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(107 KB)   Von Kriegsgefangenen im Stalag 326 (VI K) Senne gebastelte Tauschgegenstände / Sammlung der Dokumentationsstätte Stalag 326 (Vl K) / Münster, Landesmedienzentrum für Westfalen/S. Sagurna   Von Kriegsgefangenen im Stalag 326 (VI K) Senne gebastelte Tauschgegenstände / Sammlung der Dokumentationsstätte Stalag 326 (Vl K) / Münster, Landesmedienzentrum für Westfalen/S. Sagurna
TITELVon Kriegsgefangenen im Stalag 326 (VI K) Senne gebastelte Tauschgegenstände
GEOPOSITIONGoogle Maps OSM | 51.745228273865200 (NS), 8.712327182292938 (EW) (exakt)


INFORMATIONAm 08.08.1944 schrieb der Höhere SS- und Polizeiführer West u.a. an die Landesregierung Lippe:
"Von Ostarbeitern und Kriegsgefangenen werden außerhalb der Arbeiten Gebrauchsgegenstände wie Körbe und Spielwaren, darunter bewegliche Schmetterlinge, Hühner, Pfauen, kleine Fahrzeuge und sonstige Dinge hergestellt. Das Rohmaterial wie Blech, Holz und zum Teil wertvolle Farben, dürfte zweifellos zum größten Teil an den Arbeitsstellen entwendet worden sein.

Die Ostarbeiter und Kriegsgefangenen versuchen diese Gegenstände sehr häufig auf Straßen und Plätzen der Städte deutschen Volksgenossen anzubieten und gegen Lebensmittel bzw. Lebensmittelmarken einzutauschen. Insbesondere bei Frauen besteht häufig eine gewisse Bereitwilligkeit auf diesen Tauschhandel einzugehen. Da derartige Beziehungen zwischen deutschen Volksgenossen einerseits und Ostarbeitern und Kriegsgefangenen andererseits vom volkstumspolitischen Standpunkt höchst unerwünscht sind und zum anderen auch Gefahren für die Staatssicherheit mit sich bringen, bitte ich, alle Angehörigen der Ordnungspolizei eingehend zu unterrichten und sie anzuweisen, derartige Tauschhandel zu unterbinden.

Gegebenenfalls ist Meldung bzw. Anzeige zu erstatten, die den zuständigen Staatspolizei(leit)stellen zuzuleiten ist."

Obwohl jeglicher Kontakt zwischen der Bevölkerung und den sowjetischen Kriegsgefangenen von Anfang an strikt untersagt war, war der Unmut dieses führenden Repräsentanten des NS-Regimes durchaus begründet. Spätestens mit Beginn des Arbeitseinsatzes gehörten die Gefangenen zum Alltag der Deutschen, in dem sich - im weitesten Sinne - zwischenmenschliche Beziehungen nicht mehr verhindern ließen.

Schon kurz nach der Ankunft der ersten Rotarmisten hielt die SD-Außenstelle Bielefeld am 30.07.1941 zum Thema "Stalag 326" in ihrem Lagebericht fest: "Während es der größte Teil der Bevölkerung als unbedingt gerecht ansieht, daß die Gefangenen noch immer keine Baracken haben und auf freiem Feld nächtigen müssen ..., glaubt ein kleiner Teil vornehmlich konfessionell gebundener Menschen aus einer gewissen Humanitätsduselei heraus diese Behandlung als barbarisch ablehnen zu müssen." Ganz einfach Mitleid mit den Lebensumständen der Gefangenen veranlaßte mit zunehmender Kriegsdauer immer mehr Deutsche dazu, den Gefangenen trotz strenger Strafandrohungen Lebensmittel zukommen zu lassen. Daß solche Strafen bis hin zu Gefängnis auch verhängt wurden, belegen zahlreiche Gestapo-Unterlagen.

