PERSON

FAMILIEKrupp
VORNAMEHelene Amalie


GESCHLECHTweiblich
GEBURT DATUM1732-07-10   Suche
GEBURT ORTEssen
EHEPARTNER1751-12 Essen, Friedrich Jodocus Krupp (gest. 1757)
TOD DATUM1810-05-09   Suche


VATERAschersfeld, Peter Heinrich
MUTTERHartmann, Anna Maria


BIOGRAFIEGelsenkirchen war noch ein winziges westfälisches Bauerndorf, Essen ein kleines Händler- und Ackerbürgerstädtchen mit gerade 3500 Einwohnern, als in der Bauerschaft Altenessen, auf halber Strecke zwischen diesen beiden Orten, im Herbst 1797 eine Mühle unter den Hammer kam. Für mindestens 2100 Reichstaler sollte die Walkmühle den Besitzer wechseln. Bei der Versteigerung trat eine Frau als Alleinbietende auf: die Essener Händlerin Helene Amalie Krupp. Zum Mindestgebot legte sie fünf Reichstaler hinzu und erhielt sofort den Zuschlag. Für 2105 Reichstaler war sie Besitzerin einer Mühle geworden, zu der anderthalb Hektar Land gehörten.

Es war nicht der einzige Grundstückskauf, den die Händlerin tätigte. Für beinahe die gleiche Summe beispielsweise erstand Helene Amalie Krupp in der Bauerschaft Hordel bei Wattenscheid einen stattlichen Bauernhof, den sie gegen. Naturalleistungen verpachtete: Jährlich erhielt sie zwei Schweine, zwei Gänse, sieben Hühner, sieben Pfund Flachs, ein fettes Kalb und ein Rind als Pacht, dazu 60 dt Getreide.

Helene Amalie Krupp, geborene Aschersfeld, war eine weit über Essen hinaus bekannte Unternehmerin. Mehr als fünfzig Jahre lang betrieb sie als Alleininhaberin ein Handelsgeschäft in Essen, das sie nach dem frühen Tod ihres Mannes Friedrich Jodocus Krupp übernommen hatte; die Witwe führte es unter der Bezeichnung "Firma Wittib Krupp" weiter.

Sie handelte hauptsächlich mit Lebensmitteln wie Getreide, Butter, Käse oder Fisch, ferner mit Branntwein aus den umliegenden Kornbrennereien oder mit Genever aus Holland. Später handelte sie bisweilen mit Porzellan, und auch exotische "Kolonialwaren" aus den britischen und niederländischen Kolonien bot sie feil: Baumwolle und Orangen, Pfeffer und sogar Kaffee lieferte sie in die umliegenden Städte wie beispielsweise Dortmund oder Bochum sowie an die wohlhabenden Essener Bürger, die sich solch ausgefallene Waren leisten konnten.

Die so überaus geschäftstüchtige Frau stammte aus einer Ackerbürger-und Händlerfamilie. Ihr Großvater Goswin Aschersfeld war auf einem Hof in der Nähe Langenbergs aufgewachsen. Als nachgeborener Bauernsohn war er nach Essen gezogen und hatte dort an der Viehofer Straße ein kleines Haus mit zwei Morgen Land erstanden; nach und nach hatte er ein kleines Handelsgeschäft aufgebaut, das sein Sohn Peter Heinrich Aschersfeld mit seiner Frau Anna Maria Hartmann weiterführte.

Deren Tochter Helene Amalie wurde am 10. Juli 1732 geboren. Als sie in dem Ackerbürgerhaus ihres Großvaters zur Welt kam, waren die Aschersfelds längst zu den wohlhabenden Kreisen der Stadt aufgestiegen.

Die Eltern dürften Wert darauf gelegt haben, daß ihre Tochter Helene Amalie in eine ebenso wohlhabende Familie heiratete. Neunzehn Jahre war sie alt, als Helene Amalie Aschersfeld im Dezember 1751 den 45jährigen Friedrich Jodocus Krupp heiratete. Er entstammte ebenfalls einer angesehenen Kaufmannsfamilie und hatte mehrere städtische Ämter inne; im Alter von 22 Jahren hatte er bei den umliegenden Bauern Viehhandel betrieben, ehe er sich ins Handelsgeschäft verlegte und ein Lebensmittel- und Kolonialwarengeschäft gründete.

Er starb im Frühsommer 1757, fünfeinhalb Jahre nach der Hochzeit. Die junge Witwe Helene Amalie Krupp geborene Aschersfeld mußte nun allein für die beiden Söhne aus dieser Ehe sorgen, und sie übernahm, nicht einmal 25 Jahre alt, die Leitung des Handelsgeschäftes ihres Mannes.

Die junge Witwe kannte die Geschäftswelt. In einer Händlerfamilie aufgewachsen, war sie auch ihrem Mann bei seinen Geschäften zur Hand gegangen. Mehr als fünfzig Jahre lang leitete Helene Amalie Krupp fortan das ererbte Unternehmen. Ihr Sohn Peter Friedrich Wilhelm half ihr später zwar beim Führen der Geschäftsbücher, doch selbst nach seiner Heirat behielt sie das Heft fest in der Hand. Bis zu ihrem Tod am 9. Mai 1810 blieb sie die allein verantwortliche Inhaberin.

