DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
Textbände > Bd. I: Politik, Religion, Recht und Gesellschaft |
JOHN ELLIOTT Krieg und Frieden in Europa, 1618-1648 |
Die in Münster und Osnabrück
im Jahre 1648 so mühsam geschlossenen Friedensverträge beendeten drei
europäische Kriege. Am 15. Mai wurde der Achtzigjährige Krieg zwischen
der spanischen Krone und ihren rebellierenden Untertanen in den nördlichen
Niederlanden in einem Festakt im Rathaus zu Münster, den der
niederländische Maler Gerard ter Borch in einem brillanten Gemälde
für die Nachwelt festgehalten hat, formell zum Abschluß gebracht. Dem
Friedensvertrag zwischen Spanien und der Niederländischen Republik folgte
am 6. August die Unterzeichnung einer vorläufigen Friedensvereinbarung
zwischen Schweden und Kaiser Ferdinand III. in Osnabrück. Schließlich
brachten die Vertreter des Kaisers und des jungen Königs von Frankreich,
Ludwigs XIV., am 24. Oktober wiederum in Münster den Krieg zu Ende, den im
März 1636 der Vater des Kaisers, Ferdinand II., dem Vater Ludwigs, Ludwig
XIII., erklärt hatte. Diese drei Verträge zusammen konstituierten den
sogenannten "Westfälischen Frieden".
Drei
Kriege waren beendet, aber Europa noch lange kein friedlicher Kontinent. Es
sollte weitere elf Jahre dauern und auf beiden Seiten immenses Leid bringen, bis
die beiden führenden europäischen Mächte, Frankreich und Spanien,
im Jahre 1659 ihre Differenzen im Pyrenäenfrieden beilegten. Im Baltikum
und in Osteuropa dauerten die Feindseligkeiten ebenfalls an, bis in den Jahren
1660-1661 Schweden nacheinander mit seinen Feinden Polen, Dänemark und
Rußland Frieden schloß. Und doch zogen bereits wieder neue
Kriegswolken auf, mochten auch Künstler wie Erasmus Quellinus in seiner
Allegorie auf den Frieden (Münster, Stadtmuseum) Mitte des Jahrhunderts die
Wiederkehr des Friedens optimistisch darstellen. Schon sehr bald würde das
Frankreich Ludwigs XIV. große Teile des Kontinents für ein weiteres
halbes Jahrhundert in bewaffnete Konflikte
stürzen.
Warum also wird der
Westfälische Friede als bestimmendes Moment der europäischen
Geschichte gefeiert, und was erreichte er wirklich? Der Charakter der
Friedensregelung - ihr Scheitern und ihr Erfolg - kann nur richtig
eingeschätzt werden, wenn man die Natur des vorhergehenden Konfliktes
begriffen hat. Der Konflikt war europaübergreifend und wurde von einigen
bereits 1648, noch ehe die Tinte auf den Verträgen trocken war, der
"Dreißigjährige Krieg" genannt. So lenkten sie den Blick auf das
Ereignis, das ihnen als Auslöser des Konflikts erschien, nämlich den
Aufstand des Königreichs Böhmen gegen Kaiser Matthias im Jahre
1618.
Nicht alle teilten jedoch diese Sichtweise
auf die Ereignisse der vergangenen Jahrzehnte. Für die Niederländer
begannen die Feindseligkeiten definitiv im Jahre 1621, als ihr
zwölfjähriger Waffenstillstand mit Spanien endete. Bezogen auf Spanien
warnte der Conde Duque de Olivares, Günstling und leitender Minister
Philipps IV., im Jahre 1629 den päpstlichen Nuntius, daß, falls
französische Truppen die Alpen überqueren und in den Mantuanischen
Erbfolgestreit eingreifen würden, dies der Beginn eines Krieges mit
Frankreich wäre, der dreißig Jahre dauern würde. Der
Pyrenäenfriede genau dreißig Jahre später wies ihn als
beunruhigend akkuraten Propheten aus.
Und doch war
der Dreißigjährige Krieg, der in die Geschichtsbücher einging,
der Krieg von 1618-1648, der im Heiligen Römischen Reich begann und endete.
