Mittelalterliche Lebensformen und Lebensordnungen > Grundherrschaft


 
Martin Deusch

Bäuerliches Leben in der Grundherrschaft

 
 
Oberthema
"Mittelalterliche Lebensformen und Lebensordnungen"
 
 
Stufe
7
 
 
Zeit
ab 800
 
 
Grundbegriffe
  • Grundherrschaft
  • Frondienst
  • Hörigkeit
  • Lehnswesen
  • Feudalismus
  • Ständegesellschaft
  • Bauernstand
 
 
Sachanalyse
Die überwiegende Mehrheit der bäuerlichen Bevölkerung im Mittelalter befand sich in Abhängigkeit von einem Grundherrn, der meist zugleich Gerichtsherr war. Im Unterschied zur antiken Sklaverei handelt es sich bei der Grundherrschaft um eine Herrschaft über Land und die darauf lebenden Menschen. Das Verhältnis zwischen Grundherrn und Grundholden (abhängigen Bauern) war abgeleitet von den Regeln der Lehnsverfassung - ein Treue- und Schutzverhältnis, das den Grundholden zu Diensten und den Grundherrn zu gewissen Formen von Schutz und Schirm verpflichtete.

Die klassische Grundherrschaft des Frühmittelalters, Villikations- oder Fronhofsystem genannt, bestand aus einem Fronhof (villa) im Mittelpunkt mit dem dazugehörigen Salland, das als Eigenbetrieb bewirtschaftet wurde, und den darum gruppierten abhängigen Bauernhöfen. Der herrschaftliche Eigenbetrieb wurde von einem Hofgesinde von unfreien Knechten und Mägden (Leibeigenen, servi), das seine ganze Arbeitskraft zur Verfügung stellen musste, und von den frondienstpflichtigen Hufenbauern bewirtschaftet. Die letzteren hatten zahlreiche Frondienste zu leisten, die in detaillierten Pflichtenkatalogen festgehalten waren. Sie hatten Arbeitsfronen für das Herrenland, größtenteils mit eigenem Pfluggespann und anderem Gerät, zu leisten, sie hatten umfangreiche Naturalabgaben zu leisten, die Frauen wurden zu Spinn-, Web- und Wascharbeiten herangezogen. Neben diesen Dienststellen bewirtschafteten sie ihre Höfe zur Eigenversorgung.

Kleinere Grundherrn wohnten selbst auf dem Fronhof, der König und die großen weltlichen und geistlichen Grundherrn setzten auf ihren Fronhöfen Verwalter ein, villicus oder Meier genannt, die die Fronhofswirtschaft leiteten, die Naturalabgaben einzogen und die Erträge an die Grundherrn ablieferten.

Dieses Villikationssystern löste sich, beginnend im 12. Jahrhundert, im Spätmittelalter auf. Die grundherrliche Eigenwirtschaft wurde stark verringert oder völlig aufgegeben. An die Stelle der Frondienstpflichten traten Natural- und Geldabgaben. Damit wurde die Selbstständigkeit der Bauern wesentlich gestärkt, sie konnten die Verwendung ihrer Arbeitskraft selbst bestimmen und Überschüsse erwirtschaften, die sie auf den Märkten der Städte absetzten. Die alte Hofgenossenschaft entwickelte sich mehr und mehr zur Dorfgemeinschaft.
 
 
Didaktischer Kommentar
Beschäftigt man sich im Geschichtsunterricht mit dem Thema der mittelalterlichen Ständeordnung und des Lehnswesens ist es stets von besonderem Reiz für die Schüler, wenn sie in Texten, die sie schon aufgrund der Sprache als mittelalterlich erkennen, ihnen aus anderen Zusammenhängen bekannte Flur-, Hof- oder Ortsnamen entdecken. Es wird ihnen auf diese Weise bewusst, dass die Beschäftigung mit Geschichte nicht abgehoben von der täglich wahrgenommenen Realität stattfindet, sondern erklären kann, wie es zu dieser gekommen ist. Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, sich anhand von Originaldokumenten, wie sie in wohl jedem Archiv zu finden sind und bisweilen in Orts- und Stadtchroniken veröffentlicht werden, dem Thema zu nähern und dieses anschließend in einen allgemeinen Zusammenhang zu stellen. Dies soll hier beispielhaft an einem Auszug aus der Freckenhorster Heberolle gezeigt werden. Die Schüler sollen zunächst die im Text genannten Orte in eine geeignete Karte ihrer Region einordnen und so einen Eindruck von der Weitläufigkeit und dem Umfang der Abhängigkeitsverhältnisse bekommen. Anhand einer fiktiven Geschichte sollen sie die Entstehung dieser Verhältnisse begreifen und mit Hilfe des beigefügten Holzschnittes erkennen, dass diese Gesellschaftsordnung als gottgegeben verstanden wurde.
 
