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(91 KB)   Rincklake, Johann Christoph (1764-1813): Die münsterschen Kaufmannsfamilien Beyerle und Wirtensohn, 1804 / Privatbesitz / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/S. Sagurna   Rincklake, Johann Christoph (1764-1813): Die münsterschen Kaufmannsfamilien Beyerle und Wirtensohn, 1804 / Privatbesitz / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/S. Sagurna
TITELDie münsterschen Kaufmannsfamilien Beyerle und Wirtensohn, 1804
URHEBER OBJEKTRincklake, Johann Christoph (1764-1813)
DATIERUNG1804


INFORMATIONSeit dem Ende des Siebenjährigen Krieges waren die bildenden Künste in Münster in eine stagnierende Phase getreten. Sowohl die Begeisterung als auch die offiziellen materiellen Mittel für Bauten der barocken Architektur fehlten; die private Bautätigkeit setzte erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts wieder ein, als z.B. der Druffelsche und der Rombergsche Hof fertiggestellt wurden. Auch wenn der Minister Franz von Fürstenberg im Gegensatz zu seinem österreichischen Fürstbischof Maximilian Franz durchaus ein Förderer der Künste war, so lehnte er die Einrichtung eines Lehrstuhles für Malerei und Bildhauerei in Münster doch ab. Die Malerei um die Jahrhundertwende beschränkte sich auf Supraporten, die Kunst, die auf dem Wandfeld oberhalb einer Tür zu sehen war und in adeligen Gesellschaftskreisen auf repräsentative und "idealisierende" Portraits. Diese Kunstformen galten ausschließlich der dekorativen Raumausstattung, ohne künstlerischen Anspruch anzustreben. Zunehmend gaben auch reiche Bürgerliche diese prestigeträchtigen Selbstbildnisse in Auftrag. Dadurch wurden die Anfänge des erwachenden bürgerlichen Selbstbewußtseins als ein Indiz für die allmähliche Auflockerung der bis dato fest verankerten Ständegesellschaft erkennbar.

Diese "erstarrte" Form der Portraitmalerei änderte sich maßgeblich durch das vielfältige Schaffen des Bildnismalers Johann Christoph Rincklake (1764-1813), der sich durch das Herstellen von Portraits, Familienbildern und Kopien seine Malerexistenz sichern mußte. Als Vorbild diente ihm z.B. das Portrait der Familie des Erbdrosten Clemens August Freiherr von Droste-Vischering, das sein erster Lehrer, der reisende Hofmaler Georg Oswald Max, geschaffen hatte. Bereits bei diesem Gemälde wird eine Wende hin zu einer funktionalen Darstellung der Person deutlich. Diese neue Art von charakterisierender Malerei setzte Rincklake fort, als er 1804, anläßlich des 50. Geburtstages des Fabrikanten und Kolonialwarenhändlers Johann Evangelist Beyerle, diesen mit dessen Frau und der Familie der Tochter in dessen Garten portraitierte. Die Tochter Beyerles, die junge Frau des Kaufmanns Wirtensohn, bildet den zentralen Anziehungspunkt des Gemäldes. Sie wirkt durch Ausstrahlung und Kleidung beinahe aristokratisch und die großzügig angelegte Weinlaube sowie das im Hintergrund liegende, stattliche Haus ihres Vaters bestätigen den Eindruck, daß es sich bei den beiden Familien um sehr wohlhabende Bürger handelte. Die Großmutter (sitzend, mit der Kaffeekanne in der rechten Hand) ist allerdings sehr natürlich-schlicht in einfacher Alltagskleidung dargestellt. Als einzige schaut sie ihren herannahenden Mann nicht an, sondern richtet ihren Blick auf den Betrachter. Sie wirkt liebenswürdig, in sich ruhend, als harmonisierende Integrationsfigur des familiären Zusammenseins. Ganz anders ist der junge Schwiegersohn am rechten Bildrand gezeichnet. Durch seine Körperhaltung und seinen durchdringenden Blick vermittelt er den Eindruck einer entschlossenen, ehrgeizigen, fast schon ein wenig kampfeslustigen Person. Er scheint sich mit seinem Schwiegervater messen zu wollen. Dieser ist im Gegensatz zu den übrigen Erwachsenen auf dem Bild eher schwach gezeichnet worden, obwohl er, dem Anlaß entsprechend, die Hauptperson des Portraits sein sollte. Auch die drei Kinder sind eher kindlich-schematisch, ohne eigene Persönlichkeit dargestellt worden. Aber sie bringen Bewegung in das Bild und lassen es lebendig und authentisch erscheinen. Der Aspekt der menschlich-psychologischen und funktionalen in diesem Falle familiären Darstellung in der Portraitmalerei erfuhr unter Rincklake in Münster eine Blütezeit. Er malte nicht nur bedeutende Adelige und zu Reichtum gekommene Bürgerliche, sondern auch einfache Leute aus dem Volk. Da er selbst weder in einer Zunft organisiert war, noch auf der Grundlage von höfischen Aufträgen arbeitete, sondern lediglich auf seine qualifizierte Ausbildung zurückgreifen konnte, repräsentierte er auch den neuen Typus eines durch sein Schaffen zu Ansehen gekommenen Bürgerlichen. Mit seiner zeitgenössischen, wirklichkeitsgetreuen Kunst konnte sich das Bürgertum identifizieren. Als Reaktion darauf wurde 1831 der Westfälische Kunstverein gegründet. Einen Nachfolger fand Rincklake u.a. in Johannes Sprick, der um 1840 mit der gleichen menschlichen "Anteilnahme" die Familie des Freiherrn von Twickel beim Tee im Haus Havixbeck portraitierte.