So bedeutend dieser Krieg für das Reich auch war, er war weit mehr als ein
Krieg innerhalb des Reiches. In Wirklichkeit war er ein europäischer
Flächenbrand, denn nicht nur die deutschen Lande wurden durch den
mörderischen Durchzug von Truppen verwüstet. Aber die Zeitgenossen
hatten weder unrecht, wenn sie das Reich als Mittelpunkt des Konflikts ansahen,
noch wenn sie meinten, daß der Funke des böhmischen Aufstandes das
Pulverfaß Europa gezündet hatte.
Wie
aber konnte ein Akt der Mißachtung durch die böhmischen Stände -
die seinen Ausdruck im Prager Fenstersturz am 23. Mai 1618 fand, als zwei
katholische Räte und ihr Sekretär aus einem Fenster der Prager Burg
geschleudert wurden, wundersamerweise aber mit dem Leben davon kamen - einen
Konflikt von europäischen Dimensionen in Gang
setzen?
Böhmen mit seinen vier Millionen
Einwohnern war in vielerlei Hinsicht ein Abbild der Probleme des Heiligen
Römischen Reiches, zu dem es gehörte. Die böhmische Frage des
frühen 17. Jahrhunderts war sowohl eine politische als auch eine
religiöse. Trotz Wahlkönigtums gehörte die böhmische Krone
traditionell zum Haus Habsburg, und im Jahre 1617 veranlaßten die Minister
des alternden und kinderlosen Kaisers Matthias den böhmischen und
anschließend den ungarischen Landtag, Erzherzog Ferdinand von Steiermark,
Mitglied einer Nebenlinie der österreichischen Habsburger, als Nachfolger
zu akzeptieren.
Die bald zu erwartende Thronfolge
Ferdinands als König von Böhmen und Ungarn und wenig später als
Kaiser des Heiligen Römischen Reiches bot jedoch vielen in Böhmen und
Ungarn sowie auch in den österreichischen Landen Anlaß zu tiefer
Sorge. Von Jesuiten in Ingolstadt erzogen, erschien Ferdinand als
Verkörperung des neuen dogmatischen Stils des gegenreformatorischen
Katholizismus, der das prekäre religiöse Gleichgewicht, das in der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Reich und in den Erblanden der
Habsburger hergestellt worden war, zu erschüttern drohte. In den Erblanden
gab es viele Protestanten - vor allem Lutheraner und Calvinisten - insbesondere
unter den Adligen. In Böhmen rangen die Stände Kaiser Rudolf II. 1609
einen "Majestätsbrief" ab, der allen Religionen, die der Confessio
Bohemica von 1575 zugestimmt hatten - dazu zählten auch die
Böhmischen Brüder, deren Lehre auf Johannes Hus zurückging -,
Glaubensfreiheit garantierte. Die sicherste Garantie schien jedoch in den
Ständen oder den Repräsentativorganen der verschiedenen Habsburger
Territorien zu liegen. Die protestantischen Adligen waren in den
aristokratischen Ständekammern stark vertreten und sahen sich als
Verteidiger der hart erstrittenen religiösen Rechte sowie der
überkommenen Gesetze und konstitutionellen Rechte ihrer jeweiligen
Königreiche oder Provinzen.
Mit dem Schwinden
der älteren, irenisch gesinnten Generation unter den politischen
Führern im Reich um die Wende des 16. zum 17. Jahrhundert wurden sowohl bei
Protestanten als auch bei Katholiken schrille Töne vernehmbar. Als die
wiedererstarkte militante Kirche der Gegenreformation begann, tiefe Schneisen in
die protestantischen Gemeinden zu schlagen, fühlten sich die Anhänger
der reformierten Glaubensrichtungen zunehmend unsicher. Auch waren sie
außerordentlich argwöhnisch gegenüber den politischen
Intentionen der neuen Generation jesuitisch erzogener katholischer Fürsten
wie Herzog Maximilian von Bayern und Erzherzog Ferdinand, deren jesuitische
Beichtväter sowohl ihre politischen als auch ihre religiösen Ratgeber
waren. Die Machtentfaltung der Spanier unter Philipp II. und die
unablässigen Anstrengungen der spanischen Armee in Flandern zur
Niederschlagung des niederländischen Aufstands hatten schon früh dazu
geführt, daß die Protestanten den Katholizismus mit Tyrannei und
Unterdrückung gleichsetzten. Die Haltung eines Maximilian oder eines
Ferdinand, durchdrungen von der Überzeugung ihrer Rechtmäßigkeit
als von Gott erwähltes Werkzeug zur Rettung des Glaubens, konnte die
Protestanten nur in ihrer Meinung bestärken, daß eine abgestimmte
Kampagne im Gange sei, und zwar nicht nur zur Rekatholisierung des Reiches,
sondern auch zur Beseitigung der politischen Freiheiten überall dort, wo
die römische Kirche vorherrschend war.
