QUELLE

DATUM1931-1947   Suche Portal
TITEL/REGESTBerichte über die Enthüllung von Gedenktafeln für die gefallenen Angehörigen des Familienverbands Dopheide in der Pfarrkirche zu Isselhorst und das Gedenken anlässlich weiterer Familientage
TEXT[...] Bevor man sich zur Kaffeetafel niederließ, galt es noch, einer ernsten Pflicht zu genügen, nämlich die große Ehrentafel, die allen sichtbar, aber vorerst noch verhüllt, aufgestellt war, einzuweihen. Nach einem kurzen Gesangsvortrag unseres gemischten Chores ergriff der Vorsitzende zu etwa folgenden Ausführungen das Wort:

"Liebe Basen und Vetter!
Gerade 400 Jahre sind es her, seit im Jahre 1531 zwei Dopedes, Anton und Poneet, in Opede den Tod um ihres Glauben willen erlitten. Eine merkwürdige Fügung will es, dass wir heute, nach 400 Jahren wieder sozusagen an der Bahre von 22 Märtyrern unseres Namens stehen, vor der Gedenktafel unserer im großen Krieg für und um ihrer Überzeugung willen Gefallenen. Ihnen, den wertvollsten unseres Verbandes, haben wir eine große Schuld abzutragen, eine Schuld, die wir eigentlich nie ganz gutmachen können, darum haben wir uns heute hier versammelt.

Zwei hochherzige Stifter, die Vettern Fritz Dopheide, Dortmund, und August Dopheide, Brackwede, beide selbst schwer im Krieg verwundet und nur mit knapper Not dem Tod entronnen, haben die unter dieser Hülle verborgnen Tafel dem Andenken unserer teuren Gefallenen gewidmet, ja sogar mit eigner Hand entworfen und ausgeführt; wie jeder nachher sehen wird, ein Kunstwerk von hohem Wert.


Liebe Basen und Vettern!
Wir kennen keine Unterschiede des [Fehlstelle, Schnittverlust einer Zeile] legen wir Wert. Wir sind der Überzeugung, dass alle sogenannte Bildung nur Stückwerk ist und dass es in Wahrheit nur eine Art von Bildung gibt, die Herzensbildung, den Takt. Der Krieg hat uns gelehrt, dass die in diesem Sinne besten Elemente unseres Volkes nicht unbedingt in Schichten der sogenannten Gebildeten zu suchen sind. Dass wir den Krieg so lange gegen die erdrückende Übermacht von 33 Staaten siegreich durchhalten konnten, das lag nicht so sehr daran, dass die Führung gut, als daran, dass die Mannschaft so über jedes Lob erhaben war.

Wenn wir in einem verhältnismäßig kleinen Verband, wie dem unseren, 22 Mann, Träger unseres Namens den Heldentod starben, so gibt uns das den Beweis, dass wir uns zu den Besten der Nation rechnen dürfen. Nur wenige Familien haben derartige Opfer gebracht. Dabei haben wir keine Berufsoldaten gestellt; man hat über uns verfügt in Zeiten der Not. Diese aber ließen ihr junges Leben, weil sie es für selbstverständlich hielten, als Männer dort zu stehen und zu sterben, wo der Kampf am heißesten tobte, wenn es galt, die Heimat und das Vaterland gegen die Übermacht böswilliger Feinde, zu schützen. Darum sind wir stolz auf diese unsere Gefallenen, die ihre Treue mit dem Leben bezahlten und mit dem Tode besiegelten; darum haben wir alle Ursache, ihrer nie zu vergessen, ihr Andenken in höchsten ehren zu halten und immer wieder zu versuchen, uns ihrer würdig zu erweisen.

So falle denn die Hülle unsers Ehrenmals! Sei es uns ein weiteres Zeichen unserer Verbundenheit und mahne es uns und die nach uns kommen werden stets an diese unsere Treuesten, denn ewig wahr bleibt das Wort, das wir dieser Tafel eingegraben wurde: "Niemand hat größere Liebe denn die, dass er sein Leben lässt für seine Freund!“

Unter den Klängen des Liedes vom „Guten Kameraden“ fiel sodann die Hülle durch die Hand des Meisters, der die Tafel geschaffen und mancher hat noch lange ergriffen und bewundernd das Kunstwerk angesehen und der Seinen gedacht.

Nach dieser ernsten Feier verlangte aber auch die Freude des sich wieder Sehens ihr Recht; man ließ sich zum Kaffeetrinken nieder und genoss ein paar frohe Plauderstunden. [...]

