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INSTITUTIONStadtarchiv Lünen
SPARTEArchive, Archivberatung


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INFORMATION1458 waren die wichtigsten Urkunden und Schriftstücke zum Nachweis von Rechten und landesherrlichen Privilegien in der sogenannten Stadt- oder Ratskiste untergebracht, die in der Sakristei der Stadtkirche aufbewahrt wurde. Hier hatte sie noch 1628 ihren Platz. Eine neue Kiste, mit zwei Schlössern versehen, wurde 1710 angefertigt und wiederum in die Kirche gebracht. Die Stadtkirche überdauerte alle Katastrophen, auch den Brand von 1512, bei dem das Rathaus ein Raub der Flammen wurde.

Nach der Überlieferung oblag die Aufsicht über das städtische Schriftgut zunächst dem auf Lebenszeit angestellten Stadtschreiber bzw. Stadtsekretär. Die Fürsorge um das Schriftgut wird sich nur auf die Stadtkiste beschränkt haben, denn um 1794 befand sich auf dem Rathaus "ein großer ungeordneter Papierberg". Glücklicherweise waren die alten Urkunden davon getrennt untergebracht. 1796 wurde das Schriftgut von dem Regierungs-Registraturassistenten Flume geordnet und nach Kapseln und Nummern abgelegt.

Archive im heutigen Sinne entstanden seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert hatte grundlegende politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen mit sich gebracht. Die Folgen der Französischen Revolution führten schließlich auch in Deutschland zu einer Neuorganisation des Staatsgefüges, des Besitzstandes und des Rechtslebens. Viele der bis dahin zwingend aufzubewahrenden Dokumente verloren ihre Bedeutung; der ursprüngliche Zweck der Aufbewahrung ging verloren. Die Mehrzahl bis dahin wichtiger Dokumente besaß nur noch historische Bedeutung. Dies erkannte auch der preußische Staat nach 1815.

Das zum Teil herrenlos gewordene Schriftgut gelangte in Archivdepots, aus denen sich später die Staatsarchive entwickelten. Auch auf kommunaler Ebene entstanden Archive aus der Grundidee heraus: historisch bedeutsame Quellen aufzubewahren und für Forschungszwecke zugänglich zu machen.

In die Archive gelangte nunmehr auch dasjenige Schriftgut, das im laufenden Geschäftsbetrieb nicht mehr benötigt wurde, jedoch für die Wissenschaft zweckdienlich schien.

1820 verfügte die Regierung zu Arnsberg, "binnen 10 Wochen vollständige Übersichten über den Zustand der einzelnen Archive nebst geeigneten Vorschlägen zur besseren Einrichtung der Letzteren" einzusenden. Besonderer Wert wurde auf die Ermittlung der "ältesten und merkwürdigsten Urkunden, vorzüglich über die Vehmgerichte, Städte und Ruinen" gelegt. Damit wurde das Augenmerk beinahe ausschließlich auf mittelalterliche Archivalien gerichtet.

Durch den erhalten gebliebenen Schriftverkehr dieser Zeit ist ein konkretes Bild über den Zustand des Lüner Archivs und über den Umgang mit dem Schriftgut möglich. Nach einer ersten Sichtung schrieb der Bürgermeister zu Lünen an den Landrat zu Dortmund, dass sich das Archiv "auf dem Rathhause in der Registratur" befindet. Unter den "Arten von Urkunden und Akten" des Archivs erschienen ihm erwähnenswert "das rote Buch und einige alte, unleserliche Pergamentbriefe".

Dietrich Hermann Bremer, Pfarrer der Stadtkirche, machte sich 1821 daran, das städtische Schriftgut zu sichten und zu ordnen. Im hilfreich zur Seite stand der Rentmeister Ludwig Holländer, der, so Bremer in einem Schreiben an den Bürgermeister, "in der Lesung alter Schriften vorzüglich bewandert ist".