Um dem
Vorpreschen des gegenreformatorischen Katholizismus Einhalt zu gebieten, wurde
im Jahre 1608 eine Union protestantischer Fürsten gegründet. Unter
calvinistischer Führung nahm die Union in ihrer Entschlossenheit, der als
wachsende Bedrohung empfundenen wiedererstarkten und durch das mächtige
Spanien unterstützten römischen Kirche zu widerstehen, immer
aggressivere Züge an. Daher erkundete sie die Möglichkeiten zur
Gründung einer europaweiten antihabsburgischen Allianz, die
niederländische Republik und Venedig sowie das von dem wankelmütigen
Herzog Karl Emanuel beherrschte Savoyen eingeschlossen. Außerdem hoffte
die Union auf Unterstützung von dem England Jakobs
I.
Als Beobachter dieser Schritte der Union der
protestantischen Fürsten war der spanische Gesandte am kaiserlichen Hof,
Don Baltasar de Zúñiga, zunehmend über die Untätigkeit
der Regierung Philipps III. in Madrid beunruhigt. Die Notwendigkeit eines eng
zusammenarbeitenden Bündnisses zwischen dem spanischen und dem
österreichischen Zweig der Casa de Austria wurde am spanischen Hof
als unanfechtbarer Grundsatz angesehen. In den Augen Zúñigas war
die pax hispanica, die sich seit der Jahrhundertwende recht und schlecht
in Europa durchgesetzt hatte, nun durch eine große Verschwörung der
Feinde der Casa de Austria gefährdet, so daß Madrid schnell
würde handeln müssen, wenn die österreichischen Habsburger
geschützt und Mitteleuropa vor der hereinbrechenden Flut der Häresie
gerettet werden sollten.
Zwar war das Problem der
Thronfolge im Reich zur großen Erleichterung Madrids 1617 erfolgreich
gelöst worden, doch die Erleichterung war nur von kurzer Dauer. Ein Jahr
später wurde die pax hispanica durch die Ereignisse in Böhmen
heftig erschüttert. Kaum hatten die Böhmen der Ernennung Ferdinands
von Steiermark als designiertem König zugestimmt, da begannen sie auch
schon, ihre Entscheidung zu bereuen. Als er nach Abschluß des Landtags mit
seinem Hofstaat von Prag nach Wien zog, hinterließ der Kaiser eine
katholisch dominierte Gruppe von Statthaltern, die mit einer Reihe
provokatorischer antiprotestantischer Maßnahmen begann. Auf dem
Protestantentag in Prag Anfang Mai 1618 erreichten die Spannungen ihren
Höhepunkt, und am 23. des Monats machten die Versammelten ihrem Ärger
Luft, indem sie zwei Statthalter aus dem Fenster des Hradschin warfen. Von da an
entwickelten die Ereignisse eine Eigendynamik, und keine der beteiligten
Parteien zeigte ein echtes Interesse daran, eine bewaffnete Konfrontation
abzuwenden.
Die Böhmen wandten sich
hilfesuchend an die protestantische Union, während Ferdinand eilig
Kräfte sammelte, um seine Autorität im unruhigen Königreich
Böhmen wiederherzustellen. Anfang 1619 wurde die dahinsiechende Liga der
katholischen deutschen Fürsten unter Führung Maximilians von Bayern
wieder zum Leben erweckt, um die katholische Sache im Reich zu verteidigen. Im
März desselben Jahres starb Kaiser Matthias, und im August wählten die
sieben Kurfürsten des Reiches Ferdinand unter dem Titel Kaiser Ferdinand
II. zum Nachfolger. In demselben Monat setzten die böhmischen Stände
Ferdinand als ihren König ab und boten die Krone von Böhmen einem
jungen, unerfahrenen calvinistischen Fürsten an, dem pfälzischen
Kurfürsten Friedrich V., dem Schwiegersohn Jakobs I. von England. Nach
anfänglichem Zögern nahm Friedrich das Angebot an, ermutigt durch die
Nachricht, daß eine Armee unter Führung des Fürsten von
Siebenbürgen, des Calvinisten Bethlen Gabor, in das habsburgische Ungarn
einmarschierte.
