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Reformation im Reich


 
 
Einleitung
Das 16. und das 17. Jahrhundert sind bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 bestimmt von religiösen und konfessionellen Konflikten. Als Auslöser der Reformation gilt die Veröffentlichung der 95 Thesen Martin Luthers gegen den Ablasshandel im Oktober 1517. Er griff darin die weit verbreitete Praxis der Kirche an, gegen Geldzahlungen Sündenerlasse zu gewähren. Luthers Thesen wurden vielfach nachgedruckt und fanden so schon bald weite Verbreitung und Zustimmung. Sie erzielten eine Wirkung, wie sie in dieser Form ohne die Erfindung des Buchdrucks kaum denkbar gewesen wäre.

In den folgenden Jahren sollte sich Luther immer weiter von der Alten Kirche entfernen. Seine Theologie beruht darauf, dass für die christliche Lehre allein gültig ist, was die Bibel lehrt. Damit wird auch die Lehrautorität von Papst und Konzilien bestritten. Der Kern von Luthers Theologie liegt in dem Eingeständnis der Unfähigkeit des Menschen zur Erfüllung der Gebote Gottes. Erlösung erfährt der Mensch nach Luthers Rechtfertigungslehre allein durch seinen Glauben an die Gnade Gottes, nicht durch gute oder fromme Werke und Buße. Damit werden die Institutionen der Alten Kirche, die der Vermittlung zwischen Gott und Mensch dienten, ihre gesamte Organisation mit Ämtern, Priestern, Ritualen, Heiligen usw. überflüssig. Luthers Theologie lässt sich in drei Forderungen zusammenfassen: allein durch die Heilige Schrift, allein durch die Gnade und allein durch den Glauben (sola scriptura, sola gratia, sola fide).
 
 
1520 erschienen drei große Reformschriften Luthers, die den Gegensatz zur Alten Kirche noch verschärften: "An den christlichen Adel", "Von der Freiheit eines Christenmenschen" und "Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche", in der er den Papst mit dem "Antichristen" gleichsetzte. In diesen Schriften begründete Luther die christliche Ethik neu und relativierte die Bedeutung der Sakramente. Obwohl dies radikale Schritte waren, ging es ihm nicht um eine Spaltung der Kirche, sondern um die Rückkehr zu den ursprünglichen Formen christlichen Lebens.

Die Reformation fand bald weite Verbreitung, vor allem in süddeutschen und Schweizer Städten entstanden Anfang der 20er Jahre reformatorische Bewegungen im Bürgertum. Die Schweiz stand dabei stärker unter dem Einfluss des Züricher Reformatoren Huldrich Zwingli, der einen eigenständigen Zweig der Reformation begründete, der noch tief greifender von der alten Kirche abwich. Vor allem im Abendmahlsverständnis und in der Sakramentenlehre unterschieden sich die Reformierten von den Lehren Luthers: Sie lehnten die Verwendung von Hostien ab und verstanden das Abendmahl als reine Gedächtnisfeier.

Der weitere Verlauf der Reformation in Deutschland ist nur aus der Verflechtung von Glaubensanliegen und politischen Forderungen zu verstehen. Die "Luthersache" entwickelte bald auf Reichsebene, zwischen Kaiser und den Reichsfürsten, politische Sprengkraft. Schon im Sommer 1518 begann in Rom der Ketzerprozess gegen Luther. 1520 verbrannte Luther in Wittenberg demonstrativ die päpstliche Bannandrohungsbulle, was dem Bruch mit der Alten Kirche gleichkam. Inzwischen exkommuniziert, wurde Luther 1521 zum Reichstag nach Worms geladen, verweigerte aber den Widerruf seiner Lehre. Das Wormser Edikt verhängte über Luther auch die Reichsacht. Friedrich der Weise von Sachsen, der den Professor seiner Landesuniversität zu schützen suchte, ließ Luther auf die Wartburg bei Eisenach in Sicherheit bringen. Hier entstand die Bibelübersetzung.

In den Wochen und Monaten nach dem Wormser Reichstag verbreitete sich die Reformation nach Tirol und Kärnten, in die Niederlande, Ostpreußen und bis nach Livland, Dänemark und Schweden. Die ersten Reichsfürsten, die sich offen zur Reformation bekannten und sie in ihren Ländern einführten, waren der Kurfürst Johann von Sachsen (1528) und Landgraf Philipp von Hessen (1526). Die Landesfürsten versuchten ihren Einfluss auf das Kirchenwesen zu steigern und so auch ihre politische Machtposition zu stärken, sowohl innerhalb ihres Landes als auch gegenüber dem Kaiser.

Auf dem Augsburger Reichstag von 1530 legten die fünf protestantischen Reichsstände dem Kaiser Karl V. das von Philipp Melanchthon ausgearbeitete Augsburger Bekenntnis (die "Confessio Augustana") vor, das zur wichtigsten Bekenntnisschrift der lutherischen Konfessionskirche werden sollte. Diese bestimmte Taufe und Abendmahl als einzig gültige Sakramente, definierte das Predigtamt und erteilte u.a. der Heiligenverehrung, den Wallfahrten und dem Mönchtum eine Absage.

1531 schlossen sich die protestantischen Reichsstände im Schmalkaldischen Bund gegen die Religionspolitik Kaiser Karls V. zusammen. Nach dem Scheitern katholisch-protestantischer Verständigungsversuche begann 1546 der erste Religionskrieg in Deutschland. Karl V. führte aufgrund des Ketzerrechts Krieg gegen die evangelischen Fürsten, den Landgrafen Philipp von Hessen und Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen. Nach dem Sieg des Kaisers in der Schlacht bei Mühlberg 1547 schien der Protestantismus als politisch-militärische Kraft besiegt. Dennoch konnte er sich behaupten, und schon 1555 wurde auf dem Augsburger Reichstag ein Religionskompromiss gefunden, der das evangelische Bekenntnis reichsrechtlich anerkannte. Der Augsburger Religionsfrieden bezog sich jedoch lediglich auf die Lutheraner und schloss die Reformierten aus. Den weltlichen Fürsten wurde das Recht der freien Bekenntniswahl zugestanden, den geistlichen Reichsständen dagegen nur eingeschränkt: Sie durften nur zum Protestantismus übergehen, wenn sie auf sämtliche geistlichen Herrschaftsrechte verzichteten. Für die geistliche Länder Westfalens, die Fürstbistümer, bedeutete dies eine Absicherung gegenüber der drohenden Auflösungs- und Säkularisierungsgefahr. So hatte beispielsweise Franz von Waldeck (um 1491-1553), Bischof von Münster, Minden und Osnabrück, beabsichtigt, Anfang der 1540er Jahre die Bistümer zu säkularisieren und in ein Erbfürstentum umzuwandeln. Ein solcher Schritt sollte nunmehr reichsrechtlich ausgeschlossen werden. Kern des Augsburger Religionsfriedens, der die konfessionelle Landschaft Deutschlands bis ins 20. Jahrhundert hinein prägen sollte, war das Recht der Fürsten auf Festlegung der Religionszugehörigkeit ihrer Untertanen, das "jus reformandi". Dafür sollte später die Formel "Cuius regio, eius religio" ("wes Land, des der Glaube") geprägt werden.

Dem Friedensschluss folgte jedoch kein Ende der Glaubensauseinandersetzungen. Bis zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges allerdings stellte der Augsburger Religionsfriede die Rechtsgrundlage dar.