004-04-20
AUFRUFE GESAMT325
AUFRUFE IM MONAT85