PERSON

FAMILIEAdrian
VORNAMEGrete


GESCHLECHTweiblich
GEBURT DATUM1600 [um]   Suche
TOD DATUM1655-07-05   Suche
TOD ORTRüthen


BIOGRAFIEAm 03.06.1655 fanden sich sieben Männer auf dem Rathaus in Rüthen ein. Die Männer, allesamt Bauern, Heuerlinge und Knechte aus dem nahen Dörfchen Meiste und dem Nachbardorf Kneblinghausen, erhoben einen düsteren Vorwurf gegen die Bäuerin Grete Adrian in Meiste: "Sie ist eine Hexe!"

Vier Wochen später war Grete Adrian tot, grausam gefoltert und hingerichtet wegen des "Zauberlasters". Dreißig eng beschriebene Seiten einer alten Hexenprozess-Akte geben noch heute Auskunft über ihr Schicksal, ein Schicksal unter Tausenden allein in Westfalen.

Über die stille und wortkarge 55jährige Bäuerin hatten die Leute im Dorf schon lange gemunkelt. Erst wenige Jahre lag der Tod ihres Mannes zurück, und dabei, so hieß es, sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen. Ihre Schwestern seien vor einiger Zeit in Büren als Hexen auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden; ihre Mutter, so ein anderes Gerücht, sei vor der Inquisition nach Warstein geflohen.

Auch die sieben Männer, die im Rathaus zu Rüthen die Bäuerin Grete Adrian beschuldigten, gaben üble Gerüchte weiter, oder sie erzählten aberwitzige Geschichten, die Jahre zurück lagen und kaum mehr überprüfbar waren. Johan Losse beispielsweise, vormals Knecht auf dem Hof Adrian, wußte zu erzählen: Die Bäuerin habe ihm vor etwa 18 Jahren Milch vorgesetzt, in der sich eine lebendige bunte Maus, ungefähr eine Faust dick, befunden habe.

Der Bauer Nolte Brunstein erzählte, ein Wolf habe ein Pferd eines anderen Bauern namens Tückenest gerissen. Grete Adrian habe am Tag darauf dem Tückenest gesagt, sie habe die letzten Todesschreie des Pferdes gehört. Tückenest habe daraufhin erwidert: "Da wirst Du wohl nicht weit gewesen sein. Du wirst es selbst wohl getan haben." Dagegen, so berichtete Brunstein jetzt im Rathaus, habe sich Grete Adrian nicht verteidigt - ihm reichte das als Beweis ihrer Hexerei.

Grete Adrian stehe sogar mit dem Teufel im Bunde, wußte schließlich der Knecht Stoffel Luis - doch auch das nur vom Hörensagen: Der Schäfer des Dorfes habe ihm einmal erzählt, die Bäuerin Adrian beherberge den Teufel auf ihrem Hof; er sitze in Gestalt eines schwarzen Hundes oder einer großen Katze auf der Deele zwischen den Speckseiten im Rauchfang. Und überhaupt: Was die Frau heute vom Speck abschneide, sei anderntags wieder "ergäntzet".

Seine Beschuldigung untermauerte er mit folgender widersinnigen Geschichte: Er selbst habe einmal die Dorfjugend dazu angestiftet, im Haus der Adrian einige Schafe für das Osterfest zu stehlen. Das aber habe die Frau innerhalb einer Stunde erfahren, "ich weiß nicht durch welchen übernatürlichen Boten hin", so Stoffel Luis. Daß die Bäuerin seine geplante Untat vereitelte, schrieb er nicht ihren Sinnen und ihrem Verstand zu, sondern allein ihrem "Pakt mit dem Teufel".

So haltlos diese Bezichtigungen auch waren: Sie genügten dem Magistrat. Die Ratsherren, von abgrundtiefem Aberglauben ebenso verblendet wie die "Zeugen", ließen Grete Adrian sofort festnehmen. Man warf sie in das stärkste Gefängnis Rüthens, in ein Turmverlies in der Stadtmauer. Hier waren schon etliche "Hexen" eingekerkert worden, die in Rüthen dem Verfolgungswahn zum Opfer gefallen waren - größtenteils Frauen, aber auch Männer und sogar Kinder.

Am 14.06.1655, einen Tag nach ihrer Verhaftung, wurde Grete Adrian von einem "Ambtlichen Inquisitor" erstmals befragt. Noch wurde sie nicht gefoltert. Die Bäuerin stellte zunächst klar, daß ihre Mutter nicht wegen Zauberei nach Warstein geflohen sei, sondern daß sie vier Jahre vor dem ersten Verdacht dorthin geheiratet habe. Kurz und bündig fügte Grete Adrian hinzu, daß nicht ihre Schwestern, sondern die Schwestern ihrer Mutter und deren zwei Töchter hingerichtet worden seien.

Die Beschuldigungen stritt Grete Adrian Punkt für Punkt ab. Sie habe mit Folter zu rechnen, drohte man ihr. Die Bäuerin erwiderte mit Nachdruck, "sie sey aller vorgehaltener Laster unschuldig".