Von Beginn an baute sie die Lebensmittelhandlung ihres verstorbenen Mannes aus. Sie knüpfte Handelsverbindungen zu Kaufleuten in Hamburg, Bremen, Emden und sogar zu Handelshäusern in Amsterdam und London. Der Jahresumsatz ging steil in
die Höhe. Aus ihren Geschäftsbüchern geht hervor, daß der Umsatz in den Jahren um 1800 um mehr als das Zehnfache gestiegen war, verglichen mit ihren Anfangsjahren als Unternehmerin.

Dabei ließ sie sich kein X für ein U vormachen. Oft protestierte sie bei ihren Lieferanten, wenn die Ware nicht preisgünstig genug war. Nie ließ sie es durchgehen, wenn ihre Händler Waren lieferten, deren Qualität nicht stimmte. Einer Firma in Bremen beispielsweise, von der sie Kaffee bezogen hatte, teilte sie unumwunden mit: "Man kann den Kaffee kaum riechen, ohne ihn zu verabscheuen. Im Trinken ist er garstig." Als eine andere Firma in Amsterdam bei einer Lieferung falsche Gewichte angab und, wie die Unternehmerin schrieb, "horrende Unkosten" berechnete, kündigte Helene Amalie Krupp kurzerhand die Geschäftsbeziehung auf: "Und ich danke daher für Ihro an mir gegebenes Zutrauen."

In ihrem Geschäft am Essener Flachsmarkt verkaufte sie neben den Lebensmitteln und Kolonialwaren auch Leinwand und Tuche. Die Stoffballen erhielt sie, wie sie schrieb, "nur stückweise von meist bekannten Landleuten". So hatte sie die Gewähr, daß die Qualität stimmte.

Auch dieses Geschäft lief glänzend, und es rief so manchen Neider auf den Plan. Ein früherer Bediensteter, der sich inzwischen selbständig gemacht hatte, beschuldigte die Unternehmerin, sie habe wissentlich Leinentuch verkauft, das in einem Magazin in Bochum gestohlen worden sei. In einem Gerichtsprozeß stellte sich 1796 heraus, daß sie das Tuch zwar gekauft hatte, ohne allerdings zu wissen, daß es sich um Hehlerware gehandelt hatte. Sieben Jahre später erhob ihr Widersacher erneut schwere Anschuldigungen, doch entpuppten sie sich aufgrund mehrerer Zeugenaussagen als unhaltbar. Die Witwe Krupp wurde im Oktober 1803 endgültig freigesprochen.

Die Gewinne aus ihrem Handel legte Helene Amalie Krupp sorgsam in den Kauf von Wiesen, Ackerflächen und Gärten an, neben den oben genannten Käufen des Bauernhofes in Hordel und der Mühle zwischen Essen und Gelsenkirchen. Aus ihren Geschäftsbüchern geht hervor, daß sie zwischen 1770 und 1810 Immobilien im Wert von rund 21700 Reichstalern erwarb.

Als in Essen ab etwa 1780 die ersten Kohlezechen errichtet wurden, beteiligte sich Helene Amalie Krupp auch an diesen Geschäften. So kaufte sie bis zu ihrem Tod Anteile an neuen Kohlenzechen in und um Essen im Wert von insgesamt 2910 Reichstalern.

Wagemutig investierte sie auch in eine der ersten Eisenhütten weit und breit, die ein Geschäftsfreund in Sterkrade errichtete. Doch sie mußte mitansehen, wie er den Betrieb vernachlässigte und Schulden über Schulden aufhäufte. Die Hütte "Gute Hoffnung" wurde stillgelegt und versteigert. Helene Amalie Krupp blieb nichts anderes übrig, als die Hütte selbst zu ersteigern, um zumindest nicht das investierte Kapital zu verlieren.

Acht Jahre lang gehörte ihr die Hütte. Doch auch sie, die sonst so erfolgreiche Unternehmerin, scheiterte kläglich - nicht zuletzt, weil ihr das Gebiet der Eisenherstellung völlig fremd war. Im September 1808, anderthalb Jahre vor ihrem Tod, sah sie sich gezwungen, die unrentable Eisenhütte abzustoßen.

Trotz dieses Fehlschlags hinterließ sie ihrem Erben, dem Enkel Friedrich Krupp, einen reichen Besitz. Das Lebensmittel- und Tuchgeschäft, in dem seine Großmutter so erfolgreich tätig war, gab er allerdings bald auf. Mit dem Geld aus dem Verkauf finanzierte er den Bau einer Gußstahlfabrik, die in den folgenden Jahrzehnten zum mächtigen und einflußreichen Stahlkonzern expandierte. Heute ist es nahezu vergessen, daß das erste wirtschaftliche Fundament von der geschäftstüchtigen Lebensmittelhändlerin Helene Amalie Krupp gelegt wurde.

QUELLE  Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 42-44
PROJEKT  Lebensbilder westfälischer Frauen
AUFNAHMEDATUM2003-08-07


QUELLE    Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 42-44

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Zeit3.5   1700-1749
3.6   1750-1799
3.7   1800-1849
DATUM AUFNAHME2003-08-07
DATUM ÄNDERUNG2010-09-20
AUFRUFE GESAMT1669
AUFRUFE IM MONAT267