PERSON

FAMILIEStecker
VORNAMESophie


GESCHLECHTweiblich
GEBURT DATUM1864-08-28   Suche Portal
GEBURT ORTSchmallenberg
TOD DATUM1957-11-19   Suche Portal
TOD ORTSchmallenberg


VATERStecker, Franz
MUTTERKewekordes, Therese


BIOGRAFIEDrei weiße Blüten darunter dreimal der geschwungene Buchstabe S - dies war das Signet der Schmallenberger "Strickwarenfabrik Sophie Stecker". Die Firma, deren Werkstore seit einigen Jahren geschlossen sind, zählte einst zu den umsatzstarken Unternehmen der Sauerländer Textilindustrie.

Außergewöhnlich ist die Geschichte des Unternehmens: Es wurde gegründet von einer jungen Frau namens Therese Stecker. Beteiligt war auch ihre Schwester Sophie Stecker, die das Unternehmen nach dem frühen Tod der Gründerin fortführte. Sophie Stecker erreichte das hohe Lebensalter von 93 Jahren. Mehr als 70 Jahre lang war sie mit dem Geschick des Familienunternehmens verknüpft, mehr als 50 Jahre leitete sie die Firma.

In dieser ungewöhnlich langen Zeitspanne gelang der Frau scheinbar Unmögliches: Die kleine Strickstube baute sie zu einer ansehnlichen, vollmechanisierten und -motorisierten
Textilfabrik aus - und das in dem damals kleinen, nicht gerade verkehrsgünstig gelegenen Landstädtchen Schmallenberg.

Sophie Stecker, am 28. August 1864 geboren, war die jüngste von sechs Geschwistern. Ihre Mutter Therese Stecker, geborene Kewekordes, stammte aus einer alteingesessenen Schmallenberger Bauernfamilie. Ihr Vater Franz Stecker war der Sohn eines Handwerkers.

Franz Stecker muß ein ausgesprochen vielseitiger Mensch gewesen sein, denn er ging nicht nur seinem erlernten Handwerk des Dachdeckens nach. Zeitweilig arbeitete Franz Stecker als Nagelschmied, betrieb dann eine Landgaststätte mit dazugehörender Brauerei, versuchte sich auch als Bäcker, Schornsteinfeger und Gärtner. Schließlich legte er sogar künstlerische Fertigkeiten an den Tag, als er Kirchengemälde anfertigte und altehrwürdige Abtsportraits für das benachbarte Kloster Grafschaft restaurierte.

Zwischendurch reiste er auch noch zweimal nach Amerika. Die Schmallenberger sagten ihm nach, er habe hundert Handwerke und tausend Unglücke gehabt.

Mit seinen vielseitigen Begabungen und Berufen hat er die bescheidenen Verhältnisse seiner Familie nicht gerade verbessern können - im Gegenteil. Durch seine Unrast sei die Not in der Familie Stecker zuhause gewesen, heißt es in der Firmenchronik. Die Armut vergrößerte sich noch, als seine Frau 1880 im Alter von 57 Jahren starb.

Die älteste Tochter, die 30jährige Lisette Stecker, übernahm die Aufgaben im Haushalt der Familie. Sie hatte als eine der ersten Frauen in Schmallenberg zuvor das Stricken an einer der damals neuartigen Strickmaschinen gelernt. Diese Kenntnisse hatte sich auch ihre vier Jahre jüngere Schwester Therese erworben; zeitweilig hat sie sogar bei einer Firma in Rheydt gearbeitet, bevor sie nach Schmallenberg zurückkehrte.

Therese Stecker war es auch, die im August 1883, drei Jahre nachdem Tod der Mutter, die Strickerei gründete und damit den Grundstock zum späteren Unternehmen legte. Sie legte sich eine gebrauchte Strickmaschine zu, und ihr Vater bastelte ein einfaches Handspulrad, mit dem die Garne zum Verstricken aufgespult werden konnten. Abwechselnd halfen ihre jüngeren Geschwister mit, von morgens bis abends Strickwaren herzustellen und zu verkaufen sowie die Buchführung des noch winzigen Unternehmens zu erledigen.

Gerade 41 Jahre alt war die Firmengründerin Therese Stecker, als sie schwer erkrankte und nach wenigen Wochen im Oktober 1895 starb. Die anderen Geschwister waren inzwischen verheiratet, ein Bruder suchte sein Glück in Nordamerika. Das noch kleine Unternehmen ging an die jüngste der Stecker-Töchter über, an die inzwischen 31jährige Sophie Stecker.

Sie hatte die Volksschule besucht und im Alter von 19 Jahren Schmallenberg verlassen, um "Haushalt zu lernen", wie es hieß. Die Wahl ihrer Stelle sollte sich als ein Glücksgriff für ihren weiteren Lebensweg erweisen, denn sie lebte und lernte ein Jahr lang im Haushalt des Kaufmanns und Papierfabrikanten Grünewald in Kirchhundem. Hier erwarb sie sich nicht nur Kenntnisse für Haushalt und Garten, sondern blickte zum ersten Mal hinter die Kulissen eines Unternehmens.

