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FAMILIEZelst, van
VORNAMEGertrud


GESCHLECHTweiblich
GEBURT DATUM1630 [um]   Suche
GEBURT ORTDoetinchem/Niederlande
EHEPARTNER1661 Schüttorf: Ernst Wilhelm von Bentheim
TOD DATUM1679   Suche


VATERZelst, Hartger van
MUTTERTeerinck, Elisabeth


BIOGRAFIEUm das Jahr 1630 wurde im niederländischen Doetinchem dem Richter Hartger van Zelst und seiner Frau Elisabeth Teerinck als neuntes und jüngstes Kind eine Tochter namens Gertrud geboren. Sie sollte in späteren Jahren in den Grafschaften Bentheim, Steinfurt und Tecklenburg eine große Rolle spielen und den Bischof von Münster Christoph Bernhard von Galen in Atem halten. Nicht zuletzt der Tat eines beherzten Bauern hatte sie es zu verdanken, daß sie im Kampf um ihre Kinder sogar den listigen und kriegerischen Bischof an die Wand spielen konnte.

Die Vorgeschichte beginnt mit der Schwester der Gertrud van Zelst namens Catharina. Sie heiratete im Mai 1652 in Bentheim Johann Georg Ketter, den Rentmeister des Grafen zu Bentheim. Durch diese Verbindung kam auch Gertrud auf die Bentheimer Burg. Hier lernte sie den Grafen Ernst Wilhelm kennen, der wenige Jahre später ihr Ehemann werden sollte.

Die beiden schlossen am 21. August 1661 in aller Heimlichkeit die Ehe im entlegenen Landstädtchen Schüttorf. Die Ehe sollte geheim bleiben, galt doch die Verbindung zwischen dem Grafen und der Richterstochter als nicht standesgemäß. Doch es gab noch einen anderen Grund für die heimliche Hochzeit: Gut drei Monate später brachte Gertrud van Zelst ihr erstes Kind zur Weit, den Sohn Ernst; er wurde bezeichnenderweise als " Juffern van Zelsts Kind" ins Kirchenbuch eingetragen.

Die Geburt des Kindes rief den jüngeren Bruder des Grafen, den in Burgsteinfurt residierenden Grafen Philipp Conrad, auf den Plan. Beide Brüder hatten erst fünf Jahre zuvor einen Erbvertrag abgeschlossen, wonach der Steinfurter Graf auch die Grafschaft Bentheim erben sollte, falls der Bentheimer Landesherr Ernst Wilhelm kinderlos sterben würde. Der Bentheimer Graf bestätigte diese Übereinkunft, erzählte aber seiner Frau davon nichts.

Gertrud van Zelst erfuhr dennoch alles und wandte sich an Münsters Bischof Christoph Bernhard von Galen. Ihr Ziel war es, ihrem Sohn das Erbe zu erhalten. Deshalb bat sie den Bischof um Hilfe und Schutz - vor allem gegenüber ihrem Schwager, dem Steinfurter Grafen. Er nämlich zweifelte die Gültigkeit der Ehe seines Bruders mit der niederländischen Richterstochter an - ja, er diffamierte die junge Frau und Mutter wegen ihrer unebenbürtigen Herkunft.

Gertrud ging in die Offensive. Sie ließ beim Bischof durchblicken, daß sie nicht abgeneigt sei, zum katholischen Glauben überzutreten, wenn er ihr helfe. Der Bischof kam den Wünschen Gertruds gern entgegen, hoffte er doch, dadurch mehr Macht und Einfluß in der Grafschaft Bentheim zu gewinnen. Zum einen war die Grafschaft reformierten Bekenntnisses und forderte den Bekehrungseifer des Bischofs heraus; zum anderen lag die Grafschaft strategisch günstig zwischen Münster und den Niederlanden. Der einflußreiche Bischof setzte alle Hebel in Bewegung, um den Makel der Unebenbürtigkeit Gertruds zu tilgen. Im Februar 1667 erreichte er, daß Gertrud van Zelst zur Reichsgräfin ernannt wurde.

Die selbstbewußte Frau sah in der neuen Würde nur eine Sicherung der Zukunft ihrer Kinder. Sachlich und ohne jede Eitelkeit stellte sie in einem Brief fest: "Was meinen Titel angeht, danach frage ich nicht. Meinen Namen van Zelst werde ich mit Ehren führen."

Noch herrschte Einigkeit zwischen dem Bentheimer Grafenehepaar und dem Münsterschen Bischof. Er übernahm sogar die Patenschaft für den zweiten Sohn. Doch bald kam es zum Konflikt zwischen Bentheim und Münster, denn vergebens wartete der Bischof auf die angedeutete "Gegenleistung", auf den Übertritt des Bentheimer Grafenpaares zur katholischen Konfession.

