PERSON

FAMILIEKorff zu Waghorst, von
VORNAMEHedwig Lucie Beate


GESCHLECHTweiblich
GEBURT DATUM1697-04-23   Suche Portal
GEBURT ORTWaghorst, Haus
TOD DATUM1767-05-11   Suche Portal
TOD ORTQuernheim


BIOGRAFIEDer Fastnachtsdienstag wird im ostwestfälischen Kirchlengern "Hedwigstag" genannt. Rosinenbrötchen, sogenannte "Hedewigte", werden alljährlich an diesem Tag an die Schulkinder verteilt. Um diesen Brauch rankt sich eine Legende, die an eine mildtätige Frau erinnert - an Hedwig von Korff, Stiftsfräulein im evangelisch-lutherischen Damenstift Quernheim nahe Kirchlengern.

Vor gut 200 Jahren, so die Legende, sollen die Kötter und Bauern, die Leibeigenen des Stiftes Quernheim, während der "tollen Tage" regelmäßig dem Alkohol verfallen gewesen sein. In einem Jahr sollen die Leibeigenen besonders viel Bier aus der stiftseigenen Brauerei gezecht haben. Kein Geld hätten sie mehr in den Taschen gehabt. Sie seien nicht mehr in der Lage gewesen, ihre Familien zu ernähren.

Als Helferin in der Not soll sich die Stiftsdame Hedwig von Korff der Hungernden erbarmt haben. Sie habe in der Stiftsbäckerei Brötchen backen lassen, an die Kinder verteilt und so die bitterste Not gelindert. Zur Erinnerung an diese Tat habe sich im Laufe der Jahre der Brauch eingebürgert, süße Brötchen zu verteilen, die zu Ehren der Spenderin "Hedewigte" genannt worden seien.

Soweit die Legende. Ob sich die Geschichte tatsächlich zugetragen hat, weiß niemand zu sagen. In der schriftlichen Überlieferung des Damenstifts findet sich kein Hinweis darauf. Merkwürdig genug, denn kein Kloster und kein Frauenstift hätte darauf verzichtet, eine solche Tat in einer Chronik gebührend herauszustreichen.

Auch mit den "Hedewigten" stimmt etwas nicht. Süße Brötchen wurden an den Fastnachtstagen nicht nur in Kirchlengern gegessen, sondern in vielen Gegenden Westfalens und Norddeutschlands. Vielerorts auf dem Land war es auch üblich, daß Kinder an den Fastnachtstagen von Haus zu Haus zogen, um kurz vor der kargen Fastenzeit noch einmal süße Brötchen zu erbetteln oder, wie es hieß, zu "erheischen". Von diesem Brauch stammt der Name des Gebäcks, das auf Plattdeutsch dann "Hede-", "Heid-" oder "Heetwecken" genannt wird. Mit dem Namen des Stiftsfräuleins Hedwig von Korff hat dieser Brauch nichts zu tun.

Dennoch steckt in der Legende, die in der Gegend um Kirchlengern erzählt wird, ein Körnchen Wahrheit. Es verbirgt sich im Leben und Wirken der Hedwig von Korff. Denn daran besteht kein Zweifel: Eine Frau dieses Namens hat tatsächlich im Stift Quernheim gelebt.

Mit vollem Namen hieß sie Hedwig Lucie Beate von Korff. Sie entstammte einer alten ostwestfälischen Landadelsfamilie. Geboren wurde sie am 23. April 1697 auf dem Adelsgut Waghorst, gelegen zwischen Rödinghausen und Bünde. Sie war das älteste von insgesamt elf Kindern des Adligen Johann Heinrich von Korff und seiner Frau
Margarete von Voß.

Nicht einmal 16 Jahre alt war Hedwig von Korff, als sie am 23. Februar 1713 in das Stift Quernheim eintrat, als sie dort, wie es hieß, "aufschwor". Ihr jugendliches Alter war damals nicht ungewöhnlich, denn viele Familien des Landadels brachten ihre Töchter schon in jungen Jahren sozusagen "zur Versorgung" in einem der Damenstifte unter.

Zehn bis zwölf Kanonissen lebten damals im Stift Quernheim. Wie die anderen Stiftsdamen, so konnte auch Hedwig von Korff jederzeit austreten und heiraten. Doch sie blieb Zeit ihres Lebens in Quernheim, wo sie im sogenannten "Fräuleinhaus", einer doppelgeschossigen geräumigen Fachwerkkurie, eine Wohnung bezog. Hier lebte sie bis zu ihrem Tode. Zweieinhalb Wochen nach ihrem siebzigsten Geburtstag starb sie am 11. Mai 1767, frühmorgens um fünf Uhr "nach ausgestandener 12tägig fiebriger brustkranckheit", wie die Stiftsäbtissin Anna von Schele notierte.

Noch auf dem Sterbebett hatte Hedwig von Korff eigenhändig ihr Testament niedergeschrieben. Darin vermachte sie "den haus armen", wie sie notierte, 20 Reichstaler, die "nach dem sterben meiner zu theilen" seien; weitere 20 Reichstaler stiftete sie der Schule nahe, dem Damenstift. Zum Vergleich: 20 Reichstaler entsprachen etwa der Summe, die man zu jener Zeit für ein ausgewachsenes Pferd zahlen mußte. Auf diese Gaben läßt sich allerdings kaum die Legende von ihrer besonderen Mildtätigkeit zurückführen, verfügte sie doch insgesamt über fast 1300 Reichstaler. Dieses stolze Vermögen ließ sie zum allergrößten Teil nicht den Armen, sondern ihrer adligen Verwandtschaft zukommen.