Die Sichtung und Ordnung dauerte vier Monate. Bremer und Holländer berichteten schließlich dem Bürgermeister: "Das alte Archiv auf dem hiesigen Rathaus ist jetzt größtenteils durchgesehen. ... Es enthält auch eine große Menge Papiere, die viel Platz ... einnimmt und wirklich des Aufbewahrens nicht wert ist." Bremer und Holländer rechneten hierzu Accisesachen, Schriftgut des städtischen Gerichts, Vormundschaftssachen und Schriftgut zum Militärwesen, zu Einquartierungen, Durchmärschen und zum Siebenjährigen Krieg. Der Bericht schließt: "Wir sind der gegründeten Überzeugung, dass über 2/3 des alten Archivs der ferneren Aufbewahrung nicht wert sind. ... Es kann folglich zum Vorteil ... sein, dass aus dem alten Archiv ein Ballast alter unbrauchbarer Papiere verkauft werde." Der für erhaltenswert erachtete Teil des Archivs wurde in eine Truhe eingeschlossen, die sich in der Registratur fand.

Bremer sonderte das überflüssige Papier aus. Er tat dies in großem Maße, was aus heutiger Sicht sicherlich zu bedauern ist. Er ließ viele Dinge vernichten, die aus heutiger Sicht sicherlich aufbewahrenswert wären. Es ist jedoch fraglich, ob er dies zu seiner Zeit erkennen konnte.

Bremer scheint das Archiv bis an sein Lebensende betreut zu haben. 1834 - rund 10 Jahre nach seinen Sortierarbeiten - erstellte er ein Inventarverzeichnis über die Archivalien, und bald nach seinem Tode 1859 bemühte sich die Stadt um eine qualifizierte Person für die Betreuung des Archivs - leider vergeblich.

Bremer war nicht nur "Archivar", sondern auch Chronist und Geschichtsforscher. Er verfasste auf der Grundlage des von ihm aufbewahrten historischen Schriftguts eine Ortschronik, in der er von den Ursprüngen der Stadt einen Bogen bis hin zu seiner Zeit schlug. 1842 wurde sein Werk unter dem Titel "Chronik der Stadt Lünen seit ihrer ersten Gründung" in gedruckter Form der Öffentlichkeit vorgestellt. Er führte sein Manuskript bis 1858, einem Jahr vor seinem Tode, fort.

Nach Bremer fristete das Archiv jahrzehntelang ein unbeachtetes Dasein. Zwischen 1922 und 1928 hütete der für die Registratur zuständige Verwaltungsbeamte Heinrich Tappe das Archiv. In seiner Zeit wurde für das historisch wertvolle Schriftgut eine neue Archivkiste mit Beschlägen und zwei Schlössern angefertigt, von der eine Zeichnung existiert und die noch erhalten ist.

Als Leiter der städtischen Registratur verfügte Tappe über umfangreiche Kenntnisse über das Schriftgut in der Verwaltung. Die Betreuer des Archivs, die nach dem Zweiten Weltkrieg verantwortlich zeichneten, griffen deshalb gerne auf seine Dienste und Erfahrungen zurück.

Von 1928 an fand sich mit dem Studienrat und Historiker Dr. Josef Lappe eine weitere Person, die sich liebevoll um das Archiv kümmerte und es pflegte. Lappe stammte aus Geseke und wurde 1907 als Lehrer an der Lüner Rektoratschule tätig, dem heutigen Freiherr-vom-Stein-Gymnasium. Er absolvierte drei Doktorexamen, die ihm den Spitznamen der "dreistöckige" Doktor einbrachten. Lappe fand die 1922 gefertigte Archivkiste und einen feuerfesten Schrank vor, in dem die ältesten und für die Stadtgeschichte wertvollsten Dokumente untergebracht waren. Er war als Honorarkraft tätig, ordnete das Archiv, fertigte Regesten von Urkunden und war an der Übernahme historisch wertvollen Schriftgutes aus der Verwaltung bemüht. Ihm ist es zu verdanken, dass ein Teil des Archivbestandes des Hauses Buddenburg in das städtische Archiv gelangte.

Lappe betrieb historische Forschungen, durch die er sich über Lünen hinaus einen Namen machte. Seine Theorie über die Wüstungen - das sind Stätten nicht mehr existierender Siedlungen - war lange Zeit Lehrmeinung an den Universitäten. Als er 1937 aus politischen Gründen in den Ruhestand versetzt wurde und ein Veröffentlichungsverbot erhielt, endete auch sein Engagement für das städtische Archiv.

