Kirche und Kirchhof im Dorf > Visitationen


Alter Teil des Friedhofs in Helden, gelegen auf der westlichen Seite der Kirche / Heldener Natur- und Heimatfreunde e.V.






Julia Börger

Visitationen

Kampf gegen 'spitzbübische' Gepflogenheiten sauerländer Kirchspielleute

"Da auch wahrgenommern worden, dass durch das Neujahr anschiessen, Maybaumsetzen, aergerliche Missbraeuch eingeschlichen, wodurch nur aergerniss und Suenden, mittels auffsuchender gelegenheit zu tanzen und sauffen entstehen, als wird ein solches ebenmaessig unter schwerer straff verbotten, und vollich abgeschaffet."

So lautete eine Anklage des Dechanten Hoeynck, der 1741 in Wenden, einem Dorf im südlichen Sauerland nahe der Stadt Olpe, erschienen war. Hoeynck bereiste in diesem Jahr viele Dörfer im Herzogtum Westfalen, um sie im Auftrag des Erzbischofs von Köln zu visitieren. Unter Visitationen versteht man den Besuch eines aufsichtsberechtigen kirchlichen Oberen, der Mängel in den Gemeinden feststellen und beheben soll. Im Idealfall war dies Aufgabe des jeweiligen Bischofs. Er konnte aber auch Vertreter senden, was im unwegsamen Sauerland häufig geschah. Gerade nach der Reformation wurde die Visitation im katholischen Raum dazu genutzt, "lutherische Irrlehren" aufzuspüren und auszumerzen, sowie die Bildung der Pfarrer, den Zustand der Kirchengebäude und deren Einrichtung, aber auch und gerade die Zucht und Frömmigkeit im Sinne des Konzils von Trient zu überprüfen. Die katholische Kirche versuchte so, einerseits den inneren Zusammenhalt zu sichern und sich andererseits gegen die protestantische Herausforderung zu behaupten.

Am Anfang des 17. Jahrhunderts wurden noch formlose Protokolle geschrieben. Der eine Schreiber kritisierte eher das Konkubinat des Pfarrers, ein anderer hingegen den Schmutz in den Kirchen. Im Oktober 1715 entwickelte der Generalvikar des Erzbistums Köln, Johann Arnold de Reux, die Notitiae Generales. Dabei handelte es sich um Fragebögen, welche die Pfarrer bereits vor der Visitation auszufüllen hatten. Die Notitiae Generales bestanden aus 133 Fragen und lieferten so schon einen recht vielfältigen Eindruck.

Auch in anderen Diözesen entstanden ähnliche Fragenkataloge. Sie erleichterten die Arbeit sehr, weil nun die Visitation nach einem Muster ablaufen konnte. Der Fragebogen lieferte dem Visitator schon vorab einen Überblick über den Zustand der Pfarrei, aber auch über den Bildungsstand des Pfarrers, da dieses Dokument in lateinischer Sprache abgefasst war und auch lateinisch beantwortet werden musste. Natürlich war nicht gewährleistet, dass diese Status Ecclesiae auch die Realität wiedergaben. Daher wäre eine Visitation vor Ort angebracht gewesen. Sie wurde aber gerade im Sauerland nicht immer für alle Pfarreien durchgeführt. Vielmehr beschränkten die Visitatoren sich auf Mittelpunktsvisitationen, bei denen sie einen zentralen Ort bereisten. Die Pfarrer der umliegenden Orte wurden dann dorthin zusammengerufen. Es stand dann eher die Frage nach theologischen Kenntnissen und dem "rechten katholischen Glauben" im Vordergrund.

Bei Visitationsreisen hingegen konnte sich der Visitator mit eigenen Augen ein Bild von den Zuständen in den Pfarreien machen. Indem er Gemeindemitglieder befragte, konnte er tief in das Leben des Kirchspiels eintauchen. So sagte der Küster aus Wenden aus, dass der Pfarrer nicht immer an Wochentagen die Messe zelebriere und auch nicht immer den katechetischen Unterricht erteile. Weiterhin wurden die Kirchenbücher und Kirchenrechnungen oder die Einnahmequellen der Pfarrer und Vikare überprüft. Dabei fielen mitunter kleine Unregelmäßigkeiten auf. Pastor Heidenrich Stuve aus Altengeseke etwa bereicherte sich 1615 auf Kosten der Gemeinde, indem er sich "ein pferdt hinweggenohmen". Pfarrer Horstmann aus Oedingen hielt es 1623 für angebracht, "allda im offenen gelage seine kirchenrechnung zu thuen".

Auch das Abweichen von der katholischen Lehre wurde in den Protokollen vermerkt. So wurde 1741 von einem Mann aus Wenden berichtet, der abergläubische Praktiken betrieb. In Marsberg nahm der Visitator 1613 bedauernd zur Kenntnis, dass "durch untrewe sectische, ja ketzerische Lehrer allerhandt ketzereien undt unglaub eingerissen undt fast überhandt genohmen". Immer wieder ermahnte der Visitator die Pfarrer, dem Alkohol weniger zuzusprechen. Besagter Pfarrer aus Oedingen hatte sich Ostermontag "umb den abendt zum sauffen gesetzet undt solches die gantze nacht continuiret". Zudem hatte er "unerachtet solcher nachtssäufferey ... den folgenden morgen ohne vorhergehende beicht undt praeparamenta meß gehalten". Ein großes Problem gerade zur Anfangszeit der tridentinischen Visitationen war das Konkubinat einiger Pfarrer. Im Jahre 1615 stellten die Visitatoren einen Mittelsmann dazu ab, "die ehebrecherische, Johan Rodthövedes zu Remblinghausen hausfraw, wie auch die concubinen des pastoris daselbst undt deren pastoren zu Rahrbach, Dorlar undt Eversberg in hafftung zu nehmen". Pastor Daniel aus Dorlar musste daraufhin bei den Kurfürstlichen Westfälischen Kommissarien 50 Reichstaler Strafe bezahlen. Die Konkubine sollte mehrere Stunden durch den Büttel des Ortes an den Pranger gestellt werden.

Alle Mängel und Fehlverhalten wurden also in diesen Protokollen vermerkt, die nach der Visitation ausgewertet wurden. Den Pfarrern ließen die Visitatoren Rezesse zukommen, in denen genau aufgeführt war, was zu verbessern oder zu beheben sei. Auf diese Punkte wurde dann beim nächsten Besuch besonders geachtet und es wurde überprüft, ob das Fehlverhalten eingestellt worden war.














Die Kirche und der Kirchhof im Dorf -
Berichte aus Westfalen im
konfessionellen Zeitalter





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Ortsansicht von Ottfingen/Wenden
mit der St. Hubertus-Kirche


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Kirche in Ottfingen/Wenden,
um 1940


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Alter Teil des Friedhofs in Helden