PERSON

FAMILIETecklenburg, von
VORNAMEAnna


GESCHLECHTweiblich
GEBURT DATUM1530 [um]   Suche
GEBURT ORTTecklenburg
EHEPARTNER1553:  Bentheim, Everwin III. von
TOD DATUM1582-08-24   Suche
TOD ORTTecklenburg
BEGRÄBNIS ORTBentheim, Schlosskapelle


VATERTecklenburg, Konrad Graf von
MUTTERHessen, Mechthild von


BIOGRAFIEÜberall in Westfalen loderten vor allem im 16. und 17. Jahrhundert die Scheiterhaufen auf. Wie eine Epidemie verbreitete sich ein mörderischer Hexenwahn. In katholischen wie evangelischen Landstrichen wurden zahllose Menschen, meist aus der bäuerlichen Bevölkerung, unschuldig zu Tode gequält. Männer waren unter den Opfern, sogar Kinder, vor allem aber Frauen.

Der Hexenwahn wütete überall in Westfalen. Einige Landstriche allerdings blieben völlig ausgespart: die Grafschaften Bentheim, Tecklenburg und Steinfurt sowie die beiden kleineren Herrschaften Wevelinghoven und Rheda. Zu verdanken war dies vor allem der Gräfin Anna von Tecklenburg, die die Geschicke dieser Grafschaften leitete.

Elf Jahre regierte die aufgeschlossene Frau, und in dieser Zeit wehte ein neuer, ein friedlicher Wind durch das Land. Ihre Vorfahren hatten noch Kriege und Fehden ausgefochten - zum Leidwesen vor allem der bäuerlichen Untertanen, deren Höfe immer wieder von plündernden Landsknechten verwüstet wurden; diese erste Frau auf dem Tecklenburger Grafensitz wandte sich entschieden davon ab.

Die Gräfin führte keine Kriege mehr, sondern Verhandlungen. Die Verteidigungsanlagen der Tecklenburg ließ sie kurzerhand einebnen. Unter ihrer Regie wurde die wehrhafte Burg zu einem prächtigen Schloß umgebaut.

Ihre Verdienste sind offenkundig, doch in älteren Geschichtswerken über die Tecklenburger sucht man ihren Namen vergebens. Ihr streitbarer Vater, der "Tolle Kordt" von Tecklenburg, wird als Regent genannt, dann folgt in den Chroniken ihr Mann, Graf Eberwin, der 1562 an "Schwindsucht" gestorben sei, wie es heißt; ihm sei dann Graf Arnold, der Sohn der Gräfin, in der Regierung gefolgt. Sie selbst wird nicht genannt, obwohl sie elf Jahre als Vormund ihres minderjährigen Sohnes die Grafschaften regierte. Nicht einmal ein Bildnis ist von ihr überliefert.

Vorgezeichnet war ihr Weg auf den Regierungssitz der Grafschaften nicht, im Gegenteil. Um 1530 wurde sie in Tecklenburg geboren. Sie war das einzige Kind des Grafen Konrad von Tecklenburg und seiner Frau Mechtild von Hessen. Wie selbstverständlich wurde die Grafentochter als Gegenstand der üblichen adligen Heiratspolitik gesehen. 23 Jahre war sie alt, als ihr Vater eine "vortreffliche Partie" auserkor. Sie wurde 1553 verheiratet mit dem gerade 18jährigen Grafen Eberwin von Bentheim. Diese Heirat vereinte die Grafschaften Tecklenburg und Rheda mit der Grafschaft Bentheim unter eine Regierung.

Zwei Kinder brachte die junge Frau zur Welt, den Sohn und späteren Erben Arnold und die Tochter Walburga. Glücklich wird man die Ehe der beiden jungen Adligen nicht nennen können. Denn bald schon gab es unter den Eheleuten Streit um den rechten Glauben in ihren Grafschaften. Die junge Gräfin beharrte auf den lutherischen Glauben ihres Vaters, der Graf hingegen verfocht den katholischen Glauben. Er wolle das in Tecklenburg "abgeschaffte Pabsttum" wieder aufrichten, wurde ihm vorgeworfen.

Vollends zerrüttet wurde die Ehe durch den Ehebruch des Grafen. Von seiner Frau wollte er nichts mehr wissen, seit sie ihm zwei Grafschaften eingebracht und einen Stammhalter geboren hatte. Die Tecklenburger Ritterschaft schlug sich auf die Seite der Frau und warf dem Grafen vor, er habe "mit anderen Weibern als der Gräfin Beylager gehalten", mithin die Ehe gebrochen.

Die Tragödie endete mit dem plötzlichen Tod Eberwins im Jahr 1562. Der Graf starb im Alter von 26 Jahren - nicht an Schwindsucht, wie wohlmeinende Chronisten festhielten, sondern an der "Französischen Krankheit"; so nannten die Zeitgenossen die Geschlechtskrankheit Syphilis, die von Amerika eingeschleppt wurde und sich in Windeseile in Europa verbreitet, im gemeinen Volk wie in den europäischen Adelshäusern.