Was also auf den ersten Blick wie
eine lokale Krise aussehen konnte, besaß von Anfang an weitverzweigte
Auswirkungen. Die Alarmglocken schlugen auf dem ganzen Kontinent, denn
Protestanten und Katholiken glaubten gleichermaßen, daß das
Schicksal ihrer Religion durch den Ausgang der Ereignisse in Böhmen
bestimmt würde. Die Fürsten des Reiches wurden in den böhmischen
Konflikt hineingezogen, entweder als Mitglieder der protestantischen Union oder
der katholischen Liga. Die Annahme der böhmischen Krone durch den
pfälzischen Kurfürsten stellte einen Bruch des Reichsfriedens und eine
offene Herausforderung der Autorität und der Vormachtstellung des Hauses
Habsburg dar. Da es dem neuen Kaiser jedoch an Geld und Truppen mangelte, um die
Rebellion niederzuschlagen, wandte er sich an die einzige Quelle, die ihn mit
beidem reichlich versorgen konnte - das Spanien Philipps
III.
Die spanische Entscheidung, dem
österreichischen Zweig des Hauses Habsburg zu Hilfe zu kommen, trug
wesentlich dazu bei, die böhmische Frage in einen allgemeinen
europäischen Konflikt zu verwandeln. Die Entscheidung war aber nicht
leichtherzig getroffen worden. Der Herzog von Lerma, Günstling und
leitender Minister Philipps III., war sich der finanziellen Probleme Spaniens
sehr wohl bewußt und daher darauf bedacht, nicht aktiv in die
Angelegenheiten Mitteleuropas hineingezogen zu werden. Doch Lermas Machtposition
wurde schwächer, und im spanischen Staatsrat gewann Don Baltasar de
Zúñiga zunehmend die Oberhand. Er war 1617 von Prag nach Spanien
zurückgekehrt und konnte mit unanfechtbarer Autorität von der sich
verschlechternden Situation im Reich sprechen. Alarmierende Berichte von seinem
Nachfolger am kaiserlichen Hof überzeugten die übrigen Mitglieder des
Staatsrats davon, daß Wien unterstützt werden müsse, bevor es zu
spät sei. Nach der Entscheidung Madrids, die Sache des Reiches zu
stützen, erreichten den Kaiser daher spanische Soldaten und Gelder in
zunehmender Menge.
Da Spanien seine Trägheit
abgeschüttelt hatte, wurde 1620 ein Jahr bemerkenswerter Erfolge für
die Habsburger. Im August drang Ambrogio Spínola, Befehlshaber der
spanischen Armee in Flandern, mit 22.000 Mann in Friedrichs Heimat, der
Rheinpfalz, ein und erlangte bald die Kontrolle über das strategisch
wichtige Rheintal. Begünstigt durch einen Aufstand der katholischen
Einwohner des Veltlins gegen ihre protestantischen Herren, die Graubündner,
besetzten spanische Streitkräfte in demselben Monat von Mailand aus den
wichtigen Alpenpaß zwischen der spanischen Lombardei und dem
habsburgischen Tirol und errichteten eine Reihe von Stützpunkten entlang
der Route, die die spanischen Regimenter auf ihrem Weg nach Norden über das
Elsaß und Lothringen in die Niederlande
benutzten.
