Stein > Biografie > 7. Befreiung 1812-1814




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Napleon auf einer Medaille des Kaiserreichs Frankreich, 1807 (Ausschnitt) / Münster, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, 31205 Mz, Foto: Sabine Ahlbrand-Dornseif

1812-1814


7. Widerstand und Befreiungskrieg

 
 
Napoleon tendierte nach der Heirat mit der habsburgischen Kaisertochter zu einem Wandel des Bündnissystems, zu einer engen Kooperation mit Österreich statt mit Russland. Die Beziehungen zwischen Paris und Petersburg kühlten ferner infolge der französischen Annexionen in Norddeutschland und der Restauration des polnischen Staates durch Napoleon ab. Frankreich rückte bedrohlich nahe an die russische Macht- und Interessensphäre heran.

Nicht in der Habsburger Monarchie, sondern im Zarenreich erhielt Stein die Gelegenheit, einen Beitrag zur Bekämpfung des napoleonischen Herrschaftssystems zu leisten. Der Zar Alexander, der die Wirtschaftsblockade gegen England nicht mittrug und dadurch Napoleon zum Krieg provozierte, sammelte die Kräfte des Widerstandes an seinem Hof. Im April 1812 lud er Stein zur Mitwirkung an der Befreiung Europas ein. Ohne zu zaudern, folgte er dem Ruf, der ihn aus einer bedrückenden Lage befreite, und wurde - ohne formaliter in einem Dienstverhältnis zu stehen - einer der Berater des Zaren. In den Petersburger Salons stand Stein alsbald im gesellschaftlichen Mittelpunkt. Männliche und besonders weibliche Mitglieder der hohen Aristokratie hofierten ihn. Anders als in der Habsburger Monarchie, wo er unter Beobachtung stand und verdeckt konspirieren musste, hatte er jetzt die Chance, offensiv gegen den verhassten Imperator zu agitieren. Er schlug die Einrichtung eines "Deutschen Komitees" vor, das den Widerstand organisieren und für einen Volksaufstand werben sollte. Entmachtete und emigrierte deutsche Fürsten, wie der mit dem Zaren verwandte Herzog Peter von Oldenburg, führten eine Legion an, die allerdings maximal 8.700 Mann zusammenbrachte. Propagandaschriften riefen die Truppen der Rheinbundstaaten zur Desertion auf. Neben Tirolern wurden auch jetzt besonders die Westfalen angesprochen. Auf dynastische und partikularistische Interessen nahmen Stein und der mit ihm zusammenarbeitende nationalistische Schriftsteller und Historiker Ernst Moritz Arndt (1769-1860) keine Rücksicht.

Die Großwetterlage veränderte sich. Das war entscheidend, nicht der von Stein propagierte innere Widerstand. Das Faktum, dass sich die osteuropäische Großmacht der Kontinentalsperre nicht anschloss, ließ die gespannten politischen Beziehungen in einen Krieg eskalieren. Mit 700.000 Mann, wovon zwei Drittel Deutsche, Italiener und Polen waren, zog Napoleon im Juni 1812 nach Osten. Die Russen entzogen sich einer Vernichtungs- und Entscheidungsschlacht. Dass Napoleon am 14.09.1812 in Moskau einzog, brachte keinen strategischen Vorteil. Die Bevölkerung hatte die Stadt verlassen, am folgenden Tag brannte es in allen Vierteln. Ohne Vorräte konnte Napoleon nicht in Russland überwintern. Am 19.10. trat er den Rückzug an - bereits zu spät, um den vehement einbrechenden Vorboten des Winters zu entkommen. Der Rückzug durch das verwüstete, kalte Land wurde für die eine Seite zum großen Trauerspiel, für die andere zum Fanal der Befreiung. Von der Großen Armee kehrten 500.000 nicht mehr in ihre Heimat zurück. Sie fielen dem Hunger, der Kälte und den Attacken der Kosaken zum Opfer. In dem riesigen Land versagte der Nachschub für die französische Armee.

Mit dem Hauptquartier Alexanders zog Stein nach Westen. Auf ostpreußischem Boden angelangt, nahm Stein auf das noch bestehende Bündnis zwischen Preußen und Frankreich keine Rücksicht, sondern organisierte im Auftrag des Zaren sogleich die Bildung von Landwehr und Landsturm. Der General Ludwig Graf Yorck von Wartenberg (1759-1830) wechselte die Fronten. Karl vom Stein drängte den zögernden Monarchen Friedrich Wilhelm III. im Februar 1813 zum Abschluss eines Bündnisses mit Russland. Im März hatte er sein Ziel in der preußischen Regierung erreicht: der Befreiungskrieg wurde offiziell proklamiert. Allenthalben regte sich jetzt der nationale Widerstand, in Tirol, in Italien, in Spanien. Entscheidend war jedoch, dass der Zar seine Truppen, angespornt von dem im Hauptquartier mitziehenden Freiherrn vom Stein, nach Westen marschieren ließ, um Europa zu befreien. Das war von größter Wichtigkeit: dass Stein mit anderen Emigranten den Zaren zunächst zum Durchhalten gegenüber dem Feind, dann für dessen hartnäckige Verfolgung bis zum endgültigen Sieg gewinnen konnte. Ein weiteres Motiv für den Zaren zum Zug nach Westen war, die Eroberung des Herzogtums Warschau zu sichern.

Der österreichische Staatskanzler Metternich hielt sich lange bedeckt und bot sich als neutraler Vermittler zwischen den Alliierten und Napoleon, dem Schwiegersohn von Kaiser Franz, an. Bonaparte sollte Preußen wiederherstellen und die rechtsrheinischen Gebiete Deutschlands räumen. Der erfolgsverwöhnte französische Kaiser ging jedoch nicht auf die Friedensbedingungen ein, glaubte weiterhin an sein Kriegsglück. Im August 1813 gab Österreich seine neutrale und vermittelnde Haltung auf und trat in den Krieg ein. Noch vor der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 zog Metternich den wichtigsten Rheinbundstaat, Bayern, auf die Seite der Alliierten. Die übrigen Rheinbundfürsten folgten, sobald es ihnen die Kriegswende ratsam scheinen ließ. Souveränität und territoriale Integrität wurden ihnen zugesichert - zum Leidwesen Steins, der die Chance für eine deutsche Einheit, die auf einer Unterordnung des "Dritten Deutschland" unter die beiden Vormächte Österreich und Preußen basieren sollte, schwinden sah. Stein wurde im Zuge der Rückeroberung und Zurückdrängung Frankreichs die Verwaltung der für eine Übergangszeit herrenlosen Territorien übertragen. Obwohl er streng weisungsgebunden war, sah Österreich seine Ernennung zum Bevollmächtigten des Zentralverwaltungsrates höchst ungern. In der Neugestaltung Deutschlands sollte er nicht mehr die Kompetenz bekommen, die seinem Einfluss und Einsatz im Befreiungskampf entsprach.
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Ernst Moritz Arndt (1769-1860), Hildburghausen um 1850


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Brustbild Zar Alexander I. von Russland (1777-1824, reg. ab 1801), vor 1825


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Historische Ansicht von Moskau, 1843 - zeitweiliger Aufenthaltsort des Freiherrn vom Stein als Berater des Zaren


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Freiwilligenkorps / Befreiungskriege - Thüringer, Münstersche und Paderborner Freiwillige, um 1813/1814


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Eisernes Kreuz, 1813