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(81 KB)   Arbeiten bis zum Brand: Das Ziegelstreichen, um 1900 / Lage, Archiv des Orts- und Zieglermuseums / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/O. Mahlstedt   Arbeiten bis zum Brand: Das Ziegelstreichen, um 1900 / Lage, Archiv des Orts- und Zieglermuseums / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/O. Mahlstedt
TITELArbeiten bis zum Brand: Das Ziegelstreichen, um 1900
DATIERUNG1900 [um]
GEOPOSITIONGoogle Maps OSM | 51.745228273865200 (NS), 8.712327182292938 (EW) (exakt)


INFORMATIONDer aufbereitete Ton wurde vom "Karrenmann" zum Streichtisch gebracht, wie ihn das um 1900 entstandene Foto zeigt. Bei den lippischen Zieglern war nun ein Junge eingesetzt, der den Ton in passende Portionen schnitt und dem Streicher oder Former weitergab. Dieser preßte ihn hart in die Form, um sie vollständig auszufüllen. Die Ziegelformen waren einfache Kästen aus Holz oder Eisenblech, deren Innenmaße - unter Berücksichtigung der Schwindung - dem gewünschten Ziegelformat entsprachen. Die Form wurde mit Sand eingestäubt, damit der "Formling", wie der ungebrannte Ziegel genannt wurde, leicht aus ihr gelöst werden konnte. Wieder war es ein Junge, der die gefüllten Formen zum Trockenplatz brachte. Diese Arbeit war die erste, die dem angehenden Ziegler übertragen wurde: Der Junge mußte alle Formlinge, die der Streicher an seinem langen Arbeitstag herstellte, das waren mehrere tausend, zum Trockenplatz tragen. Hier stürzte er die Form, und der Formling fiel auf seine breite Fläche. Der Sand haftete an ihm und schützte ihn vor rascher Austrocknung; zugleich verlieh er ihm eine gleichmäßige Oberfläche und gab ihm eine größere Haftfähigkeit für den Mörtel beim Vermauern. Eine andere Form des Ziegelstreichens war das Wasserstreichverfahren: Hierbei wurde die Form vor dem Füllen in Wasser getaucht, der Formling wurde beim Stürzen auf ein Brettchen gebracht und mit diesem zum Trocknen abgelegt. Eine Erleichterung des Handstrichs bedeutete der Streichtisch mit fest eingebauten Formen, deren Böden durch Fußhebel hochgedrückt wurden. Auch hier lag der Formling auf einem Brettchen, ein zweites wurde auf ihn gelegt, und mit diesen Brettchen, die auch die Kanten schützten, konnte der Formling zum Trockenplatz oder sogleich ins Trockenregal gebracht werden. Es gab auch die Möglichkeit, die Form statt mit Sand oder Wasser mit Öl einzustreichen, um das Lösen des Tons zu erleichtern. Waren die Formlinge auf dem Trockenplatz angetrocknet, wurden sie in die Trockenregale gebracht.

Die Arbeit des Ziegelstreichers war, wie alle Ziegeleiarbeiten, anstrengend. Erst die Erfindung der Strangpresse erleichterte sie erheblich. Ihr Erfinder war der Berliner Unternehmer Carl Schlickeysen, der 1854 die erste funktionstüchtige Presse baute, mit der es möglich wurde, über ein entsprechend geformtes Mundloch kontinuierlich einen Tonstrang zu erzeugen, der auf dem Abschneidetisch vor der Presse mit dem Abschneider aus Draht in die gewünschte Ziegelbreite geschnitten wird. Das Mundstück der Strangpresse ist mit besonderer Sorgfalt gearbeitet, damit die beim Pressen entstehenden Probleme gemindert werden: Auf den Strang wird nämlich ein unterschiedlich starker Druck ausgeübt, der durch die Konstruktion des Mundstücks ausgeglichen werden muß.

Da die Strangpresse mit einem wesentlich stärkeren Druck arbeitet, als ihn der Ziegelstreicher auszuüben vermag, kann der Ton einen geringeren Wassergehalt haben. Der Formling ist damit bereits so steif, daß er ohne die Gefahr der Formveränderung im Regal trocknet und scharfe Kanten behält. Inzwischen ist mit der Heißaufbereitung des Tons ein weiterer Fortschritt erreicht worden, der eine bessere Verformbarkeit und eine kürzere Trockenzeit bietet. Die Strangpresse hat außerdem den Vorteil, daß sie über entsprechend gestaltete Mundstücke die Herstellung von Loch- und Hohlziegeln anstelle von Vollziegeln möglich macht - im Handstrichverfahren konnten nämlich nur Vollziegel hergestellt werden. Loch- und Hohlziegel sind heute weit verbreitet, weil sie mehrere Vorteile bieten: Es wird Ton gespart, damit wird das Gewicht des Ziegels reduziert, die Trockenzeit wird verkürzt, der Brand verläuft ebenfalls rascher, und schließlich ist auch die Handhabung beim Vermauern erleichtert. Außerdem liegen die Transportkosten wegen des geringeren Gewichts günstiger. Lochziegel weisen eine erhöhte Druckfestigkeit auf und haben eine bessere Lärm- und Wärmedämmung. Der österreichische Architekt Anton Brenner hat 1982/83 Lochziegel mit komplizierter Lochanordnung entwickelt, die den Weg des Wärmeflusses durch den Ziegel verlängern und damit die Wärmedämmung steigern.

Dachziegel wurden bei der Handanfertigung in flache Formen gepreßt und erhielten dann über einer gewölbten Platte ihre Rundung und die "Nase", mit der sie auf der Dachlatte aufgehängt wurden. Die besondere Belastung, der ein Dachziegel durch Niederschlag, Frost oder Sturm ausgesetzt ist, verbunden mit der Notwendigkeit eines geringen Gewichts, erfordert eine höhere Tonqualität. Im Handstrichverfahren waren bei der Herstellung von Dachziegeln zwei Former tätig, während Mauerziegel von einem Mann gepreßt wurden: Der eine Former drückte den Ton in die Form, einen Rahmen, und der zweite gab ihr die Wölbung. Die maschinelle Herstellung von Dachziegeln benötigt Formen, in denen der Formling exakt ausgedrückt und aus denen er leicht gelöst werden kann. Dazu sind Formen aus Gips, Gummi, Grauguß und Stahl entwickelt worden.


TECHNIKFoto
FORMATjpg


OBJEKT-PROVENIENZLage, Archiv des Orts- und Zieglermuseums
FOTO-PROVENIENZMünster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/O. Mahlstedt


QUELLE    Lehnemann, Wingolf | Handwerkliche und industrielle Ziegelherstellung | Dia 02, S. 9-12
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.8   1850-1899
3.9   1900-1949
Sachgebiet10.9   Arbeit, Beschäftigte
DATUM AUFNAHME2004-02-23
AUFRUFE GESAMT100
AUFRUFE IM MONAT20