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(81 KB)   Transport sowjetischer Kriegsgefangener ins Deutsche Reich im Herbst 1941, Titelfoto der Zeitschrift    Transport sowjetischer Kriegsgefangener ins Deutsche Reich im Herbst 1941, Titelfoto der Zeitschrift
TITELTransport sowjetischer Kriegsgefangener ins Deutsche Reich im Herbst 1941, Titelfoto der Zeitschrift 'Die Wehrmacht', Heft 23, 05.11.1941
DATIERUNG1941-11-05
GEOPOSITIONGoogle Maps OSM | 51.745228273865200 (NS), 8.712327182292938 (EW) (exakt)


INFORMATIONSchon kurz nach Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion machte das deutsche Heer Gefangene in bis dahin unvorstellbarer Größenordnung. Bis Mitte November 1941 fielen der Heeresgruppe Mitte knapp 1,5 Millionen Rotarmisten In die Hände (323.000 bei Bialystok und Minsk, 350.000 bei Smolensk, 662.000 bei Vjasma und Brjansk), der Heeresgruppe Süd allein bei Kiev 665.000. Auch wenn ein beträchtlicher Teil von ihnen in den besetzten Gebieten der Sowjetunion verblieb und dort zur Arbeit eingesetzt wurde, transportierte man doch noch 1941 einige Hunderttausend ins Deutsche Reich. Das geschah allerdings unter Umständen, die sich in das Gedächtnis der Überlebenden geradezu eingebrannt haben. Im Folgenden sollen daher vor allem die Quellen sprechen. Wegen des weitmaschigen Eisenbahnnetzes in der Sowjetunion waren oft Fußmärsche von mehreren hundert Kilometer bis zu den nächsten Bahnhöfen erforderlich. Geschwächt durch die vorangegangenen Kämpfe und mangelhafte Ernährung waren die Gefangenen kaum mehr in der Lage, die nun folgenden Strapazen durchzustehen. Katastrophale Verhältnisse waren die Folge. Hierzu der Bericht einer Bewachungseinheit:
"Der Abtransport der 4200 Kriegsgefangenen begann um 5.15... Auf 2 Panjewagen saßen etwa 20 Verwundete, etwa 50 Kriegsgefangene hielten sich an den Wägen fest. Die Kriegsgefangenen erhielten vor dem Abmarsch 114 Laib Brot (450 gr.) für den ganzen Tag. Zum Trinken war nichts mitgegeben worden. Auf dem ganzen Weg war kein Brunnen zu finden. Nach etwa 20 km kam bei den Krgsgef. der erste Ausfall, wohl hervorgerufen durch körperliche Schwäche und wunde Füße. Nur durch Anwendung von Gewalt waren diese Leute wieder in Marsch zu bringen. Nach etwa 35 km war der Zusammenbruch der Kriegsgef. derart stark, daß Hunderte links und rechts des Weges in den Graben fielen und sich trotz Schläge nicht mehr rührten. Selbst die Androhung des Erschießens erzielte keine Wirkung".

(Oft genug wurden Gefangene, die nicht mehr marschieren konnten, tatsächlich erschossen.) Der Transport erreichte sein Ziel gegen 20.15 Uhr. Ein Hauptmann sagte dort,
"es sei unmöglich, daß Kgf. eine solche weite Strecke an einem Tag bewältigen können. Die Kgf. kommen krank an und sind dann weiterhin nicht mehr voll transportfähig. Der Transport sei für abends nicht mehr erwartet worden, und so konnte an die Kgf. auch kein Abendessen mehr ausgegeben werden."

Der Abtransport per Zug verbesserte das Los nur unwesentlich. Das vorliegende Bild, immerhin als Titelseite einer militärischen Zeitschrift gedruckt, zeigt wenigstens sechs offene Güterwagen, in denen Gefangene der Doppelschlacht von Vjasma und Brjansk dicht an dicht stehen; sitzen oder gar liegen war hier unmöglich. Obwohl Schnee gefallen war und es gefroren hatte, setzte die Reichsbahn hier für den Transport lediglich offene, an anderen Stellen zwar geschlossene, jedoch ungeheizte Güterwagen ein. Da diese Züge in der Prioritätenliste an letzter Stelle rangierten und daher oft warten mußten, waren die Männer oft tagelang unterwegs und über die reine Fahrzeit hinaus stundenlang der Kälte ausgesetzt. Todesfälle und Erfrierungen waren zwangsläufig die Folge. Es ist bezeichnend, daß man nach der Besichtigung eines Durchgangslagers anordnete, in Zukunft (!) die Männer nicht mehr in offenen Wagen zu befördern, da bei einem Transport nach Minsk etwa 1.000 von 5.000 Männern gestorben seien.