Der entscheidendste habsburgische Sieg
des Jahres 1620 wurde am 8. November errungen. Nachdem sie Ober- und
Niederösterreich bezwungen hatte, errang eine Armee aus kaiserlichen und
Ligatruppen unter dem Oberbefehl des Grafen Tilly in der Schlacht am
Weißen Berg unweit von Prag einen vernichteten Sieg über die
böhmischen Rebellen. Geschlagen flohen Friedrich V. und seine Frau -
seither bekannt als "Winterkönig und Winterkönigin" - mit ihren
kleinen Kindern aus der Hauptstadt und fanden schließlich in Den Haag
Zuflucht. Die letzten zwölf Jahre seines kurzen und erfolglosen Lebens
sollte Friedrich damit verbringen, bei den protestantischen Fürsten
Unterstützung zur Rückgewinnung seines Landes zu suchen. Der
böhmische Aufstand war vorüber, die Habsburger waren in allen ihren
Erblanden siegreich, und die spanischen Streitkräfte hatten die Gelegenheit
genutzt, ihre Kontrolle über die kriegswichtigen Korridore von ihren
Stützpunkten in Norditalien bis nach Mitteleuropa und zu den Niederlanden
zu konsolidieren.
Das protestantische Europa hatte
allen Grund zur Beunruhigung. Im Schicksal Böhmens sah es sein eigenes
Schicksal im kleinen. Den siegreichen Habsburgern folgte die politische
Repression auf dem Fuße. Die Ländereien der böhmischen Rebellen
wurden eingezogen, und Ferdinand startete eine systematische Kampagne zur
Rückgewinnung der tschechischen Lande für Rom. Rudolfs
Majestätsbrief wurde widerrufen, die Calvinisten wurden verbannt, und eine
reorganisierte katholische Kirche begab sich unter Führung von Jesuiten und
Kapuzinern daran, der tschechischen Bevölkerung eine triumphale
gegenreformatorische Kultur aufzuzwingen. Nun war die protestantische
Reformation in ganz Mitteleuropa in Gefahr. Gleichzeitig hatten die Siege
Spaniens und des Kaisers die furchterregenden habsburgischen Ambitionen, eine
Universalmonarchie und ein von der Macht Spaniens und Roms dominiertes
Christentum zu errichten, wiederaufleben lassen. Die protestantischen
Mächte, die dem pfälzischen Kurfürsten offenkundig wirksame Hilfe
versagt hatten, mußten auf alle erdenkliche Art und Weise ihre Kräfte
sammeln, um die habsburgische Gefahr
einzudämmen.
Von Madrid aus gesehen, sah die
Welt freilich ganz anders aus. Die Situation in Mitteleuropa hatte sich zwar
stabilisiert, und spanische Truppen kontrollierten nun das Rheintal und das
Veltlin, doch die herrschende Elite erkannte deutlich die Verwundbarkeit
Spaniens. Bei einem zu verteidigenden Weltreich waren die Kosten für
Militär und Marine unerträglich hoch. Die Ressourcen waren
erschöpft, die Wirtschaft wurde schlecht geführt, und es machten sich
Befürchtungen breit, daß das spanische Reich - ebenso wie das
Römische Reich in der Vergangenheit - an einem Punkt des unumkehrbaren
Verfalls angelangt sei. Wohin Madrid auch blickte, sah es seine Feinde im
Begriff loszuschlagen. Vor allem fürchtete es die Niederländer, die
den zwölfjährigen Waffenstillstand von 1609 genutzt hatten, um ihre
Macht und ihren Wohlstand auf Kosten der spanischen Wirtschaft und des
portugiesischen Weltreichs in Asien auszubauen. Nun übernahmen sie die
Führung bei dem Versuch, eine antihabsburgische Koalition zu
schmieden.
Da der zwölfjährige
Waffenstillstand 1621 auslief, herrschte das ganze Jahr 1620 über in Madrid
eine quälende Diskussion, ob er erneuert werden solle oder nicht. Von
Brüssel aus plädierten Erzherzog Albert und Erzherzogin Isabella, die
mit ihrer Regierung der Spanischen Niederlande als halbautonomer Staat innerhalb
der monarquío española die Grundlagen für eine
prächtige katholische Zivilisation geschaffen hatten, leidenschaftlich
für den Frieden. Doch in Madrid setzte sich - begünstigt durch die
militärischen Erfolge von 1620 - die Meinung durch, der Waffenstillstand
von 1609 sei für Spanien demütigend gewesen und die Wiederaufnahme des
Krieges in den Niederlanden sei die einzige Möglichkeit, die
Niederländer unter Kontrolle zu halten. Auch in der niederländischen
Republik hatte eine Kriegspartei von Calvinisten und Anhängern des Hauses
Oranien unter Führung von Prinz Moritz von Nassau-Oranien die Oberhand
gewonnen. Da es sowohl in Madrid als auch in Den Haag am Friedenswillen
mangelte, war die Verlängerung des Waffenstillstands zum Scheitern
verurteilt, so daß sich Spanien und die Niederländer im April 1621
wieder im Krieg befanden, der erst 1648 in Münster beendet werden
sollte.
