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TITELMünster, Hindenburgplatz: Trümmerfassade des Schlosses nach dem Zweiten Weltkrieg


INFORMATIONBesucht man heute die Westfalenmetropole Münster, so wird das nach den Plänen des Barockbaumeisters Conrad Schlauen 1769-79 erbaute Schloß nicht nur als Touristenattraktion und Zierde des Stadtbildes, sondern vor allem auch als repräsentatives Hauptgebäude der Universität dargestellt.

Unser Foto zeigt die Ruinen des noch im März 1945 bei Luftangriffen völlig zerstörten Schlosses, von dem bis auf die Außenmauern alles abbrannte. Gleichwohl ist die Wiederherstellung und neue Nutzung des Schlosses als Verwaltungs- und Vorlesungsgebäude der Westfälischen Wilhelms-Universität zu einem Sinnbild des Wiederauflebens der Bildungseinrichtungen in Münster geworden. Die Startbedingungen, vor allem für die Schulen, waren indes katastrophal.

Nach der Besetzung wurden zunächst alle Schulen auf Anordnung der Briten geschlossen. Zu diesem Zeitpunkt ein überflüssiger Befehl, da nicht eine Schule infolge Zerstörung und Bombardierungsgefahr noch geöffnet war. Vor einer Wiedereröffnung war der Militärregierung zunächst daran gelegen, alle ehemaligen NSDAP-Mitglieder und Sympathisanten aus den Kollegien zu entfernen und nationalsozialistische und militärische Inhalte aus den Lehrplänen zu tilgen. Äußeres Symbol für die Ernsthaftigkeit ihres Tunst war die Rückbenennung der Schulen, die von der NSDAP zwischen 1933 und 1945 einen neuen Namen erhalten hatten. [1] Die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Schulbetriebes wurden zuerst in den Grundschulen geschaffen, so daß am 23.10. und 24.10.1945 der Unterricht in Kinderhaus und Gievenbeck wieder begann und andere bald folgten.

Trotz mehrfacher Aufforderung durch die Elternschaft durften und konnten die Gymnasien erst Anfang 1946 wieder beginnen. Diese Tatsache trug weiterhin dem Schulgebäudenotstand Rechnung, da von den acht höheren Schulen Münsters nur eine Schule, und die auch noch beschädigt, erhalten geblieben war. [2]

Bei den Mittelschulen (heute Realschulen) dauerte es sogar noch länger, bis der Unterricht in Münster wieder aufgenommen werden konnte. Sie fanden anfangs Unterkunft in der Martinischule, wo, was die räumliche Enge verdeutlichen mag, zunächst 532 Schüler in sechs Klassenräumen unterrichtet werden mußten. [3]

Trotz der Wiederaufnahme des Unterrichtes war die schulische Situation - ganz abgesehen von den fehlenden Räumlichkeiten - noch über lange Jahre hinaus an heutigen Maßstäben gemessen, nur als katastrophal zu bezeichnen. Fehlende Toiletten und Waschgelegenheiten, fehlende Türen und Fenster und vor allem die schlechte Gesundheits- und Ernährungslage der Schüler beeinträchtigten den Lehrbetrieb nachhaltig. Eine spürbare Verbesserung brachten in dieser Situation die im Februar 1946 mit Hilfe des Roten Kreuzes aufgezogenen Schulspeisungen, mit der in Münster pro Tag 12.000 Mahlzeiten an Kinder von 8 bis 16 Jahren ausgegeben werden konnten. [4] Für viele Kinder blieb diese Mahlzeit die einzig warme am Tag überhaupt und sie half vielen Familien beträchtlich, die sich um die Ernährung ihrer Kinder sorgten.

Mit gravierenden Problemen hatte in der Nachkriegszeit auch der Universitätsbetrieb zu kämpfen. Obgleich im Verhältnis zum Schulbetrieb schon recht früh am 03.11.1945 feierlich wiedereröffnet, fand der Lehrbetrieb unter kaum vorstellbaren Umständen statt. Einem auf absoluter Sparflamme stattfindenden Veranstaltungsangebot stand ein großer Andrang von Bewerbern gegenüber. Dieser Studentenstau war vor allem durch die sechs Ausfalljahre des Krieges entstanden. So knapp das Studienplatzangebot war, so rigide waren die Auswahlbestimmungen. Jeder, der eine Immatrikulation anstrebte, war gezwungen, vorab einen dreimonatigen Aufbaudienst an einem der zerstörten Universitätsgebäude abzuleisten. Damit jedoch noch nicht genug. Nach einer fachlichen Prüfung durch den Dekan hatte jeder Student und jede Studentin noch vor einem Sonderausschuß zu bestehen. Dieser Ausschuß, der sich paritätisch aus Vertretern der Universität und den demokratischen Parteien der Stadt Münster zusammensetzte, legte den Grad der Mitarbeit im nationalsozialistischen Regime in einer Kategorie von fünf Stufen fest, woraus sich dann die Wartezeit bis zur Aufnahme des Studiums bemaß. [5]

Hatten die Studenten dann alle Hürden zum Studium genommen, sahen sie sich neben den alltäglichen Problemen, wie Wohnungsnot, Kälte und Hunger, mit ganz spezifischen Studentennöten konfrontiert. So waren nur wenige Lehrgebäude unversehrt, Mobiliar, vor allem Stühle, kaum vorhanden und technisches Versuchsmaterial schon gar nicht ausreichend verfügbar. Zusätzlich zur dreimonatigen Aufbauarbeit vor dem Studium mußten die Studenten eine Woche in jedem Semester beim Wiederaufbau mitwirken, eine Verfügung, die erst 1949 aufgehoben wurde. Sorgen bereitete ebenfalls das Fehlen von Büchern und Papier, eine Mangelerscheinung, die auch die Schulen zum improvisieren zwang. Der gesamte Lehrbetrieb der Nachkriegszeit in Münster war auf solche Provisorien angewiesen, und es sollte noch viele Jahre dauern, ehe der Normalzustand auf dem Bildungssektor wieder hergestellt werden konnte.


[1] Bekanntmachung vom 18.07.1945 in: Neue Westfälische Zeitung, vom 29.06.1945.
[2] Neue Westfälische Zeitung, vom 02.03.1946.
[3] Schäfers, G., a.a.O., S. 43.
[4] Kuropka, J., a.a.O., S. 8.
[5] Kühn, J., Student 1945 - lernen nach dem totalen Krieg?. Münster 1985, S. 23-27.


TECHNIKFoto
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OBJEKT-PROVENIENZMünster, Stadtarchiv
FOTO-PROVENIENZMünster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/O. Mahlstedt


QUELLE    Santel, Josef | Nachkriegsjahre: Münster 1945-1949 | Dia 08, S. 24-26
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.9   1900-1949
Ort3.5   Münster, Stadt <Kreisfr. Stadt>
Sachgebiet3.7.1   Regierungssitze, Herrschaftssitze
12.1   Bildung und Erziehung / Allgemeines
12.3   Schulen, Schulformen
13.3   Hochschulen
DATUM AUFNAHME2004-02-08
AUFRUFE GESAMT647
AUFRUFE IM MONAT100