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(94 KB)   England als Maßstab und Vorbild - Ludwig Vinckes "Darstellung der innern Verwaltung Großbritanniens", 1808 (Titelblatt) / Münster, Universitäts- und Landesbibliothek / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/S. Sagurna   England als Maßstab und Vorbild - Ludwig Vinckes "Darstellung der innern Verwaltung Großbritanniens", 1808 (Titelblatt) / Münster, Universitäts- und Landesbibliothek / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/S. Sagurna
TITELEngland als Maßstab und Vorbild - Ludwig Vinckes "Darstellung der innern Verwaltung Großbritanniens", 1808 (Titelblatt)
DATIERUNG1808 / 1815
GEOPOSITIONGoogle Maps OSM | 51.745228273865200 (NS), 8.712327182292938 (EW) (exakt)


INFORMATIONLudwig Vinckes "Darstellung der innern Verwaltung Großbritanniens" wurde 1808 verfaßt und 1815 von Barthold Georg Niebuhr, dem Althistoriker und Finanzfachmann des preußischen Reformerkreises, in Buchform herausgegeben. Anlaß der Schrift war die Erstellung von Gutachten zu den von Stein geleiteten Reformen. Inhaltlich ging sie auf Erfahrungen und Beobachtungen zurück, die Vincke auf zwei Englandreisen sammelte. Die erste unternahm er von April bis September 1800, in der Landratszeit. Sie diente der weiteren Qualifikation als Verwaltungsfachmann, wurde, da im Interesse des Staates liegend, vom damaligen Oberkammerpräsidenten Stein und den zuständigen Berliner Ministern unterstützt und war für den weiteren Karriereverlauf nützlich. Ganz anders verhielt es sich bei der zweiten Reise von Ende Mai bis Anfang August 1807. Der aus dem französischen Dienst entlassene Präsident des Administrationskollegiums trug sich mit Aufstandsplänen gegen die napoleonische Herrschaft in Mitteleuropa und suchte die britische Regierung - vergeblich - für eine militärische Befreiungsaktion zu gewinnen. Doch ebenso wie die erste Reise bewirkte die zweite eine nachhaltige Beeinflussung von Vinckes Ansichten in wirtschaftlichen und politischen Angelegenheiten.

Schon während der Ausbildungszeit in der kurmärkischen Kammer war Vincke, vermittelt durch den befreundeten kurmärkischen Landrat Heinrich Graf von Itzenplitz, mit den Betriebs-, Anbau- und Arbeitsmethoden der englischen Landwirtschaft bekannt gemacht worden. Der in Berlin und umliegenden Dörfern begüterte ltzenplitz pflegte nicht nur Kontakt mit führenden deutschen Agrarreformern wie Albrecht Thaer, sondern auch mit dem Präsidenten des britischen "Board of agriculture". Über ihn beschaffte sich Vincke als Mindener Landrat englische Pflüge. Intensiv befaßte er sich mit der einschlägigen Literatur über Landwirtschaft, Industrie und Steuerwesen des Inselreiches. Eigene Interessen und offizielle Regierungsaufträge führten 1800 zu einem umfassenden Besichtigungsprogramm. Auf Musterfarmen lernte er Ackerbau und Viehzucht, landwirtschaftliche Gebäude, Einrichtungen und Maschinen kennen. Seine Aufmerksamkeit galt technischen Fortschritten in der Textilindustrie und der Verwendung von Steinkohlen ebenso wie Heil- und Strafanstalten, Brauerei- und Brennereibetrieben. Im Jahre 1807, auf seiner zweiten Reise, vertiefte er seine alten Eindrücke, aus denen er nicht zuletzt unter dem Einfluß des in London lebenden, aus Genf stammenden Finanzwissenschaftlers Frangois d'Ivernois ein positives Gesamtbild formte.

Noch wichtiger als der wirtschaftliche Vorsprung Großbritanniens schienen Vincke die Vorzüge des politisch-sozialen Systems. Auf seinen Reisen lernte er letztere unter anderem durch die Anhörung von Unterhausdebatten und Gerichtsverhandlungen kennen. Besonderen Gefallen fand er an dem die ganze Gesellschaft durchziehenden public spirit. Bürgerschaft und - das war für den Kontinentaleuropäer das Besondere - Adel trugen gleichermaßen zu den Lasten des Staatshaushalts bei. Selbstverwaltung und Eigeninitiativen dominierten im öffentlichen Leben. Der Bau von Straßen, Kanälen und Brücken lag in der Hand von Genossenschaften; das Parlament sprach die Genehmigung aus, um dann keine weitere Kontrolle mehr auszuüben. Einer solchen Selbstverwaltung, so Vincke, war die preußische bevormundende Bürokratie unterlegen. Regierung und Parlament schränkten in England die Autonomie der Grafschaften und Kirchspiele kaum ein, weil die hier und dort herrschende Klasse identisch war. Kommunalverbände und Staatsleitung arbeiteten harmonisch zusammen. Ludwig Vincke bewunderte die im Vergleich zu den preußischen Beamten größere Selbständigkeit von Exekutivorganen, der Lordlieutnants, Sheriffs und Konstabler. Die Friedensrichter schienen ihm ein Äquivalent für die fehlenden Provinzialstände. Zu den Vorzügen der englischen Verwaltung gehörte aus seiner Sicht nicht zuletzt die Tatsache, daß die Besitzenden die Ämter unentgeltlich bekleideten. Es entsprach dem weit verbreiteten public spirit, daß sie sich für öffentliche Aufgaben gern in die Pflicht nehmen ließen. An der gewiß idealisierten englischen Verfassung hatte Ludwig Vincke wenig auszusetzen. Immerhin kritisierte er das Fehlen einer planmäßigen Volkserziehung sowie Mängel in der Medizinalpolizei und der Jury-Gerichtsbarkeit. Alles in allem aber war das englische Modell in Vinckes Denkschriften zu den Preußischen Reformen und in den späteren politisch-administrativen Leitlinien von erheblicher Bedeutung.


TECHNIKTypendruck
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OBJEKT-PROVENIENZMünster, Universitäts- und Landesbibliothek
FOTO-PROVENIENZMünster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/S. Sagurna


QUELLE    Burg, Peter | Ludwig Freiherr von Vincke | Dia 04, S. 32-34
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.7   1800-1849
DATUM AUFNAHME2004-02-23
AUFRUFE GESAMT204
AUFRUFE IM MONAT85