Drei Tage später wurde sie noch einmal verhört - diesmal unter Folter. Der gesamte Magistrat hatte sich in der Folterkammer versammelt; zwei Kapuziner-Mönche hatten die Bäuerin "exorcisirt", wie es im Folterprotokoll heißt, hatten ihr also "den Teufel ausgetrieben", und sie anschließend gesegnet. Man zeigte ihr die Marter-Werkzeuge, ermahnte sie noch einmal zu einem freiwilligen Geständnis. Grete Adrian lehnte ab.

Nun riß ihr der Henker die Kleider vom Oberkörper, schnitt ihr die Haare ab und stopfte ihr einen Ball in den Mund, damit ihre Schreie nicht nach außen drangen. Er zog eine Beinschraube an. Unter Schmerzen winkte sie sofort ab, man nahm ihr den Ball aus dem Mund, und sie "gestand", daß sie hexen könne. Grete Adrian sagte alles aus, was man von ihr verlangte. Ja, sie sei eine Hexe; ja, sie habe die Maus ins Milchglas gezaubert; ja, sie habe Vieh vergiftet; ja, sie habe sich in einen "Werwolf" verwandelt und das Pferd des Bauern Tückenest getötet.

Wenn sie nicht mehr weiter sprach, zog der Henker die Schrauben wieder an. Ein Entrinnen aus der Gewalt gab es für sie längst nicht mehr. Grete Adrian "gestand" nun die wunderlichsten Geschichten - Geschichten, die ihr wohl selbst einmal zu Ohren gekommen waren. Sie habe Mist von anderen Äckern, den die Nachbarbauern längst untergepflügt hätten, auf ihren eigenen Acker gezaubert. Nachts sei sie mit anderen in einer schwarzen Kutsche zur "Stumpfen Warte" gefahren, einem der Rüthener Wachtürme südlich von Meiste. Dort sei der Hexen-Tanzplatz, wo der Teufel mit einer gläsernen Trommel zum Tanz aufspiele. Schließlich klagte sie sich sogar an, ihren Mann durch ein schleichendes Gift umgebracht zu haben.

Nach diesen Aussagen, unter den Qualen der Folter erpreßt, stand ihr, der unschuldigen Bäuerin, die Todesstrafe bevor. Im Angesicht des nahen Todes sorgte sie sich nur noch um ihre Kinder. Sie bat den Bürgermeister, er möge dafür sorgen, daß ihre Kinder den ihnen zustehenden Erbteil erhielten. Außerdem bestimmte sie, daß jedes Kind 110 Reichstaler erhalten solle, dazu jede Tochter eine Kuh, ein Rind sowie "einen Kessel und einen Pott". Außerdem, so Grete Adrian, stünden noch drei Bauern aus Nachbardörfern bei ihr mit insgesamt 80 Reichstalern in der Kreide.

Die genannten Summen sind enorm hoch. Zum Vergleich: 11 Reichstaler jährlich erhielt damals ein Großknecht, zuzüglich freier Kost und Wohnung. Grete Adrian, so zeigen die wenigen Geldangaben, war für damalige Verhältnisse eine reiche Frau. Lag hier der Grund für die bösen Verdächtigungen? Die Bäuerin selbst erklärte, als ihre Peiniger sie nach dem Speck fragten, der "von Teufelshand" nachwachse: Dies "sey ihr durch neidische leuthe auffgedichtet".

Mehrmals noch wurde die gebrochene Frau verhört, ehe sie am 05.07.1655 auf dem Marktplatz in Rüthen zum Schöffengericht geführt wurde. Vor dem gaffenden und johlenden Volk wurde sie noch einmal, ein letztes Mal gedemütigt. Sie mußte ihre "Vollschuldigkeit" öffentlich eingestehen. Sie mußte sogar erklären, "daß ihr kein Unrecht geschehe". Der Richter brach einen Stab über sie, als Zeichen ihres verwirkten Lebens. Sein Urteil: Sie solle geköpft, ihr Körper verbrannt werden.

Das Urteil wurde am gleichen Tag vollstreckt - vier Wochen, nachdem die ersten Belastungszeugen die Bäuerin erstmals beschuldigt hatten. "Wolle Ihrer Sehlen Gott genadigh sein", mit diesen Worten beschloß der Gerichtsschreiber die Akte des Hexenprozesses gegen Grete Adrian.

QUELLE  Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 31f.
PROJEKT  Lebensbilder westfälischer Frauen
AUFNAHMEDATUM2003-08-05


QUELLE    Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 31f.

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Zeit3.3   1600-1649
3.4   1650-1699
Ort1.11.9   Rüthen, Stadt
Sachgebiet6.8.9   Hexen
DATUM AUFNAHME2003-08-05
DATUM ÄNDERUNG2010-04-08
AUFRUFE GESAMT1165
AUFRUFE IM MONAT214