"Westfalen im Bild" - Texte

Kurzweg, Martina
Frauenerwerbsarbeit im Wandel
Vom Kaiserreich bis in die Gegenwart
Münster, 1997



Einleitung

"Sie (die Frauen) sind nicht mehr die Veilchen, die im Verborgenen blüh'n, auch sie werden jetzt mit in den allgemeinen Strudel rastloser Arbeit, hastenden Kampf ums Dasein gerissen: nicht nur die, welche für ihr täglich Brod zu arbeiten gezwungen sind, auch die Frauen in behaglicher Häuslichkeit haben darunter zu leiden, auch sie müssen - wie früher der Mann alleine - hinaus ins feindliche Leben." [1]

Die Anfänge der Frauenerwerbsarbeit wurden vor allem von den männlichen Zeitgenossen - verbunden mit einem allgemeinen Unbehagen gegenüber der Moderne und ihren Auswirkungen - als Verlustgeschichte empfunden. Die langsame Loslösung der Frauen aus dem traditionellen Rollenmuster wurde als Gefährdung der gesellschaftlich sanktionierten Geschlechterordnung gewertet. Denn die berufstätige Frau drohte gemäß der zeitgenössischen Vorstellungen nicht nur zu vermännlichen, sondern es war auch mit einer Vernachlässigung des Haushalts und der Kindererziehung - den eigentlichen Lebensaufgaben der Frau - zu rechnen. In den Augen vieler Männer waren Frauen für den außerhäuslichen Arbeitsmarkt ohnehin völlig ungeeignet, wie ein Zitat Schopenhauers aus dem Jahr 1851 illustriert:
"Schon der Anblick der weiblichen Gestalt lehrt, daß das Weib weder zu großartigen geistigen noch körperlichen Arbeiten bestimmt ist. Die heftigsten Leiden, Freuden und Kraftäußerungen sind ihm nicht beschieden, sondern sein Leben soll stiller, unbedeutsamer und gelinder dahinfließen." [2]

Unter dem Eindruck der politischen und gesellschaftlichen Umbrüche des Vormärz und der Revolution von 1848 wurde vornehmlich von bürgerlichen Frauen eine Diskussion über zu verbessernde Bildungs- und Berufschancen für Frauen angestoßen, ohne daß das Primat der Familie für die weibliche Lebensplanung zur Disposition gestellt worden wäre. Die bürgerliche Frauenbewegung forderte nicht die Gleichstellung von Frauen- und Männerbildung. Ihr Ziel war nicht die Emanzipation der Frauen. Die verbesserten Bildungsmöglichkeiten sollten die Frauen befähigen, Ereignisse und Zusammenhänge des öffentlichen Lebens zu verstehen, damit sie ihre Ehemänner unterhalten und ihre Kinder zu verantwortungsvollen Mitgliedern der Gesellschaft erziehen konnten. [3] Die (standesgemäße) Berufstätigkeit sollte für Frauen - auch nach den Vorstellungen der bürgerlichen Frauenbewegung - nur die kurze Überbrückungsphase zwischen Schule und Eheschließung darstellen. Mit der Hochzeit sollten die Frauen aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Gerade der nach außen demonstrierte Müßiggang der bürgerlichen Frau galt als soziales Statussymbol. Die historische Wirklichkeit sah für viele Frauen allerdings anders aus, wie weiter unten noch zu zeigen sein wird.

Nicht zuletzt dieses Ideal der bürgerlichen Lebensführung, das auch in unterbürgerlichen Schichten als erstrebenswerte Norm galt, trug dazu bei, daß eine qualifizierte Schul- und Berufsausbildung für Mädchen und Frauen im späten 19. Jahrhundert noch nicht vorgesehen war. Gemäß dem zeitgenössischen Rollenverständnis lief die Lebensplanung der Frau einzig auf die Heirat und die Fürsorge für Familie und Haushalt hinaus. Der zu erwartende Rückzug in die Familienarbeit ließ eine - oft kostspielige- qualifizierte Ausbildung überflüssig erscheinen. Diese Einschätzung ging vor allem zu Lasten der Frauen unterer sozialer Schichten, die aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen waren, zum Familieneinkommen beizutragen.

