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(2 KB)   Franz von Papen als Page am Berliner Hof, 1897 / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/E. Tschich   Franz von Papen als Page am Berliner Hof, 1897 / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/E. Tschich
TITELDie Revolution 1848 in Iserlohn: Plakat "Einhundert Thaler Belohnung"
DATIERUNG1848
GEOPOSITIONGoogle Maps OSM | 51.745228273865200 (NS), 8.712327182292938 (EW) (exakt)


INFORMATION"Wir Revolution? Wir in Preußen? Das ist ganz unmöglich. Wir wollen in Preußen friedliche volkstümliche Reform und eine liberale Verfassung, aber unter keinen Umständen Revolution!" [1] So lautete Friedrich Harkorts Antwort auf die Frage, ob sich die Revolution in Frankreich im Februar 1848 auch auf Preußen ausdehnen würde. Doch brachten die ersten Märztage auch in Preußen eine revolutionäre Bewegung, die König Friedrich Wilhelm IV. am 18. März veranlaßte, liberale und demokratische Reformen zu versprechen. Als aber bei einer Großkundgebung vor dem Berliner Schloß ein Schuß fiel, sah sich das Volk vom König verraten und griff das Militär an. Nach blutigen Barrikadenkämpfen in den Straßen Berlins befahl der König den Rückzug der Soldaten und die Umbildung der Regierung im liberalen Sinn. Im Mai 1848 trat in Berlin eine aus allgemeinen und gleichen Wahlen hervorgegangene Nationalversammlung zusammen und begann mit der Ausarbeitung einer Verfassung.

Auch Westfalen blieb von den Märzereignissen in Berlin nicht unberührt, die Mehrheit der Bevölkerung lehnte die Straßenrevolution allerdings aus Treue gegenüber dem Königshaus ab. Der älteste Neffe Friedrich Harkorts schrieb aus Harkorten: "Es verbreitet sich hier das Gerücht, daß ein Haufen Berliner das Ministerium gezwungen habe, abzudanken, und daß auch der König, der ewigen Unruhe müde, abgedankt habe und die Republik proklamiert sei. Wenn das ist, so giebt es Bürgerkrieg! Es marschieren noch Tausende in der Mark für den König." [2] Harkort selber notierte auf die Berichte aus Berlin:
"Ich kann mir erklären, daß eine verständige Bevölkerung in Aufwallung geraten kann, die weiter führt als das Gesetz erlaubt; allein wir schlichten Provinzialen gestehen der Hauptstadt das Recht nicht zu, in Barrikaden die Nation zu vertreten. (...) Allerdings bin ich 1830 in Münster der erste gewesen, welcher den Antrag auf Verfassung unterstützte, allein meinen Degen würde ich nur für den König ziehen, selbst wenn Berlin, Köln und Aachen auf dem Kopfe ständen." [3]

Wenn es nun in Westfalen doch zu Aufständen kam, lag die Ursache nicht in verfassungsrechtlichen und politischen Anliegen, sondern in schwerwiegenden sozialen Mißständen. Die blutigen Straßenkämpfe im März 1848 in Iserlohn, der damals größten Industriestadt Westfalens, zeigen dies exemplarisch: Die Bevölkerung litt noch unter den Folgen der Mißernte von 1846. Lohnsenkungen, die Entlassung von mehr als der Hälfte der Arbeiter sowie das Einsetzen einer allgemeinen Teuerung führten bereits im zeitlichen Vorfeld zu Unruhen. Mit Jubel wurde die Nachricht von der Revolution in Berlin begrüßt. Am Abend des 21. März kam es zu Übergriffen durch einzelne Gruppen demokratisch-sozialistisch gesinnter Arbeiter. Diese Unruhen veranlaßten den Magistrat der Stadt Iserlohn am folgenden Tag "Einhundert Thaler Belohnung" für die Ergreifung der "Rädelsführer" auszusetzen und gleichzeitig bei "fünf Thalern" Strafe jeden Hausbesitzer anzuhalten, bei einem erneuten "Straßen-Auflauf" die Fenster zu erleuchten. Das Gros der Arbeiter versprach sich von den Ereignissen in Berlin keinen politischen Umsturz, sondern soziale und wirtschaftliche Verbesserungen. Dies zeigt eine Petition, die 2.000 Arbeiter am 25. März dem Landrat überreichten. Der letzte Punkt der Bittschrift enthielt die wesentlichen Forderungen: Man bat um die Gewähr täglicher Arbeit für einen Mindestlohn sowie um die Festlegung der Preise für Waren, die die Arbeiter bei ihrem Unternehmer erwarben; außerdem forderten die Arbeiter das Verbot der Kinderarbeit unter 12 Jahren und eine Art Kündigungsschutz. Nach der Ablehnung dieser Forderungen marschierten die Arbeiter erneut auf, doch führten die anschließenden Verhandlungen zu einer Beruhigung der aufgebrachten Gemüter.

Nicht zuletzt durch Friedrich Harkort konnte eine weitere Eskalation der angespannten Lage in Iserlohn verhindert werden. Anfang April 1848 veröffentlichte er in verschiedenen Zeitungen mehrere "Briefe an die Arbeiter", deren positives Echo weit über die Grenzen der Provinz hinausging und deren Inhalt später in Tausenden von Flugblättern nachgedruckt wurde. Harkort ging es nicht darum, berechtigte Forderungen der Arbeiter zu unterdrücken, sondern er wollte sie realistisch formuliert sehen,
"denn die Zeit wird nie kommen, wo der Kluge und Fleißige für den Dummen und Faulen mitarbeiten will." Auch er "war stets ein Mann des vernünftigen Fortschritts; aber mit dem Gesetze in der Hand, nicht mit Pflastersteinen! Hohe Achtung göttlicher und menschlicher Gesetze, guter Unterricht, Fleiß und Ordnung: das sind die Mittel, womit ein tüchtiger Arbeiter sein Laos sicher stellt, nicht aber brutale Gewalt, die nur ein blindes Werkzeug ist derer, die im Trüben fischen." [4]

In den letzten Wochen des Jahres 1848 setzten sich in Berlin die konservativen und reaktionären Kräfte wieder durch. Die preußische Nationalversammlung wurde aufgelöst und am 5. Dezember verkündete der König eine oktroyierte Verfassung. Zwar wurden einige liberale Forderungen wie die Pressefreiheit und die Gleichheit vor dem Gesetz erfüllt, was einen wesentlichen Fortschritt gegenüber der Zeit des "Vormärz" bedeutete, doch stand die Verfassung in entscheidenden Teilen - vor allem durch die Einführung des allgemeinen, aber ungleichen Dreiklassenwahlrechts - im Widerspruch zu den Zielen der Revolution. Die Regierung wurde weiterhin vom König ernannt; daneben wurden zwei Kammern eingerichtet, das Herrenhaus, dessen Mitglieder der König ebenfalls berief, und das Abgeordnetenhaus. Diese Verfassung galt mit nur geringfügigen Veränderungen in Preußen bis 1918.


[1] Berger, S. 335f.
[2] Berger, S. 343.
[3] Berger, S. 342f.
[4] Berger, S. 350f.


TECHNIKTypendruck
MATERIALPapier
FORMATjpg


FOTO-PROVENIENZMünster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/J. Klem


QUELLE    Killing, Anke | Friedrich Harkort | Dia 08, S. 28-31
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
160   Plakat
Zeit3.7   1800-1849
3.7.2   Revolution <1848/1849>
Ort1.8.6   Iserlohn, Stadt
DATUM AUFNAHME2004-02-24
AUFRUFE GESAMT800
AUFRUFE IM MONAT272