Was Hedwig von Korff unter den Köttern und Bauern der Umgegend den Ruf besonderer Mildtätigkeit einbrachte, war ihre Aufgabe in Quernheim: Sie war über viele Jahre "zweite Frau" im Stift nach der Äbtissin; als "Seniorin", wie ihr Amt hieß, entschied Hedwig von Korff mit, wenn es galt, die Abgaben der Kötter und Bauern festzulegen, die dem Stift "eigenbehörig" waren.

Insgesamt 202 Höfe, vom armseligen Kotten bis hin zu stattlichen Meierhöfen, gehörten zum Stift Quernheim. Jedesmal, wenn auf einem Hof der Besitzer oder seine Frau starben, mußten die nachfolgenden Erben den sogenannten "Sterbfall" an das Stift entrichten. Das konnte Getreide sein oder auch das beste Stück Vieh im Stall; zur Zeit Hedwigs von Korff wurden allerdings ausschließlich Geldsummen festgesetzt.

Auf einem Hof in Oberbauerschaft beispielsweise mußte die Bäuerin 1731 nach dem Tode ihres Mannes die stattliche Summe von 100 Reichstaler entrichten; sie hatte noch 80 Reichstaler Außenstände, der Hof war nicht verschuldet und es waren, wie es im Rechnungsbuch heißt, "auch weder junge noch alte kinder oder eltern vorhanden".

Doch solche finanzkräftigen Höfe gab es nur wenige zu Zeiten der Hedwig von Korff. Groß war die Not auf vielen Höfen, vor allem auf den kleinen Kotten. Die Familien litten Hunger und Elend, und dies entsprang wohl kaum der bäuerlichen Trunksucht, wie es die Hedwigs-Legende überliefert. Ein einmaliges Verteilen von Brötchen hätte daran wohl auch wenig geändert.

Doch Hedwig von Korff zeigte sich in anderer Weise hilfsbereit, als es die Legende überliefert. Aus den Büchern des Stiftes geht hervor, daß sie häufig Nachsicht walten ließ, wenn die Bauern oder Bäuerinnen ihre Abgaben nicht entrichten konnten. Als beispielsweise im Spätsommer 1755 der Bauer Johann Henrich Strater verstarb und eine Frau und vier Kinder hinterließ, kam wenig später der Amtmann des Stifts auf den Hof. Er verzeichnete das spärliche Inventar, das der verstorbene Bauer hinterließ, und schätzte es auf einen Wert von 21 Reichstalern und 9 Groschen.

Wäre es streng nach Stiftsrecht gegangen, hätte die Witwe Strater die Hälfte des Nachlasses dem adlige Damenstift abliefern müssen. Die Bäuerin mußte allerdings nur einen Bruchteil tatsächlich bezahlen. Der hochverschuldete Hof "ist alda in sehr schlechtem und armseeligem umstande", ließ Hedwig von Korff in das Rechnungsbuch notieren. Man habe von der Bäuerin "nicht viel nehmen können", heißt es weiter. Die Geldschuld wurde bis auf zwei Reichstaler erlassen; auch das "Amtsgeld", eine Art Verwaltungsgebühr, erließ Hedwig von Korff der Bäuerin zur Hälfte.

Ein Einzelfall war das nicht. "Aus Mitleid", oder auch "aus großem Mitleid gelassen" wurde zu Zeiten der Hedwig von Korff oft ins Rechnungsbuch eingetragen, wenn ein Bauer oder eine Bäuerin die geforderte Geldsumme nicht aufbringen konnte; einem Bauern in der Nähe des Stifts wurde beispielsweise die fällige Abgabe zum großen Teil erlassen "wegen der vielen Schulden und der neun Kinder".

Das geringe Entgelt forderte die "Seniorin" Hedwig von Korff häufig nur, um den rechtlichen Anspruch des Stifts anzudeuten. Bei einem Hof hieß es im Protokoll: "Ist lauter armuth und nur um der gerechtigkeit halber wird genommen 1 Reichstaler."

Kurzum: Hedwig von Korff setzte die Abgaben, wenn es nötig war, nachsichtig und milde fest. Angesichts des Hungers und Elends ließ sie häufig Gnade vor Recht ergehen. Daran haben die Menschen in der Gegend um Quernheim nach ihrem Tod wohl gedacht, als die Legende von der mildtätigen Stiftsdame entstand und ausgeschmückt wurde.

QUELLE  Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 37f
PROJEKT  Lebensbilder westfälischer Frauen
AUFNAHMEDATUM2004-09-07


SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Zeit3.4   1650-1699
3.5   1700-1749
3.6   1750-1799
Ort2.3.5   Kirchlengern, Gemeinde
Sachgebiet16.6.3   Geistliche, Rabbiner, Ordensleute
16.6.5   Domkapitel / Klöster / Stifte, Klosterleben
DATUM AUFNAHME2004-09-07
AUFRUFE GESAMT1900
AUFRUFE IM MONAT365