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(82 KB)   Der Vater von Friedrich von Bodelschwingh: Ernst von Bodelschwingh / Privatbesitz / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/O. Mahlstedt   Der Vater von Friedrich von Bodelschwingh: Ernst von Bodelschwingh / Privatbesitz / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/O. Mahlstedt
TITELDer Vater von Friedrich von Bodelschwingh: Ernst von Bodelschwingh


INFORMATIONDie Bodelschwinghs gehörten zu den namhaftesten protestantischen Adelsgeschlechtern Westfalens. Stammsitz der Familie war seit der Mitte des Dreißigjährigen Krieges Haus Velmede in der Grafschaft Mark, zwischen Kamen und Dortmund gelegen. Hier wurde Friedrichs Vater, Ernst von Bodelschwingh, am 26.11.1794 geboren. Sein Leben ist eingespannt in das wechselvolle politische Geschehen seiner Zeit. Ernst Nolte hat seinen Entwicklungsweg so beurteilt:
"Der Aufbruch der deutschen Nation in den Freiheitskriegen hat den Jüngling geformt; in dem Menschenalter nach dem Wiener Frieden hat der Mann in ungewöhnlich raschem Aufstieg die Laufbahn vom Referendar zum Minister durchmessen, ein Leben im Dienste des neu-preußischen Staates." [1]

Noch während des Studiums der Jurisprudenz in Berlin und Göttingen war Ernst von Bodelschwingh 1813 in die Befreiungskriege gezogen und hatte in den Schlachten von Lützen und Leipzig das Eiserne Kreuz beider Klassen verliehen bekommen. Sein steiler Aufstieg in der Verwaltungsjustiz begann mit einem Referendariat in Münster, wo ihn Ludwig Vincke, der erste Oberpräsident von Westfalen und zugleich ein entfernter Verwandter, schätzen lernte. Im Alter von 28 Jahren wurde Bodelschwingh 1822 Landrat in Tecklenburg. Hier heiratete er noch im selben Jahr Charlotte von Diest (1793-1869). Am 06.03.1831 wurde auf Haus Mark in Tecklenburg Friedrich Christian Carl von Bodelschwingh als sechstes Kind geboren.

Auf den jungen Verwaltungsjuristen wurde auch der westfälische Oberpräsident, Karl Freiherr vom Stein, aufmerksam. Er schätzte ihn als einen der "reinsten, edelsten Menschen", die er in seiner langjährigen Laufbahn kennengelernt hätte: "In allen seinen Verhältnissen betätigte er Adel des Charakters, Klarheit des Geistes, einen ernsten, frommen, treuen Sinn, eine unermüdete, gewissenhafte Tätigkeit.“ [2] Nach einer kurzen Amtszeit als Regierungspräsident in Trier wurde Ernst von Bodelschwingh 1834 Oberpräsident der Rheinprovinz in Koblenz und damit zugleich der jüngste Oberpräsident der preußischen Geschichte. Seine Aufgabe sah er vor allem darin, das Rheinland so in die preußische Monarchie einzubinden, wie es seinem Vorbild Vincke mit Westfalen gelungen war. Im Mai 1842 berief ihn König Friedrich Wilhelm IV. zum Finanzminister, zwei Jahre später sollte er Kabinettsminister werden und dann 1845 das Innenministerium übernehmen. In dieser Stellung war Bodelschwingh nicht nur der höchste Beamte des preußischen Staates, sondern galt als die politisch wichtigste Figur der drei letzten Vormärzjahre. Als königlicher Kommissar des 1847 erstmals einberufenen Vereinigten Landtages, der aus den acht ständisch aufgebauten Provinziallandtagen bestand und als das erste preußische Parlament überhaupt zu bezeichnen ist, bestand seine Aufgabe darin, die konservative Position seines Monarchen gegenüber den nach konstitutionellen Rechten strebenden Forderungen der Stände zu verteidigen. Obwohl Bodelschwingh die unpopuläre Haltung seines Königs wirkungsvoll verteidigte, erkannte er die Forderungen der Opposition nach verfassungsmäßig verankerten Rechten des Parlaments weitgehend an. Den liberalen Reformen, die auf eine konstitutionelle Monarchie abzielten, stand er zunehmend offen gegenüber, aber es gelang ihm nicht, zwischen dem vorkonstitutionellen Königtum und den Volksforderungen zu vermitteln. [4]

Vergeblich riet er dem Monarchen, in der Verfassungsfrage rechtzeitig einzulenken, um revolutionären Entwicklungen entgegenzuwirken. Während der Märzrevolution 1848 mußte Bodelschwingh eingestehen, daß er nicht mehr in der Lage sei, durch liberale Reformen die Revolution aufhalten zu können, da er in den Augen der Öffentlichkeit als der resoluteste Vertreter der Monarchie diskreditiert sei. Sein vom König am 17.03.1848 angenommenes Entlassungsgesuch erklärte er Monate später öffentlich dahingehend, daß sein freiwilliger Abgang unabweislich gewesen sei, da er die vom König selbst jetzt als notwendig betrachteten konstitutionellen Rechte bisher ja auftragsgemäß bekämpft hätte. [5]

Bodelschwinghs letzte Amtshandlung bestand darin, den königlichen Aufruf "An meine lieben Berliner" am 18.03./19.03.1848 zu veröffentlichen, in dem das Versprechen gegeben wurde, daß die Truppen überall aus der Innenstadt zurückgezogen werden sollten, wenn die an den Vortagen gebauten Barrikaden niedergelegt würden. Dieser von Bodelschwingh weitergegebene Befehl zum Rückzug der Truppen war nach Meinung der reaktionären Kritiker die Ursache für die Niederlage des Königs, der vom 18.03. bis 21.03.1848 schutzlos den Forderungen der Revolutionäre in Berlin preisgegeben war.

