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(85 KB)   Synagoge Bielefeld: Die Ruine, 1939 / Bielefeld, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek   Informationen zur Abbildung

Synagoge Bielefeld: Die Ruine, 1939 / Bielefeld, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek
JAHR1938   Suche Portal
MONATNovember
TAG9
TITELReichspogromnacht


INFORMATIONAm 07.11.1938 verübt der siebzehnjährige deutsch-polnische Jude Herzel Grynszpan ein Attentat auf den deutschen Legationssekretär Ernst vom Rath in Paris. Grynszpan handelt aus Verzweiflung darüber, dass seine Eltern am 28.10.1938 zusammen mit 15-17.000 weiteren so genannten "Ostjuden" über die deutsch-polnische Grenze abgeschoben worden waren, wo sie von den polnischen Behörden zurückgewiesen werden und unter erbärmlichen Bedingungen im Niemandsland kampieren müssen.

Auf die Nachricht vom Attentat hin beginnen in Kurhessen-Nassau und Magdeburg-Anhalt am 07.11./08.11.1938 schwere Ausschreitungen, in Westfalen bleibt es dagegen ruhig. Am Nachmittag des 09.11.1938 erliegt Ernst vom Rath seinen Verletzungen. Die am Abend in München fast vollzählig zum jährlichen Gedenken an den Hitler-Putsch vom 09.11.1923 versammelte Führung der NSDAP erteilt den kaum verhüllten Befehl, den "Volkszorn" zu mobilisieren. Daraufhin bricht wenige Stunden später eine Terrorwelle über die deutschen Juden herein.

Als das Pogrom am 10.11.1938 offiziell für beendet erklärt wird, sind reichsweit mehrere Hundert Synagogen abgebrannt, mindestens 8.000 jüdische Geschäfte zerstört sowie zahllose Wohnungen verwüstet worden. Zwischen 90 und 100 - möglicherweise aber noch mehr - Juden waren erschlagen, niedergestochen oder zu Tode geprügelt worden. Etwa 26.000 männliche Juden werden verhaftet und in Konzentrationslager gebracht, wo ein Teil ebenfalls ermordet wird.
In Westfalen ist der Ablauf des Pogroms insgesamt von Zufällen und Improvisation geprägt; nur den Verfolgungen und Verwüstungen in Gütersloh scheint eine Systematik zugrunde zu liegen. An einigen Orten werden beispielsweise Synagogen "übersehen", die dann meist im Laufe des 10.11. zerstört werden. In relativ vielen Fällen verhindert eine enge Bebauung die Brandstiftung, was aber keinen Schutz vor völliger Zerstörung bietet. Anders als im süddeutschen Raum, wo noch ungefähr eine Woche lang immer wieder Pogrome ausbrechen, flauen die Ausschreitungen in Westfalen ab, erreichen an einigen Orten jedoch erst in der Nacht vom 10.11. auf den 11.11.1938 ihren Höhepunkt.

Bei der Bevölkerung Westfalens stößt das Pogrom zur Überraschung der NSDAP-Funktionäre überwiegend auf Ablehnung; vor allem die katholische Landbevölkerung verurteilt die Zerstörung der Synagogen, die sie als sakrale Einrichtungen achtet.

Insgesamt werden im damaligen Reichsgebiet schätzungsweise 1.800 bis 2.000 jüdische Gotteshäuser zerstört. Von den etwa 370 bis 380 Synagogen, die es um 1900 auf dem Gebiet des heutigen Landes Nordrhein-Westfalen gab, überstehen etwa 75 die Pogromnacht und die Abrisse während der Kriegsjahre, die auf die Zerstörungen des 09.11./10.11. oder auf Kriegsschäden zurückzuführen sind - zumeist allerdings in stark veränderter, oft durch Nachfolgenutzung entstellter Form.


SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Zeit3.9   1900-1949
Ort1   Westfalen/-Lippe (allg.)
1.6   Deutsches Reich <1918-1945>
Sachgebiet3.2   Politische Ideologien
4.5   Kriminalität
6.8.10   Juden
14.2   Öffentlichkeit, Öffentliche Meinung
15.8   Architektur, Baudenkmäler, Architekt/Architektin
16.4   Jüdische Gemeinden
16.6.1   Kirchenbau, Sakralbauten / Kirchenaausstattung
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