QUELLE

DATUM1933-01-06   Suche   Suche DWUD
TITEL/REGESTDas Komplott. Zeitungsartikel aus: Berliner Tageblatt, 06.01.1933
TEXT[...] Ganz anders liegt es bei den Nationalsozialisten: Ihre Führung kann auch durch den größten Stimmaufwand nicht das Gefühl der Unsicherheit verbergen, das sie seit der Wahlniederlage vom 6. November und seit Strassers Sezession überkommen hat, sie weiß, daß die Annahme des Mißtrauensvotums mit der Auflösung des Reichstags und wohl auch des preußischen Landtags beantwortet würde, und daß dann für sie so gut wie alles auf dem Spiel stünde, wenn, wie zu erwarten ist, die Flucht der Wähler aus der Illusion des Hakenkreuzes in beschleunigtem Tempo weiterginge. Sie schielt insgeheim nach Auswegen, die ihr die peinliche Entscheidung im Parlament ersparen könnten, und sie muß gleichzeitig nach außen hin, schon wegen der weltbewegenden Landtagswahl in Lippe, das Gesicht wahren und krampfhaft oppositionelle Energien vortäuschen, während sie vermutlich im Innern einen langfristigen Waffenstillstand nur allzu gern annähme [...]

Was man aber nicht versteht, sind die Verrenkungen und Winkelzüge, deren sich die nationalsozialistische Führung, voran Hitler selbst, bedient, um ohne Rücksicht auf Charakter und Gesicht, über die Hintertreppe den kommenden Entscheidungen auszuweichen. Hitlers Zusammenkunft mit Herrn von Papen ist moralisch schwer zu qualifizieren. Ist sie ein Canossa-Gang, ist sie pure Charakterlosigkeit, ist sie Tücke? Man weiß nicht, was ihm Herr von Papen geantwortet hat, als er ihn um eine Demarche beim Reichspräsidenten bat, die ihm den Weg zum Kanzleramt öffnen sollte. Unter Kavalieren hätte sich eine Antwort auf dieses Ansinnen wohl überhaupt erübrigt, es hätte genügt, dem Besucher die Zwecklosigkeit seines Bemühens durch einen Hinweis auf den nationalsozialistischen Feldzug gegen Papen seit dem 13. August klarzumachen. Nichts von alledem scheint in Köln in dem Salon des Freiherrn von Schröder passiert zu sein, wo sich die beiden trafen. Vielleicht hat sich Herr von Papen wirklich bereit erklärt, bei dem ihm befreundeten Obersten von Hindenburg, dem Sohn des Reichspräsidenten, der an seiner eigenen Berufung zum Kanzler nicht wenig Anteil genommen haben soll, eine kräftige Intervention zugunsten Hitlers zu unternehmen, vielleicht hat sich Hitler für diesen Fall zu Zugeständnissen bereit erklärt, von denen er im lippischen Wahlkampf seinen Anhängern ebensowenig erzählen wird, wie von dem ganzen Komplott mit Herrn von Papen.


QUELLE    Helmert-Corvey, Theodor | Nationalsozialismus - Wahl in Lippe | Dokument 03, S. 35


PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)
SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ1.3   Einzelquelle (in Volltext/Regestenform)
Zeit3.9   1900-1949
DATUM AUFNAHME2004-02-08
AUFRUFE GESAMT1933
AUFRUFE IM MONAT194