Dieses lag in der Folgezeit in der Obhut des Kulturamtes und der Stadtbücherei. Im Sommer 1943 lagerte man das Archiv wegen der zunehmenden Bombenangriffe in den Untertagebetrieb der Zeche Minister Achenbach und in das Haus Eslohe im Sauerland aus. Während die Bestände aus der Zeche unbeschädigt wieder zurückkehrten, fielen die Archivalien in Eslohe ehemaligen Zwangsarbeitern in die Hände. Da sämtliche Verzeichnisse verloren gingen, ist der genaue Umfang der Verluste ungeklärt. 1946 war das gerettete Schriftgut in einem feuerfesten Metallschank im Rathaus untergebracht.

Es war für das Lüner Archiv ein glücklicher Umstand, dass von Ende 1946 bis Ende 1951 die in Dortmund ausgebombte Pädagogische Akademie in Lünen untergebracht wurde. Der Leiter der Lehrerausbildungsanstalt, Prof. Alfons Perlick, ordnete das Archiv neu, baute es aus und fand in der Berufsschule einen geeigneten Archivraum.

Perlick hat sich auch um die Erforschung der Lüner Stadtgeschichte verdient gemacht. 1947 gründete er an der Pädagogischen Akademie das Institut für wissenschaftliche Heimatkunde. Seinen Studenten wies er immer wieder stadtgeschichtliche Themen für ihre Examensarbeiten zu, so dass in 45 Arbeiten wichtige Teile der Lüner Stadtgeschichte aufgearbeitet wurden. Die Ergebnisse sollten als Grundlage für eine "Heimatkunde der Stadt Lünen" dienen, die in zwei Bänden erscheinen sollte. Leider ist es nur zum ersten Heft gekommen. Hervorzuheben ist Perlicks Beitrag zu Lüner Persönlichkeiten, der in 10 Teilen in der landeskundlichen Zeitschrift "Der Märker" gedruckt wurde.

Nach dem Fortzug der Pädagogischen Akademie nach Dortmund 1951 übernahm Dr. Gerhard Stephan, Studienrat am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium, die ehrenamtliche Leitung des Archivs. Stephan stammte aus Kamenz in Sachsen, wo er bis zu seiner Flucht als Stadtarchivar tätig war. Er kümmerte sich intensiv um den Ausbau des Archivs.

Am 01.04.1955 schließlich wurde Hermann Wember der erste hauptamtliche Archivar der Stadt Lünen. Wember war bereits seit 1946 bei der Stadtverwaltung tätig. Er war an Geschichte im Allgemeinen und an Stadtgeschichte im Besonderen sehr interessiert und hatte sich vor seiner Berufung zum Stadtarchivar als Heimatdichter und Förderer der plattdeutschen Sprache hervorgetan. Seine Vorliebe zur plattdeutschen Sprache fand auch im Bibliotheksbestand des Stadtarchivs ihren Niederschlag.

Wember war um die fachgerechte Unterbringung des Archivbestandes bemüht. Auf seine Initiative hin erlebte das Stadtarchiv den Umzug aus der Berufsschule in das Untergeschoss des 1960 fertiggestellten Rathauses. Durch die Neuorganisation der Verwaltung nach dem Zweiten Weltkrieg wird es sicherlich zu einem Aktenstau gekommen sein, der nun durch die örtliche Nähe des Stadtarchivs abgebaut werden konnte. Der bis dahin in drei Stahlschränken untergebrachte Archivbestand wuchs rasch an.

Ein Verdienst Wembers ist die Übertragung der ältesten Lüner Chronik, verfasst von Georg Spormecker im 16. Jahrhundert, ins Hochdeutsche. Es gelang ihm, dieses wichtige Werk Lüner Stadtgeschichte einem breiten Publikum nahe zu bringen und Interesse an Lüner Stadtgeschichte zu wecken und zu fördern.

Nach dem Tod von Hermann Wember 1970 wurde für eine Übergangszeit Dr. Wingolf Lehnemann sein Nachfolger, der nebenberuflich für das Stadtarchiv verantwortlich zeichnete.