Trotz der nur sehr verhaltenen Forderungen der bürgerlichen Frauenbewegung entwickelte sich im Zusammenspiel mit sozioökonomischen Modernisierungsprozessen eine Debatte, die eine veränderte gesellschaftliche Wahrnehmung und Einschätzung der Frauenerwerbsarbeit einleitete. Diese Entwicklung war von vielen Rückschritten und langen Phasen der Stagnation bestimmt. Nur langsam setzte sich die Erkenntnis durch, daß die Verbesserung der Erwerbschancen für Frauen auch einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen hatte. Eine aktive Professionalisierung ermöglichte es alleinstehenden Frauen, sich durch - standesgemäße - Arbeit ihren Lebensunterhalt selbständig zu sichern. Unverheiratete Frauen mußten dann nicht mehr von ihren Familien unterstützt werden oder eine Versorgungsehe eingehen.

Die Frauen der unterbürgerlichen Schichten waren aus wirtschaftlichen Gründen vielfach gezwungen, ihre Erwerbstätigkeit auch nach der Eheschließung fortzusetzen. Sie gaben mit der Heirat oftmals ihre außerhäusliche Arbeitsstelle auf und nahmen eine Beschäftigung als Heimarbeiterin an. Die Verantwortung für den Haushalt und die Kindererziehung oblag auch bei einer Berufstätigkeit weiterhin allein den Frauen. Gemeinsam war allen arbeitenden Frauen, daß sie - wenn überhaupt - deutlich schlechter ausgebildet waren als die Männer. Außerdem erhielten sie auch bei gleicher Arbeit weniger Lohn. Der Zugang zu qualifizierten Berufen blieb Frauen verwehrt. Begründet wurde diese Praxis mit ihrer Familienorientiertheit und vor allem der Behauptung, Frauen erfüllten die körperlichen und geistigen Voraussetzungen für viele Berufe nicht.

Konterkariert wurde diese Argumentation erstmals während der Krisensituation des Ersten Weltkrieges. Als durch die Mobilisierung der Männer in kriegswichtigen Industriezweigen viele Arbeitsplätze frei wurden, warb man Frauen als Ersatzarbeitskräfte an. Sie fanden in allen zentralen Wirtschaftszweigen wie dem Bergbau, der Waffenproduktion usw. Beschäftigung. Für ihre Arbeit auf den "Männerarbeitsplätzen" wurden sie kurzfristig angelernt. Körperlich schwere Arbeit galt nun nicht mehr als unweiblich oder unsittlich, sondern wurde für die Dauer des Krieges als ehrenwerter Dienst für das Vaterland an der Heimatfront positiv gewürdigt. Nach Kriegsende zeigte sich deutlich, daß der Einsatz der Frauen und ihre Bewährung auf dem Arbeitsmarkt keinen grundsätzlichen Wandel in der Einschätzung der Frauenerwerbsarbeit bewirkt hatten.

Die führenden gesellschaftlichen Schichten - einschließlich der bürgerlichen Frauenbewegung - strebten die Rückkehr zum Status quo ante, also der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung der Vorkriegszeit, an. Frauen sollten wieder aus dem Arbeitsmarkt gedrängt werden und zu ihrer natürlichen Berufung als Hausfrau und Mutter zurückkehren. [4] Die Geschlechterstereotypen des Kaiserreichs wurden nicht in Frage gestellt. Ganz folgenlos blieben die Erfahrungen der Kriegsjahre für die Entwicklung der Frauenerwerbsarbeit jedoch nicht. Frauen ließen sich nicht mehr einfach aus dem Erwerbsleben verdrängen. Für viele Kriegswitwen war die Berufstätigkeit von existentieller Bedeutung, da die gewährten Renten zum Leben nicht ausreichten. In dieser Zeit konnten Frauen sich neue Berufsfelder etwa im Handwerk, in der Industrie, vor allem aber im Angestellten- und Dienstleistungsbereich erschließen. Sie blieben jedoch weiterhin in ihrer Qualifikation und ihrer Bezahlung hinter den Männern zurück. Auch in der Weimarer Republik waren Frauen Arbeitskräfte zweiter Klasse.

