MEDIEN

(72 KB)   Neujahrswünsche eines Potsdamer Garde-Invaliden, der sich Vincke als Friseur empfiehlt: Vincke in der Zeit der Preußischen Reformen, 1804 / Münster, Landesarchiv NRW / Staatsarchiv Münster / Münster, Landesarchiv NRW / Staatsarchiv Münster   Neujahrswünsche eines Potsdamer Garde-Invaliden, der sich Vincke als Friseur empfiehlt: Vincke in der Zeit der Preußischen Reformen, 1804 / Münster, Landesarchiv NRW / Staatsarchiv Münster / Münster, Landesarchiv NRW / Staatsarchiv Münster
TITELNeujahrswünsche eines Potsdamer Garde-Invaliden, der sich Vincke als Friseur empfiehlt: Vincke in der Zeit der Preußischen Reformen, 1804
DATIERUNG1810-01-01


INFORMATIONEin Potsdamer Friseur, ein invalider Gardesoldat, übersandte dem Regierungspräsidenten Ludwig Vincke zum Neujahrstag 1810 die abgebildete Glückwunschkarte, auf der dieser in seinem Arbeitszimmer porträtiert war. Einige Wochen zuvor hatte der Friseur, offensichtlich ein Mann mit originellen Ideen, erfolgreich um den prominenten Kunden geworben. Der eine neue berufliche Existenz aufbauende Invalide, der in der Karte über die "narungslose Zeit" klagt, steht sinnbildlich für den preußischen Staat nach den katastrophalen Niederlagen von Jena und Auerstedt. Absturz und Neubeginn hatte auch der Potsdamer Regierungspräsident hinter sich. Nach der Entlassung aus dem französischen Dienst Ende März 1807 fand er in Preußen, das aufgrund hoher Kontributionspflichten und eines stark verkleinerten Territoriums seinen Verwaltungsapparat reduzieren mußte, zunächst keine adäquate Anstellung. Er erhielt in Anerkennung seiner Loyalität vom preußischen Monarchen Bezüge infolge seiner früheren Kammerpräsidententätigkeit. Ungeachtet seines offenen dienstlichen Status' beteiligte er sich durch Gutachten, um die der leitende Minister vom Stein ihn bat, aktiv am Reformwerk. Das bringt viel zum Ausdruck: sein Bekenntnis zum preußischen Staat in einer Zeit der Not und Demütigung, seine Zustimmung zum Neuaufbau unter Ausschöpfung aller staatlichen und gesellschaftlichen Ressourcen, seinen Willen zum Widerstand gegen einen anscheinend übermächtigen Gegner, seine Hoffnung auf einen letztendlichen Erfolg. Unterschwellig gab es, je länger je mehr, aber auch eine gegenläufige Stimmung: Zweifel und Verzagen.

Die persönliche Bekanntschaft mit dem Reformerkreis war für Vincke ebenso wichtig wie die Mitarbeit an der Sache. Mit Stein, nunmehr im Zenit der Macht stehend, verband ihn bereits jahrelang mehr als ein dienstliches Verhältnis, das von einer weitgehenden Übereinstimmung in politischen Ziel- und Wertvorstellungen getragen wurde und in der Restaurationszeit trotz heftiger, meist in der adelsfreundlicheren Politik des einstigen Reichsritters gründender Konflikte standhielt. Karl August von Hardenberg befand sich in der Zeit, in der sich Vincke im preußischen Reststaat aufhielt, d.h. mit Unterbrechungen zwischen Ende 1807 und Anfang 1810, nicht in einem offiziellen Amt, fungierte aber doch als Drahtzieher hinter den Kulissen. Die beiden waren einander persönlich bekannt, und wenn der spätere Staatskanzler den frustrierten Potsdamer Regierungspräsidenten zu einem längeren Aushalten im Amt aufforderte, so ist dies als ein Zeichen der Wertschätzung zu verstehen. Nach der Befreiung von der napoleonischen Herrschaft und der Rückkehr Vinckes in die Verwaltung konnte diese Wertschätzung in einer konstruktiven Zusammenarbeit mit konkretem Leben gefüllt werden.

