QUELLE

DATUM1933-01-15   Suche   Suche DWUD
TITEL/REGESTHeute wählt Lippe. Die "Schicksalsstunde" im Teutoburger Wald. Zeitungsartikel aus: Vorwärts, 15.01.1933
TEXTDas Überbleibsel aus der glorreichen Zeit der deutschen Prinzen und Fürsten zählt rund 160.000 Einwohner. Im alten Landtag saßen 21 Abgeordnete, aus deren Mitte die drei das Ländchen regierenden Minister hervorgegangen sind. Städte wie Mannheim, Duisburg, Elberfeld, Hannover, Nürnberg, Beuthen, Chemnitz und zahllose andere übertreffen Lippe um ein vielfaches an Einwohnern, ganz zu schweigen von Köln, Breslau, Hamburg oder gar Berlin.

Mit Mann und Roß und Wagen ist Herr Hitler zur Eroberung von Lippe ausgezogen. Mitsamt seinem Generalstab von Posaunenbläsern hat er sich im besten Hotel von Detmold einquartiert. Zahllose SA-Stürme sind aus den umliegenden preußischen Provinzen, sogar aus Berlin und aus dem Rheinland mobilisiert worden, um die kleine Bevölkerung in Lippe zu bluffen und zu terrorisieren, Hitlers Versammlungen zu füllen, gegnerische Versammlungen zu sprengen, Versammlungsbesucher blutig zu schlagen, bis der Landespräsident von Lippe durch ein Umzugsverbot dem karnevalistischen Hitlertreiben ein Ende machen mußte. Es bleibt dennoch genug Tamm-Tamm, und obwohl die braunen Häuser vor dem Bankrott stehen, lassen sie sich den Wahlkampf noch etwas kosten. Sie überschwemmen das Land mit einer Sintflut von Flugblättern und Plakaten. Selbst in den kleinsten Dörfern dreschen Hitler und Göbbels in höchst eigener Person ihre Phrasen.

Hitler und seine Mannen haben Ursache dazu. Ihre Partei zerfällt, die Kassen sind leer, die Schulden wachsen ihnen über den Kopf, in ganz Deutschland schmelzen die braunen Heerscharen, und ein kleiner Sieg im winzigen Lippe dünkt ihnen ein Riesengewinn.

So bescheiden sind sie geworden, die Erretter Deutschlands und die Streiter für das 3. Reich. Von einem Sieg in Lippe erhoffen sie eine Entscheidung zu ihren Gunsten im Reich.

Aber wie auch die Wahl schließlich ausgehen mag, ob Hitler seinen Verlust vom 6. November wettmacht oder verliert, von dem Ergebnis die künftige Gestaltung der Reichspolitik abhängig machen zu wollen, ist ein Unfug, wie er nur einem Nazi-Gehirn entsprießen kann. Entscheidungsschlachten für die Reichspolitik werden nicht im Teutoburger Wald geschlagen. Sie sind nur möglich, wenn an alle deutschen Wähler der Appell ergeht. Daß er mit einem weiteren Verlust der Nationalsozialisten von mindestens 2 Millionen Stimmen enden würde, darüber sind sich auch Hitler und Konsorten längst im klaren. Darum in Lippe der Versuch, unter Aufbietung aller Kräfte diesen Eindruck durch einen bescheidenen Erfolg zu verwischen. Aber auch in diesem Falle trügt der Schein: denn Lippe ist nicht Deutschland!


QUELLE    Helmert-Corvey, Theodor | Nationalsozialismus - Wahl in Lippe | Dia 04, S. 36f.


PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)
SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ1.3   Einzelquelle (in Volltext/Regestenform)
Zeit3.9   1900-1949
DATUM AUFNAHME2004-02-08
AUFRUFE GESAMT2085
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