Das wurde besonders deutlich, als sich die wirtschaftliche Rezession der späten 1920er Jahre auf den Arbeitsmarkt auszuwirken begann. Gezielte Kampagnen gegen "Doppelverdienerinnen" sollten vor allem verheiratete Frauen aus dem Berufsleben verdrängen. Zugleich wurde seitens der führenden gesellschaftlichen Gruppen massiv für den "wesensgemäßen" Hausfrauenberuf geworben, wobei besonders die technischen Errungenschaften im Haushalt propagandistisch genutzt wurden. Konkurrenzängste der Männer und das starre Festhalten an der geschlechtsspezifischen Rollenverteilung begründeten die Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Die ansteigende Zahl berufstätiger Frauen belegt allerdings, daß sich die Kräfte der Beharrung letztlich nicht gegen die des Fortschritts durchsetzen konnten. [5]

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Januar 1933 verschlechterten sich die Arbeitsmarktchancen für Frauen insbesondere im Bereich der qualifizierten Berufe deutlich. So wurden Frauen fortan weder in Führungspositionen berufen, noch in leitenden Stellungen im öffentlichen Dienst beschäftigt. Insbesondere verheiratete Frauen verloren durch systematische Kündigungen ihre Arbeitsplätze. Die nationalsozialistische Ideologie propagierte die Mutterrolle als vornehmliche Aufgabe der Frau. Die Vorbereitung "arischer" Frauen auf die Mutterschaft war das ideologische Erziehungsziel des NS-Regimes. Die arisierende Familienplanung war Kernstück der Rassenpolitik der Nationalsozialisten. Allerdings verkehrten die realen politischen Erfordernisse die nationalsozialistische Frauenpolitik nahezu in ihr Gegenteil. Die Kriegsvorbereitungen und der daraus resultierende Arbeitskräftebedarf führten dazu, daß Frauen zum Studium kriegswichtiger Fächer und zur Erlernung kriegswichtiger Berufe ermutigt wurden. Während des Zweiten Weltkrieges wurden Frauen, unterstützt von der Propagandamaschinerie, auch in "wesensfremden" Berufen eingesetzt, wobei geltende Schutzbestimmungen, beispielsweise zur Arbeitszeitbegrenzung, sukzessive gelockert wurden. Aus politischen Erwägungen wurde die 1943 eingeführte allgemeine Arbeitspflicht für Frauen allerdings nicht strikt umgesetzt. Die Machthaber befürchteten Loyalitätsverluste sowohl an der Kriegs- als auch an der Heimatfront. Im Gegensatz zum Ersten Weltkrieg wurden Frauen nach 1939 nicht zu Schwerstarbeiten herangezogen. Arbeiten unter Tage und andere körperlich schwere Tätigkeiten mußten beispielsweise von Zwangsarbeitern oder Kriegsgefangenen verrichtet werden. [6]

Der Zusammenbruch des Dritten Reiches forderte die Arbeitskraft der Frauen in besonderem Maße. Die Belastungen des Wiederaufbaus mußten hauptsächlich von den Frauen getragen werden. Neben den vielen Todesopfern, die Krieg und Gewaltherrschaft gefordert hatten, fielen zahlreiche Männer aus, weil sie invalide von der Front heimgekehrt waren oder sich noch in Kriegsgefangenschaft befanden. Zwar sahen die Bestimmungen der alliierten Behörden vor, daß Frauen auch im Rahmen des Wiederaufbaus keine Schwerstarbeit leisten dürften, doch tatsächlich wurden diese Vorschriften vielfach umgangen. [7]

