MEDIEN

(75 KB)   Sitzung der ersten Stadtvertretung in der alten Stadthalle in Münster, 1946 / Münster, Stadtarchiv   Sitzung der ersten Stadtvertretung in der alten Stadthalle in Münster, 1946 / Münster, Stadtarchiv
TITELSitzung der ersten Stadtvertretung in der alten Stadthalle in Münster, 1946
DATIERUNG1946


INFORMATIONDie britische Besatzungsmacht hatte es sich, wie schon dargestellt, im Rahmen der "indirect rule" zum Prinzip gemacht, auf deutsche Verwaltungseinheiten bei der Besatzung zurückzugreifen. Das Foto greift diesen Aspekt auf. Es zeigt die konstituierende Sitzung der durch die Militärregierung neu ernannten, 36köpfigen Stadtvertretung in der alten Stadthalle an der Neubrückenstraße. Mit dieser Maßnahme vom 30.01.1946 wurde ein 12köpfiger Beirat, eine vorläufige Vertretung der Bürgerschaft, abgelöst. In der neuen Stadtvertretung waren erstmals die inzwischen gebildeten Parteien mit 20 Sitzen neben acht Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und acht Vertretern der verschiedenen Berufsstände vertreten. Das Eingangsreferat der Sitzung hielt der auf dem Bild stehende damalige Stadtkommandant von Münster, Major Travers. Er führte darin aus, daß Demokratie eine reife Form der Regierung sei, die nur Erfolg habe, wenn sie von verantwortungsbewußten, reifen Menschen ausgeführt werde. [1]

Die Mitglieder dieser Gremien waren jedoch nicht die ersten Deutschen in Münster, die nach dem Krieg politische Verantwortung übernahmen. Bereits am 14.04.1945, also noch vor dem offiziellen Kriegsende, fand sich Justizrat Fritz Carl Peus bereit, das Amt des kommissarischen Oberbürgermeisters zu übernehmen. Eine undankbare Aufgabe, galt es doch, als ausführendes Organ der Besatzungsmacht ohne größeren eigenen Spielraum zu agieren. Zudem lief man Gefahr, in sogenannten "Werwolf-Aktionen" von nationalsozialistischen Mordkommandos als "Verräter" hingerichtet zu werden, so geschehen in Aachen, wo der von den Amerikanern eingesetzte Oberbürgermeister am 25.03.1945 umgebracht wurde. [2]

Anders als in den Spitzen der Verwaltung kam der Impuls zur Beteiligung der Bürger an den Verwaltungsaufgaben weitgehend von den Bürgern selbst. Nur wenige Tage nach der Besetzung bildete sich in Münster ein zwölfköpfiger Bürgerausschuß, dem ehemalige Mitglieder von SPD, Zentrum und KPD sowie parteilose Bürger angehörten. Bereit, sich an der Verwaltung der Stadt zu beteiligen und Verantwortung für die Belange der Öffentlichkeit zu übernehmen, suchte das Gremium den Stadtkommandanten und den kommissarischen Oberbürgermeister Peus auf und beschwerte sich darüber, daß in der Stadtverwaltung noch immer Beamte mit nationalsozialistischer Vergangenheit in führender Position säßen. Ähnliche Ausschüsse entstanden nach der Besetzung in vielen deutschen Städten, sie wurden als Antifa-Ausschüsse (Antifaschistische Ausschüsse) bezeichnet.

Am 15.06.1945 wurde die kommissarische Geschäftsführung nach längeren Verhandlungen mit der Militärregierung beendet und Dr. Karl Zuhorn in das Amt des Oberbürgermeisters eingesetzt, das er bereits vor dem Beginn nationalsozialistischer Herrschaft innehatte. Dr. Zuhorn berief im Einvernehmen mit der englischen Militärregierung als vorläufige Vertretung der Bürgerschaft einen Beirat aus zwölf Vertretern verschiedener Berufsstände, der am 10.08.1945 zu seiner ersten Sitzung zusammentrat, jedoch nur beratende, keine beschließende Funktion hatte. Unterdessen hatte die Militärregierung Bestimmungen erlassen, nach denen die Politik der Städte und Gemeinden wieder auf eine demokratische Grundlage gestellt werden sollten. Da Wahlen noch nicht stattfinden durften, wurde die auf dem Bild teilweise abgebildete Stadtvertretung von der Militärregierung ernannt. Die oben skizzierte Zusammensetzung garantierte eine demokratische Partizipation der politischen Kräfte in der Stadtpolitik und versprach darüber hinaus mit der Hinzuziehung verschiedener Persönlichkeiten, Sachkenntnis in diesem Gremium zu konzentrieren. Dazu kam eine Änderung in der Verwaltungsspitze, die durch die am 01.04.1946 revidierte Gemeindeordnung ausgelöst wurde und eine strikte Trennung der Funktionen von Oberbürgermeister und Oberstadtdirektor vorsah. Oberbürgermeister wurde der vom Rat gewählte Dr. Wilhelm Siehoff, Dr. Zuhorn übernahm als Verwaltungsfachmann den Posten des Oberstadtdirektors. [3]

Demokratisch legitimierte Kontinuität trat in der politischen Spitze der Stadt Münster mit der ersten Kommunalwahl am 13.10.1946 ein. Hier konnten sich die Parteien nach langer Zeit wieder dem Votum ihrer Wähler stellen. Von 36 Sitzen fielen dabei 27 auf die CDU, 5 auf die SPD, 3 auf das Zentrum und 1 auf die FDP. Oberbürgermeister wurde Landesrat Franz Rediger (CDU). Den großen Stimmenvorsprung, den die CDU bei dieser Wahl verbuchte, konnte die SPD allerdings bei der zweiten Kommunalwahl am 17.10.1948 nahezu wieder ausgleichen.

Die Aufgaben der neuen Verwaltung waren enorm. Die einzelnen Dienststellen lagen weit verstreut auf über 52 verschiedene Gebäude der Stadt verteilt, da das Stadthaus, unter dessen Dach die meisten Dienststellen vor dem Krieg ihren Sitz hatten, zerstört war. Die Verwaltungsspitze nahm ihren Sitz im Oberfinanzpräsidium am Hohenzollernring. Auch im Personalbereich waren die Verhältnisse schwierig. Allein die Einhaltung der täglichen Arbeitszeit bereitete große Probleme, da viele Mitarbeiter von außerhalb nur schwer in die Stadt kommen konnten. Zudem gab es einen Fachkräftemangel dadurch, daß eingearbeitete Kräfte aufgrund ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit entlassen wurden. Mit diesem planungstechnischen und personellen Handicap galt es nun, die kommunalen Versorgungseinrichtungen wieder aufzubauen.


[1] Neue Westfälische Zeitung, vom 01.02.1946.
[2] Kuropka, J., a.a.O., S. 3.
[3] Der Oberstadtdirektor, Statistisches Amt: Wiederaufbau, Münster 1955, S. 6.


TECHNIKFoto
FORMATjpg


OBJEKT-PROVENIENZMünster, Stadtarchiv


QUELLE    Santel, Josef | Nachkriegsjahre: Münster 1945-1949 | Dia 03, S. 12-14
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.9   1900-1949
Ort3.5   Münster, Stadt <Kreisfr. Stadt>
Sachgebiet3.1   Staat, Politik und Verwaltung / Allgemeines
3.11   Städte und Gemeinden, Ober-/Bürgermeister/Ober-Bürgermeisterin, Mitarbeiter
3.17   Wahlen, Wahlrecht
DATUM AUFNAHME2004-02-08
AUFRUFE GESAMT2944
AUFRUFE IM MONAT10