Der Krieg mit den Niederländern wurde
in den ersten Tagen der Herrschaft des 16jährigen Philipp IV. von Spanien,
dessen Vater, Philipp III., Ende März gestorben war, wieder aufgenommen.
Der neue Herrscher setzte neue Minister ein, deren Regierung zielstrebiger war
als die vorherige. Don Baltasar de Zúñiga, der Verfechter der
Unterstützung Kaiser Ferdinands, wurde leitender Minister des Königs
und sollte diese Position bis zu seinem Tod im Oktober 1622 beibehalten. Doch
hinter den Kulissen festigte Zúñigas Neffe, Don Gaspar de
Guzmán, Graf (und später auch Herzog) Olivares, seine Machtstellung
als Günstling des Königs. Zúñiga und Olivares, die in
gegenseitigem Einverständnis handelten, waren entschlossen, die Macht und
die Reputation Spaniens wiederherzustellen und dem jungen Philipp IV. die von
ihnen für rechtmäßig befundene Position als dem
größten König Europas zu
beschaffen.
Zúñiga wußte,
daß die niederländische Republik jetzt zu stark war, um durch
Waffengewalt bezwungen zu werden, und daß von einer Wiederaufnahme der
Kriegshandlungen bestenfalls eine Friedensvereinbarung zu erwarten war, die
nicht so demütigend für Spanien wäre wie die von 1609.
Außerdem war er sehr darauf bedacht, den Konflikt in Mitteleuropa nun, da
die habsburgische Position in Österreich und Böhmen konsolidiert war,
einzudämmen. Ein allgemeiner Krieg zwischen Protestanten und Katholiken im
Reich, der die Intervention Spaniens zur Unterstützung der
österreichischen Habsburger unvermeidlich nach sich ziehen würde,
brächte untragbare Belastungen für die königliche Schatzkasse mit
sich und würde die Chancen für eine wirtschaftliche Wiederbelebung auf
der Iberischen Halbinsel
gefährden.
Zúñigas Hoffnungen
auf eine Eindämmung des Konflikts, die Olivares später teilen sollte,
erfüllten sich jedoch nicht. Kriege gewinnen, wenn sie einmal begonnen
haben, ihre Eigendynamik, und Madrid hatte vieles unter Kontrolle, aber nicht
alles. In der verzweifelten Suche nach militärischer Unterstützung
hatte Kaiser Ferdinand Maximilian von Bayern als Gegenleistung für dessen
Hilfe voreilig den Kurfürstentitel Friedrichs und die Oberpfalz
versprochen, die 1621 durch bayerische Truppen besetzt wurde. Maximilian
erwartete jetzt die Einlösung dieses Versprechens. Die Übertragung des
Titels jedoch mußte einen Aufruhr provozieren, da die Ersetzung eines
protestantischen durch einen katholischen Kurfürsten das prekäre
religiöse Gleichgewicht im Reich störte. Ferdinand stand also zwischen
den Ansprüchen Maximilians und denen der Reichsfürsten. Außerdem
kam Widerstand aus Madrid, das befürchtete, ein solcher Schritt würde
den Krieg ausweiten und Spanien in einen Konflikt mit dem England Jakobs I.
stürzen, von dem kaum zu erwarten war, daß er sich schweigend in die
dauerhafte Mittellosigkeit seines Schwiegersohnes aufgrund des Verlustes der
Pfalz fügen würde. Ferdinand löste dieses Dilemma, indem er im
Jahre 1623 die Übertragung des Kurfürstentitels auf Maximilian
verfügte, jedoch nur auf Lebenszeit. Über die weitere Zukunft der
pfälzischen Besitzungen Friedrichs sollte zu einem späteren Zeitpunkt
entschieden werden.