Die kaufmännischen Kenntnisse konnte sie gebrauchen, als ihr 1895 die Aufgabe zufiel, die Strickerei weiterzuführen. Als Sophie Stecker den kleinen Familienbetrieb übernahm, stellten eine Handvoll Arbeiterinnen - zum Teil in Heimarbeit, zum Teil in der Strickerei - einfache Netzjacken sowie Baumwollstrümpfe her. Das Unternehmen fand noch in ein paar Räumen des elterlichen Hauses Platz. In einem kleinen Ladenraum wurden Kurzwaren, Weißwäsche und Wollwaren feilgeboten. Das Geschäft wurde im Kriegsjahr 1916 aufgegeben, weil es unrentabel war.

Sophie Stecker verlegte sich darauf, die Textilien an Großhändler in ganz Westfalen und im Rheinland zu verkaufen. Auch ließ sie nach und nach neue Waren fertigen: Graue Strickjacken beispielsweise, die sogenannten "Westfalenjacken", Kinderhöschen und Wollhemden.

Um neue Großabnehmer zu gewinnen und alte Kunden aufzusuchen, reiste Sophie Stecker mit ihrem Musterkoffer allein durchs Land: "Ich mußte oft den ersten Zug in aller Frühe nehmen", erinnerte sie sich in hohem Alter, "um rechtzeitig während der Geschäftsstunden bereits an Ort und Stelle zu sein. Und abends konnte ich oft nicht mehr zurückfahren, denn damals verkehrten noch nicht so viele Züge wie heute. In der ersten Zeit war ich sogar noch auf die Postkutsche angewiesen."

Die weiten Reisen führten die sauerländische Unternehmerin kreuz und quer durch Westfalen und das Rheinland. Daß eine Frau diese Anstrengungen auf sich nahm, war in der männlich geprägten Geschäftswelt völlig außergewöhnlich. Sophie Stecker in ihren Erinnerungen: "Es war damals für eine Frau schwierig zu arbeiten. Und oft wurde ich mit Mißtrauen betrachtet. Aber das änderte sich bald, wenn man die Qualität meiner Ware sah."

Nach und nach wuchs die Kundschaft - und damit auch die Firma. Zwar liegen genaue Zahlen über die Entwicklung des Umsatzes und die Größe der Belegschaft nicht vor. Aber schon ein Blick auf die Maschinenausstattung zeigt das stürmische Wachstum von der kleinen Strickstube zur modern ausgestatteten Fabrik.

Anfangs standen nur ein paar Handstrickmaschinen im elterlichen Haus. 1903 ließ Sophie Stecker ein eigenes Fabrikgebäude in unmittelbarer Nachbarschaft errichten. 1909 schaffte sie die erste motorgetriebene Strickmaschine an. 1912 wurde das Fabrikgebäude erweitert. 1913 stand darin fast keine einzige Handstrickmaschine mehr, Motorstrickmaschinen hatten sie abgelöst. Nach Krieg und Inflation wurden in den 20er Jahren noch einmal moderne Maschinen aufgestellt, die in drei Schichten ununterbrochen liefen.

Seit 1927 wurden ausschließlich "kleine Dinge und nette Kleinigkeiten" hergestellt, wie Sophie Stecker es einmal nannte: Babywäsche und Bekleidung für Kleinkinder. Die "Sophie Stecker Strickwarenfabrik" präsentierte sich als ein ausgesprochen stabiles Unternehmen. Nicht einmal die Wirtschaftskrise der Jahre 1929/30 konnte dem Unternehmen etwas anhaben. Aus der Belegschaft mußte niemand entlassen werden, im Gegenteil: Die Strickwarenfabrik war eine der ganz wenigen Firmen, die in den düsteren Zeiten der Wirtschaftskrise sogar noch Arbeiter einstellte.

Im Zweiten Weltkrieg mußte die inzwischen hochbetagte Unternehmerin erleben, wie ihr Werk vom Krieg zerstört wurde. Bereits acht Jahre später war die Firma wieder aufgebaut - geräumiger, heller und moderner denn je.

Anfang der 50er Jahre gab Sophie Stecker nach und nach das Heft aus der Hand. Sie übertrug die Leitung des Unternehmens einem Neffen, bevor sie im Alter von 93 Jahren am 19. November 1957 in Schmallenberg starb.

QUELLE  Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 102-104
PROJEKT  Lebensbilder westfälischer Frauen
AUFNAHMEDATUM2004-09-09


QUELLE    Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 102-104

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Zeit3.8   1850-1899
3.9   1900-1949
3.10   1950-1999
DATUM AUFNAHME2003-10-10
AUFRUFE GESAMT1199
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