Im Jahre 1938 wurde die Isselhorster Kirche renoviert. Es bestand die Absicht die in der rechten Seitenkapelle befindliche Sakristei an eine andere Stelle zu verlegen. Durch das Entfernen der Bretterwand wurde die Seitenkapelle wieder mit dem Kirchenschiff verbunden. Diese Kapelle sollte und ist dann zu einer Dopheide-Kapelle, das heißt zu einer Gedenkstätte für die Gesamtfamilie Dopheide weiter ausgebaut worden. Die Stiftung eines Fensters mit dem Dopheidewappen und dem mit dem alten Wahlspruch: „ Post tenebras lux = nach Dunkelheit Licht“ war ein erster Schritt dazu. Später sollte auch die Ehrentafel der Gefallenen dort aufgehängt werden. Die Kapelle wurde in der Kriegszeit soweit ausgebaut, das die Ehrentafel aus dem Ersten Weltkrieg im September 1943 beim 7. Familientag hier ihren Platz fand. Schon im Sommer 1945 wurde beschlossen eine zweite Ehrentafel für die Gefallene des Zweiten Weltkrieges durch Fritz Dopheide anzufertigen die am Familientag am 9. September 1945 eingeweiht werden sollte.

[...]. Wer hätte es am 13. September 1931 bei der Einweihung unserer ersten Ehrentafel gedacht, das wir nach so kurzer Zeit schon eine zweite gebrauchen würden, mit einer gleich oder höheren Anzahl von Toten? Rund 50 Vettern und Basen sind uns durch diese zwei Kriege entrissen worden. Äußerlich ähnlich der alten ist zwar die neue Tafel inhaltlich grundverschieden von ihr. Während man nämlich von den Gefallenen der ersten Tafel sagen kann, dass sie mit Begeisterung ihr Leben für Ehre und Freiheit hingegeben haben, so gilt das für die zweite nur mit wesentlichen Einschränkungen. Die darauf Verzeichneten waren nicht alle der Überzeugung, dass ihr Tod unbedingt zur Erfüllung einer großen Sache notwendig war.

"Ein Held ist, wer das Leben Großen opfert, wer´s für ein Nichts vergeudet ist ein Tor!“ sagt Grillparzer. Die auf der neuen Tafel Stehenden sind nicht alles Helden in diesem Sinne, es wäre unwahr, das behaupten zu wollen. Ein Teil, ja, fiel voll Begeisterung für Führer und Vaterland, besonders im Anfang dieses Krieges. Andere jedoch erkannten frühzeitig die eitle Machtgier, die die Ehre fortwährend beschmutzte und die errungene Freiheit dazu missbrauchte, die ganze Welt in den Krieg zu stürzen; sie waren lediglich Opfer, die zwangsweise ihr Leben lassen mussten; dazu gehörten besonders die drei durch Bomben ums Leben Gekommenen, darunter die zwei Basen. Sie alle aber hingen bis zum letzten Atemzug mit Liebe an ihrer Heimat, ihrem Vaterlande und ihrer Familie. Wahrend der Künstler Fritz Dopheide - Dortmund auf der ersten Tafel noch mit gutem Gewissen Einzelheiten aus dem Kriegsgesehen auf der Umrandung schildern konnte, hat er diesmal vermieden, weil er sich schämte, die Erinnerung zu wecken an so viel Scheußliches, Unmenschliches, das auf beiden Seiten verübt worden ist. Er hat es schamvoll verhüllt. [...]

Darum hat er das Kreuz in die untere Randleiste eingegraben. Der Logos war nicht nur am Anfang der Welt, er wird auch bis zu ihrem Ende die Herrschaft behalten, d. h. nur durch Wahrhaftig wird sie bestehen und die Unendlichkeit sich immer nur kurze Zeithalten können. Darum steht unter dem Wappen der Wahlspruch unseres Stammvaters Jean: „Veritas omnia vincit“, die Wahrheit besiegt alles. Wir alle hofften, dass Deutschland besser sein und werden würde, verurteilten daher jeden Unredlichkeit, mit der die Machthaber ihre angeblichen gemeinnützigen, in Wirklichkeit aber rein egoistischen Ziele zu erreichen suchten und waren tief erschüttert als es sich zeigte, mit welchen Mitteln diese vor keinem Verbrechen zurückscheuenden Unmenschen vorgingen. Doch war es für ein zurück zu spät. Wir alle mussten mitleiden, unsere Gefallenen aber mussten ihr hoffnungsvolles junges Leben lassen. Voller Trauer stehen wir an der Bahre dieser, wie wir meinen völlig unnötigen Opfer des Krieges, der die Menschen in unwürdigster Weise in die Bunker getrieben hat wie die Mäuse in Mauselöcher.

