"Westfalen im Bild" - Texte

Naujoks, Hans-Georg
Spuren des historischen Steinkohlebergbaus
südlich der Ruhr
Münster, 1984



Einführung

Anfänge und erste Nachrichten

Die Anfänge des Grabens nach Kohlen liegen wie überall, so auch an der Ruhr im Dunklen. Von einem organisierten Bergbau ist dann auch verhältnismäßig spät die Rede.

Der früheste Bergbau ist gekennzeichnet durch das Nebeneinander von Erzschürfen, Meilern und jahreszeitlich bedingtem Graben nach ausstreichender Kohle, der immer als Raubbau zu kennzeichnen ist.
  • 1302 wird bei einem Hofverkauf in Dortmund-Schüren neben anderen Rechten auch die Berechtigung zum Kohlengraben genannt.
  • Zwischen 1450 und 1470 gab es im Leckebusch bei Bossel (Sprockhövel) Bergbau.
  • 1519 versprach der Herzog Johann v. Kleve-Mark dem Dortmunder Freigrafen Richart Roterd (Rykart Ruetart) für die Dienste bei der Verwaltung der Freigrafschaft Volmarstein (heute: überwiegend Wetter a.d. Ruhr) u.a. den Kohlenzehnt. Zur gleichen Zeit wurde die Kohlengrube Düsterloh (etwa Albringhausen, heute: Wetter a.d. Ruhr) erwähnt.
  • 1542 wurde die Klevisch-Märkische Bergordnung erlassen und blieb rund 200 Jahre in Kraft. Mindestens seit dieser Zeit dürften auch die Stock und Scherenberger Hauptgruben in Sprockhövel in Betrieb gewesen sein. Der Balthasar Stock aus Obersprockhövel rühmte sich 1752 in seinem Bewerbungsschreiben zum Bergmeister, daß seine Vorfahren vor drei Jahrhunderten den Bergbau in der Mark erfunden hätten. Eine Nachricht, deren Wert doch recht unsicher ist.
  • 1631 wurden Bövings Kohlengruben in Esborn-Voßhofen erwähnt.
  • 1645 wurde die Grube St. Peter am Schlebusch genannt. Dort wurden 1652 Pastor Dröghorn zu Wengern und Thönnis Steinhaus, Pächter zu Steinhausen (heute: Wetter a.d. Ruhr), beliehen.

Soviel läßt sich mit Sicherheit über den ersten Kohlenbergbau südlich der Ruhr sagen:
  • Die Kohlen wurden auf dem eigenen Grund gegraben.
  • Die Eigentümer und Kohlengräber waren Bauern.
  • Für Kohlengräberei wurde die arbeitsarme Zeit (Spätherbst bis Frühjahr) genutzt.
  • Kohlengraben wurde nur nebenberuflich betrieben.
  • An einer wesentlich über den eigenen Bedarf hinausgehenden Förderung war man nur dort interessiert, wo sich eisenverarbeitende Betriebe in gut erreichbarer Entfernung befanden.

Die Abbautechnik war weitgehend der Pingenbau (s. Bild 5  Medien), der dem Streichen des Flözes folgte. Größere oder kleinere Pingen zogen sich im Tagebau auf dem eigenen Grund dahin, so weit man das Flöz verfolgen konnte. Auf diese Weise wurden Landstriche verwüstet. - An günstig gelegenen Stellen erwarb man nach und nach Erfahrungen im Stollenbau, so am Rande des Ruhrtals und seiner Nebenbäche. Die Stollen wurden in erreichbare Tiefe getrieben, d.h. immer so weit, wie die Atemluft reichte bzw. es das einströmende Grundwasser zuließ.

Nach und nach wurden tonnlägige Schächte von unten her gebrochen. Die ausgekohlten Teile ließ man zu Bruch gehen. Die zweite Entwicklungsstufe begann mit dem Ende des 16. Jahrhunderts:
  • Gruben und kleine Eisenverhüttungsanlagen waren entstanden.
  • Eisenhämmer und Drahtziehereien im Sauerland und Bergischen Land wurden ausgebaut.
  • Die Salzsiedereien bei Unna wurden mit Kohle versorgt.
  • Das Schmiedehandwerk an den Nebenbächen von Ruhr und Lenne blühte.
  • Die Garnbleichen von Elberfeld und Barmen wuchsen.
  • In Schwelm begann für das Vitriolwerk um 1575 die größte Blüte.


Der Bergbau zwischen 1620 und 1800

Der Bergbau in der ehemaligen Grafschaft Mark ist durch mehrere Persönlichkeiten gekennzeichnet, so den Bergvogteiverwalter und Bergmeister Dietrich von Diest und den Oberbergrat Freiherr vom Stein.

