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(102 KB)   Haas, Carl Joseph (1775-1852): Die Familie Vincke (1826): Familie, Tod, Nachkommen, Nachwirkung - Familiengemälde / Privatbesitz / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/S. Sagurna   Informationen zur Abbildung

Haas, Carl Joseph (1775-1852): Die Familie Vincke (1826): Familie, Tod, Nachkommen, Nachwirkung - Familiengemälde / Privatbesitz / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/S. Sagurna
FAMILIEVincke, von
VORNAMEEleonore


GESCHLECHTweiblich
GEBURT DATUM1788   Suche Portal
GEBURT ORTHagen
TAUFNAMEEleonore Wilhelmine Luise Friederike
EHEPARTNER1810, Haus Busch bei Hagen:  Ludwig von Vincke, Oberpräsident der Provinz Westfalen
TOD DATUM1826-05-13   Suche Portal


VATERSyberg, von


BIOGRAFIE
"Ich möchte sagen, kein Tagelöhner in Deiner Provinz quält sich so als Du, und kein Beamter im Preußischen Staate arbeitet soviel als Du", schrieb Eleonore Vincke im März 1823 an ihren Mann, den vielbeschäftigten westfälischen Oberpräsidenten Ludwig Freiherr Vincke. "Oh wie viel leeres Stroh wird in dem Aktenleben gedroschen, und welch ein Lohn wird Dir einst dafür im Himmel werden?"

Auf Erden, in Westfalen, schätzten die Menschen ihren Oberpräsidenten, oder, wie er bisweilen auch genannt wurde, ihren "Vater Vincke". Unermüdlich baute der erste und oberste preußische Beamte Westfalens in seiner 29jährigen Amtszeit von 1815 bis 1844 im preußisch gewordenen Westfalen nach den Wirren der napoleonischen Zeit eine leistungsfähige Verwaltung auf. Wie kein zweiter trieb er die Bauernbefreiung voran und leitete zahlreiche Maßnahmen ein, um die Landwirtschaft zu verbessern; auch ließ er Straßen und Wasserwege bauen, gründete Blindenanstalten, Armenhäuser - um nur einige seiner Verdienste zu nennen.

Seine Frau Eleonore wußte dies durchaus zu schätzen. Sie warf ihm aber vor, er vergesse über sein enormes Arbeitspensum die eigene Familie - seine Frau und die sechs Kinder: "Traurig ist es mir", so schrieb Eleonore im März 1823, "daß das Versitzen in den Akten und Geschäften von Jahr zu Jahr schlimmer wird, daß Deine Familie immer weniger von Dir hat, daß Du selbst immer weniger Freude am Leben hast. Wo das endlich noch hinaus soll? Ich weiß es nicht." Und sie setzte hinzu: "Wieviel besser würden wir uns verstehen, klebtest Du weniger am Dienst, hättest Du mehr Sinn für uns."

Mehr als einmal war ihre Ehe getrübt, mehr als einmal fühlte sich Eleonore Vincke von ihrem Ehemann allein gelassen. Dabei hatte die Ehe so glücklich begonnen, im Frühling des Jahres 1810. 22 Jahre alt war Eleonore Wilhelmine Luise Friederike von Syberg - so ihr voller Name, als sie im Mai 1810 den 14 Jahre älteren Ludwig Freiherrn Vincke heiratete. Er entstammte einer alteingesessenen ostwestfälisch-braunschweigischen Adelsfamilie und hatte sich schon seit einigen Jahren als preußischer Landrat in Minden einen Namen gemacht.

Eleonore von Syberg war 1788 geboren und einziges überlebendes Kind begüterter Eltern aus einer weitverzweigten Hagener Adelsfamilie. Sie hatte vor ihrer Eheschließung bereits eine gute Ausbildung genossen. Ihre Eltern hatten sie nach Heidelberg geschickt, wo sie gemeinsam mit Töchtern reicher städtischer Kaufleute erzogen worden war. Diese für eine Adelstochter außergewöhnliche Erfahrung sollte ihr Denken prägen. Sie habe dadurch, so heißt es in einer nach ihrem Tod niedergeschriebenen Beschreibung ihres Lebens, "die ihrer Individualität entsprechende freisinnige Denkungsart in Betreff ihres Standes" erhalten, nicht den "Geburtsadel", sondern den "Seelenadel" habe sie vorgezogen.

Ihre Hochzeit mit Ludwig Vincke war zwei Tage lang standesgemäß auf Haus Busch, dem Landgut der Sybergs abseits von Hagen, gefeiert worden. Zur Hochzeit erhielt Eleonore von ihren begüterten Eltern ein stattliches Gut in Ickern nahe Castrop-Rauxel als Mitgift. Auf das Gut zog sich das frisch vermählte Ehepaar zurück und verlebte einige Jahre stillen familiären Glücks - Jahre, die für Eleonore allerdings gelegentlich getrübt waren von "der Geschäftigkeit des Gatten und seinen geselligen Neigungen", wie es in einer früheren Lebensbeschreibung heißt.

Mit dem Ideal eines intimen Familienlebens war es spätestens vorbei, als Ludwig Vincke 1815 vom preußischen König zum Oberpräsidenten Westfalens ernannt wurde - ein Amt, das ihn 14 bis 16 Stunden am Tag ausfüllte und das er bis zu seinem Tod im Dezember 1844 innehatte.

