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(73 KB)   Häftlingsarbeit an der Wewelsburg, 1941/1942 / Privatbesitz   Häftlingsarbeit an der Wewelsburg, 1941/1942 / Privatbesitz
TITELHäftlingsarbeit an der Wewelsburg, 1941/1942
DATIERUNG1941 / 1942


INFORMATIONDieses Foto ist das einzige bekannte Bild, das KZ-Häftlinge bei Bauarbeiten an der Wewelsburg zeigt. Es kam dem - unbekannten - Fotografen anscheinend nur auf die Wiedergabe der Burg an; der Häftling im Vordergrund und der SS-Posten am linken Bildrand gerieten zufällig ins Bild. Der gesamte Burggraben im Vordergrund bis zur Brücke ist mit Baumaterial und Baubaracken ausgefüllt, die während des Kellerumbaus im Nordturm zur sog. "Gruft" gebraucht wurden. Links vor der Brücke türmt sich ein hoher Haufen von Bruchsteinen auf. Diese Steine hatten die Häftlinge in einem der vom Konzentrationslager betriebenen Steinbrüche zu brechen und zur Burg zu transportieren, wo sie als Verkleidung der Betonkuppel verwendet wurden. Wie der Fotograf, so scheinen auch die beiden Zivilpersonen auf der Brücke dem Häftling und seinem Bewacher keine Beachtung zu schenken. Über die Arbeit in der "Gruft" berichtet der ehemalige Häftling Joachim Escher:
"Wir mußten den Boden absenken, das war ja Felsen. Da wurde mit Bohrer zum Teil gearbeitet, zum Teil mit Brecheisen, Pickschippe und Pickhacke und dann wurde das auf Tragen getan, und man mußte das raustragen, und dann wurde das abgekippt, es war ziemlich harter Fels." [1]

Der Arbeitseinsatz von KZ-Häftling war die entscheidende Voraussetzung für die Möglichkeit, die Bauarbeiten im Kriege weiterzuführen. Nach wie vor standen Himmlers Pläne zum Ausbau der Burg im Zentrum der SS-Aktivitäten in Wewelsburg. Mittelbar zumindest bezogen sich alle Arbeiten der KZ-Häftlinge auf das Projekt, aus der Wewelsburg eine repräsentative und ideologische Zentrale des SS-Gruppenführercorps zu machen. In der Idee, aus pseudogermanischen Elementen eine neue "artgemäße" Religion, einen SS-eigenen Kult zu formen, gipfelten alle in den Augen der SS positiven kulturellen Bemühungen der "Schutzstaffeln". Kern dieses "Kultes" war jedoch letztlich die Selbstvergottung der Menschen "arischen Blutes" und damit die Ausgrenzung und Vernichtung aller Gegner und "Nichtarier" im eigenen Machtbereich. Es handelt sich also nicht nur um eine organisatorische Konsequenz, daß zur Behebung des Arbeitskräftemangels 1939 Häftlinge nach Wewelsburg geholt wurden, sondern entsprach vielmehr der inneren Logik des "SS-Kults". Als die Bauarbeiten kriegsbedingt im April 1943 eingestellt werden mußten, wurde das KZ folgerichtig aufgelöst.

Die Wewelsburg wird auf dem Foto von einer neuen Seite gezeigt, nämlich als Baustelle, auf der Häftlinge arbeiten. Damit tritt zugleich die Gruppe der KZ-Häftlinge in den Vordergrund. Fragen stellen sich: Was für Menschen waren das? Wo lebten sie? Wie kamen sie in das KZ? Auch die Organisation der SS zeigt in der Person des Wachpostens, der im Gegensatz zur SS-Burgmannschaft bewaffnet ist und die Uniform der Waffen-SS trägt, nun eine neue, die unmittelbar terroristische Seite.

Schließlich verweisen das vorgebliche oder wirkliche Desinteresse des Fotografen und der Personen auf der Brücke an dem Häftling auf eine neue, zentrale Problematik der Geschichte des Nationalsozialismus: den Umgang mit dem Leid Anderer durch die "unbeteiligte" Mehrheit der Bevölkerung. Wegsehen z.B. war eine der häufigsten Verdrängungshaltungen.