Beide brachten auf ihre Art, wenn auch in ihrem Wirken über 150 Jahre getrennt, für ihre Zeit den Bergbau in den notwendigen Zustand.

Dietrich von Diest verschaffte der alten Bergordnung von 1542 neues Ansehen. Schon bei seiner Einführung 1632 wurde auf die Notwendigkeit des Beitreibens der Steuern verwiesen (Kohlenzehnt). Diest setzte auch durch, daß das Bergwerkseigentum in genau festgelegten Grenzen verliehen, exakt vermessen und mittels Lochsteinen über Tage sichtbar gemacht wurde. Die Vorbilder dafür fand er im Harzer und sächsischen Bergbau, die zu dieser Zeit technisch an der Spitze standen, später jedoch der Entwicklung des Reviers eher hinderlich waren.

Nach und nach setzte sich die Technik des Stollenbaues und die der Luft- und Förderschächte im Streichen des Stollens durch. Aus Haßlinghausen (heute: Sprockhövel) hören wir von einem 700 Fuß langen Stollen, in Gründschöttel (heute: Wetter a.d. Ruhr) erreichte der Stollen des Peter Mertens 1124 Fuß Länge. Er war mit 28 Pützen (Schächten) für Förderung und Bewetterung ausgestattet. Es war dies der auf der "Fredholter Bank" aufgefahrene Stollen. Stollen von 350 bis 400 m Länge waren um diese Zeit keine Seltenheit.

Wenn man die schwierige politische Lage im Dreißigjährigen Krieg berücksichtigt, kann das Wirken Dietrich von Diests gar nicht hoch genug veranschlagt werden. Diest starb 1661. Leider erreichte keiner seiner Nachfolger sein persönliches und fachliches Format.

Für die Zeit zwischen 1640 und 1800 sind für das Gebiet von Wetter (Ruhr) einschließlich Silschede (heute: Gevelsberg) und Bommern (heute: Witten) mehr als 60 Bergwerke bekannt, die freilich nicht immer gefördert haben, von denen manche eingegangen, aufgekauft oder ersoffen sind. Einige jedoch waren bis in unsere Zeit von Bedeutung:

1645 
St. Peter 
1657 
Frettholter Bank 
1657 
Trappe und Adler 
1715 
Dachs und Grevelsloch
1761 
Wülfingsburg 
1761 
Wülfingsburg 
1782 
St. Henricus 
1765 
Beginn des Trapper-Schlebuscher-Erbstollens 


Das Amt Wetter (Ruhr), zu dem auch noch Haßlinghausen, Gennebreck, Schee und Horath (heute alle: Sprockhövel) gehörten, war zu dieser Zeit die Gegend mit dem höchsten Steueraufkommen in der Mark.

Unter den preußischen Herrschern erlebten Handel und Wandel, also auch der Bergbau in der Mark, eine neue Blüte. 1738 kam es endgültig zur Etablierung des neuen märkischen Bergamtes in Bochum.

Das alte Berggesetz wurde verbessert und nach dem sächsischen Vorbild ausgerichtet. Es trat 1766 in Kraft.

Viele Neuerungen haben die folgenden Jahrzehnte bewirkt:
  • Bergleute wurden vom Heeresdienst befreit, ebenso von Steuern.
  • Der Holzverbrauch zu Brennzwecken wurde stark beschränkt.
  • Einige Wirtschaftszweige wurden mit Kohle zu bevorzugten Bedingungen beliefert, so die Saline zu Unna, die Klingenschmiede in Wetter (Ruhr) und Hagen.
  • Eine Knappschaftskasse wurde eingerichtet. Sie hat ihren Sitz noch immer in Bochum.
  • Die Kohlenwege wurden verbessert. Kohlenstraßen, die auch während des Winters in Betrieb gehalten werden konnten, wurden instandgesetzt.
  • Wichtigstes Vorhaben aber war die Schiffbarmachung der Ruhr ab 1776.

Im Jahre 1784 wurde der Freiherr vom Stein Direktor des Bergamtes, das nach Hagen und schließlich nach Wetter (Ruhr) als dem bergbaureichsten Amt verlegt wurde. Vom Stein verdankt seine Berufung vor allem - außer seinen sicher ungewöhnlichen Fähigkeiten - dem preußischen Staatsminister von Heinitz, der den jungen Mann mit 27 Jahren in dieses Amt hob. Unter vom Stein wurde dem Direktionsprinzip endgültig zum Durchbruch verholfen. Der Staat nahm nunmehr entscheidenden Einfluß auf den Fortgang der Zechen, die Regelung der Löhne, die Berufung, Beschäftigung und Entlassung des Grubenpersonals (nicht nur des leitenden!). Die regelmäßige staatliche Grubeninspektion sorgte für einen ordentlichen Betriebszustand.