Durch diesen frühen Tod wurde die Gräfin Anna Regentin der Grafschaften Bentheim und Tecklenburg sowie der Herrschaft Rheda. Bemerkenswert an ihr ist nicht allein, daß sie die einzige Frau in der Reihe der damaligen Landesherrscher Westfalens war und eine im Vergleich zu ihren Vorfahren unerhörte Politik betrieb, eine Politik der Verhandlungen und des friedlichen Einvernehmens mit ihren Nachbarn. Bemerkenswert ist auch, daß die Regentin medizinisch hochgebildet war.

Sie erwarb einschlägige medizinische Heilkenntnisse, und sie stand unter ihren Zeitgenossen in dem Ruf, eine geschickte Heilerin zu sein. Auf der Tecklenburg gab es sogar eine reiche Sammlung von Arzneien, von Salben, Pillen und Tinkturen; höchstwahrscheinlich war diese Apotheke, für damalige Verhältnisse ungewöhnlich auf einer Burg, von der Gräfin Anna eingerichtet worden.

Über ihre medizinischen Künste hat sie nichts Schriftliches hinterlassen. Doch es gibt einen zuverlässigen Zeugen, der ihr Heilwissen rühmte: Johann Weyer, Arzt aus Grave an der Maas. Er lobte die Gräfin geradezu überschwenglich. Sie habe "Lust an der Artzney" und übe sich "in allerley subtilen und fürtreffentlichen köstlichen Wassern und Oelen, der Zubereytung der Extracten und Saltzen"; viele Krankheiten "sowol an innwendigen Mängeln als eusserlichen gefährlichen Schäden" habe sie heilen können. Deshalb werde sie "von dero Underthanen und Nachbaren sonderlich geehret und geliebet".

Johann Weyer, der dieses Lob auf die Gräfin anstimmte, war nicht irgendwer. Er war der erste Mann, der in Deutschland entschieden und sprachgewaltig gegen den Hexenwahn zu Felde zog. In seinem Buch mit dem Titel "Von den Blendwerken der Dämonen" geißelte er wortreich die zahllosen Verdächtigungen gegen die Hexen. Den weltlichen und kirchlichen Peinigern und Denunzianten warf er vor, von krankhaften Hirngespinsten geleitet zu sein.

Gräfin Anna dürfte zu den ersten Leserinnen dieses Buches gehört haben. Weyers Werk stand in ihrer Bibliothek. Als sie 1569 schwer erkrankte, holte sie diesen berühmten Arzt auf die Tecklenburg; damit begann eine enge Freundschaft, die bis zu ihrem Tod im Jahr 1582 dauerte. Oft hielt sich Weyer auf der Burg auf und die Gespräche zwischen ihm und der weltoffenen Gräfin dürften sich oft um das beunruhigende Thema der Hexenverfolgungen gedreht haben.

Den Männern und Frauen aus dem einfachen Volk wurde von ihren Peinigern häufig vorgeworfen, ihre Heilkünste seien Teufelswerk. Dies konnte bei der medizinisch gebildeten Gräfin ebenso wenig verfangen wie die übrigen wahnwitzigen Vorwürfe gegenüber den Hexen. So wundert es nicht, daß in Tecklenburg und den anderen Grafschaften niemand dem Hexenwahn zum Opfer fiel. Bis heute jedenfalls sind hier keine Hexenverfolgungen urkundlich nachweisbar, ganz im Gegensatz zu anderen Regionen Westfalens, wie etwa dem kurkölnischen Sauerland oder dem Fürstentum Lippe.

Die Gräfin Anna übergab 1573 die Regierungsgeschäfte ihrem Sohn Arnold. Neun Jahre später, am 24.08.1582, starb sie. Ihr Leichnam wurde nach Bentheim überführt. In der evangelisch-reformierten Kirche wurde sie an der Seite ihres mißliebigen Ehemannes bestattet. Johann Weyer urteilte über die lange vergessene Herrscherin: Obwohl sie ganz jung Witwe geworden sei, habe sie "drey Graffschaften und zwo Herrschafften sampt deren Landt unnd Leuthen mit recht und gutem willen unnd in frieden ganz fürsichtiglich, weißlich, ruhiglich unnd lang regieret."

QUELLE  Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 24-25
PROJEKT  Lebensbilder westfälischer Frauen
AUFNAHMEDATUM2003-08-05


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QUELLE    Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 24f.

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Zeit3.1   1500-1549
3.2   1550-1599
Ort2.35   Rheda, Herrschaft < - 1808>
2.44   Tecklenburg, Gt. < - 1808>
Sachgebiet3.7.2   Landesherren/-frauen, Präsidenten, Regierungschefs
6.8.9   Hexen
DATUM AUFNAHME2003-08-05
DATUM ÄNDERUNG2019-06-11
AUFRUFE GESAMT4534
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