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(63 KB)   Harkort als Publizist: "Bemerkungen über die Hindernisse der Civilisation und Emancipation der untern Klassen", Elberfeld 1844 / Münster, Universitäts- und Landesbibliothek / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/J. Klem   Harkort als Publizist: "Bemerkungen über die Hindernisse der Civilisation und Emancipation der untern Klassen", Elberfeld 1844 / Münster, Universitäts- und Landesbibliothek / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/J. Klem
TITELHarkort als Publizist: "Bemerkungen über die Hindernisse der Civilisation und Emancipation der untern Klassen", Elberfeld 1844
DATIERUNG1844
GEOPOSITIONGoogle Maps OSM | 51.745228273865200 (NS), 8.712327182292938 (EW) (exakt)


INFORMATIONNach dem Scheitern seiner unternehmerischen Projekte wandte sich Friedrich Harkort in seiner zweiten Lebenshälfte verstärkt der Politik zu und trat vor allem als Publizist hervor. Ausgehend von dem liberalen Grundsatz, daß jeder Mensch "den Stempel der Freiheit auf der Stirne" [1] trägt, hatte der Staat nach Harkorts Überzeugung die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß jeder Einzelne sich aus eigener Kraft und nach Vermögen, aber in Übereinstimmung mit den herrschenden Konventionen und Gesetzen entfalten konnte. In wirtschaftlicher Hinsicht befürwortete Harkort daher die Gewerbefreiheit und die Freihandelslehre von Adam Smith, allerdings mit der Forderung nach staatlichen Eingriffen, die die Konkurrenzfähigkeit des jeweiligen Wirtschaftszweiges sichern sollten. In Preußen waren bislang die bürgerlich-liberalen Forderungen nach einer Verfassung, nach Rechts- und Sozialreformen - trotz des Versprechens Friedrich Wilhelms lll. - nicht erfüllt worden. Die Einrichtung beratender Provinzialstände im Jahr 1823 verminderte die wachsenden Spannungen zwischen Staat und bürgerlicher Gesellschaft nicht. Verhindert wurde die soziale Harmonie für Harkort vor allem durch das reaktionäre und reformunwillige Verhalten des Adels und der Großgrundbesitzer, die sich zwischen König und Volk stellten, sowie durch eine immer unruhiger werdende Unterschicht.

Deutlich erkannte Harkort die soziale Krise des Vormärz, das Elend der verarmten Massen, die sich zu einem "Vierten Stand" formierten und den Bestand der bürgerlichen Gesellschaft bedrohten.
"Unsere Staatsmänner erziehen die Proletarier und den Pauperismus in unheildrohenden Massen, die, arm an geistigem und irdischem Gute, in Bildung und Reichthum nur den Feind und Dränger sehen. Betrachtet jene Millionen in England, Irland, Frankreich, in allen großen Städten, die bereit sind die Welt in Brand zu stecken, da sie nichts zu verlieren haben, und unsere Warnung wird gerecht erscheinen. (...) Die untern Klassen besitzen die Arbeitsfähigkeit, allein es fehlen die Kenntnisse, um solche den Kapitalien gegenüber geltend zu machen." [2]

In den frühen 40er Jahren verfaßte Harkort seine bedeutendsten sozial- und schulpolitischen Schriften. Mit diesen Schriften gehört er zum Kreis bürgerlicher Sozialreformer, deren Ziel - auf der Basis der "Hilfe zur Selbsthilfe" - die soziale Integration des Vierten Standes in die bürgerliche Gesellschaft war. Harkorts "Bemerkungen über die Hindernisse der Civilisation und Emancipation der untern Klassen" aus dem Jahr 1844 basieren nicht auf theoretischen Überlegungen, obwohl sein Werk die kritische Auseinandersetzung mit den französischen und englischen Gesellschaftstheoretikern der Zeit wie z.B. Blanqui, Guizot und Malthus zeigt. Harkorts Beiträge waren Forderungen der Stunde, die er als "Mann der Praxis" aufstellte.
"Beruf und Schicksal haben mich von Jugend auf gewöhnt, das Leben mit nüchternem Blick von der practischen Seite her zu betrachten. Stündlich umgeben von Arbeitern, seit dreißig Jahren täglich unmittelbar in Berührung mit den untern Klassen, habe ich eine klare Anschauung ihrer Verhältnisse gewonnen." [3]
Das Programm, das ihm zur Lösung der sozialen Frage vorschwebte, gliederte er in vier Bereiche:

  1. Die Existenzsicherung der Arbeiter durch assoziative Zusammenschlüsse wie Kranken-, Alters- und Invalidenversicherungen.
  2. Die Förderung von Eigentumserwerb und Seßhaftigkeit durch Spar- und Darlehenskassen sowie die Ansiedlung auf eigenem Grund und Boden bzw. den Bau von Werkssiedlungen.
  3. Umwandlung der Betriebsverfassungen in Richtung einer Mitsprache - noch nicht Mitbestimmung - der Arbeiter; daneben das Verbot von Kinderarbeit und die Festlegung einer Maximalarbeitszeit von 13 Stunden bei 2 Stunden Pause.
  4. Die Verwirklichung eines umfassenden Volksbildungssystems, das vom Kindergarten über Volks- und Berufsschulen führen und durch Arbeiterbildungsvereine und Volksbibliotheken ergänzt werden sollte.


Die Einbeziehung des Bildungswesens in seine sozialpolitischen Überlegungen - Harkort sah in Unwissenheit und Vernachlässigung der Ausbildung den wesentlichen Grund für die sozialen Mißstände - hob ihn über andere Sozialreformer seiner Zeit hinaus. Letztlich wollte er die Arbeiter vor allem durch politische Bildung gegen die Verführung durch sozialistische und kommunistische "lrrlehren" immun machen. Denn fast zeitgleich mit dem von Harkort vorgestellten Modell der Integration des Vierten Standes in die Gesellschaft entwickelten sozialistische und kommunistische Vordenker ihre Theorien des Klassenkampfes, an dessen Ende die Diktatur des Proletariats stehen sollte. Ihre endgültige Ausformung fanden diese Thesen in dem von Karl Marx und Friedrich Engels 1848 veröffentlichten "Kommunistischen Manifest".


[1] Harkort, Civilisation, S. 80.
[2] Harkort, Civilisation, S. 8f.
[3] Harkort, Civilisation, S. 23.


TECHNIKTypendruck
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OBJEKT-PROVENIENZMünster, Universitäts- und Landesbibliothek
FOTO-PROVENIENZMünster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/J. Klem


QUELLE    Killing, Anke | Friedrich Harkort | Dia 07, S. 26-28
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.7   1800-1849
DATUM AUFNAHME2004-02-24
AUFRUFE GESAMT1625
AUFRUFE IM MONAT183