QUELLE

DATUM[o. D. / um 1764]
TITEL/REGESTPromemoria zur Lage des Bergbaus im Herzogtum Westfalen, zum Mangel an Bergleuten und zur Abhilfe dieses Mangels
TEXTPro Memoria wegen dermahligen Abgang und nützlicher ersetzung der nöthigen persohnen zum bergbau des Herzogthums Westphalen, o. D.

Es ist zur gnüge bekand, mit welch besonderer Vorsicht und steten Eifer der Bergbau in den Keyserlich-Königlichen erblanden, auch Chur- und Fürstenthum, Sachsen, Hanover, Braunschweig, Hessen, Waldeck etc. unterhalten und besorget werden. Die außerordentliche Vortheile, so denen Länderen dadurch zuwachsen, betreffen sowohl unmittelbahr dem landesherlichen interesse alsdenen unterthanen insemein, welche bey ermangelnden fruchtbahrern Kornboden und sonstigen Gewerbs oder Handlung durch Verkauffung ihres überflüssigen Gehöltzes zu Kohlen und Grubenbau allerhand Handarbeit zu Bekleydung der Bergwerksfamilien und sonstiger vielfältiger Arth Gelegenheit haben, Gelder zu gewinnen, wodurch sie im Stand gesetzet werden, sich sowohl Unterhalt zu verschaffen als ihre jährliche Abgaben desto besser zahlen zu können; wie nicht weniger dem gemeinen Wesen sehr nutzbahr, weil dadurch die Orthschafften in den wilden Gebirgen und schlechten Gründen mehr und mehr bevölckert, mithin von Zeit zu Zeit floriren werden, zumahlen in denen Churfürstentümern Sachsen und Hanover würklich über 10.000 Familien bloes vom Bergbau unterhalten werden, nebst welchen der größeste Theil deren sonstigen Einwohnern auf verschiedene Arth davon profitirt.

Es ist ferner nicht zu läugnen, daß das Herzogthum Westphalen bey Abgang des fruchtbahren Kornbodens von dem Allerhöchsten mit statlichem Eisen, Kupfer und Silber haltenden Bleybergwerckeren nebst dazu erforderlichen Gehöltzes reichlich gesegnet, davon auch vor diesen betrübten Kriegszeiten sehr viele in guthen Betrieb gewesen und dem Lande sowohl insgemeine als vielen insbesonderes jährlichs großen Nutzen verschaffet, viele Summen Geldes aus anderen Länder in dem hiesigen gezogen und roullirend gemacht, annebst dem Churfürstlichen Interesse ein ansehentliches beygetragen.

Es seyn aber dieselben leider mehrentheils durch die wiedrige Zeiten in Verfall gerathen und ohnbetrieben stehen geblieben, welche fürnemblich aus dem Mangel der einheimischen Bergleuthe hergerühret, zumahlen die ausländische (welche man bey Abgang der einheimischen sich verschaffen müssen) nebst Hinterlassung vieler Schulden von einem Orth zum anderen geloffen, um sich solche Örther auszusuchen, wo ihnen der Krieg in Theuerung der Lebensmittel oder sonst gar nicht nachtheilig; die wenige, so geblieben aber ihre Arbeit schlechterdings mit steten Faulentzen und Betrügereien verrichtet und daneben die etwa Einheimische auch zu dergleichen angeführt, ihnen viele Lügen und Versprechungen über großen Verdienst und geringerer Arbeit bey anderen außerhalb dieses Herzogthum liegenden Bergwerckeren gemacht und dadurch einen durch den anderen zum Laufen beweget, welches dan jene übele Folgen nach sich gezogen, daß fast kein einziges werck im hiesigen Herzogthumb, wie sich gebühret, bearbeitet und getrieben worden, indem, wan die Bergleute über ihre Faulheit und wenige Arbeit bestraffet werden wollen, sie alsbald andere Wercker genug gewust, wo sie mit dergleichen bestehen können und wo ihnen wegen Mangel hinlänglicher Arbeiten allerhand sonst ohnerlaubte Freiheiten verstattet und mit der Arbeit durch die Finger gesehen, obwohlen von Churfürstl[ichem] Bergambt die trefflichen Verordnungen wegen der Bergarbeit vorgekehrt worden.

