DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa
Im Glanz des Friedens
Der Aufbau
Endlich treffen sie ein, endlich sind sie
im Original zu betrachten, zu studieren, zu bewundern. Monatelang, jahrelang nur
als Reproduktionen in Büchern, Katalogen, auf Kopien von Kopien angeschaut
und in konzeptionellen Texten immer wieder beschrieben, werden sie jetzt aus
beeindruckender Verpackung herausgeschält. Und sie sind alle ganz anders,
als wir sie uns vorgestellt haben: die kostbaren Gemälde in schimmernden,
schweren Rahmen, die beredten, klugen und drastischen Kupferstiche, die
einstmals klirrenden, nun ruhenden Waffen und Rüstungen, die kleinen
Schmuckstückchen und die bedeutenden Dokumente - durch ihre Präsenz
bezaubern sie und beglücken alle, die mit ihnen nun in aller Nähe zu
tun haben: bei der Installation einer großen Ausstellung.
Der
Aufbau ist der Höhepunkt einer langen Phase der inhaltlichen Vorbereitung
und einer oft weniger langen, aber dafür um so intensiveren Zeit der
Ausstellungsorganisation. Viele hundert Briefe zwischen den Leihgebern - Museen,
Archiven, Bibliotheken, privaten Sammlungen - und dem Leihnehmer - den
Organisatoren der Europaratsausstellung - sind bereits gewechselt, wenn endlich
eine Liste aller Exponate erstellt werden kann. Sie ist das A und O für
alle weiteren Aktivitäten in Hinsicht auf die Realisierung der Ausstellung.
Im Fall der Europaratsausstellung waren es schließlich über 300
Leihgeber, die sich von ihrem Besitz trennten, um am Feiern des
Westfälischen Friedens teilzuhaben, und über 1300 Exponate
füllten die Räume des Westfälischen Landesmuseums in Münster
sowie der Dominikanerkirche und dem Kulturgeschichtlichen Museum in
Osnabrück.
Die Inszenierung
In dem knappen Begriff "Aufbau"
kulminieren letztlich umfangreiche Aufgaben und umfassende Tätigkeiten: das
Entwerfen und die Realisierung der Ausstellungsarchitektur, der Transport, die
Sicherheit und die Installation der Werke. Die architektonische
Gestaltung der Ausstellung, in enger Zusammenarbeit des Ausstellungsleiters mit
dem Architekten erdacht, bestimmt nicht nur das Leitsystem, das dem Besucher die
Orientierung in den Museumsräumen und zwischen den Phasen von Krieg und
Frieden erleichtern soll; sie stellt auch die Entwürfe für Vitrinen
und Raumaufteilungen bereit, legt die Farbmischungen fest, die den Kunstwerken
zu einem besonderen Auftritt verhelfen und zudem symbolischen Gehalt vermitteln
sollen (für die Zeit vor dem Krieg: ein aggressives Gelb; für den
Krieg: ein bedrängendes Rot; dem Frieden: ein kräftiges, erfrischendes
Türkis), und schließlich sorgt sie auch dafür, daß die
Höhepunkte der Ausstellung im besonderen Rahmen präsentiert werden. In
Münster kann man diese Inszenierungen im Saal mit den Friedensallegorien
oder im "Vertragsraum" bewundern, wo die Dokumente liegen, um die
sich die Ausstellung eigentlich dreht. Oder aber im Lichthof des
Westfälischen Landesmuseums, in den der Architekt für die
Präsentation und Konfrontation der Hauptpersonen von Krieg und Frieden ein
Oval als Hängefläche hineinbauen ließ, es durch transparente
Flächen optisch auf 9 Meter in die Höhe zog und die dunkel
gestrichenen Holzwände schließlich mit Blattkupfer belegen ließ
- eine aufwendige Handarbeit, die von unerschrockenen Architekturstudenten in
überraschend kurzer Zeit, Blättchen für Blättchen, erledigt
wurde. Ein schimmerndes Highlight im wahrsten Sinne des Wortes.
Der
Transport von über 1300 Werken und Objekten aus Deutschland und ganz Europa
- die längste Reise legte übrigens ein Porträt aus São
Paulo zurück - und deren Unterbringung in drei Ausstellungshäusern an
zwei verschiedenen Orten stellte hohe Anforderungen an die logistische Planung.
Erfahrung, Überblick, nicht endenwollende Detailarbeit und bisweilen auch
ein gehöriges Maß an Improvisationstalent waren gefragt, bis die
wertvollen Objekte und Kunstwerke in ihrem Museum auf Zeit angekommen waren. Vom
winzigen, in Elfenbein geschnitzten Gustav II Adolf im Sarg bis zur viele Tonnen
wiegenden Kanone aus Schweden, die man, so die Erlaubnis des Leihgebers, sogar
im Freien hätte abfeuern dürfen, vom siegelschweren Vertrag bis zum
glanzvollen Friedensbild: in luftgefederten Lkw, in klimatisierten Kisten, in
persönlich überbrachten Köfferchen, zwischen säurefreiem
Seidenpapier, in Luftpolsterfolie und meistens in Begleitung von Kurieren - fast
100 für diese Europaratsausstellung - traf schließlich alles
fristgerecht, in Transporten rund um die Uhr, ein und wurde in einer Rekordzeit
von nicht einmal vier Wochen an die Wände gehängt, in Vitrinen
plaziert, in den vorgesehenen Räumen installiert.