Daher wurde auch von konservativen Kräften der Vorwurf erhoben, Bodelschwingh hätte dem revolutionären Druck nachgegeben. Bismarck prägte dabei das harte Wort vom "Hofjakobiner" und diffamierte Bodelschwingh als "Schwindelbold". In einer Ansprache stellte der Reichskanzler 1889 die Behauptung auf, "Bodelschwingh habe den Erlaß der Proklamation durchgesetzt ... Erst als die letzten Bajonette über die Schloßbrücke abgezogen seien, habe der König Kenntnis von dem Rückzug erhalten." [6]

Die Familie Bodelschwingh - allen voran Sohn Friedrich - wies nachträglich diese Art von "Mitschuld" an den Ereignissen im März 1848 zurück. Friedrich von Bodelschwingh forderte eine öffentliche Rehabilitierung seines Vaters. Eingehend auf diesen Disput, schrieb er 1889 an Kaiser Wilhelm II.:
"Wenn nun auch mein Vater dem königlichen Befehl Folge geleistet und die Proklamation, an deren Abfassung er nicht den geringsten Anteil hatte, hat drucken lassen, und wenn er ferner ... darauf gehalten hat, daß das Königliche Wort eingelöst und mit der Wegräumung der Barrikaden auch die Truppen von den Straßen und Plätzen zurückgezogen wurden - so kann doch unmöglich gesagt werden, daß er den Rückzug der Truppen veranlaßt und die Proklamation durchgesetzt habe." [7]

Ende März 1848 verließ Ernst von Bodelschwingh mit seiner Familie die Hauptstadt und kehrte in die westfälische Heimat zurück. Spätere Versuche seines Königs, ihn wieder in die Kabinettspolitik zu holen, lehnte er ab. Gleichwohl ist Bodelschwingh weiterhin Ratgeber und Freund des Königs geblieben. Als Abgeordneter des Wahlkreises Soest-Hamm wurde er 1849 in die 2. Kammer und 1851 in das Erfurter Parlament gewählt. Zuletzt wurde er 1852 zum Regierungspräsidenten in Arnsberg ernannt. Während einer Dienstreise verstarb er am 18.05.1854 an einem Lungenleiden. Die Biografie seines väterlichen Freundes Ludwig Freiherr von Vincke, an der dieser bis zuletzt arbeitete, blieb unvollendet.

Neben seinen vielfältigen politischen und gesellschaftlichen Verpflichtungen war Ernst von Bodelschwingh ein frommer Mann und tätiger Christ. Schon als Tecklenburger Landrat förderte er die Arbeit von Amalie Sieveking, die in Hamburg in der Armen- und Krankenpflege tätig war. Theodor Fliedner (1800-1864), der 1833 das Diakonissenmutterhaus in Kaiserswerth bei Düsseldorf gegründet hatte, unterstützte er während seiner rheinischen Zeit bei der Herausgabe der Rheinisch-Westfälischen Kirchenzeitung. [8] Auch die sozial-karitativen Einrichtungen von Johann Hinrich Wichern, der die "Innere Mission" begründete und eine Reintegration von Kirche und Volksleben erreichen wollte, betrachtete Ernst von Bodelschwingh als notwendige Anliegen und machte sie am preußischen Hof bekannt.

Geleitet von den Gedanken der Erweckungsbewegung, hielt Ernst von Bodelschwingh als persönlichen Glaubensvollzug zusammen mit seiner Familie täglich eine Morgenandacht. Zur regelmäßigen Lektüre gehörte der Predigtband des schwäbischen Erweckungspredigers Ludwig Hofacker (1798-1828), dessen Theologie stark biblisch orientiert war. Bodelschwingh zählte darüber hinaus zu den Mitbegründern der 1853 entstandenen Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Enneperstraße, später Haspe, im Kirchenkreis Hagen. [9]


[1] Ernst Nolte, Ernst von Bodelschwingh, in. Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte 47 (1954), S. 146-158, hier S. 146.
[2] Zit. nach Wilhelm Schulte, Westfälische Köpfe. 300 Lebensbilder bedeutender
Westfalen, 2. Aufl., Münster 1963, S. 34.
[3] Neue Quellen zur Geschichte Preußens im 19. Jahrhundert, hg. u. bearb. v. Hans-Joachim Schoeps, Berlin 1968, S. 371.
[4] Vgl. ebd. S. 376.
[5] Vgl. ebd. S. 377.
[6] Zit. nach Robert Stupperich, Der Konflikt zwischen Bismarck und Bodelschwingh, in: Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte 88 (1994), S. 237-251, hier S. 237f.
[7] Friedrich v. Bodelschwingh. Briefwechsel Bd. 1, hg. v. Alfred Adam, Bethel 1975, S. 221.
[8] Vgl. Manfred Hellmann, "Es geht kein Mensch über die Erde, den Gott nicht liebt".
Friedrich von Bodelschwingh d.Ä., Wuppertal-Zürich 1933, S. 10-17.
[9] Vgl. Werner Gerber, Staatsminister Ernst von Bodelschwingh. Staatsmann und
Christ, in: Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte 76 (1983), S. 55-61.


TECHNIKLithographie
MATERIALPapier
FORMATjpg


OBJEKT-PROVENIENZPrivatbesitz
FOTO-PROVENIENZMünster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/O. Mahlstedt


QUELLE    Bernard, Johannes | Friedrich von Bodelschwingh | Dia 01, S. 11-15
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.7   1800-1849
3.7.2   Revolution <1848/1849>
DATUM AUFNAHME2004-02-24
AUFRUFE GESAMT379
AUFRUFE IM MONAT94