1788 wurde im "Generalpardon" den Landesflüchtigen, die dem Militärdienst entgangen waren, Straffreiheit zugesichert. Viele von ihnen kehrten wieder ins Märkische zurück, nachdem sie Jahre im Herzogtum Berg verbracht hatten.

Aufs Ganze gesehen ist die Zeit vor 1800 eine Zeit kurz vor dem Umbruch, vor einer industriellen Revolution. Das Mittelalter ging endgültig zu Ende. Bisher bestimmende Regierungsformen, Wirtschaftsprinzipien und althergebrachte Techniken waren am Ende ihrer Entwicklung angelangt.


Der Bergbau südlich der Ruhr bis zum 1. Weltkrieg

Das 19. Jahrhundert brachte dem Bergbau endgültig eine Reihe von technischen Neuerungen. Für die Zechen bedeutete die Einführung der Dampfmaschine, daß man das Wasser unter der Stollensohle heben konnte. Dies war der Übergang zum Tiefbau. Zugleich konnte die Dampfkraft auch zur Kohleförderung eingesetzt werden. Diese stieg dadurch in erheblichem Maße. Entscheidende Frage aber war die des Abtransports der Kohle. Sie entschied über Gedeih und Verderb des Bergbaus südlich der Ruhr:
  • Der Transport auf der Ruhr wurde verstärkt.
  • Die Kohlenstraßen wurden befestigt und ausgebaut. Kohlenbahnen wurden angelegt.
  • Hüttenbetriebe wurden auf der Basis der heimischen Erze errichtet.

Alle Maßnahmen förderten den hiesigen Bergbau jedoch nur in bescheidenem Maße und das Entscheidende war, daß alle bedeutenden technischen Fortschritte in erster Linie dem neuen Revier nördlich der Ruhr zugute kamen:
  • der Ausbau des Eisenbahnnetzes, begonnen 1847 mit der Köln-Mindener Bahn, 1848 mit der Märkischen Eisenbahn Elberfeld-Hagen-Dortmund,
  • die Durchteufung der Mergeldecke 1837 in Essen,
  • der Übergang zur Eisenverhüttung mit Koks statt Holzkohle.

Die schnelle Aufwärtsentwicklung des Reviers am Hellweg und an der Emscher wurde von den neuen Großzechen und den Eisen- und Stahlerzeugern getragen. Nicht zuletzt aber dürfte mitentscheidend gewesen sein, daß ganz neue Formen von Gesellschaften auf der Basis von Aktien und Profit immer größeren Einfluß gewannen.

Die technischen Möglichkeiten wurden in dem Gebiet südlich der Ruhr so gut es ging genutzt:
  • Man ging zu seigeren Schächten über bzw. verbesserte sie, wie z.B. Friederica, Schacht Voerster (1851).
  • Es gab eine Reihe von Stillegungen wegen Erschöpfung der Flöze. Im Laufe der Jahre schlossen sich mehrere Zechen zu Konsolidationen zusammen.
  • Dadurch wurden einige bisherige Förderschächte stillgelegt. Der Kapitalaufwand wurde geringer.
  • Man versuchte, den Blackband-Streifen zu verhütten, was aber nur teilweise gelang (Haßlinghauser, Hattinger und Hörder Hütte).
  • Die nahen Absatzgebiete wurden hartnäckig gegen die nördliche Konkurrenz verteidigt.
  • Der Bergbau konzentrierte sich auf einige bedeutende Fördergebiete:
  • 1. Horath-Gennebreck (heute: Sprockhövel)
    2. Haßlinghausen und Sprockhövel
    3. Silschede (heute: Gevelsberg)
    4. Bommern-Hardenstein-Vormholz (heute: Witten)
    5. Hattingen

Insgesamt ließ der Förderanteil der südlich der Ruhr gelegenen Zechen immer weiter nach.

