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Abschied des Johannes Stegemann an seine Familie vor seiner Einberufung am 01.08.1914 / Foto: Münster, Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen/Nachlass Heinrich Stegemann Nr. 1







André Augustin / Marcel Brüntrup

Feldpost


28,7 Milliarden Sendungen, zumeist die portofreien Postkarten und Briefe, wurden während des Ersten Weltkriegs von der Feldpost befördert. Das entspricht einem Durchschnitt von 16,7 Millionen Sendungen, die von Soldaten und Zurückgebliebenen tagtäglich versandt wurden.[1] Einer dieser Soldaten war der am 01.03.1890 in Erkenschwick geborene Johannes Stegemann. Seit 1912 Lehrer in Emsdetten und Seminarist in Warendorf, wurde er zum Kriegsbeginn am 01.08.1914 nach Mülheim an der Ruhr zum Königlich Preußischen 8. Lothringischen Infanterie-Regiment Nr. 159 einberufen. Seine Einheit wurde an der Westfront eingesetzt und hielt sich während des gesamten Krieges im Raum Nordfrankreich auf. Stegemann selbst war die meiste Zeit südlich von Laon im Einsatz und gab seiner Familie per Feldpost Eindrücke vom Kriegsalltag und den langwierigen Stellungskämpfen an der Aisne. Insgesamt 23 Briefe und Feldpostkarten sind überliefert, die Stegemann an seine Familie geschrieben hat, vor allem an seine beiden Brüder Heinrich und Willy. Sie entstammen einer Schenkung an das Staatsarchiv Münster von einer Nichte des Johannes Stegemann aus dem Jahre 2005. Thematisiert werden in diesen Briefen v.a. die gegenwärtige Lage vor Ort, so bspw. das erste Weihnachten und Silvester an der Front, aber auch die Sehnsucht nach Hause und der Tod des Vaters während seiner Abwesenheit.

Feldpost stellte für den Großteil der Soldaten die einzige regelmäßige Verbindung mit der Heimat dar. Doch sollte sie nicht nur den stetigen Kontakt mit den Daheimgebliebenen bewerkstelligen, sondern diesen zugleich stichprobenartig kontrollieren, um die Stimmungslage unter den Soldaten abzuschätzen. Eine wichtige Funktion hatten auch die sog. “Liebesgaben“ an die Front, öffentlich organisierte Paketsendungen mit Lebensmitteln und Konsumgütern verschiedenster Art, die auch in den Briefen Stegemanns Erwähnung finden. Diese stockten nicht nur die z.T. karge Rationierung der Frontsoldaten auf, sondern sollten die Kriegsfürsorge der Heimat und ihre Anteilnahme am Kriegsgeschehen ausdrücken.[2] So versandte auch die Schulklasse des Johannes Stegemann Pakete mit zahlreichen Gütern an ihren Lehrer und seine Kompanie, der sich in einem ebenfalls überlieferten Zeitungsauschnitt bei den Jungen herzlich bedankte.

Stegemann wurde schließlich am 25.01.1915 bei dem Sturm auf die Höhen von Craonne durch Artilleriebeschuss schwer verwundet. Zwei Tage später ist er beim Hauptverbandplatz von Neuville verstorben und am selbigen Ort begraben worden. Nähere Umstände des Todes von Stegemann sind durch Gefallenenmeldungen seines Vorgesetzten Feldwebel Schulz und des Unterzahlmeisters Greve an seine Geschwister überliefert. Sie geben nicht nur weitere Auskünfte über den Hergang, sondern schildern auch selbst Eindrücke vom Frontgeschehen. So finden sich im Brief des Feldwebels Schulz nicht nur Ehrungen der bereits gefallenen Kameraden, sondern auch Beschreibungen der zurückliegenden Kämpfe und Feindkontakte, die von den generalisierenden Feindbildern der Zeit und dem wachsenden Fatalismus im Angesicht des allgegenwärtigen Todes zeugen.

Anhand der Briefe von Stegemann, Schulz und Greve sollen ein exemplarischer Einblick in die Gedanken- und Alltagswelt der Soldaten an der Westfront ermöglicht und den bloßen Zahlen der versandten Briefe ein individuelles Gesicht gegeben werden.








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Feldpostpakete des "Liebesgabenvereins" der Kirchengemeinde Münster-Kinderhaus, ca. 1915
 
Quellen
01.08.1914 
 Brief von Johannes Stegemann an seine Familie über seinen Abschied aufgrund der anstehenden Einberufung
 
15.11.1914 - 17.11.1914 
 Feldpostbrief von Johannes Stegemann an seinen Bruder Wilhelm über Danksagungen für Pakete, den Tod des Vaters, die Beschreibung der Kampfhandlungen und der Stellungen samt Zeichnung
 
16.12.1914 
 Zeitungsausschnitt aus der Emsdettener Volkszeitung (Nr. 226) mit Danksagungen von Johannes Stegemann und seinem Kompanieführer Bauch für die Pakete der Emsdettener Kinder
 
24.12.1914 
 Feldpostkarte zu Weihnachten von Johannes Stegemann an seinen Bruder Heinrich Stegemann
 
31.12.1914 - 04.01.1915 
 Feldpostbrief von Johannes Stegemann an seinen Bruder über die Silvesterfeier an der Front, die Wetterbedingungen vor Ort und die Hoffnungen auf ein baldiges Kriegsende
 
10.01.1915 - 13.01.1915 
 Feldpostbrief von Johannes Stegemann an Heinrich Stegemann über den verstorbenen Vater, die Wetterbedingungen und die Situation vor Ort in den Schützengräben, die Kampfhandlungen sowie die Bitte nach Päckchen
 
16.01.1915 
 Feldpostkarte von Johannes Stegemann an Wilhelm Stegemann mit einer Kurzbeschreibung der Situation vor Ort
 
20.01.1915 
 Feldpostbrief von Johannes Stegemann an seinen Bruder Heinrich über die Kompanieverluste, die Umgebung und die französische Zivilbevölkerung
 
08.02.1915 
 Schreiben von Feldwebel W. Schulz an Familie Stegemann bzgl. des Todes von Johannes Stegemann, der vorangegangenen Kampfhandlungen und den allgemeinen Verlusten
 
04.03.1915 
 Schreiben von Unterzahlmeister Greve an Heinrich Stegemann über die genaueren Todesumstände von Johannes Stegemann
 
 
 
Anmerkungen
[1] Vgl. Latzel, Klaus: Feldpost, in: Hirschfeld, Gerhard/ Krumeich, Gerd/ Renz, Irina (Hrsg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn 2009, S. 473ff.
[2] Ebenda.
 
 
Literatur
  • Latzel, Klaus: Feldpost, in: Hirschfeld, Gerhard/ Krumeich, Gerd/ Renz, Irina (Hrsg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn 2009, S. 473ff.
  • Offizierskam. IR 159 i. Bunde ehem. 159er/219er (Hrsg.): Das 8. Lothringische Infanterie-Regiment Nr. 159 im Frieden und im Weltkrieg. Mit zahlr. Bild., Skizzen u. Überskt. sowie e. Ehrenliste aller Gef. d. IR 159 u. d. Freikorps Schulz (= Deutsche Tat im Weltkrieg 1914/18, Bd. 35), Berlin 1935.