21 Dopheides sind gefallen, 2 sind seit 4 1/2 Jahren vor Stalingrad vermisst, einer davon muss als verloren gelten. 7 andere sind noch gefangen, und wir wissen nicht welche wir von ihnen wiedersehen werden, wenn sie endlich unserm dringenden Wunsche entsprechend zurückkehren dürfen. [...]

So soll nach schwersten Notzeiten unser achte Familientag ein Tag hoffungsfreudigen Wiedersehens werden und ein Beweis dafür, dass wir nicht geneigt sind, uns unterkriegen zu lassen, sondern zuversichtlich unsere Arbeit weiterführen.

Nach der Enthüllung der Ehrentafel, die ja mehr noch eine Warnungstafel ist für alle, die noch an künftige Kriege denken, soll morgens 10 Uhr ein feierlicher Festgottesdienst in der Isselhorster Kirche durch Herrn Pastor Wiehage gehalten werden, vornehmlich auch zum Gedächtnis des großen Reformators Peter Waldus und alle, die für sein Wirken im Laufe der Jahrhunderte Gut und Blut geopfert haben. [...]

[...] Unter den Klängen des Posaunenchores nahm man am 8. Familientag (14. September 1947) die Plätze in der schön geschmückten Kirche ein, der Chor sang ein Weihelied und dann sprach nach einem gemeinsamen Choral Medizinalrat Dr. Wilhelm Dopheide zu Herzen gehende Worte vor der von Vetter Fritz in vielwöchiger Arbeit als gerngesehner Gast der Hollener unter dem Torbogen der Stammhofscheune kunstvoll geschnitzten Ehrentafel; sie war bedeckt mit der von Heinrich Dopheide - Bielefeld gestifteten Wappenfahne, er kleine Uli mit dem Wappenwimpel hielt Wache davor, die jungen Vettern Hans-Jürgen und Erhard Dopheide hielten sie. „An der selben Stelle wie auf der ersten Tafel, ganz obenan steht wieder“, so führte Vetter Wilhelm aus, "der einzige Sohn und Anerbe unseres Stammhofes, Werner Dopheide, dessen Verlust wir besonders schmerzlich empfinden. [...] Es folgte die weiter Aufrufung und Nennung der einzeln Namen und ihrer Schicksale. [...] Rechts und links auf der Umrandung der Tafel steht über einer Eichengirlande das Zeichen der Dreieinigkeit und des Liebe, unten, satt der zunächst geplanten Gravierung, der Leuchter des Waldenser - Wappens mit sieben Sternen, umschlungen von einem Bande mit dem Wahlspruch des Familienverbandes als Abschluss. Seine Weiherede schloss Wilhelm Dopheide mit den Worten des Dichter Hermann Claudius: „Licht muss wieder werden nach diesen dunklen Tagen. Lasst uns nicht fragen, ob wir es sehen. Es wird geschehen ! Auferstehen wird uns ein neues Licht.“

Am Ende seiner Rede fiel die Hülle, alle standen stauend vor dem von Vetter Fritz geschaffen Kunstwerk, betrachteten es stumm, während der Posaunenchor leise das Lied "Vom guten Kameraden“ ertönen ließ, und gedachten in tiefem Schmerze der nicht mehr unter uns weilenden, durch den Krieg so früh dahingerafften 22 Vettern und Basen, sowie derer, die noch in Gefangenschaft schmachten. Pfarrer Wiehage ließ noch ein Lied singen.


PROVENIENZ  Privatperson
BESTANDFVD1
SIGNATUR6, S. 55


FORMALBESCHREIBUNGTranskription: Alfred Smieszchala, Münster
SPRACHEdeutsch


PROJEKT    Erinnerungskultur in Ostwestfalen-Lippe / Denkmäler und Mahnmale in Ostwestfalen-Lippe
SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ1.3   Einzelquelle (in Volltext/Regestenform)
Zeit3.9   1900-1949
Ort2.2.2   Gütersloh, Stadt
Sachgebiet5.7.3   Verwundung, Tod
6.10.3   Tod, Witwenschaft, Witwerschaft
15.12.5   Kriegs- und Militärdenkmäler
DATUM AUFNAHME2009-08-18
AUFRUFE GESAMT3088
AUFRUFE IM MONAT311