Er sank von
1804 - 55%
1830 - 41%
1850 - 34%
1860 - 20%
auf 1863 - 10% des Gesamtabbaues.
Wenn trotzdem von einer Blüte des Bergbaus südlich der Ruhr gesprochen wird, so meint dies einmal die eher bedächtige Entwicklung der Zeichen in diesem Gebiet, die sich an den gegebenen Möglichkeiten orientierte und kaum spekulativen Einflüssen unterlag wie viele Gesellschaften der Gründerzeit, zum anderen das langsame Zuströmen und die Assimilisation der Zuwanderer (wenigstens in der ersten Hälfte des Jahrhunderts), zum dritten die nicht ausschließliche Konzentration auf den Bergbau als einziger Erwerbsquelle durch die Ausweichsmöglichkeit in die eisenschaffende und -verarbeitende Industrie des Ennepe- und des Ruhrtals sowie des Hagener Raumes und der weit verstreute Kottenbesitz, das landwirtschaftliche "Bein" vieler Bergmannsfamilien. All dies milderte die starken Kontraste, heftigen Spannungen und teilweise erbittert geführten Auseinandersetzungen aus sozialen, religiösen, politischen und ethnischen Gründen, wie sie im neuen Revier sich über 80 Jahre hinzogen und doch ganz erheblich zur Eigenart dieses Raumes beitrugen.

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts ragte keine der Zechen zwischen Ruhr und Ennepe über den Status einer Kleinzeche hinaus. Die Zahl der Beschäftigten lag bei etwa 50 Personen. Erst um die Jahrhundertwende wuchsen die größten von ihnen in die Dimensionen einer Mittelzeche hinein:
  • Mühler und Sieper in Herzkamp (heute: Sprockhövel),
  • Stock und Scherenberg in Haßlinghausen (heute: Sprockhövel),
  • Vereinigte Trappe in Silschede (heute: Gevelsberg),
  • Alte Haase in Sprockhövel.

Zu dieser Zeit aber waren sie längst nicht mehr entscheidend für den wirtschaftlichen Wohlstand der Region, sondern nur noch für den der Gemeinde.


Die große Stillegungswelle der Zwanziger Jahre

Bereits vor dem 1. Weltkrieg brachten
  • Konjunkturschwankungen
  • Die ungünstige Verkehrslage
  • Die fast ausschließliche Förderung von Magerkohle,
  • teils auch die schlechte Qualität,
  • Erschöpfung der Lagerstätten,
  • von scharfem Konkurrenzdruck bestimmte Absatzmöglichkeiten,
  • die geringe Rentabilität
  • der Kapitalmangel
  • sowie die Politik des Kohlensynidkats eine Vielzahl von Kleinst- und Kleinbetrieben zum Erliegen.

Besonders hart wurde beispielsweise der Raum der ehemaligen Ämter Haßlinghausen und Volmarstein von der ersten und zweiten Stillegungswelle zwischen 1920 und 1926 betroffen. Auf die mannigfachen Ursachen und Gründe soll hier nicht näher eingegangen werden.

In den beiden Ämtern handelte es sich im Wesentlichen um die folgenden Zechen:

[Tabelle folgt]

Insgesamt wurden am Südrand des Ruhrkohlenbezirks 26 Zechen mit einer Förderung von 3.671.013 t Kohle und 18.850 Belegschaftsmitgliedern stillgelegt.

Die dritte Stillegungswelle erfaßte den ganzen mittleren Ruhrkohlenbezirk und reichte teils darüber hinaus bis an die Lippe. Sie dauerte von 1929 bis 1932. Ihren Höhepunkt hatte sie 1931, als viele renommierte Zechen des Ruhrkohlenbezirks wegen der allgemeinen Wirtschaftskrise zumindest vorübergehend geschlossen wurden.

In dem alten Revier gab es noch folgende Stillegungen:

[Tabelle folgt]

Mit diesen Schließungen war der Bergbau im ehemaligen Amt Volmarstein praktisch zum Erliegen gekommen. Mehr als 1700 Bergleute kamen um ihren Arbeitsplatz, zusammen mit abhängigen Angehörigen darf man 5.000 Personen veranschlagen, welche direkt von den Stillegungen betroffen wurden.

Da auch in den Nachbarorten Haßlinghausen, Sprockhövel, Herbede und Witten die meisten Zechen schlossen, waren die Folgen noch viele Jahre spürbar. Dramatisch war in diesem Zusammenhang die Rettung der Zeche "Alte Haase" in Sprockhövel 1925 bis 1926.

Eine erhebliche Abwanderung setzte ein. So sank z.B. die Einwohnerzahl von Silschede von 1850 Einwohnern im Jahre 1924 fortlaufend ab bis zum Jahre 1939. Erst dann stieg sie wieder langsam an.

Ähnlich verlief die Entwicklung in Herbede, wo bis auf zwei ebenfalls alle größeren Zechen schlossen. Diese wurden im Zuge der vierten Stillegungswelle 1961 bzw. 1972 aufgegeben.