Eleonore fühlte sich mit den vier Söhnen und den beiden Töchtern oft im Stich gelassen von ihrem Mann. Zu einem schweren Ehekonflikt war es bereits nach der Geburt des dritten Sohnes im September 1819 gekommen. Eleonore war schwer erkrankt und erholte sich auf dem Landgut ihrer Eltern, auf Haus Busch in Hagen. Ihr Mann indessen versank im fernen Münster hinter Aktenbergen. Eleonore verfluchte die "traurige Staatspflicht, die höhere Pflichten kennt als die leidende Frau und Mutter Deiner Kinder zu trösten". Und weiter: "Wenn noch ein Funken der alten Liebe in Dir ist, oh so verlaß die Berge von Papier, unter denen Dein Herz verdorrt, Deine Seele einschrumpft und der Körper erliegt!"

Daß Ludwig Vincke ihr nicht beistand, erbitterte sie so sehr, daß sie ihm die Scheidung androhte: "Ich entsage freywillig meinem Recht auf deine geliebte theure Hand, scheide mich von Dir nach neuneinhalbjähriger, durch Leiden und Freuden, Liebe, Vertrauen, Vater- und Mutterhoffnung gesegneten Ehe."

Vincke suchte sie in einem Antwortbrief zu beruhigen. Er beschwor sie: "Soviel miteinander belebte Freuden und Leiden haben uns immer inniger verbunden und die Überzeugung befestigt, daß wir nur ganz zusammengehören und einer ohne den andern nicht seyn könne!" Sein schwerer Beruf, so schrieb er weiter, mache es ihm derzeit unmöglich, zu ihr zu kommen. Und als pflichttreuer preußischer Staatsdiener setzte er hinzu: "Du weißt es ja selbst, wie schwer die Geschäfte mich belasten und daß diese meine erste Pflicht in Anspruch nehmen."

Wenige Tage später eilte Ludwig Vincke dann doch auf das Landgut
nach Hagen, "nicht ohne bange Sorge", wie er später eingestand. Seine Frau fand er gesundend vor, und die beiden Ehegatten söhnten sich in den folgenden Wochen wieder aus.

So sehr Eleonore Vincke die Amtsgeschäfte ihres Mannes kritisierte, ja gelegentlich verfluchte: Nicht selten beriet sie ihn in seinen Dienstangelegenheiten. Beobachter, die die Eheleute Vincke gut kannten, urteilten über Eleonore, daß sie die bessere Urteilskraft besitze, was Menschenkenntnis anging, und daß sie ihrem Mann "in den größten wie in den kleinsten Dingen seine kluge, von ihm anerkannte Rathgeberin und geistige Stütze" sei.

So unterstützte sie ihren Mann darin, als er sich wiederholt mit dem einflußreichen westfälischen Landadel anlegte. Eleonore teilte mit ihm die reservierte, ja kritische Haltung ihren adligen Standesgenossen gegenüber: "Adelsstolz" geißelte sie als "etwas höchst Lächerliches, ja selbst Sündliches"; und später notierte die fromme Frau in ihren Aufzeichnungen: "Ich leugne es nicht, oft habe ich mir gedacht, was manche stolze Adlige für ein Gesicht machen würden, wenn sie mit ihrem Dienstboten im Himmel zusammenkämen." Und an anderer Stelle: "Ich kann mir nicht helfen, vor Gott sind wir doch alle gleich."

Vincke selbst spielte mehrfach dem Gedanken, von seinem Amt zurückzutreten - nicht aus familiären Gründen, sondern weil er haderte mit dem preußischen Staat. Ihn störte vor allem "unerhörte Gleichgültigkeit, Leichtsinn, Nachlässigkeit, womit die wichtigsten Sachen in Berlin behandelt werden - der Übermuth, alles besser und allein wissen zu wollen."

Seine Frau bestärkte ihn in dieser Haltung. Ja, sie kritisierte den preußischen Militärstaat weitaus grundsätzlicher als ihr Mann: "Während unsere brave Armee die Nation auf die höchste Stufe des Ruhmes erhebt, solche Erbärmlichkeiten im Innern! Und sähe man nur eine Hoffnung des Besserwerdens - hierin verzweifle ich."

In Gesprächen und Briefen wandte sie sich auch. entschieden gegen die sogenannten "Demagogenverfolgungen"; daß der preußische Staat gegen seine liberalen und demokratischen "Staatsfeinde" vorging, die für Presse- und Versammlungsfreiheit eintraten, lehnte Eleonore Vincke zutiefst ab. Sie bedauerte die "armen Demagogen", befürchtete die Todesstrafe, mit denen Preußen seinen "Staatsfeinden" drohte. Ihren einflußreichen Mann, der in Berliner Regierungskreisen bisweilen selbst als "arger Demagoge" verdächtigt wurde, drängte sie, er möge doch für die Verfolgten Fürsprache einlegen: "In Deiner letzten Stunde wird es Dich nicht gereuen, wenn Du etwas für sie gethan, und ruhig und zufrieden kannst Du darauf zurückblicken. Ach es wäre doch schön, wenn die Todesstrafe nicht ausgesprochen würde. "

Kurz vor ihrem Tod, am 13.05.1826, verfaßte sie eine Art Vermächtnis für ihren ältesten Sohn Georg. Darin blickte sie auf ihr Leben zurück und hielt ihre eigenen Vorsätze fest:
"Halte den für Deinen besten Freund, der Dir stets die Wahrheit sagt, ist sie gleich manchmal hart und bitter. Wie glücklich ist der, dem Wahrheit gesagt wird. Wäre sie mir immer gesagt worden, und hätte ich in der Noth einen treueren Freund gehabt, besser hätte es früher um mich gestanden. Doch Gottes Fügung ehre ich dankend und preisend in allen meinen Schicksalen."


QUELLE  Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 53-55
PROJEKT  Lebensbilder westfälischer Frauen
AUFNAHMEDATUM2004-09-07


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QUELLE    Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 53-55

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Zeit3.6   1750-1799
3.7   1800-1849
DATUM AUFNAHME2003-08-22
DATUM ÄNDERUNG2010-10-02
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