Zu dieser Zeit bereitete sich bereits Adolf Reiß auf seine Tätigkeit als hauptamtlicher Stadtarchivar vor. Reiß war bereits seit längerem im Archiv tätig und bildete sich zum Archivar fort. Er sorgte für den Erhalt und Ausbau des Stadtarchivs.

Ein wichtiges Ziel war für Reiß, einmal in der Woche ein geschichtliches Thema der Bevölkerung in der Presse bekannt zu machen. Reiß ist auch der Begründer der Schriftenreihe des Stadtarchivs, in der von 1978 bis heute 17 Bände erschienen sind. Darüber hinaus setzte er sich in zahlreichen größeren und kleineren Ausstellungen mit Themen zur Stadtgeschichte auseinander.

Seit 1985 leitet Fredy Niklowitz das Lüner Archiv, das vor allem im Zusammenhang mit dem Stadtjubiläum "650 Jahre Stadt Lünen" 1991 einen neuen Stellenwert erhalten hat. Äußerlich sichtbar wird dies an den geänderten Räumlichkeiten und Arbeitsbedingungen für Mitarbeiter und Besucher.

Zahlreiche Privatpersonen und Vereine haben erkannt, dass es sinnvoll ist, ihr Archivgut im Stadtarchiv als Depositum zu hinterlegen und es so für die Zukunft zu bewahren. Manchmal handelt es sich dabei um sehr kleine Bestände, die deshalb nicht unbedeutend sein müssen. Das nur zwei Archivkartons umfassende Schriftgut eines Bauernhofes in Brambauer erwies sich als einzigartige Dokumentation bäuerlicher Geschichte. Die bis in das 16. Jahrhundert zurückreichenden Unterlagen dokumentieren u. a. die Erbfolge des Hofes, Abgabenpflichten und den Freikauf aus der Hörigkeit.

Ein Gewinn war die Übernahme des Werksarchivs der Gewerkschaft Eisenhütte Westfalia. Das Schriftgut reicht bis in die Gründungszeit 1826 zurück und spiegelt die Auswirkungen der "Hütte" auf ihr Umfeld genau so wider wie die Produktpalette dieses weltweit agierenden Unternehmens.

Eine wichtige Bereicherung stellt das Archiv des Hauses Schwansbell dar. Der Archivbestand befand sich seit einigen Jahrzehnten im Stadtarchiv Dortmund, das den Bestand als Depositum zur Verfügung stellte. Die Überlieferung reicht bis in das 14. Jahrhundert zurück. Der Schwerpunkt liegt im 16. bis 18. Jahrhundert. Die besonderen Beziehungen zu Lünen ergeben sich auch dadurch, dass die Familie von Schwansbell mehrfach Funktionsträger wie den Amtmann, Bürgermeister und Stadtsekretär gestellt hat.

Um Stadtgeschichte anschaulicher zu machen, entstand das Stadtmodell "Lünen um 1700". Dieses Projekt wurde von der Kulturstiftung der Sparkasse Lünen und zahlreichen Firmen und Privatpersonen finanziell unterstützt. Durch die Detailtreue und die Darstellung von Ereignissen (z. B. Markt, Fuhrwerke, Leichenzug, Galgen, Hausbau, Bauer mit Pflug, gallopierende Pferde auf der Weide) wirkt das Modell lebendig und stößt auf breites Interesse.

Längst hat im Stadtarchiv Lünen auch moderne Technik ihren Einzug gehalten. Mit Hilfe der EDV lassen sich Archivalien schneller auffinden und Anfragen schneller beantworten. Das Stadtarchiv verfügt auch über eigene Internetseiten, die erweitert und gepflegt werden. Zahlreiche Findbücher stehen inzwischen online zur Verfügung (URL: www.luenen.de, Bildung & Kultur, Stadtarchiv.)

Fredy Niklowitz


SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Ort1.12.6   Lünen, Stadt
Sachgebiet15.9   Archiv, Archivarin/Archivar
DATUM AUFNAHME2006-10-05
DATUM ÄNDERUNG2023-06-10
AUFRUFE GESAMT1887
AUFRUFE IM MONAT543