Krisenzeiten verändern die Existenzgrundlage

Die Zechenstillegungen in dem alten Revier, im Raum Haßlinghausen - Silschede - Herbede, veränderten grundlegend das wirtschaftliche und soziologische Gefüge dieses Gebietes. Während es durch die intensive Anteilnahme und das aktive Eingreifen der Bevölkerung und von Bergarbeitern in Sprockhövel nur zu einer vorübergehenden Stillegung der Zeche Alte Haase vom 15.09.1925 bis 04.05.1926 kam und diese so gerettet wurde, gelangen ähnliche Vorhaben in den anderen betroffenen Gebieten nicht. Über die vielfältigen Aktionen in Sprockhövel geben die archivierten Jahresbände 1925 und 1926 der "Sprockhöveler Zeitung" recht bewegt Auskunft.

Für die Gemeinden Silschede und Esborn, als den in diesem Raum am meisten betroffenen Orten, ergaben sich weitreichende Folgen:
  • Das Steueraufkommen der Zeche Vereinigte Trappe, das in guten Jahren sich auf bis zu 25.000 Reichsmark belief und ganz wesentlich zum Haushalt der Gemeinde Silschede (und teils auch von Esborn) beitrug, entfiel. So kamen beide Gemeinden in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten, da sie nun fast reine Wohngemeinden wurden.
  • Entsprechend dem jeweiligen Entwicklungsstand der Konjunktur (hier: der Kohlenzechen) verhielt sich auch die Bevölkerungsbewegung, wie das angeführte Beispiel deutlich zeigt. Dem stetigen Anstieg der Einwohnerzahl bis etwa 1860 folgte eine Zeit der Stagnation bis gegen 1880. Erst dann stieg die Kurve der Zunahme wieder an. Zwischen 1895 und 1905 wuchs die Zahl der Einwohner um 28 % auf 1600 und nahm bis 1925 nochmals um 10 % zu. Mit dem Ende der Zeche setzte dann ein beständiger Rückgang der Einwohnerzahl ein, der bis 1939 anhielt.
  • Die Verlagerung des Schwergewichts vom alten ins neue, nördliche Revier wird nun auch drastisch durch die Umsetzung von Arbeitskräften belegt. Ein großer Teil der Belegschaft von Vereinigte Trappe wurde von der Gewerkschaft Ewald/König Ludwig in Recklinghausen übernommen, aber auch die Zeche Alte Haase in Sprockhövel und die Firma Knorr-Bremse in Volmarstein stellten eine Reihe von ehemaligen Bergleuten der stillgelegten Zeche ein.
  • Zum ersten Male wurde die Bereitschaft der Bergleute zur Mobilität ernsthaft auf die Probe gestellt. Es darf gesagt werden, daß der Kottenbesitz und das Betreiben einer kleinen Landwirtschaft die Neigung zur Seßhaftigkeit und damit das Bemühen um einen in zumutbarer Entfernung gelegenen Arbeitsplatz sicher verstärkt haben, während andererseits nicht so fest verankerte Wohnverhältnisse, auch der Familienstand, dazu beigetragen haben mögen, sich leichter zu einem Umzug zu entschließen.
  • Bis Anfang Oktober 1924 wurden 4.000 Bergleute aus dem südlichen Revier in Schachtanlagen des nördlichen und westlichen Randgebietes vermittelt, ebenso wurden 700 Bergarbeiterfamilien in Neubauwohnungen eingewiesen. Durch staatliche Beihilfen, Steuererleichterungen usw. wurde der Übergang in andere Berufe erleichtert. Fast 800 Familien wurden 1924/1925 zum Teil in weit entfernte Gegenden (Aachener Raum, Mark Brandenburg, Ost- und Westpreußen, Westmünsterland) umgesiedelt. Mehr als die Hälfte kam in anderen Bergbaubetrieben unter, etwa ein Viertel in der Textilindustrie, der Rest erhielt ländliche Siedler- und Gewerbestellen.
  • Die Folgen der ersten beiden Stillegungswellen konnten weitestgehend aufgefangen werden. Bei den 1929 bis 1932 erfolgten Stillegungen war dies nicht mehr möglich. Die überall zu verspürende Wirtschaftskrise schlug dann voll durch.
  • In vielen Familien des alten Reviers ging mit den Zechenstillegungen eine alte Bergmannstradition zu Ende, die über mehrere Generationen reichte.

[Diagramm und Tabelle folgen]



Westfalen im Bild, Reihe: Westfälische Industriegeschichte, Heft 1