QUELLE

DATUM1967-09-17   Suche   Suche DWUD
AUSSTELLUNGSORTBocholt
TITEL/REGEST"Resolution" der Katholischen Standesorganisation des Westmünsterlandes "zur Protestversammlung 'Westmünsterland in Not'"
TEXTResolution zur Protestversammlung "Westmünsterland in Not"

am 17. September 1967 in Bocholt

die wirtschaftliche Kraft des westlichen Münsterlandes liegt seit Jahren ca. 30 % unter dem Landesdurchschnitt.

Das ergibt sich

a) aus der sehr schmalen wirtschaftlichen Basis von Industrie, Handel und Gewerbe sowie

b) aus der einseitigen Strukturierung zur Textilindustrie hin.

Ein weiterer wichtiger Tatbestand scheint uns die immer wieder zu beobachtende Vernachlässigung unseres Grenzraumes durch Bundes- und Landesbehörden, besonders in den verantwortlichen Ministerien, zu sein.

Um die maßgeblichen Politiker im Land und im Bund aber auch die Öffentlichkeit auf die katastrophale Lage des Westmünsterlandes hinzuweisen, haben die katholischen Standesvereine KAB, Kolping, KKV und CAJ gemeinsam zu dieser öffentlichen Protestversammlung aufgerufen und folgende Resolution beschlossen:

  1. Wir fordern unverzüglich die Verbesserung der Infrastruktur im Westmünsterland, d. h.

    a) möglichst schnelle Verwirklichung der in der Planung begriffenen Autobahnen, die das Westmünsterland berühren oder durchschneiden, sowie den großzügigen und schnellen Ausbau der Bundes- und Landstraßen.

    b) nicht Stillegung, sondern Ausbau und Erhöhung des technischen Standes der Eisenbahnen, besonders im grenzüberscheitenden Verkehr.

    c) Neuordnung der regionalen und kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften zu lebensfähigen und wirtschaftlich arbeitenden Verwaltungseinheiten.

    d) Ausbau und Neueinrichtung von Lehr- und Bildungsanstalten (z. B. Einrichtung einer höheren Wirtschaftsfachschule) und anderer kultureller Bildungsstätten, um das Angebot an gehobenen Dienstleistungen zu erhöhen.
  2. Während der Bund, das Land und die Öffentlichkeit wie gebannt auf das Schreckgespenst der Kohlenkrise im Ruhrgebiet starrt, vollzieht sich hier im westlichen Münsterland fast unbeobachtet eine ebenso besorgniserregende Entwicklung. Deshalb fordern wir,

    a) Aufgabe der Vernachlässigung des Grenzlandes und eine EWG-gerechte Strukturpolitik. Das westliche Münsterland liegt nicht an der westlichen Grenze der Bundesrepublik, sondern mitten im EWG-Raum.

    b) Sanierungs- und Fördermaßnahmen, die dem Ruhrgebiet gewährt werden, auch für das Westmünsterland vorzusehen.

    c) staatliche Kredite an lebensfähige und förderungswürdige Textilbetriebe.
  3. Seit Jahren bangen die Arbeitnehmer in diesem Wirtschaftsraum um ihre Arbeitsplätze. So sind im letzten Jahrzehnt rund 24 % der Arbeitsplätze in der Textilindustrie weggefallen, ohne daß Arbeitsplätze im gleichen Umfang in anderen Zweigen der gewerblichen Wirtschaft und im Dienstleistungssektor zugewachsen sind.

    Außerdem beunruhigt die Arbeitnehmer die seit Jahren anhaltende Kurzarbeit in der Textilindustrie, die auch in Zeiten der Hochkonjunktur nicht ganz überwunden wurde.

    Leider müssen wir feststellen, daß die Arbeitnehmer allzu häufig einen höheren Preis für die durch Mechanisierung, Automation, das Ausscheiden von Grenzkostenunternehmen usw. eingetretenen Schwierigkeiten haben zahlen müssen als andere Bevölkerungsgruppen. Viele der aus der Textilindustrie ausgeschiedenen Facharbeiter arbeiten heute als ungelernte Hilfsarbeiter in anderen Berufen.

    Wir fordern daher:

    a) Erhöhung des Angebotes an Arbeitsplätzen, besonders für Männer, durch Anwerbung neuer Betriebe, die die einseitige Textilstruktur überwinden.

    b) Schaffung und Vermehrung von modernen Umschulungsmöglichkeiten für die der Strukturveränderung zum Opfer gefallenen Facharbeiter, damit diese möglichst schnell gleichwertige Arbeitsplätze erlangen können.

    c) Schaffung von modernen Lehr- und Ausbildungsstätten für unserer Jugend, die in den geburtenreichen Kreisen des Westmünsterlandes sehr zahlreich ist, um die Zukunft der in den Erwerbsprozeß hereinwachsenden Jugendlichen zu sichern.


Die kath. Standesorganisationen des Westmünsterlandes
ERLÄUTERUNGDie Lage in der Westmünsterländer Textilindustrie verschlechterte sich Ende der 1960er Jahre so sehr, dass die Bevölkerung in zahlreichen Protestversammlungen die Politik zum Handeln aufforderte. Dabei verlangten die Demonstranten die Schaffung besserer Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten und vor allem den besseren Ausbau der Verkehrsstruktur und die Anbindung des westmünsterländer Raumes an die Industrie in den westfälischen Ballungsgebieten.


PROVENIENZ  Stiftung Westfälisches Wirtschaftsarchiv
BESTANDHandelskammer Bocholt, Außenstelle der Handelskammer Münster
SIGNATURK 22 Nr. 100


SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ1.3   Einzelquelle (in Volltext/Regestenform)
Zeit3.10   1950-1999
Ort1.3   Münsterland
3.1.2   Bocholt, Stadt
Sachgebiet10.2   Wirtschaftsförderung, Wirtschaftspolitik, Gewerbepolitik
10.8   Konjunktur, Krisen, Boom
10.9.5   Arbeitslosigkeit
10.13   Industrie, Manufaktur
14.9   Flugblätter, Flugschriften
DATUM AUFNAHME2004-05-15
AUFRUFE GESAMT2600
AUFRUFE IM MONAT254