Die Arbeitsmarktlage änderte sich für Frauen mit dem beginnenden "Wirtschaftswunder". Wie schon nach dem Ersten Weltkrieg sollten die Frauen trotz ihrer nachgewiesenen Leistungsfähigkeit und -bereitschaft erneut ihre Arbeitsplätze für die heimkehrenden Männer räumen. Tradierte Rollenmuster, das zeigte sich deutlich, waren während der Krisenzeit nur vorübergehend außer Kraft gesetzt worden und wurden nun reaktiviert. Das Erwerbsleben war Männersache, Frauen gehörten ins Haus. Allenfalls alleinstehenden Frauen wurde das Recht auf einen Arbeitsplatz zugestanden, da sie wegen des Frauenüberschusses gezwungen waren, auf die "wesensgemäße Erfüllung" ihres Lebens als Hausfrau und Mutter zu verzichten. Frauen blieb mit dem Hinweis auf ihre besondere Schutzbedürftigkeit der Zugang zu vielen, insbesondere zu den qualifizierten Berufen verwehrt. De facto ging es darum, den tradierten geschlechtsspezifischen Arbeitsmarkt wieder herzustellen und zu stabilisieren. [8]

Die Frauen reagierten ambivalent auf diese Entwicklung. Zum einen war das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit durch die Erfahrungen des Krieges und des Wiederaufbaus merklich gewachsen. Frauen gewannen ein neues Selbstwertgefühl, das sie eine neue Rolle in Wirtschaft und Gesellschaft beanspruchen ließ. Andererseits waren es gerade die immensen Belastungen der zurückliegenden Jahre, die zahlreichen Frauen die Rückkehr in die verlockende Ruhe des Privaten erstrebenswert erscheinen ließen. Viele Frauen wollten nur bis zur Eheschließung oder höchstens der Geburt des ersten Kindes erwerbstätig sein und sich dann ihrer "eigentlichen Aufgabe" als Mutter und Hausfrau widmen. In diesem Zusammenhang heißt es in einer Frauenzeitschrift:
"Es wäre zu wünschen, daß sich die Auffassung vom Haushalt als Beruf immer mehr und mehr durchsetzt. Die Frau von heute wird dadurch leichter die richtige Einstellung zur Hausarbeit finden, die sie nicht selten als weniger vorteilhaft als ihren früheren Beruf empfindet. Denn sie hat vor ihrer Ehe ihren vielleicht nicht von allem Anfang an geliebten Beruf lieben gelernt, so wird sie nach dem gleichen Rezept auch den Beruf 'Haushalt' bald zu ihrer ureigensten Sache machen, um so mehr, als sie damit - auf einem Umweg zwar - zu ihrer eigentlichen Berufung zurückkehrt." [9]
Diese Kampagnen zeigten Erfolge. Die Zahl der erwerbstätigen, verheirateten Frauen ging zunächst zurück. Um 1950 war nur jede vierte verheiratete Frau berufstätig. 1939, vor Beginn des Zweiten Weltkrieges, war es noch jede dritte gewesen. [10]

Erst langsam gewannen die Frauen eine neue Einstellung zur Berufstätigkeit. Dafür waren verschiedene Faktoren verantwortlich, die einzeln oder miteinander verbunden wirkten. Vor allem amerikanische Kapital- und Aufbauhilfen beschleunigten den wirtschaftlichen Aufschwung. Der Lebensstandard stieg in weiten Kreisen der Bevölkerung. Vielfach reichte der alleinige Verdienst des Mannes nicht aus, um am neuen Luxus partizipieren zu können. Um die gestiegenen Konsumansprüche befriedigen zu können, mußten die Frauen zuverdienen. Die soziale Anspruchsspirale trug zum erneuten Anstieg der Frauenerwerbsarbeit bei. Versuche von Politikern, Sozialwissenschaftlern und Kirchenvertretern, insbesondere Mütter wegen der drohenden Vernachlässigung der Familie und Kindererziehung wieder aus dem Berufsleben zu verdrängen, schlugen fehl. Dennoch änderte sich die idealtypische Lebensplanung der Frauen bis in die 1960er Jahre hinein kaum. "Frauen sahen ihre eigene Erwerbstätigkeit als sekundär an und konnten sich lediglich vorstellen, vorübergehend in der Ehe hinzuzuverdienen." [11]