In den Sommermonaten zuvor waren die Verhältnisse nicht besser. Hier waren es der Mangel an Trinkwasser und die Hitze, die ihren Tribut forderten. So berichtete der Landrat in Gifhorn (Provinz Hannover) im September 1941 dem Regierungspräsidenten in Lüneburg, auf einer Station in seiner Region würden bei einem Halt immer wieder Transporttote in der Nähe des Bahnhofes in der Heide vergraben. Am 27.09.1941 teilte der Transportoffizier eines Gefangenenzuges erneut fernmündlich mit, daß an dem Ort "wiederum einige Tote aus einem Transportzug ausgeladen würden, die dort zu beerdigen wären". Nachdem am 17.10.1941 nochmals 12 Leichen gemeldet worden waren, forderte der Regierungspräsident seine vorgesetzte Stelle auf, "unverzüglich das Erforderliche zur Behebung dieses öffentlichen Skandals" zu veranlassen. Das Gegenteil trat allerdings ein: eine Woche später machte das Reichsinnenministerium den Gemeinden die Bestattung solcher Transportopfer zur Pflicht, ohne Zweifel ein Indiz dafür, welch eine hohe Zahl an Opfern diese Verhältnisse forderten, ebenso aber auch für die ideologisch bedingte Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der slawischen "Untermenschen".

Wie die Gefangenen selbst ihren Transport erfuhren, zeigt ein Bericht von W. I. Schimanskij, der im Sommer 1941 in die Senne kam. Eine Kolonne von etwa 3.000 Mann wurde in Ostpolen in Waggons zu je 70 Personen verladen.
"An den Fenstern waren Gitter aus Stacheldraht. Die Waggons von deutschem Typ waren ohne Pritschen. Hinlegen konnte sich niemand; wir setzten uns daher abwechselnd. Man verpflegte uns auf der Fahrt mit Brot und Wasser. Davon gab es sehr geringe Mengen, nur 200 g Brot und ein Liter Wasser pro Tag. Unsere Notdurft verrichteten wir durch die Türspalten während der Fahrt des Zuges, weil die Deutschen sich scheuten, uns an den Haltestellen herauszulassen. Üblen Geruch, Schwüle, Müdigkeit und Hunger mußten wir die drei Tage währende Fahrt über ertragen."

Deutsche Augenzeugen schildern die Ankunft der Transporte so: "Die Gefangenen wurden in Hövelhof (ca. 5 km vom Lager entfernt) ausgeladen und marschierten zum Lager. Die Kolonnen waren ca. 400 m lang, etwa alle 50 m ging ein Posten. Unterwegs fraßen die Russen das Laub von den Bäumen ... dafür wurden sie von den Posten geprügelt. Hinter den Kolonnen fuhr ein Wagen, der die, die nicht mehr konnten, aufsammelte." Und ein anderer erinnert sich:
"Große Transporte kamen aus Hövelhof. Sie wurden vorangetrieben. Es war schlimm. Es waren sehr lange Transporte. Als sie kamen, sahen sie ganz erbärmlich aus, z. T hatten sie die Füße in Lumpen, z. T hatten sie gar kein Zeug. Hinter den Transporten fuhr wohl ein Karren hinterher."

Die Verhältnisse besserten sich langsam, vor allem, weil man den Wert der Arbeitskraft der Gefangenen für die Kriegswirtschaft erkannte. Nachdem aber das Stalag 326 im September 1942 zum Aufnahme- und Musterungslager für den Bergbau bestimmt worden war, trafen wieder umfangreiche Transporte in großer Zahl in der Senne ein. Allein zwischen dem 20.09.1942 und 01.10.1942 waren es neun Züge mit zusammen 22.000 Mann. Den Weg selbst überlebten zwar die meisten; sie waren aber durch die Umstände so geschwächt, daß viele von ihnen bald nach der Ankunft starben.


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QUELLE    Otto, Reinhard | Das Stalag 326 (VI K) Senne | Dia 02, S. 13-15
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
165   Presseveröffentlichung (Zeitungsartikel)
Zeit3.9   1900-1949
Ort1.80   Russland / Sowjetunion <1922-1992> / Russische Föderation <1992 - >
DATUM AUFNAHME2003-11-20
DATUM ÄNDERUNG2013-04-29
AUFRUFE GESAMT1929
AUFRUFE IM MONAT12