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(84 KB)   Nahrungsmittelrationalisierung in westfälischen Städten 1916/1917, Foto aus: Eduard Schulte, Kriegschronik der Stadt Münster 1914-1918, Münster 1930 / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/E. Uthmann   Nahrungsmittelrationalisierung in westfälischen Städten 1916/1917, Foto aus: Eduard Schulte, Kriegschronik der Stadt Münster 1914-1918, Münster 1930 / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/E. Uthmann
TITELNahrungsmittelrationalisierung in westfälischen Städten 1916/1917, Foto aus: Eduard Schulte, Kriegschronik der Stadt Münster 1914-1918, Münster 1930


INFORMATIONAuf dem in die Grafik einkopierten Foto ist der durchschnittliche Tagesverbrauch an Lebensmitteln für eine Person im Frieden (2. Reihe) und zu Kriegsende (1. Reihe) nach den amtlichen Zuteilungen dargestellt Von links nach rechts sind abgebildet Zucker, Kartoffeln, Brot, Fleisch, Wurst, Eier, Butter, Käse, Kaffee und Milch, wobei es sich im Kriege natürlich um Magermilch handelte. Die vorderen Teller für Eier und Käse bleiben völlig leer und auch bei den anderen Nahrungsmitteln ist eine drastische Verminderung eingetreten; bei Kartoffeln um ein Drittel, bei Brot um die Hälfte. Der stärkste Rückgang betrifft die tierischen Nahrungsmittel. An Fleisch, Wurst und Fetten konnte bei Kriegsende noch nicht einmal ein Drittel des Friedensbedarfs ausgegeben werden. Mit der Verringerung der Nahrungsmittel tierischen Ursprungs wuchs der Verzehr von Kartoffeln, die, wie in den zurückliegenden Hungersnöten des 18. und 19. Jahrhunderts, für viele Menschen zur wichtigsten Grundnahrung wurden.

In den Säulendiagrammen ist die Entwicklung der Nahrungsmittelrationierung von Brot, Kartoffeln, Fleisch und Speisefetten in westfälischen Städten in der Zeit vom 01.07.1916 bis Ende Mai 1917 wiedergegeben. Am stabilsten hielt sich die Brotration. Hier konnten in allen Städten bis März 1917 durchschnittlich pro Kopf und Woche 1.750 g ausgeteilt werden. Erst Mitte April, nachdem ein Rückgang der Vorräte festgestellt worden war, mußte bis zur neuen Ernte im August 1917 der Verbrauch drastisch eingeschränkt werden. In allen Kommunen fielen die Zuteilungsmengen. Als Ersatz war zum selben Zeitpunkt die Fleischration von 250 g auf 500 g verdoppelt worden. Doch in den wenigsten Städten der Provinz Westfalen konnte diese Höchstmenge auch wirklich ausgegeben werden. Die Fettversorgung war während des ganzen Krieges katastrophal. Die wöchentlichen Zuteilungsmengen für eine Person bewegten sich zwischen 50 und 60 Gramm.

Im Bereich der Kartoffelrationierung wird die totale Unterversorgung in den Wintermonaten deutlich. Die durchschnittlichen Rationen gingen von über 5.000 g im August 1916 stufenweise auf 1.300 g im Februar 1917 zurück. Während im Januar 1917 nur eine Stadt in Westfalen gar keine Kartoffeln austeilte, war die Zahl im Februar bereits auf 13 angewachsen. In der zweiten Aprilhälfte 1917, als die Brotration herabgesetzt wurde, mußten die Kartoffelzuteilungsmengen angehoben werden, um wenigstens eine minimale Ernährung der Zivilbevölkerung zu gewährleisten. Die Verbraucher reagierten mit Streiks und Brotkrawallen, die fast aus allen größeren Städten und Industriegegenden Westfalens gemeldet wurden.

Wie sehr sich die Versorgung besonders im Ruhrgebiet verschlechtert hatte und der ständige Nahrungsmangel die Stimmung der Menschen bedrückte, zeigt folgender Bericht des Landrats von Gelsenkirchen, den dieser im Januar 1917 an den Regierungspräsidenten in Arnsberg schickte:

"Die unzureichende Kartoffelversorgung und die seit einiger Zeit einsetzende Knappheit an Gemsen jeder Art, der Mangel an Hülsenfrüchten und Teigwaren, haben die Ernährungsschwierigkeiten so gesteigert, daß die Stimmung und der Geist der Bergarbeiterbevölkerung darunter in der letzten Zeit sichtlich sehr gelitten hat. Es ist den Leuten auch zu glauben, daß sie körperlich herunter sind ... Kritisch wird die Lage und schlimmes ist zu befürchten, wenn künftighin Kartoffeln überhaupt nicht mehr verteilt werden können, wozu es ja leider anscheinend in wenigen Wochen kommen wird. Für diese Zeit muß schon jetzt Vorsorge getroffen werden. Man darf nicht fatalistisch warten, bis man vor dem Nichts steht. Wie soll denn bei dem jetzigen Wagenmangel schnell geholfen werden? Die Mitglieder von Arbeiterausschüssen, mit denen ich sprach, sagten mir rundweg: "Wir wissen, daß Herr und Staat uns nötig hat, ohne Kohle bricht alles zusammen; wir sind mit wenigem zufrieden, aber etwas muß da sein, weshalb will man warten, bis wir aus Kraftlosigkeit feiern, bis die Förderung damit unterbrochen wird? Man muß ja dann doch etwas herbei schaffen, dann aber ist es vielleicht zu spät." Übrigens hapert es auch stark mit der Mehlzufuhr; heute morgen hatte der Landkreis keinen Sack Mehl auf Lager, trotz rechtzeitiger Meldung. Fallen also die Kartoffeln aus, dann kann man vielleicht nicht einmal mit Brot helfen. Also Reserven hierher in den Industriebezirk und zwar schon jetzt! Das muß dringendste Parole sein." [1]


[1] Staatsarchiv Münster, Oberpräsidium Nr. 3933; Bericht des Landrats von Gelsenkirchen an den Regierungspräsidenten in Arnsberg vom 19.01.1917.


TECHNIKFoto
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FOTO-PROVENIENZMünster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/E. Uthmann


QUELLE    Roerkohl, Anne | Der Erste Weltkrieg in Westfalen | Dia 07, S. 33-35
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
95   Grafik, Schaubild, Diagramm
Zeit3.9   1900-1949
Ort2.30.37   Westfalen, Provinz (Preußen) <1815-22.08.1946>
Sachgebiet9.4   Konsum, Nahrung
DATUM AUFNAHME2004-02-25
AUFRUFE GESAMT3678
AUFRUFE IM MONAT265