Außer an der Burg arbeiteten die Häftlinge an folgenden Baustellen im KZ-Bereich und im Dorf:

Die Grundkarte (Maßstab 1:5000) gibt den heutigen Stand der Bebauung wieder. Bis 1945 reichte der Ort ostwärts nur bis zum "Haus Marc" und nordwärts bis zum sog. "Führerhaus l". Die Karte zeigt die wichtigsten Häftlingsarbeitsorte außerhalb des Lagers. Aus den Bauzeichnungen der Kommandos läßt sich auf die Art der Arbeiten schließen. Der bewußt auch lebensgefährliche Unfälle einschließende Charakter dieser Arbeiten wird durch den Bericht des ehemaligen Häftlings Paul Buder deutlich. Einerseits wurden von den Häftlingen höchste Arbeitsleistungen erwartet, andererseits wurden sie bei der Arbeit zu Tode geschunden:
"Wir kamen vom Brandenburger Sand. Und hier Steine! Ungewohnt die Arbeit im Steinbruch, unterhalb der Burg (...) Wir waren Neulinge, hatten keine Ahnung von Steinbruch-Arbeiten. Hände und Füße bluten. Kipploren entgleisen; stürzen den Abhang hinab, und müssen mühsam wieder heraufgeholt werden. Die Holzschuhe voller Lehm, werden abends gewaschen und morgens so naß wieder angezogen. Ein Stein zerschlägt mir das Schienbein, das Bein schwillt an. Ich kann nicht gehen, habe Fieber, muß im Lager bleiben, wo doch jeder Mann gebraucht wird. - Ich bin am Ende - bin die ganze Qual so leid, und sage dem Sanitäter, Bruder Schleicher, daß ich gern sterben möchte." [2]

Daß der mörderische Charakter der Arbeit keine Wewelsburger Besonderheit war, sondern auf zentrale Anweisung zurückging, wonach seit Kriegsbeginn die Arbeitskraft der Häftlinge besonders für die Rüstungsindustrie rücksichtslos auszubeuten sei, und daß der genannte Widerspruch sich dadurch löste, daß die SS die Menschenverluste durch Einweisung immer neuer Menschengruppen in die Konzentrationslager "ausglich", belegen der Befehl Oswald Pohls und der Bericht des Reichsjustizministers Thierack über eine Besprechung mit Himmler 1942 (Dokumente 1  Quelle und 2  Quelle). Diese Dokumente sind auch aufgrund ihrer Sprache, die Brutalität durch Amtlichkeit verbrämt, ein wichtiger Kontrast zum Erlebnisbericht des Häftlings; so werden in dem Bericht des Justizministers buchstäblich "Juden, Polen, Zigeuner, Russen und Ukrainer... durch den Reichsführer SS erledigt"! Aus der Lage der eingezeichneten KZ-Standorte wird ersichtlich, daß die Häftlinge ursprünglich in unmittelbarer Nähe der Burg untergebracht waren (Finneckestal unterhalb des Nordturms der Burg 1939 bzw. Kuhkampsberg 1939/40). Als sich nach Kriegsbeginn die Möglichkeit abzeichnete, die Baumaßnahmen in Wewelsburg fortzusetzen, stieg der Bedarf an Häftlingsarbeitern. Da die beiden ersten Standorte für ein großes Lager nicht in Frage kamen, wurde im August 1940 in Niederhagen das später unter diesem Namen selbständige KZ errichtet.

Die Tatsache, daß sich die Häftlingsarbeit mitten in der Dorföffentlichkeit vollzog, läßt sicher Rückschlüsse darauf zu, was die Bevölkerung von Wewelsburg über die Häftlinge erfuhr.


[1] Zitat aus einem Interview mit Joachim Escher vom 25.09.1991.
[2] Der Abschnitt entstammt einem über 100 Seiten langen handschriftlichen Bericht, den der ehemalige "Bibelforscher"-Häftling Paul Buder 1976 aus der Erinnerung verfaßt und dem Kreismuseum zur Verfügung gestellt hat (KW87). "Bruder" und "Schwester" sind die üblichen Anreden unter Zeugen Jehovas.


TECHNIKFoto
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OBJEKT-PROVENIENZPrivatbesitz


QUELLE    Hüser, Karl / Brebeck, Wulff E. | Wewelsburg 1933-1945 | Dia 01, S. 14-17
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.9   1900-1949
Ort2.7.4   Büren, Stadt
Sachgebiet3.2   Politische Ideologien
10.9   Arbeit, Beschäftigte
10.9.6   Zwangsarbeit
DATUM AUFNAHME2004-02-25
AUFRUFE GESAMT4695
AUFRUFE IM MONAT372