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(77 KB)   Paderborn-Schloss Neuhaus: Residenz der Paderborner Fürstbischöfe, Schloss Neuhaus / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/J. Klem   Paderborn-Schloss Neuhaus: Residenz der Paderborner Fürstbischöfe, Schloss Neuhaus / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/J. Klem
TITELPaderborn-Schloss Neuhaus: Residenz der Paderborner Fürstbischöfe, Schloss Neuhaus


INFORMATIONSeit dem 13. Jahrhundert residierten die Paderborner Kirchenfürsten nicht mehr am Dom, dem kirchlichen Zentrum ihres Bistums, sondern in der nahegelegenen, vor bürgerlichen Anfeindungen sicheren Burg Neuhaus. Auf diese Weise reagierten sie, wie zuvor schon andere Bischöfe andernorts, auf das steigende Selbstbewußtsein und den Machtzuwachs der Bürger. Innerhalb der "Städte" konnte das Domkapitel die ursprünglich bischöflichen Rechte an Grundbesitz, die sogenannte "Domimmunität", bzw. die "Domfreiheit` von städtischen Lasten, Steuerabgaben für sich gewinnen. Im 16./17. Jahrhundert bestand das Domkapitel aus 24 Domherren. Kraft umfangreichen Grundbesitzes, der Gerichtshoheit im Bezirk der "Domimmunität'', der Gerichtsgewalt an vielen anderen Orten, besonderer Privilegien - darunter das Recht der Bischofswahl - war es ein wichtiger Machtfaktor. Neben Adel / Ritterschaft und Bürgern/Städten nahm das Domkapitel zusammen mit anderen Geistlichen an der Landesherrschaft teil, in der der Bischof immer weiter eingeschränkt wurde.

Weil der Machtgewinn der Stände und die wachsenden Spannungen zwischen der Stadt Paderborn und dem Fürstbischof dessen Aufenthalt in Paderborn mehr und mehr erschwerten, erhielt Neuhaus als landesherrliche Festung und als militärischer Stützpunkt vor den Toren der Stadt zusätzliche Bedeutung. Schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde das Schloß zur dreiflügeligen Anlage ausgebaut. Seine endgültige, heutige Gestalt erhielt es 1590 unter Dietrich von Fürstenberg, der den Nordwestflügel und - an den Ecken des rechteckigen, nun vierflügeligen Komplexes - starke, runde Pavilliontürme hinzufügen ließ. Ihnen entsprechen vier Treppentürme mit aufwendigen Säulenportalen im Binnenhof. [1] Das Wasserschloß gehört zu den bedeutendsten der westfälischen Renaissance-Schlösser und war der hauptsächliche Aufenthaltsort des Fürstbischofs. Die kunstreiche Innengestaltung mit gedrehten Säulen und der äußere Flächenschmuck im Stil der Lippe-Renaissance lassen die prunkvolle, repäsentative Hofhaltung erahnen. U. a. bei "Staatsempfängen" für den Kurfürsten Ernst von Köln, den (lutherischen) Grafen Simon VI. zur Lippe, für familiäre Feiern, zum Beispiel die Hochzeit der Nichte Goda von Fürstenberg, aber auch für den gewöhnlichen Aufenthalt des Landesherrn. Hier fanden die Verhandlungen mit den Bürgervertretern statt die zur Auslieferung des Paderborner Bürgermeisters Liborius Wichart, der militärischen Besetzung Paderborns und zum endgültigen Sieg des Bischofs, d. h. zur vollen Wiederherstellung der landesherrlichen Gewalt im Jahre 1604 führten (vgl.  Bild 2 und  Bild 5).

