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(143 KB)   Das Arresthaus des Kriegsgefangenenlagers Stalag 326 (VI K) Senne: heutiger Zustand / Münster, Landesmedienzentrum für Westfalen/S. Sagurna   Das Arresthaus des Kriegsgefangenenlagers Stalag 326 (VI K) Senne: heutiger Zustand / Münster, Landesmedienzentrum für Westfalen/S. Sagurna
TITELDas Arresthaus des Kriegsgefangenenlagers Stalag 326 (VI K) Senne: heutiger Zustand
DATIERUNG2000 [um]
GEOPOSITIONGoogle Maps OSM | 51.745228273865200 (NS), 8.712327182292938 (EW) (exakt)


INFORMATIONZum Alltag in einem Kriegsgefangenenlager gehörten Vergehen, aber auch Verbrechen der Insassen. Bei den Vergehen handelte es sich vor allem um Ungehorsam und Fluchtversuche, die Verbrechen reichten vom einfachen Diebstahl bis zum Mord. Die Genfer Konvention hatte für alle Unterzeichnerstaaten verbindlich festgelegt, mit welchen Maßnahmen sie auf derartiges Handeln reagieren konnten. So hieß es in Art. 46: "Die Kriegsgefangenen dürfen ... nicht mit anderen Strafen belegt werden als mit denjenigen, die für die gleichen Vergehen" gegenüber den Angehörigen des eigenen Heeres vorgesehen waren. Verboten waren "körperliche Strafen jeder Art, jede Einsperrung in nicht vom Tageslicht erhellte Räume und jede Grausamkeit". Nach der Verbüßung von gerichtlichen oder Disziplinarstrafen durften die Gefangenen nicht anders behandelt werden als die übrigen Gefangenen. Höchste Strafe war der Arrest, seine maximale Dauer betrug 30 Tage. Verpflegungsbeschränkungen waren zulässig, solange sie dem beim Gewahrsamsstaat in solchen Fällen üblichen Satz entsprachen. Die folgenden Erläuterungen zeigen, daß diese Bestimmungen nur zum Teil eingehalten wurden.

Als häufigste Disziplinarstrafe wurde im Stalag 326 (VI K) ein mehrtägiger Arrest ausgesprochen. Um diese Strafe auch ordnungsgemäß durchführen zu können, ließ die Kommandantur im Frühjahr 1943 ein steinernes Arresthaus im Vorlager errichten. Es maß etwa 35 x 8,8 m und besaß entlang eines Mittelganges insgesamt 26 Zellen, die meisten etwa 3 x 1,75 m groß, jede versehen mit einer vergitterten Fensteröffnung von etwa 40 x 60 cm. Hinzu kamen eine Wachstube, ein Verhörzimmer und zwei Aborte.

Im Sommer 1944 beantragte die Lagerleitung beim Kommandeur der Kriegsgefangenen im Wehrkreis VI eine Erweiterung der Arrestanstalt auf 60 Zellen. Einer ersten Ablehnung des Antrages mochte sie nicht folgen und führte zur Begründung am 14.10. an, der alte Bau sei zu klein geworden, "da die Arrestzelten nicht nur zum disziplinarischen Strafvollzug gebraucht werden, sondern in ihnen auch die Kgf. untergebracht werden, über die das Gericht Untersuchungshaft verhängt hat (zeitweise 19 Häftlinge, einer davon für 6 Monate), und die, auf deren gesicherte und von den übrigen Kgf. getrennte Unterbringung von der Abwehr Wert gelegt werden muß." Hinzu kämen bis zu ihrem Abtransport noch diejenigen, die an die SS überstellt worden seien, in einigen Sonderfällen auch Tobsüchtige. Wie dringend der Ausbau. sei, sehe man an der Zahl von insgesamt 1.181 Hafttagen im September 1944. Davon entfielen 575 Tage auf Franzosen, 12 auf Italiener, 73 auf Serben, 10 auf Engländer, 17 auf Belgier, 16 auf Holländer, 6 auf Polen, 1 Tag auf Amerikaner und 289 auf sowjetische Gefangene. Diese letzte Zahl sei aber nur deswegen so niedrig, weil vorläufig festgenommene Rotarmisten zunächst in einer besonderen Baracke untergebracht würden. Eine ausreichende Zahl von Arrestzellen sei aber vor allem deshalb notwendig, weil die Wehrmachtsstrafanstalten nicht mehr in der Lage seien, straffällig gewordene Kriegsgefangene aufzunehmen, und letztere oft versetzt würden, ohne zuvor ihre Strafe abgebüßt zu haben.