 
Stundenthemen
  • Bäuerliches Leben in der Grundherrschaft
  • Freiheitsverzicht für Sicherheit? Aufgaben und Dienste in der bäuerlichen Abhängigkeit
  • Herrschaft als bodengebundene Existenzsicherung
  • Herrschaft über Land und Leute - die herrschaftsverleihende Kraft des Bodenbesitzes
  • Wer lebte vor uns hier? Spurensuche in der Umgebung
  • Der Weg zum Himmel führt über den Acker - Die gottgewollte Gesellschaftsordnung im Mittelalter
 
 
Literatur
Sekundärliteratur
Abel, Wilhelm
Geschichte der deutschen Landwirtschaft vom frühen Mittelalter bis zum 19 Jahrhundert. 2. Auflage. Stuttgart 1982.

Borst, Arno
Lebensformen im Mittelalter. Berlin 1973.

Borst, Otto
Alltagsleben im Mittelalter. Frankfurt/M. 1983.

Duby, George
Krieger und Bauern. Die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft im frühen Mittelalter. Frankfurt / M. 1977.

Franz, Günther
Quellen zur Geschichte des deutschen Bauernstandes im Mittelalter. Darmstadt 1967.

Prinz, Joseph
Greven an der Ems. Die Geschichte der Stadt und des Amtes Greven. Greven 1950.

Rösner, Werner
Bauern im Mittelalter. 2. Auflage. München 1986.

Theising, Klaus
Saerbeck 1100-1800. Beiträge zur Geschichte eines münsterländischen Kirchspiels im alten Reich, in: Gemeinde Saerbeck und dem Heimatverein Saerbeck (Hg.), Saerbeck, Geschichte des Dorfes und seiner Bauerschaften Saerbeck 1993.

Wisniewski, Roswitha
Deutsche Literatur vom 8. bis 11. Jahrhundert. Germanistische Lehrbuchsammlung, Band 28. Berlin 2003.
 
 
Methoden
  • Analyse schriftlicher Quellen
  • Text- und Bildinterpretation
  • Arbeit mit Kartenmaterial
  • Vertiefte Auswertung historischer Überreste
  • Einübung in die Zugriffsweise der Strukturgeschichte
 
 
Lernziele
Die Schüler sollen ...
  • die Entstehung von Grundherrschaft am Beispiel der Freckenhorster Heberolle erkennen,
  • die unterschiedlichen Interessenlagen von Grundherrn und Bauern erarbeiten und dabei das Abhängigkeitsverhältnis erkennen,
  • erkennen, dass ihr Lebensraum zahlreiche Spuren mittelalterlicher Herrschaftsverhältnisse wiederspiegelt,
  • lernen, neben Textquellen weiteres Quellenmaterial wie Karten und Bildquellen kritisch auszuwerten.
 
 
Lernorte
Sachsenhof Greven-Pentrup
Rathausstraße 6
48268 Greven
Tel. 02571/1300
URL: http://www.heimatverein-greven.de/der-sachsenhof.html

Westfälisches Museum für Archäologie / Landesmuseum
Europaplatz 1
44623 Herne
URL: http://www.lwl.org/LWL/Kultur/WMfA_Herne
 
 
Links
Weitere Seiten zum Sachsenhof in Greven-Pentrup
URL: http://www.greven.net/bilkul/index.php?c=/bilkul/kultur/sachsenhof.shtml und

URL: http://www.muensterland-tourismus.de/kultur/museen/museumdb/greven_sachsenhof_pentrup.html

Friedrich Engels zur Entwicklung mittelalterlicher Grundbesitzverhältnisse
URL: http://www.mlwerke.de/me/me19/me19_474.htm