All dies von
Anfang bis Ende unter den wachsamen Augen und mit Hilfe des handwerklichen
Geschicks der Restauratoren, die beim Auspacken des Objektes anwesend sind, ein
Protokoll seines Zustandes anfertigen, die Hängung begleiten, die Vitrinen
"einrichten" und später das Klima in den
Ausstellungsräumen kontrollieren und gegebenenfalls korrigieren lassen.
Womit das Thema der Sicherheit angesprochen wäre, das nicht nur eine
Versicherung jedes einzelnen Kunstwerkes oder Objekes - hier sind sie alle
über 300 Jahre alt und schon deswegen besonders schützenswert -
"von Nagel zu Nagel" bedeutet. Auch heißt Sicherheit nicht nur
die Außenhautsicherung des Museums, die direkte Alarmverbindung zur
Polizei oder die Alarmsicherung einzelner Bilder oder Vitrinen. Sicherheit
beinhaltet auch die adäquate konservatorische Behandlung eines jeden
Exponats: ausreichende Luftfeuchtgkeit für die hochempfindlichen
Gemälde auf Holz, niedrige Beleuchtungswerte für Handschriften auf
Pergament oder Papier, klimatisierte Vitrinen für kostbare Rüstungen
oder Waffen. Und natürlich auch die Bewachung der Räume während
des Aufbaus und der Laufzeit der Ausstellung, die man bereits weit im Vorfeld
organisieren muß.
Rubens als Kraftakt
Der Aufbau im eigentlichen Sinne betrifft in
erster Linie die "Hängeteams", die mit Sachverstand und
Erfahrung unter der Leitung des Ausstellungskommissars die Kunst an die Wand
bringen. Nicht selten sind dabei besondere Vorkehrungen zu treffen, bisweilen
wird es sogar richtig kompliziert. So beim wertvollsten und berühmtesten
Gemälde der Europaratsausstellung, der Friedensallegorie von Rubens, die
mit einem Gesamtmaß von rund 2.40 x 3.50 Metern die Mannschaft vor einige
Probleme stellte. Als die Riesenkiste (3.00 x 3.80 Meter) nach langen
Operationen glücklich durch die Anlieferung ins Haus gebracht worden war,
bestätigten sich die Vermutungen, daß man das Bild nicht im Aufzug
ins zweite Stockwerk bringen konnte. Sechs starke Männer waren gefragt, um
das Glanzstück vorsichtig über das zentrale Treppenhaus in den
dafür vorgesehenen Raum zu tragen. Schließlich benötigte das
Bild einen Spezialsockel als Unterstützung der Aufhängung, denn bei
150 Kilo wollten sich die Ausstellungstechniker nicht nur auf die Dübel
verlassen. Die Inszenierung des größten und berühmtesten
Exponats in Münster war schließlich nur eine etwas aufwendigere
Aktion im geschäftigen Treiben des Aufbaus, das von früh um sieben bis
in den späten Abend viele Mitarbeiter in Atem hielt: Neben den
Hängeteams und Restauratoren waren dies die für die Inhalte
verantwortlichen Wissenschaftler, die Mitarbeiter des Organisationsbüros
und Fachleute der Kunstspeditionen, Werkstudenten und Praktikanten. Und nicht
nur die Installation der Exponate war mit größter Sorgfalt
vorzunehmen; Raumtitel und -texte mußten auf die Wände geklebt,
Exponatenschildchen befestigt und alle Beschriftungen rechtzeitig angebracht
werden.
Auch manche unangenehme Überraschung konnte die Arbeiten
unterbrechen, aufhalten und in die Länge ziehen: die Prunkrüstung
wurde fest auf einen Sockel montiert angeliefert - und paßte so nicht mehr
in die vorgesehene Vitrine, ein Satz Graphiken traf, anders als geplant,
ungerahmt ein und mußte erst in der Werkstatt hergerichtet werden, eine
Kiste hatte sich nach Osnabrück verirrt, deren Inhalt aber eigentlich nach
Münster gehörte. So ging es kurz vor der großen Eröffnung
dann ziemlich hektisch zu. In aller Eile und in letzter Minute wurden
Kunstkisten abtransportiert, Arbeitstische abgebaut, Verpackungsmaterial
verstaut, Ordner zurück in die Büros gebracht und staubige Vitrinen
noch schnell geputzt, bevor "die Sicherheit" das
Ausstellungs-Terrain für sich beanspruchte. Der
letzte organisatorische Akt vor dem glanzvollen Auftritt der
Staatsoberhäupter war für einige Mitarbeiter dann die Beaufsichtigung
der Polizeihunde, die, von ihren uniformierten Besitzern animiert, alle
Ausstellungsräumen mit ihren guten Nasen und außerordentlich
temperamentvoll nach verdächtigen Stoffen absuchten. Befund: negativ - und
die hohen Herrschaften konnten kommen.