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(94 KB)   Die Hügelkirche von La Villette, Paris, 1861 / Bethel, von Bodelschwinghsche Anstalten / Hauptarchiv und Historische Sammlung / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/O. Mahlstedt   Die Hügelkirche von La Villette, Paris, 1861 / Bethel, von Bodelschwinghsche Anstalten / Hauptarchiv und Historische Sammlung / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/O. Mahlstedt
TITELDie Hügelkirche von La Villette, Paris, 1861
DATIERUNG1861


INFORMATION
"Wir sind nun gewohnt, diese Stätten der Finsternis jenseits des Meeres in Afrika, Indien oder China aufzusuchen, in den eigentlichen Heidenländern, aber eine der dunkelsten Stätten, die es auf Erden gibt, und eine der festesten Burgen des argen Feindes haben wir hier in unserer nächsten Nähe: Es ist die Stadt Paris." [1]
Mit diesen Worten beschrieb Bodelschwingh seine ersten Eindrücke von Paris, das für ihn das Babel der Neuzeit war. In einem Bericht für das "Evangelische Monatsblatt für Westfalen" vom Dezember 1858 befaßte er sich eingehend mit der sozialen Lage der deutschen Auswanderer in Paris und den Aufgaben der dortigen Mission:
"Wie groß die Gesamtzahl dieser unserer Landsleute in Paris ist, kann niemand genau sagen, die Angaben schwanken zwischen 60.000 und 120.000, - denn nur ein Teil derselben gewinnt dort das Bürgerrecht, die meisten sind heimatlose Fremdlinge, sie fluten herzu aus Deutschland und fluten wieder zurück, ohne daß sich jemand um sie kümmert, wenn sie kommen und wenn sie wieder ziehen. ... Ihr Brot verdienen diese Leute entweder in den Fabriken und großen Steinbrüchen, die die Stadt umgeben, oder als Straßenkehrer und Lumpensammler. Es ist nämlich Sitte in Paris, daß mit einbrechender Nacht jede Haushaltung ihren Hauskehricht und Küchenabfall auf die Straße wirft. Sofort ergießt sich das große Heer der Lumpensammler, man sagt, es seien 20.000 in Paris, über alle Straßen. - Eine Kiepe auf dem Rücken, eine Lampe in der Linken, einen Haken in der Rechten, so durchwühlen sie bis zum Morgen auf das Sorgfältigste alle diese Haufen von Unrat - nicht nur Lumpen, sondern auch Papier, Knochen, altes Eisen, Glas, Korkpfropfen wandert in die Kiepe und wird nachher zu Hause sortiert." [2]

Die deutschen Auswanderer in Paris gehörten zu der unterprivilegierten Schicht. Zumeist stammten sie aus den Arbeiterfamilien oder von unrentabel gewordenen Bauernhöfen. Nur den wenigsten gelang es, mit dem erarbeiteten Geld als Gastarbeiter später eine Existenz in der Heimat aufzubauen. Für die protestantischen Auswanderer hatte sich eine "Missionsgesellschaft" gebildet, zu deren Aufgaben auch die Armen- und Krankenpflege sowie der Schulunterricht gehörte.

Zunächst wirkte Bodelschwingh als Lehrer für die Kinder deutscher Auswanderer. In seiner Wohnung richtete er eine einklassige Schule ein und hielt regelmäßig Bibelstunden ab. In den städtischen Krankenhäusern betrieb er wöchentlich Krankenhausseelsorge.

Ohne das zweite theologische Examen ablegen zu müssen, wurde Bodelschwingh am 29.08.1858 in der lutherischen Kirche Billettes in Paris ordiniert, nachdem Pastor Louis Meyer, der dortige Präses des lutherischen Konsistoriums, erfolgreich die hierfür notwendige Erlaubnis beim Oberkirchenrat in Berlin einholen konnte. In La Villette, einem Armenviertel am Stadtrand von Paris, ließ Bodelschwingh auf einem Hügel im Dezember 1858 ein Haus errichten, das zunächst als Schule, Kirche, Lehrerwohnung und Pastorat diente. Auf diesem "Grünen Hügel" sollte eine kleine Gemeinde entstehen, die Bodelschwingh als "deutsches Dörflein" bezeichnete. Neben der Errichtung von mehreren Wohnungen für die zumeist aus Tagelöhnern bestehende Gemeinde konnte Bodelschwingh 1861 mit dem Bau der sogenannten Hügelkirche beginnen, die als Raum für den Schulunterricht und für Gottesdienste genutzt wurde. Über seine Arbeit in Paris veröffentlichte Bodelschwingh mehrere Artikel in der "Evangelischen Kirchenzeitung Berlin" und im "Evangelischen Monatsblatt für Westfalen", um auf die soziale Not der Auswanderer aufmerksam zu machen und Spenden für die missionarische Arbeit zu sammeln. Unterstützung fand er hierin bei der MindenRavensberger Erweckungsbewegung um Johann-Heinrich Volkening, der als Leiter des Ravensberger Missionsvereins in seinen "Ravensberger Monatsblättern" wiederholt zu Sammlungen aufrief. Der preußische Oberkirchenrat bewilligte zudem eine Kollekte zugunsten der "Pariser Missionare", die in allen preußischen Provinzen durchgeführt wurde.