Das Foto zeigt die Nordost-Ansicht von Schloß Neuhaus (rechts im Bild) mit dem sogenannten "Fürstenbergschen Haus", das schon an den fünf mit Renaissancegesimsen (Voluten, Hermenformen, Obelisken) reichverzierten Zwerchhäusern zu erkennen ist. Das Fürstenbergsche Haus" wurde im Auftrag Dietrichts IV. errichtet und verband die bereits bestehenden, zufällig gewachsenen Schloßflügel (Häuser Braunschweig, Köln/Spiegel und Kerssenbrock) zu einem geschlossenen, symmetrischen System. Darin liegt im wesentlichen die geistige Verbindung zu anderen großen Renaissance-Schöpfungen, zum Beispiel Aschaffenburg und Augustusburg, wo die Vierflügelanlage kurze Zeit nach (!) Neuhaus in reinster Form verwirklicht wurde. Die älteren Schloßflügel wurden ebenso einer grundlegenden, inneren Neugestaltung unterzogen. Die Treppentürme im Binnenhof entstanden unter Dietrich IV. und unterstreichen trotz wechselnder Gestaltung den Symmetriegedanken der Renaissance (vgl. Treppentürme in Blois und Chambord). Der Binnenhof erhielt nach Dietrichs Plänen einen Brunnen. Das "Fürstenbergsche Haus" nahm im Hauptgeschoß den neuen "Rittersaal" oder "Großen Saal" auf, der sich über die gesamte Gebäudebreite hinzieht und nur an den Stirnseiten durch je eine Tür zu betreten war. Daran schlossen sich das "Fürstliche Vorzimmer" (vermutlich eine ehemalige Schloßkapelle) und auf der anderen Seite das "Blaue Zimmer" mit goldenen Ledertapeten und blauem Baldachin an. [2] Die Anordung der Räume untereinander folgte der spanischen, höfischen Etikette, die den Besucher des Schlosses zunächst eine stattliche Folge prachtvoller Tore, Treppen und imponierender Gemächer durchschreiten ließ, bevor er die erwünschte Audienz beim Fürsten erhielt (vgl. Vorbild der höfischen Raumfolge im Escorial des spanischen Königs Phillip ll.).

Die Nordansicht ist durch Haupt-, Mittel- und Sockelgesims horizontal gegliedert, durch neun Fensterachsen aufgelockert, von denen fünf durch zweigeschossige Zwerchhäuser bekrönt worden sind. In jeder Achse sind dreifach gekoppelte Fenster zusammengefaßt Sie wirken wie ein Rastersystem, das sich zwischen Sockel- und Hauptgesims über die ganze Fassade erstreckt Während im "Haus Kerssenbrock" (siehe Ostansicht im Bild) Zwerchhäuser und Fenster der Geschosse unabhängig voneinander angeordnet sind, ist die Fassade von "Haus Fürstenberg" streng symmetrisch und"... entsprach genau seinen Wünschen", d. h. den Wünschen Dietrichs IV. [3] So war das Schloß eine Demonstration des neuen landesherrlichen Machtanspruchs und fürstlichen Selbstbewußtseins.

Auf dem Foto ist ebenso der militärische Charakter der Schloßanlage noch erkennbar. Sie war gleich einer Festung gesichert Daran erinnern die vier Außenecktürme, die im Auftrag Dietrichs IV. errichtet wurden. Sie sind typisch für die großen Bauprojekte des Fürstbischofs, lassen sich aber auch mit ähnlichen Bauten der Weser-Renaissance vergleichen (Wewelsburg:  Bild 7, Vernaburg, Hinnenburg, Schloß Detmold, Hehlen). lm ersten Geschoß befanden sich Schlüssellochschießscharten, die heute noch im Südostturm erhalten sind (im Bild links). Die Hauptfeuerkraft wurde frontal aus dem Kellergewölbe geschossen. Man befürchtete einen Angriff jedoch nur von der Südseite, aus der Paderborner Richtung. Das Schloß wird noch heute von schützenden Wassergräben eingeschlossen, die zusätzlich von Wällen mit Pallisadenwänden umgeben waren. Die ganze Anlage lag wie eine Insel zwischen Pader, Lippe und Atme. Um sie herum war ein weitläufiges Schanzsystem angelegt worden. Das Foto dokumentiert die künstlerische, architektonische und militärische Gestaltung von Schloß Neuhaus, den Macht- und Herrschaftswillen Dietrichs IV., dessen geistige und kulturelle Orientierung nach zeitgenössischen modernen Vorbildern, zum Beispiel der höfischen Repräsentation Philipps II. von Spanien.


[1] Becker, Schloß Neuhaus, S. 36f.
Mummenhof, Karl E., Wasserburgen in Westfalen, 3. Aufl., München o. J., S. 30.
[2] Becker, Schloß Neuhaus, S. 52f.
[3] Becker, Schloß Neuhaus, S. 40.


TECHNIKFoto
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FOTO-PROVENIENZMünster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/J. Klem


QUELLE    Vogt, Arnold | Die Gegenreformation im Paderborner Land | Dia 04, S. 23-25
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.2   1550-1599
Ort2.28   Paderborn, (Fürst-)Bistum < - 1802>
Sachgebiet3.7.1   Regierungssitze, Herrschaftssitze
9.3   Wohnen, Wohnungsausstattung
DATUM AUFNAHME2004-02-26
AUFRUFE GESAMT3637
AUFRUFE IM MONAT309