Sie verschlingen also durch ihre Faulheit und Betrügereyen völlig ihre Vortheile, welche sonst den Bergbaulustigen bey dessen gehörigen Betrieb und Arbeit zuwachsen würden, verursachen denenselben sogahr dadurch offt ansehentliche Zubueß und machen, daß endlich die Wercker ohnbetrieben liegen bleiben, welches dan diesem Herzogthum einen ohnersetzlichen Schaden zuziehet; immaeßen sonst alljährlichs durch den Bergbau und daraus fließenden Commerce wenigst 3 bis 400.000 Rtlr. aus frömbden Ländern in hiesigem Herzogthum gezogen und unter Reichen sowohl als Armen roullirt seynd, welches ohnfehlbar cessiret und fölglich dieses Land, so fast kein anderes Commerce haben kann, gantz geldlos und deren wildesten unbevölckertsten Ländern gleich gemacht wird, wan nicht beyzeiten solche Mittel vorgekehrt werden, wodurch die Wercker wieder in guten, vortheilhaften Betrieb gesetzet werden; dan, wan der Verdienst aufhöret der großeste Theil der Menschen in besser bevölckerte Länder und wo ein mehreres zu verdienen sich begeben und der an sich ohnedem wenig eintragende Ackerbau mercklich leyden, viele Gründe davon wieder wüst liegen bleiben und die Waldungen bis in die Dörfer anwachsen, das abstämmige Gehöltz verderben und verfaulen, mithin endlich gantz öder und todt werden müste.

Diesem Übel nun aufs geschwindeste und heilsamste vorzukommen, wäre ohnmasgeblich das beste Mittel, wan die Hochlandvätterliche Verordnung gnädigst getroffen würden:

daß eine jede Orthschafft in hiesigem Herzogthumb ein oder zwey zur Arbeit tüchtige, wohlgewachsene, imgleichen ein oder zwey halbwachsene Burschen zum Bergbau gegen gewöhnliche bergordnungsmässiges Lohn dem Churfürstlichen Bergambt anzeigen und auf dessen Anweisung denen Bergbaulustigen darstellen, annebst daß sie gegen ehemals gewöhnliches Kostgeld solche Leuthe vor denen in ihren Nachbarschafft belegenen Bergwerckeren nach mehrerwehnten Churfürstlichen Bergambts Anweißung auf- und annehmen, sodan insbesondere der Bergbaufreyheit Sylbach Eingesessenen sich sofort, wie ehemahlen und wozu sie Beyerhaltung der Freyheit destinirt worden, zum Bergbau appliciren, von Stund an auf der Gruben, wo sie vom Churfürstl[ichen] Bergambt angewiesen werden, anfahren und ihre Arbeit treu und fleißig, wie es sich gebühret, verrichtet sölten, und zwarn dergestalt, daß alle dagegen einkommende unbegründete Einwendsel und Entschuldigungen, von welcher Arth sie auch wären, nicht angenommen, sonderndies Hochlandsvätterliche heilsahme Verordnung bloßerdings manuteniret würde;

zumahlen die geringe Unterthane jene Denckungskraft nicht haben, daß sie die Vortheile einsehen können, welche sie bey steter Verdienst in Verkauffung ihres überflüssigen Gehöltzes und Fuhrwesens durch den Bergbau von ohngefehr haben und durch welche sie im Stande gesetzet werden, jene Lasten abzutragen, welche ihnen sonst alzu schwer fallen würden; wo noch hinzukomt, daß sie zu ihren Wagen, Pflüge und sonstiger Ackergereitschafft das nöthige Eisen (welches ein mittelmeßiger Haußman, so ohngefehr 1 Rtlr. Schatzung gibt, wenigst 3 Waagen durchs Jahr vonnöthen hat) pro Waage mit 10 ad 13 Rtlr. würde bezahlen müssen, welchsne sie sonsten für 3 ad 4 Rtlr. haben und also dadurch fast für ein gantzes Jahr ihre Schatzungen profitiren können.

Indessen ist nicht nöthig, daß auf einmahl aus allen Orthschafften 2 bis 4 Leuthe zur Bergarbeit abgegeben werden, sondern genug, daß nach Proportion, daß der Bergbau anwachset, neue Wercker angelegt und alßo mehrere Bergleute erfordert werden, solche ohne fernere Umstände auf bloßer Anweisung Churfürstlichen Bergambts aus denen Örtern gestellt und deshalb die Wercker nicht länger liegen bleiben, das Cameralinteresse benachtheiligt und die Bergbaulustige in ihrem zum Bergbau haben Eifer gestöhrt werden.

Es wird sonder allen Zweifel hiedurch in kurtzem der Bergbau in hiesigem Herzogthum ein gantz anderes Ansehen gewinnen und dem Cameralinteressen ein beträchtliches beytragen.


PROVENIENZ  Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen
BESTANDLandsberg-Velen
SIGNATUR28168


QUELLE    Reininghaus, Wilfried / Köhne, Reinhard | Berg-, Hütten- und Hammerwerke im Herzogtum Westfalen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit | S. 551f.


PROJEKT    Montanwesen im Herzogtum Westfalen
SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ1.3   Einzelquelle (in Volltext/Regestenform)
Zeit3.6   1750-1799
Ort2.45   Westfalen, Hztm. < - 1802>
Sachgebiet10.14   Montanindustrie
DATUM AUFNAHME2008-02-12
DATUM ÄNDERUNG2010-08-06
AUFRUFE GESAMT1314
AUFRUFE IM MONAT14