So entschloß sich Christoph Bernhard von Galen, Gewalt anzuwenden und die Bentheimer Burg zu belagern. Schon auf dem Weg dorthin begegneten sich der Bischof und der "abtrünnige" Graf durch einen Zufall. Der Bischof nötigte den Bentheimer Grafen, mit ihm zu kommen. In Coesfeld wurde der Graf an der fürstlichen Tafel "bei continuierlichem Saufen und Brausen" solange festgehalten, bis er dem Bischof endlich zu Willen war und in der Hofkapelle das katholische Glaubensbekenntnis ablegte.

Die Gräfin Gertrud war erbost und bestürzt über diese Nachricht, die sich in Windeseile im Land verbreitete. Doch sie behielt ihren klaren Kopf. So kleinmütig wie ihr Mann wollte sie nicht nachgeben. Unverzüglich ließ sie ihre beiden Söhne in die Niederlande, später nach England bringen, damit sie vor dem Zugriff des Bischofs sicher waren.

Wenig später eroberte der Bischof mit einem 2.000 Mann starken Heer die Burg Bentheim. Er ließ die Gräfin gefangen nehmen. Sie wurde mit ihrem dritten, gerade erst neugeborenen Kind, mit der Amme und ein paar anderen Bediensteten nach Münster verschleppt; dort setzte man sie im Haus des Bürgermeisters Römer fest.

Die Gräfin wurde mehrmals zum Nachgeben gezwungen. Doch sie war fest entschlossen, den Erbanspruch ihres ersten Sohnes zu verteidigen - auch gegenüber dem Bischof. Sie wurde strengstens bewacht und von ihren Bediensteten getrennt; sogar Tinte und Schreibzeug nahm man ihr ab. Dennoch fand sie Mittel und Wege, ihren niederländischen Verwandten die Gefangennahme zu melden. In den Niederlanden schlugen die Wogen hoch über die neue Gewalttat des Bischofs.

Wenig später glückte der Gräfin ein besonders verwegener Coup: Es gelang ihr, den Bauern Deithard Wissing, den Schulten im Dörfchen Ohne im Bentheimer Land, zum nächsten Markttag nach Münster zu bestellen. Der Bauer, seiner Herrin treu ergeben, machte sich flugs auf den Weg nach Münster. Er scheint nicht weniger listig als die Gräfin gewesen zu sein, gelang es ihm doch, unentdeckt in das Haus des Bürgermeisters zu kommen und seine Herrin zu befreien.

In "Bauernweibskleidern", so heißt es in einem Bericht, floh sie mit ihrem Säugling aus der Stadt Münster. Unterdessen schaukelte die Amme die leere Wiege hin und her, damit im Hause des Bürgermeisters niemand Verdacht schöpfte wegen der auffälligen Stille im Gemach der Gefangenen.

Als die Bauernkutsche das Stadttor passierte, gab sich die Gräfin als Osnabrücker Bürgerin aus, die ihren kranken Mann in Schüttorf besuchen wolle. Nach einem Aufenthalt auf dem Schultenhof in Ohne gelangte sie wohlbehalten in die sicheren Niederlande. Für seine Tat übrigens wurde der Bauer zu 400 Reichstalern Strafe verurteilt, die er am 15. August 1669 bezahlte. Ob er den Betrag später von der Gräfin zurückerhielt, ist nicht sicher. Seine Nachfahren jedenfalls klagten noch 1803 auf Schadenersatz.

Doch zurück zu der Flucht der Gräfin: Für den Bischof Christoph Bernhard von Galen war dies ein blamabler und furchtbarer Schlag zugleich. Kein Gedanke war dem Bischof und seinen Räten zu abwegig, um doch noch der Gräfin und ihrer Kinder habhaft zu werden. So schleuste man beispielsweise einen friesischen Bauernsohn unter falschem Namen in den Haushalt der Gräfin ein. Er sollte ihren Sohn entführen. Doch dieser Plan schlug ebenso fehl wie ein zweiter Entführungsversuch anläßlich einer Jagd.

Um doch noch Macht über die Grafschaft Bentheim zu bekommen, betrieb der Bischof dann eine ganz andere Sache: die Ehescheidung des Grafen. Der Bischof erklärte die Ehe kurzerhand für aufgelöst - eine Sicht, die selbst der Papst in Rom unterstützte. Der mittlerweile dem Bischof ergebene Bentheimer Graf heiratete ein zweites Mal, aus der zweiten Ehe ging indes allein eine nicht erbberechtigte Tochter hervor. So fiel das Bentheimer Erbe denn doch an den erstgeborenen Sohn des Grafen und der Gertrud van Zelst - eben jener Sohn, der von seiner Mutter erfolgreich geschützt worden war vor dem Machtstreben des münsterischen Bischofs.

QUELLE  Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 33-34
PROJEKT  Lebensbilder westfälischer Frauen
AUFNAHMEDATUM2003-08-05


QUELLE    Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 33f.

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Zeit3.3   1600-1649
3.4   1650-1699
DATUM AUFNAHME2003-08-05
DATUM ÄNDERUNG2010-09-20
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