Diese Lebensplanung wurde allerdings vielfach von der wirtschaftlichen Wirklichkeit überholt. Als in den 1960er Jahren infolge des Wirtschaftsbooms dringend Arbeitskräfte gesucht wurden, waren Frauen - verheiratet oder ledig - als Kolleginnen im Dienstleistungssektor willkommen. Nicht zuletzt wegen dieser Entwicklung nahm die Frauenerwerbsquote zwischen 1950 und 1980 um das Zweieinhalbfache zu, wobei besonders die Erwerbsbeteiligung verheirateter Frauen anstieg. Immer mehr Frauen unterbrachen ihre Berufstätigkeit nur noch kurzfristig, viele blieben auch nach der Geburt von Kindern weiterhin erwerbstätig. Die Frauen entschieden sich nicht mehr zwischen Beruf oder Familie, sondern versuchten beides in der Doppelrolle der berufstätigen Hausfrau und Mutter zu vereinbaren. [12] Die Motive der fortgesetzten Erwerbstätigkeit der Frauen veränderten sich im Verlaufe der Jahre. Viele Frauen fühlten sich durch die Hausarbeit, die durch technische Errungenschaften um vieles einfacher geworden war, nicht mehr ausgelastet. Wirtschaftliche Gründe, sei es aus ökonomischer Notwendigkeit oder um einen höheren Lebensstandard zu sichern, spielten ebenso eine zentrale Rolle. An Bedeutung gewann aber auch das Sozialprestige der eigenen Berufstätigkeit. Für Frauen wurde die Arbeit außer Haus nun zunehmend ein Faktor persönlicher Anerkennung. Zugleich verlor das Dasein als "Nur-Hausfrau" an sozialem Renommee. [13] Die Möglichkeit der Frauen, sich durch ihre Berufstätigkeit selbst zu verwirklichen und gleichberechtigt am Erwerbsleben teilnehmen zu können, war eine der zentralen Forderungen der modernen Frauenbewegung, auf deren Anliegen im folgenden aber nicht ausführlich eingegangen wird.

Heute erregen Frauen in der Arbeitswelt nur noch Aufmerksamkeit, wenn sie einen "typischen Männerberuf" ausüben oder als "Karrierefrau" in die Männerdomäne der Führungspositionen aufgestiegen sind. Der charakteristische "Frauenarbeitsplatz" ist im Dienstleistungssektor angesiedelt, wo Frauen vor allem in den unteren und mittleren Gehaltsstufen stark repräsentiert sind. Die anhaltende Familienorientierung vieler Frauen zeigt sich in dem hohen Anteil der Frauen an den Teilzeitarbeitsplätzen, der seit den 1980er Jahren bei etwa 92% liegt. Frauen stellten 1995 in Nordrhein-Westfalen 41% aller Arbeitnehmer. Jede vierte berufstätige Frau hatte 1995 eine Teilzeitstelle. 1980 war es nur jede fünfte gewesen. [14] Lange als optimale Möglichkeit gefeiert, die Doppelrolle der Arbeitnehmerin und Hausfrau miteinander zu verbinden, wachsen in jüngster Zeit die Bedenken. Denn die Teilzeitarbeit bedeutet nicht nur schlechtere Karriere- und damit Verdienstchancen, sondern zugleich eine niedrigere Altersversorgung der Frauen. Sie sind dadurch nach wie vor gegenüber den Männern benachteiligt.

