MEDIEN

(75 KB)   Schülerinnen und Lehrerin an der Kochschule in Münster, um 1913 / Münster, Volkskundliche Kommission für Westfalen   Schülerinnen und Lehrerin an der Kochschule in Münster, um 1913 / Münster, Volkskundliche Kommission für Westfalen
TITELSchülerinnen und Lehrerin an der Kochschule in Münster, um 1913
DATIERUNG1913 [um]


INFORMATIONDie gesellschaftlichen Vorbehalte gegen Frauenerwerbsarbeit waren am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch sehr ausgeprägt. Doch gerade Frauen aus den unteren sozialen Schichten waren aus wirtschaftlichen Gründen darauf angewiesen, durch Zuverdienst zum Familieneinkommen beizutragen. Außerhäusliche Erwerbsarbeit der Frauen sollte sich, wenn sie schon nicht zu verhindern war, an den Rollenmustern des tradierten Frauenbildes orientieren. Die "Frauenberufe" sollten die Mädchen möglichst auf ihre "wesensgemäßen" Aufgaben vorbereiten. Daher waren für junge Frauen der Unterschichten die Anstellungen in privaten Haushalten eine wichtige außerhäusliche Beschäftigungsmöglichkeit. Als Dienstmädchen erlernten sie die Organisation des Haushaltes mit allen anfallenden Arbeiten. In kleineren Häusern mußte ein Dienstmädchen alle Aufgaben erledigen. In größeren Häusern gab es eine Aufgabenteilung, und ein Hausmädchen konnte innerhalb der Dienstbotenhierarchie aufsteigen. Die Dienstmädchen hatten keine festgelegten Arbeitszeiten und wurden in der Regel schlecht bezahlt. Ihre Tätigkeit war für Bürgertöchter völlig indiskutabel.

Das Bild zeigt eine Lehrerin und fünf Schülerinnen der Kochschule Münster um 1913. Die Frauen posieren in der Küche für den Fotografen. Die Schülerinnen stehen hinter einem großen freistehenden Herd, auf dem einige große Kochtöpfe zu sehen sind. Im Hintergrund ist eine karge Kücheneinrichtung erkennbar. Die jungen Frauen tragen weiße, spitzenverzierte Schürzen über ihren dunklen, hochgeschlossenen Kleidern. Aus hygienischen Gründen sind zudem ihre Haare mit weißen Hauben bedeckt. Jede Schülerin hält demonstrativ ein typisches Hilfsmittel der Köchin in den Händen oder weist darauf. Die Lehrerin steht rechts neben dem Herd. Als einzige trägt sie einen schlichten langärmeligen weißen Kittel, der auf dem Rücken verschlossen wird und ihre Garderobe völlig verdeckt. Wie die Schülerinnen trägt auch die Lehrerin eine weiße Haube. Neben ihr auf dem Herd steht eine große Kastenform mit einem Brot, das offenbar während des Unterrichts hergestellt worden ist. Ansonsten weisen nur noch die Töpfe auf dem Herd auf die Arbeit in der Küche hin. Weitere Hilfsmittel wie Arbeitsflächen und Arbeitsgeräte (Waagen, Schüsseln usw.) sind auf dem Bild nicht zu sehen. Die gestellte Aufnahme diente eventuell der Selbstdarstellung der Schule. Möglicherweise handelt es sich aber auch um ein Erinnerungsfoto. Im Gegensatz zu anderen Bildern aus Koch- und Haushaltungsschulen fehlt auf dem vorliegenden Foto jeder Hinweis auf die Institution und das Jahr der Aufnahme.

Koch- und Haushaltungsschulen, die seit dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts gegründet wurden, wollten Mädchen aus dem (groß-)bürgerlichen und (groß-)bäuerlichen Milieu auf ihre Aufgabe als Hausfrau vorbereiten. Um später als Hausfrau das Personal führen zu können, mußten die jungen Frauen mit allen Arbeiten und Abläufen der Haushaltsführung vertraut sein. Der Lehrplan an den Schulen war ganz auf diese Belange zugeschnitten. Kleintierzucht war zum Beispiel ebenso vertreten wie die Grundlagen der Ernährungslehre. Neben rein praktischem Wissen wurden den jungen Frauen auch die Grundlagen der Repräsentation und Gastlichkeit vermittelt. Eine Absolventin einer Haushaltungsschule berichtete, "obzwar die Schule schon so weit hinter ihr liege, bringe sie es bis heute nicht fertig, eine Milchtüte schmucklos auf den Tisch zu stellen, Butter zu verwenden, ohne sie auf dem richtigen Teller zu servieren." [1]

Die Mädchen besuchten die Koch- und Haushaltungsschulen, die vielfach als Internat organisiert waren, meist für ein Jahr. Während dieser Zeit versorgten sich die Schülerinnen weitgehend selbst durch die angeschlossene Landwirtschaft. Zum Abschluß erhielt jede Schülerin nach einer Prüfung ein Zertifikat. Diese Schulen bereiteten die Mädchen also auf ihre "wesensgemäße" Aufgabe vor. Der Schulbesuch entsprach nicht einer Berufsausbildung. Dennoch wurden er von den Absolventinnen als qualifizierend empfunden. Die Mädchen trugen die Schuluniform mit Stolz und demonstrierten damit ein neues Selbstbewußtsein. [2] Trotz ihrer rollenkonformen Zielsetzung waren diese Koch- und Haushaltungsschulen konservativen Kreisen ein Dorn im Auge. Sie befürchteten schon durch die sehr beschränkte "Ausbildung" der jungen Mädchen eine Gefährdung der tradierten Geschlechterverhältnisse. Die Hausfrau sollte zwar ihre Pflichten kennen und bewältigen, aber sie sollte nicht über zusätzliches Hintergrundwissen verfügen, wie es in diesen Schulen vermittelt wurde. Der Ausschluß der Frauen von Wissen und Bildung diente der Festigung der überlieferten Rollenmuster.


[1] A. Schwegmann: Die Maid lernt für ihr Leben gern. Ein Stück Alltagsgeschichte: Haushaltungsschulen auf dem Lande. In: Panorama zum Wochenende. Beilage zu den Westfälischen Nachrichten Nr. 255, 1.-3.11.1996.
[2] Ebd.


TECHNIKFoto
FORMATjpg


FOTO-PROVENIENZMünster, Volkskundliche Kommission für Westfalen


QUELLE    Kurzweg, Martina | Frauenerwerbsarbeit im Wandel | Dia 01, S. 12-14
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.9   1900-1949
Ort3.5   Münster, Stadt <Kreisfr. Stadt>
Sachgebiet6.8.8   Frauen
10.9.2   Arbeitswelt
DATUM AUFNAHME2004-02-25
AUFRUFE GESAMT2806
AUFRUFE IM MONAT167