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(95 KB)   Karikatur über den Richtungsstreit im Zentrum. Aus: Kladderadatsch, Nr. 17, Frühjahr 1924 / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/E. Tschich   Karikatur über den Richtungsstreit im Zentrum. Aus: Kladderadatsch, Nr. 17, Frühjahr 1924 / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/E. Tschich
TITELKarikatur über den Richtungsstreit im Zentrum. Aus: Kladderadatsch, Nr. 17, Frühjahr 1924
DATIERUNG1924


INFORMATIONEine Formulierung im sozialdemokratischen "Vorwärts" inspirierte den Zeichner des "Kladderadatsch" zu dieser Karikatur. "Im politischen Varietee"' präsentiert er SPD und Zentrum als "Schlangenmenschen ohne Rückgrat". Vor allem das rundliche, in eine Kutte gehüllte Mönchlein erweist sich der Apostrophierung würdig.

Die Karikatur im bürgerlich-konservativen "Kladderadatsch" aus dem Frühjahr 1925 nimmt Bezug auf einen erbitterten innerparteilichen Meinungsstreit um die zukünftige politische Ausrichtung des Zentrums. Einer der maßgeblichen Exponenten dieses Richtungsstreits war der preußische Landtagsabgeordnete der Zentrumspartei, Franz von Papen. Innerparteilich war von Papen bis zu diesem Zeitpunkt wenig hervorgetreten. Er hatte sich weitgehend auf seine Aufgabe als agrarpolitischer Sprecher der Partei im Hauptausschuß des Landtags beschränkt und hatte dabei die Arbeit der Regierungskoalition aus SPD, Zentrum, Volkspartei und Demokratischer Partei loyal unterstützt. Seine Aktivitäten als Vorstandsmitglied des westfälischen Bauernvereins und seine an den standespolitischen Interessen der Bauern orientierten agrarischen Vorstellungen hatten ihn allerdings immer wieder in Übereinstimmung mit deutschnationalen Positionen gebracht. Von der SPD trennten ihn nicht nur deren an Konsumenteninteressen orientierte Agrarpolitik, sondern vor allem auch grundsätzliche staats- und sozialpolitische Meinungsunterschiede. Die Verluste der Sozialdemokratie bei den Reichs- und Landtagswahlen des Jahres 1924 und gleichzeitige Zugewinne der Deutschnationalen boten ihm Veranlassung, das preußische "Zentrum" zum Eintritt in eine "Bürgerblock"-Regierung aufzufordern, wie sie im Reich bereits existierte. Von Papen reklamierte dabei die Tradition der Partei für sich. Der damaligen Zentrumsführung warf er - fälschlicherweise - vor, sich einseitig auf einen Pakt mit der SPD festgelegt zu haben. Die Vorwürfe Papens an die Adresse des Zentrums ignorierten den Wandel der ehedem reinen Weltanschauungspartei zu einer demokratischen, heterogene gesellschaftliche Kräfte vereinigenden Partei ebenso wie sie die erfolgreiche und im Hinblick auf die preußische Beamtenpolitik gerade für das Zentrum äußerst einträgliche Personalpolitik völlig außer acht ließen. Im übrigen war die SPD die nach wie vor stärkste politische Kraft in Preußen. Von Papen und seine Mitstreiter blieben wiederholt Abstimmungen im Landtag fern. Sie hatten so erheblichen Anteil an der Regierungskrise, die Preußen nach dem Rücktritt der Regierung Braun Anfang 1925 für mehrere Monate lähmte. Für eine erneute Zuspitzung sorgte Papens aktives Eintreten für die Kandidatur Generalfeldmarschalls von Hindenburg zum Reichspräsidenten. Der streitbare Abgeordnete stellte sich damit gegen den Zentrumsvorsitzenden Marx, der als Kompromißkandidat der demokratischen Parteien im zweiten Wahlgang gegen Hindenburg antrat. Ursprünglich hatte Papen eine bürgerliche Einheitskandidatur vorgeschwebt. An der Kandidatur von Marx störte ihn, daß ihr ein politischer Handel mit der SPD zugrundelag. Das Zentrum unterstützte im Gegenzug die Wiederwahl des preußischen Ministerpräsidenten Braun, SPD. In der Übereinkunft mit der SPD sah von Papen den untrüglichen Beweis, daß sich das Zentrum auf die Dauer nicht aus der Bindung an die Linksparteien zu lösen bereit war. Der Parteiführung warf er vor, die traditionelle Mittelstellung des Zentrums preiszugeben und den Monarchisten in der Partei ihre Heimat zu nehmen. Publizistisch wußte er seinen politischen Standpunkt durch den Erwerb der Aktienmehrheit der "Germania", des führenden Parteiorgans des Zentrums, zu untermauern. In seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender machte von Papen die Zeitung zur Tribüne für seine Vorstellungen über die politische Ausrichtung der Partei.

Die Zerreißprobe, vor der die Partei stand, nahm einen unvermuteten Ausgang. Die deutschnationale Reichstagsfraktion lehnte die Locarno-Verträge ab und zwang ihre Minister zum Rücktritt aus der Mitte-Rechts-Regierung im Reich. Der Schritt der DNVP entzog der Argumentation Papens und seiner Mitstreiter vom rechten Rand des Zentrums den Boden. Sein vehementes und hartnäckiges Engagement hatte ihn in der Partei völlig isoliert. Gleichwohl wagte die Partei es nicht, ihn auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung eindeutig in die Schranken zu weisen. Im Preußischen Landtag verfügte Papen zwar nur über wenige Parteigänger, die Parteiführung wußte aber, daß er die Rückendeckung gewichtiger Kreise der Partei, so vor allem des Agrarflügels, des Adels und auch einiger regionaler Parteigliederungen - wie etwa in Westfalen - besaß. Unmittelbar waren von Papen und die anderen Dissidenten daher kaum Restriktionen ausgesetzt. Unter Hinweis auf seine Gewissensfreiheit wies er alle Versuche, ihn einem Fraktionszwang zu unterwerfen, zurück. Selbst 1928 wagte man noch nicht, ihn eindeutig kaltzustellen. Man überließ sein Schicksal der Gunst der Wähler, indem man ihn auf einen unsicheren Listenplatz setzte. Von Papen kehrte vorerst nicht in den Landtag zurück.


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FOTO-PROVENIENZMünster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/E. Tschich


QUELLE    Neumann, Klaus | Franz von Papen | Dia 03, S. 22f.
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
120   Karikatur
165   Presseveröffentlichung (Zeitungsartikel)
Zeit3.9   1900-1949
Sachgebiet3.18   Parteien
14.11   Karikatur
DATUM AUFNAHME2004-02-08
AUFRUFE GESAMT664
AUFRUFE IM MONAT7