Die Integration der Frauen in das Erwerbsleben und ihre Konzentration in vergleichsweise schlecht bezahlten Berufen ist das Ergebnis eines langwierigen, von Rückschritten und Stagnation begleiteten Prozesses, der im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts einsetzte und bis in die Gegenwart andauert. Prägend für die Berufswahl und die Karrierechancen ist bis heute die Wirksamkeit der tradierten Geschlechterrollen, durch die vornehmlich Frauen die Verantwortung für den privaten Bereich zugewiesen wird. Ungeachtet der weitgehenden gesellschaftlichen Akzeptanz der Frauenerwerbsarbeit ist die Ungleichheit der Erwerbschancen von Männern und Frauen nach wie vor ein wesentliches Strukturmerkmal moderner Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme. [15] Die zwölf ausgewählten Bilder sollen einige Aspekte der Entwicklung der Frauenerwerbsarbeit illustrieren. Die Serie beansprucht keine umfassende Darstellung des komplexen Themas, sondern versteht sich als Anregung zur weiteren Auseinandersetzung. Die vorgestellten Bildbeispiele stammen aus dem westfälischen Raum, der in seiner sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung die exemplarische Beschreibung der verschiedenen Aspekte der Frauenerwerbsarbeit ermöglicht. Die parallelen politischen Entwicklungen bleiben ebenso ausgeklammert wie das Engagement der bürgerlichen und der sozialistischen Frauenbewegungen, die selbstverständlich die Ausbildung der Frauenerwerbsarbeit beeinflußten.


[1] K. Spener: Die jetzige Frauenkleidung und Vorschläge zu ihrer Verbesserung, Berlin 1897, S. 5.
[2] Zit. nach: Der Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (Hrsg.): Die Gleichstellungsstelle informiert: Stichworte zum internationalen Frauentag, Münster 1989, S. 1.
[3] U. Frevert: Frauen-Geschichte. Zwischen bürgerlicher Verbesserung und Neuer Weiblichkeit. Frankfurt/Main 1986, S. 72ff.
[4] U. Daniel: Arbeiterfrauen in der Kriegsgesellschaft. Göttingen 1989, S. 35ff. u. 107ff.; S. Rouette: Nach dem Krieg: zurück zur "normalen" Hierarchie der Geschlechter. In: K. Hausen (Hrsg.): Geschlechterhierarchie und Arbeitsteilung. Zur Geschichte ungleicher Erwerbschancen für Männer und Frauen. Göttingen 1993, S. 167-190, hier S. 167.
[5] B. Kassel: Das Geschlecht der Qualifikation ist männlich. Ausbildung und Qualifikation in der Metallindustrie vor 1930. In: K. Hausen (Hrsg.): Geschlechterhierarchie und Arbeitsteilung. Zur Geschichte ungleicher Erwerbschancen für Männer und Frauen. Göttingen 1993, S. 125-143, hier S. 137; U. Frevert: Frauen-Geschichte, S, 174ff.; S. Rouette: Nach dem Krieg. S. 179f.
[6] U. Frevert: Frauen-Geschichte, S. 200 u. 211ff.
[7] D. Schubert: Frauen in der deutschen Nachkriegszeit, Bd. 1: Frauenarbeit 1945-1949, Düsseldorf 1984, S. 78.
[8] Ebd., S. 79ff; U. Frevert: Frauen-Geschichte, S. 254f.
[9] Zit. nach: Ch. Feldmann-Neubert: Frauenleitbild im Wandel 1948-1988: von der Familienorientierung zur Doppelrolle. Weinheim 1991, S. 114.
[10] U. Frevert: Frauen-Geschichte, S. 255.
[11] Ebd., S. 256ff., Zitat S. 257.
[12] Ebd., S. 258.
[13] Ebd., S. 259ff.
[14] Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen: Frauen und Arbeitsmarkt 1995, S. 4, 7 u. 19; IW-Dossier: Frauen in der Arbeitswelt. 1987, S. 11.
[15] K. Hausen: Einleitung. In: K. Hausen (Hrsg.): Geschlechterhierarchie und Arbeitsteilung. Zur Geschichte ungleicher Erwerbschancen für Männer und Frauen. Göttingen 1993, S. 7-16, hier S. 7.




Westfalen im Bild, Reihe: Westfälische Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Heft 8