Bodelschwinghs Wirken in Paris und nicht zuletzt sein publizistisches Engagement in den Kirchenzeitungen sowie als Mitherausgeber der in Paris gedruckten und in Deutschland vertriebenen Publikation "Das Schifflein Christi in Paris" wurde in den Kreisen der Inneren Mission als vorbildlich angesehen. So machte der damalige preußische Gesandte in Paris, Otto von Bismarck, im Auftrag der preußischen Regierung Bodelschwingh 1862 das Angebot, Gesandtschafts-Geistlicher in Konstantinopel zu werden. Bodelschwingh lehnte dies ebenso ab wie das im selben Jahr gemachte Angebot des Kuratoriums der Diakonissenanstalt in Kaiserswerth bei Düsseldorf, ihn als Nachfolger von Theodor Fliedner für die Leitung dieser ältesten diakonischen Einrichtung in Deutschland zu gewinnen. In einem Schreiben an die Leitung dieser "Erziehungsanstalt für verwahrloste Jugendliche", mit der auch ein Lehrerseminar verbunden war, begründete Bodelschwingh seine Bedenken, die Leitung der Anstalt zu übernehmen, mit der Verschuldung seiner Gemeinde in La Villette und seinen mangelnden Kenntnissen im Bereich der theologischen Lehrerbildung:
"Ein anderes Haupthindernis gegen das Verlassen meines jetzigen Postens lag in der bedeutenden Schuldenlast, die noch auf diesem Unternehmen liegt, eine Schuldenlast, welche nun nach Ankauf des Bodens 40.000 Fr. übersteigen wird. Diese Schuldenlast kann und darf ich den Vätern unserer Mission nicht auf den Hals werfen. ... Die lieben Freunde in Deutschland sehen meine hiesige Arbeit in Paris bedeutender an, als sie ist. Ich habe längst die Erfahrung gemacht, daß mein Name gerade bei meinem Beruf zu hoch angeschlagen wird. Mein Name soll ersetzen, was meine Person wirklich nicht hat. Vor der Weit mag es gelten, aber den armen Seelen ist damit nicht geholfen. Meine wissenschaftliche Vorbildung ist sehr gering -, nachdem ich 5 1/2 Jahre lang Landwirt und Soldat gewesen, habe ich in aller Hast meine theologischen Studien dürftig fürs erste Examen vollendet und bin dann direkt auf mein hiesiges Arbeitsfeld geführt worden. In den fünf Jahren meines hiesigen stets umgetriebenen Lebens ist von wissenschaftlicher Weiterbildung nicht die Rede gewesen." [3]
Der Entschluß des inzwischen verheirateten Bodelschwingh, mit seiner jungen Frau in die alte Heimat zurückzukehren und eine Pfarrstelle in Dellwig anzunehmen, erfolgte schließlich im Frühjahr 1864.


[1] Alfred Adam (Hg.). Friedrich von Bodelschwingh - Ausgewählte Schriften Bd. 1, Veröffentlichungen aus den Jahren 1858 bis 1871, Bielefeld-Bethel 1980, S. 7.
[2] Ebd. S. 8-10.
[3] Friedrich von Bodelschwingh, Briefwechsel 1, a.a.O., S. 77-78.


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OBJEKT-PROVENIENZBethel, von Bodelschwinghsche Anstalten / Hauptarchiv und Historische Sammlung
FOTO-PROVENIENZMünster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/O. Mahlstedt


QUELLE    Bernard, Johannes | Friedrich von Bodelschwingh | Dia 04, S. 22-24
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.8   1850-1899
Sachgebiet8.4   Sozialfürsorge, Fürsorgeeinrichtungen
DATUM AUFNAHME2004-02-24
AUFRUFE GESAMT421
AUFRUFE IM MONAT17