QUELLE

DATUM1938-11-15   Suche   Suche DWUD
AUSSTELLUNGSORTHallenberg
TITEL/REGESTVernehmung eines Hallenbergers wegen des Vorwurfs, während des Judenpogroms am 10.11.1938 geplündert zu haben (Abschrift)
TEXT[S. 163] Am Donnerstag abend, den 10. November d. Js. [1938] nahm ich gemeinsam mit mehreren Dorfeingesessenen und Fremden an einem Demostrationszug gegen die Juden teil. Vor dem Umzug hielt der Stadtbürgermeister von Hallenberg eine Ansprache, über das Thema, was sich in den letzten Tagen in Frankreich zugetragen hatte. Hierbei brachte der Bürgermeister zum Ausdruck, dass der Pg. Gesandschaftsrat vom Rath von einem Juden meuchlings ermordet worden sei. Der Bürgermeister gab bekannt, dass von dem Reichspropagandaleiter Reichsminister Dr. Goebbels im Radio durchgekommen sei, die Aktionen gegen Juden einzustellen seien.

Der Sturmführer der SA. N.N. gab uns den Befehl gegen die Juden vorzugehen und Rache zu nehmen an unserem Volks- und Parteigenossen vom Rath. N.N. sagte zu uns, wir sollen gegen die Juden rücksichtslos vorgehen und alles zu demolieren, was von uns auch getan wurde. In mir steigerte sich die Wut derart, dass ich mich nicht mehr halten konnte. Ich wurde mit einer Gruppe von 9 Mann von dem Sturmführer N.N. eingeteilt, bei dem Juden N.N. hinzugehen. Diesen Befehl des N.N. haben wir befolgt und sind in das Haus des N.N. eingedrungen. In der Wohnung des Juden haben wir alles was uns in den Weg kam zerstört. Hierbei sind auch mehrere Fensterscheiben und Lampen nicht verschohnt geblieben. Nachdem der grösste Teil der Wohnungseinrichtung zertrümmert war bin ich wieder auf die Strasse gegangen.

[S. 164] Jetzt kam der Sturmführer N.N. zu mir und sagte: "Los, los, immer weiter.“ Ich bin jetzt von einem jüdischen Haus zum andern gegangen und habe alles zertrümmert, was mir in den Weg kam. Hierbei kamen wir auch in das Haus des Juden B. Als wir vor das Haus des Juden B. kamen war die Haustür verschlossen. Wir haben uns gewaltsam in das Haus Einlass verschafft. Ich selbst habe mit mehreren Mann mit den Füssen gegen die Haustür getreten, bis dieselbe auf-ging. Auch diese Wohnung, die bisher verschohnt geblieben war, wurde von uns vollständig demoliert. Ich ging mit noch etwa 2 Mann zur oberen Etage in das Schlafzimmer des Juden B. Die beiden in meiner Begleitung befindlichen Kerle kannte ich nicht mit Namen. Nachdem wir das Schlafzimmer des Juden demoliert hatten und wir aus dem Zimmer gehen wollten sah ich hinter dem Waschtisch eine grosse Kasette stehen. Mir kam sofort der Gedanke, in der Kasette könnten Schusswaffen drin sein und nahm sie aus diesem Grunde bis unten vor die Haustür des Juden B. mit. In Gegenwart von mehreren Dorfeingesessenen und Fremden haben wir die Kasette im Keller des Juden mit einer Eisenstange geöffnet.

Als wir die Kasette geöffnet hatten, viel alles über diese her und suchten in derselben herum. Mir viel sofort ein Geldschein in die Hände, vermutlich war es ein 20,- RM.-Schein. Infolge der schlechten Beleuchtung, wir hatten nur eine Taschenlampe bei uns, konnte ich es nicht genau sehen. Ich gab den bei mir befindlichen Personen die Anweisung, dass nichts gestohlen wird. Hierbei gab mir eine unbekannte Person zwei Scheine in die Hand. Was für Geldscheine es waren, kann ich nicht genau sagen; vermutlich handelte es sich um einen 20,- und um einen 10, oder 50,- Rm.-Schein. Das Geld habe ich in meine Rocktasche gesteckt. Was ich damit machen wollte, wusste ich im Moment selbst nicht. Als ich auf die Strasse kam, habe ich zu den Herumstehenden gesagt, ich habe verschiedene Geldscheine bei mir, was soll ich damit machen. Diese gaben mir nichts zur Antwort. Ich bin daraufhin mit einer fremden Person zur Stadtmitte gegangen. Als ich mich von dieser Person getrennt hatte, bin ich zurück zu dem Juden B. gegangen und habe das Geld wieder in den Keller des Juden geworfen. Anwesend war hier niemand als ich nur alleine. Von hieraus bin ich dann zu meiner Wohnung gegangen.

Bemerken möchte ich, dass bei der Aktion gegen den Juden B. in der Wohnung desselben niemand anwesend war.

Weiter bemerke ich, dass es mir vollständig fern lag, micht mit dem Geld des Juden B. zu bereichern.

Am Sonntag morgen wurde in Hallenberg über mich das [S. 165] Gerücht verbreitet, ich hätte bei dem Juden B. anlässlich der Aktion gegen denselben Geld gestohlen. Ich bin daraufhin zum Bürgermeister gegangen um diesem klar zu legen, wie sich die Sache verhielt. Der Bürgermeister gab mir zu Antwort, wir warten schon auf sie, und veranlasste sofort meine Festnahme.

Bemerken möchte ich noch, dass vor ungefähr 4 Wochen meine standesamtliche und am Donnerstag, den 17. d.Mts. meine kirchliche Trauung stattfindet.

Weitere Angaben habe ich zur Sache nicht zu machen.

v.g.u.

N.N.


g.w.o.

N.N.
Gend.-Hauptwachtmeister.



Abschrift der Vernehmung vom 15.11.38, in der N.N. den Diebstahl von RM 90,-- eingesteht, ist am 15.4.39 an die Geheime Staatspolizei Dortmund [...]


PROVENIENZ  Stadt Hallenberg
BESTANDStadtarchiv, B-6-7, S. 163-165


SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ1.3   Einzelquelle (in Volltext/Regestenform)
Zeit3.9   1900-1949
Ort1.7.5   Hallenberg, Stadt
Sachgebiet6.8.10   Juden
DATUM AUFNAHME2004-06-09
AUFRUFE GESAMT2727
AUFRUFE IM MONAT178