Beyerle gehörte als Kolonialwarenhändler zu Anfang des 19. Jahrhunderts in Münster sicherlich zu einer gewerblichen Minderheit. Der Fernhandel war primär den holländischen Kaufleuten vorbehalten, und in Deutschland war das Exportgewerbe auf Frankfurt zentriert. Um 1802 stellten die münsterischen Kaufleute und Kleinhändler mit 6,1% einen recht geringen Teil des städtischen Gewerbes dar, innerhalb dessen die Exportgewerbetreibenden nochmals eine Minderheit bildeten. 15,6 % der männlichen, arbeitenden Bevölkerung waren im Handwerk tätig (im Vergleich dazu arbeiteten 40,8 % als Lohnabhängige). Auch wenn das Handwerk um die Jahrhundertwende nicht besonders spezialisiert war, so stellte es doch noch den wichtigsten städtischen Erwerbszweig. Zwar befriedigte es in den Branchen des Textil-, Bau- und Ausstattungsgewerbes primär die lokalen Bedürfnisse, aber es konnte dabei auf eine beständige und daher fördernde, ortsansässige Käuferschicht zurückgreifen. Dadurch entstand einerseits eine relativ große Abhängigkeit von den münsterischen Konsumenten, aber andererseits war das hiesige Handwerk somit auch relativ unabhängig von der allgemeinen Konjunktur und damit krisenstabil. Bis in die französische Zeit blieben die ca. 700 Handwerksbetriebe in ihren 28 Zünften organisiert. Mit der Einführung der Patentsteuer 1809 und besonders durch die endgültige Auflösung der Gilden ein Jahr später setzte sich die Gewerbefreiheit durch. Auch anhand der zahlreichen Gründungen von aufklärerischen Zirkeln, oft bürgerlichen Ursprungs, gegen Ende des 18. Jahrhunderts lassen sich zumindest Tendenzen von Auflockerung in der ständischen Gesellschaft hin zur bürgerlichen erkennen: 1775 entstand der Civilclub, dessen Mitglieder sich hauptsächlich aus der fürstbischöflichen Beamtenschaft rekrutierten; seit 1802 wurden auch preußische und damit protestantische Mitglieder aufgenommen; ab 1810 kamen einige französische Beamte dazu. 1778 wurde die Freimaurerloge "Friedrich zu den drey Balken" gegründet; 1782 rief Fürstenberg als adeliges Äquivalent zu diesen bürgerlichen Gesellschaften den "Adeligen Club" ins Leben. Kurze Zeit später entstand der "Adelige Damen-Club", dessen Mitgliedschaft ebenfalls auf den einheimischen Adel beschränkt war. 1796 wurde der noch heute bestehende "Zwei-Löwen-Club" gegründet. In einigen dieser geselligen Kreise kam es, besonders in französischer Zeit, durchaus zu sozialen "Vermischungen". Letztlich blieb die ständische Zugehörigkeit allerdings bis zur Einführung des  "Code Napoléon" bestehen, der die staatsbürgerliche Gleichheit reklamierte, auch wenn der Adel seine sozialen und ökonomischen Privilegien noch aufrechterhalten konnte.


MATERIALÖl/Leinwand
FORMATjpg
MASZE125,0 x 162,0 cm


OBJEKT-PROVENIENZPrivatbesitz
FOTO-PROVENIENZMünster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/S. Sagurna


QUELLE    Elsermann, Silke | Münster in napoleonischer Zeit | Dia 05, S. 23-25
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.7   1800-1849
Ort3.5   Münster, Stadt <Kreisfr. Stadt>
Sachgebiet6.9   Ehe, Partnerschaft, Familie, Familienleben
DATUM AUFNAHME2004-02-24
AUFRUFE GESAMT437
AUFRUFE IM MONAT87