Offensichtlich wegen der Kriegsereignisse kam es dann aber nicht mehr zur Durchführung des Planes. Das Arresthaus überdauerte in seiner ursprünglichen Form bis heute. Nach der Befreiung diente es u. a. als Zahnarztpraxis, Lebensmittelladen und Friseursalon, in der Polizeischule später als Waffenkammer.

Im Staatsarchiv Moskau sind verschiedene Unterlagen erhalten, die den Arrest diesem Gebäude näher umschreiben, so z.B. das Arrestbuch, in dem neben dem Namen und der Erkennungsmarke penibel das Vergehen sowie Art und Maß der Strafe vermerkt wurden. Der Franzose Eugene Guillemin etwa erhielt "21 Tage geschärften Arrest und Versetzung in das Straflager Rawa-Ruska, weil er am 1.9.42 seine Arbeitsstelle ohne Erlaubnis verlassen hat und sich bei seiner Vernehmung am 15.9.42 durch Bemerkungen, er sei nicht das erste und das letzte Mal geflohen, aufsässig benahm". Er trat seine Strafe am 03.03.1943 an. Härter als die drei Wochen Arrest traf ihn ohne Zweifel die Versetzung in den Osten.

Die sowjetischen Gefangenen Iwan Ljapin und Nikolai Goroschkow bekamen je zehn Tage geschärften Arrest wegen eines Fluchtversuches im Sommer 1942 von einem Arbeitskommando in Augustdorf. Ihr Kamerad Sali Kondratowitsch, der sie dazu angestiftet hatte, erhielt drei Wochen, wurde jedoch ohne diese Strafe abzubüßen dem Einsatzkommando der SS übergeben und in das KZ Buchenwald überstellt, wobei aus den Unterlagen nicht hervorgeht, ob er dort erschossen oder zur Arbeit eingesetzt wurde. Diese harte Strafe stand durchaus im Einklang mit den Vorschriften, hieß es doch dort, daß geflohene und wiederergriffene sowjetische Gefangene der Gestapo zu übergeben seien, es sei denn, der Lagerkommandant sei der Auffassung, daß seine eigene Disziplinargewalt zur Bestrafung ausreiche. Verschiedene Einstellscheine beschreiben die Gründe und Umstände der Einlieferung. Der französische Kriegsgefangene Ernest Lecourt beispielsweise wurde am 19.12.1944 in Paderborn wegen Ungehorsams vorläufig festgenommen und noch am selben Tag im Arresthaus eingeliefert. Erst am 20.3.1945 entließ man ihn in das Lagerlazarett.

Abschließend der Bericht des Oberleutnants Michail Wassiljewitsch Larin:
"Am 22. September 1943 wurde ich in Paderborn in einem Arbeitskommando verhaftet. Ein gewisser Alexej R. hat mich verraten. Ich kam in den Karzer von Stalag 326 und blieb dort 34 Tage. In dieser Zeit hat mich die 'SS' zweimal verhört. Ein SS-Offizier sitzt im Sessel vor einem Tisch, in 3 Meter Entfernung von ihm malte man auf dem Boden einen Kreis von einem Meter Durchmesser, da stand der Gefangene, rechts von ihm stand ein Dolmetscher, ein Deutscher, Handschuh an und einen Eisenring an der Hand.. (Larin wurde zweimal gefoltert). Dann brachte man mich in den Karzer zurück. 7 Tage lang lag ich im Karzer. Serben und Franzosen halfen mir und gaben mir zu essen... Das Regime im Gefängnis war so: eine Zelle für eine Person, jeden Morgen eine halbe Stunde Spaziergang, die Verpflegung wie die anderen im Lager, austreten in der Zelle in Eimer."


TECHNIKFoto
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FOTO-PROVENIENZMünster, Landesmedienzentrum für Westfalen/S. Sagurna


QUELLE    Otto, Reinhard | Das Stalag 326 (VI K) Senne | Dia 09, S. 35-37
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.9   1900-1949
Ort2.2.9   Schloß Holte-Stukenbrock, Gemeinde
DATUM AUFNAHME2004-02-03
AUFRUFE GESAMT526
AUFRUFE IM MONAT108