Unterhalb der Ebene der leitenden Minister ist besonders Karl Freiherr von Stein zum Altenstein zu nennen, in der Reformzeit Oberfinanzrat und Mitglied der für die Reorganisation des preußischen Staates maßgeblichen Kombinierten Immediatkommission, nach dem Sturz Steins Finanz- und seit 1817 für mehr als zwei Jahrzehnte Kultusminister. Er stimmte in der Sache mit vielen Reformvorschlägen Vinckes überein. Vorsitzender der Immediatkommission, die sich mit inneren Angelegenheiten und dem Finanzwesen befaßte, war Wilhelm Anton von Klewitz, von 1817 bis 1825 Finanzminister. Langfristig bedeutsame persönliche Bekanntschaften wurden in der Reformzeit geschlossen oder intensiviert mit den später als Oberpräsidenten herausragenden Theodor von Schön, gleichfalls Mitglied der Immediatkommission, und Johann August Sack, nach dem Tilsiter Frieden Leiter der Friedensvollzugskommission. Die beiden Brüder Friedrich Leopold und Karl Wilhelm von Schrötter, Staatsminister bzw. Kanzler und Justizminister, aus Ostpreußen, Barthold Georg Niebuhr und Friedrich August von Staegemann komplettierten den Reformerkreis, dem Vincke zuarbeitete und der ihm - im Gegenzug - Anfang des Jahres 1809 den Wiedereintritt in den preußischen Staatsdienst, zunächst im Finanzministerium, ermöglichte.

Die Mitarbeit am Reformwerk bewirkte darüber hinaus - neben der Gewinnung einflußreicher Bekannter - eine optimale fachliche Qualifikation für die neue Staatsverwaltung, etwa das Amt des neugeschaffenen Regierungspräsidenten. Ludwig Vincke hatte sich mit einem sehr weiten Themenspektrum befaßt: Veräußerung von Domänen, Staatsschulden, Katastrierung und Bonitierung von Grund und Boden zur Revision der Grundsteuern, Behördenorganisation, Polizeiverwaltung, Gewerbefreiheit, ständische Vertretungen, Gemeindeordnung, städtische Selbstverwaltung und anderes mehr. Wie Stein wollte sein Mitarbeiter an die Stelle einer bürokratischen Vielherrschaft bzw. absolutistischen Monarchie eine übersichtliche, kollegial zusammengesetzte Administration mit möglichst vielen Selbstverwaltungselementen treten lassen. Englische Leitbilder spielten in dem von den Denkschriften entworfenen politisch-sozialen System eine große Rolle.

Als der Präsident der kurmärkischen Kammer, der Vorgängerinstitution der Potsdamer Regierung, Karl Friedrich Leopold von Gerlach, zurücktrat, übrigens ein Gegner der Steinschen Reformen, der eine Unterstellung unter den bürgerlichen Oberpräsidenten Johann August Sack für unzumutbar hielt, war Vincke der geeignete Nachfolger. Dieser übernahm allerdings ein Amt, das er wegen einer Aufgabenüberlastung für verfehlt hielt, die Einrichtung eines Oberpräsidenten hielt er damals für überflüssig. Ein Gehalt von 5.100 Talern jährlich vermochte den Regierungspräsidenten nicht lange zu binden, auch nicht, daß er einige Beamte aus Westfalen für sein Kollegium berufen konnte. Er trug sich alsbald mit Rücktrittsgedanken, wobei mehrere Motive zu erkennen sind: Kritik an der noch unvollendeten Neuorganisation des Staates; mehr noch die Kritik an der Außenpolitik, insbesondere der 1809 ausgebliebenen Unterstützung Österreichs im Krieg gegen Frankreich; nicht zuletzt der Wunsch der Eheschließung mit Eleonore von Syberg, die ihre märkische Heimat nicht mit der Kurmark tauschen wollte. Auf das Mitwirken am Reformwerk folgte ein Rückzug ins Privatleben. Zu den bleibenden Folgen der Jahre 1807 bis 1810 gehörte sein späteres selbstbewußtes Auftreten in Berlin. Er kannte als "Mann der ersten Stunde" die großen Akteure der Politik und die noch eine beträchtliche Zeitlang virulenten Sachprobleme, vor die der preußische Staat, unentschieden zwischen Weiterführung oder Beendigung der Reformen, gestellt war.


FORMATjpg


OBJEKT-PROVENIENZMünster, Landesarchiv NRW / Staatsarchiv Münster
OBJEKT-SIGNATURNachlass Vincke, A III, 270
FOTO-PROVENIENZMünster, Landesarchiv NRW / Staatsarchiv Münster


QUELLE    Burg, Peter | Ludwig Freiherr von Vincke | Dia 06, S. 37-40
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.7   1800-1849
DATUM AUFNAHME2004-02-23
AUFRUFE GESAMT245
AUFRUFE IM MONAT83