Gerade auf den Bauernhöfen im ländlich geprägten Ostwestfalen-Lippe gehörten die Gefangenen zum Alltag. Oft ließ sich der Betrieb sogar nur dank ihrer Hilfe weiter fortführen, wenn einige der wehrfähigen Männer zum Kriegseinsatz eingezogen worden waren. Hier saß der "Familienrusse" manchmal sogar wie ein normaler Familienangehöriger mit am Tisch, ein Sachverhalt, an den sich noch heute viele ältere Bewohner der Region erinnern. Kam dann ein Fremder, so heißt es in manchen Berichten, habe der Gefangene schnell aus der Stube verschwinden müssen. Die Beziehungen gestalteten sich gelegentlich so familiär, daß Hofangehörige nach der Befreiung 1945 von "ihrem" Gefangenen Zettel erhielten, auf denen er ihnen bescheinigte, ihn während der Zeit seiner Gefangenschaft gut behandelt zu haben.

Besonders die Geschicklichkeit der "Russen" lernte man sehr schnell schätzen. Sie waren in der Lage, aus einfachsten Materialien kleine Kunstwerke zu basteln: Holz, Stroh und Metallabfälle dienten als Rohstoff für Spielzeug oder Gebrauchsgegenstände wie Schachteln oder Kästchen, die sich dann auch sehr gut als Geschenke verwenden ließen. Bis heute werden in vielen Familien derartige Gegenstände aufbewahrt, einen Teil davon erhielt die Dokumentationsstätte Stalag 326 zu Ausstellungszwecken.

Die Arbeiten besaßen für die Gefangenen jedoch auch eine durchaus existenzielle Bedeutung, ließen sie sich doch sehr gut gegen Lebensmittel eintauschen. Eben diesen Sachverhalt prangerte der Höhere SS- und Polizeiführer in Düsseldorf an. Inhaltlich ging es zwar um den Rohstoff, der der Kriegswirtschaft entzogen wurde, tatsächlich aber spielte eine wenigstens ebenso große Bedeutung die Tatsache, daß durch diese Arbeiten die Gefangenen Immer weniger als das erschienen, als was sie die Propaganda hinzustellen versuchte: als primitive, kulturunfähige Untermenschen. Insofern sah man sich in Düsseldorf nicht zuletzt aus weltanschaulichen Gründen gezwungen, auf das Schädliche und Schändliche solchen Handelns hinzuweisen.

Wenn auch ein solches Verhalten relativ oft vorkam, so sollte man sich davor hüten, es zu verallgemeinern. Häufig wurden derartige Fälle denunziert und dann als "Verbrüderung mit dem Feind" oder "ehrloses Verhalten" zum Teil öffentlich gebrandmarkt und rigoros bestraft. Die erhaltenen Unterlagen von Staatsanwaltschaften und Polizei legen dafür ein eindringliches Zeugnis ab. Auszug aus einem Urteil gegen eine Frau aus dem Ort S., der Beziehungen zu einem sowjetischen Gefangenen bis hin zum mehrmaligen Geschlechtsverkehr zur Last gelegt wurden:
"Jedem Volksgenossen ist jeder Umgang mit Kriegsgefangenen und jede Beziehung zu ihnen untersagt. Das ist für jeden volkstumsbewußten und vaterländisch denkenden Deutschen eine Selbstverständlichkeit. Diese Verpflichtung besteht gegenüber den Kriegsgefangenen, die einem Volk angehören, das wie das russische sich die Vernichtung des deutschen Volkes zum Kriegsziel gesetzt hat, in besonderem Maße. Das hat die Angeklagte, wie sie zugegeben hat, auch gewußt. Gleichwohl hat sie sich vorsätzlich aus persönlichen Gründen über dieses Gebot hinweggesetzt und sich sogar soweit herabgewürdigt, sich zum Geschlechtsverkehr herzugeben. ihre Straftat wiegt daher besonders schwer ... ".
Die meisten Sätze sind im Original unterstrichen. Die Strafe bestand für die 22jährige Frau in drei Jahren Zuchthaus und drei Jahren Ehrverlust, der Gefangene kam in ein Konzentrationslager.


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OBJEKT-PROVENIENZSammlung der Dokumentationsstätte Stalag 326 (Vl K)
FOTO-PROVENIENZMünster, Landesmedienzentrum für Westfalen/S. Sagurna


QUELLE    Otto, Reinhard | Das Stalag 326 (VI K) Senne | Dia 10, S. 38-40
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.9   1900-1949
Ort2.2.9   Schloß Holte-Stukenbrock, Gemeinde
DATUM AUFNAHME2004-02-03
AUFRUFE GESAMT407
AUFRUFE IM MONAT83