Die Absetzung Friedrichs und
die Enteignung seiner Lande konnten die religiöse und politische Spaltung
des Kontinents nur verschärfen. War Jakob I. nicht bereit, seinem
Schwiegersohn zu Hilfe zu kommen, so erhielt Friedrich doch Beistand von den
Niederländern. Außerdem stand ihm eine Armee unter dem Befehl von
Herzog Christian von Braunschweig und Ernst Graf Mansfeld zur Verfügung.
Diese beiden Befehlshaber lebten vom und für den Krieg und waren - wie
Tilly, der Befehlshaber der Streitkräfte der katholischen Liga - die
condottieri neuen Stils, deren Kampagnen und Gegenkampagnen, mit
Söldnertruppen geführt, große Teile Deutschlands verwüsten
und auf diese Weise stark zur Verlängerung des Konflikts beitragen sollten.
Wie die Feldzüge Anfang der 1620er Jahre zeigen sollten, nährte der
Krieg den Krieg.
Unter denen, an die sich
Friedrich hilfesuchend wandte, war auch Christian IV. von Dänemark. Als
Protestant und - in seiner Eigenschaft als Herzog von Holstein -
Reichsfürst hatte Christian ein offenkundiges Interesse an den
Entwicklungen in den deutschen Landen. Überdies war er aufgrund der
traditionellen Rivalität zwischen Dänemark und Schweden darauf
bedacht, seine Einflußsphäre in Deutschland zu erweitern, vor allem
durch den Erwerb säkularisierter Bistümer wie Osnabrück, das ihm
die Kontrolle über den gewinnbringenden Weser- und Elbehandel sichern
helfen sollte. Nach einigem Zögern marschierte er im Jahre 1625 als
selbsternannter Anführer der protestantischen Sache in Deutschland
ein.
Dänemarks kostspielige Intervention in
den deutschen Konflikt sollte im folgenden Jahr ein Desaster erleben. In der
Zwischenzeit hatte Ferdinand II. endlich das erwerben können, was ihm bis
dahin gefehlt hatte: eine Armee, die er sein eigen nennen konnte. Ausgehoben
wurde sie durch Albrecht von Wallenstein, einen tschechischen Adligen, der der
größte militärische Unternehmer des Zeitalters werden sollte.
Plötzlich nicht nur mit der von Tilly befehligten Armee der katholischen
Liga, sondern außerdem mit dem neuen kaiserlichen Heer unter Wallenstein
konfrontiert, fand sich Christian in einer gefährlich exponierten Lage. Im
August 1626 wurde er bei Lutter am Barenberge in einem überwältigenden
Sieg von Tilly geschlagen. Christians Teilnahme am deutschen Konflikt sollte mit
einer Demütigung enden, während Wallenstein die kaiserliche Armee nach
Norden führte, das Herzogtum Mecklenburg besetzte und die Hansestadt
Stralsund mit ihrem Ostseehafen belagerte.
Die
gescheiterte dänische Intervention in Deutschland gibt ein gutes Beispiel
dafür ab, wie leicht der Konflikt eskalierte und wie mit jeder neuen
Eskalation die Einsätze erhöht wurden. Da die kaiserliche und
katholische Sache einen Sieg nach dem anderen zu erringen schien, griff im
protestantischen Lager Verzweiflung um sich, und man begann, sich nach einem
anderen protestantischen Monarchen aus dem Norden umzusehen, Gustav Adolf von
Schweden, um das Gleichgewicht wiederherzustellen, bevor es zu spät war.
Gleichzeitig wuchs in den Habsburger Residenzstädten Wien und Madrid die
Zuversicht: Dort glaubte man zunehmend, daß Gott die Sache der Casa de
Austria begünstige und ihr zum Sieg verhelfen
werde.
Nicht nur der Prozeß der
Rekatholisierung Österreichs und der deutschen Lande unter der Ägide
des Kaisers machte große Fortschritte, auch das Spanien Philipps IV.
errang im sogenannten annus mirabilis seiner Herrschaft, dem Jahr 1625,
eine Reihe bemerkenswerter Siege. In Erinnerung an diese Siege wurde zehn Jahre
später bei spanischen und italienischen Künstlern eine Serie von
Schlachtengemälden für den großen Festsaal, den Saal der
Königreiche im Buen Retiro Palast, den Olivares in den 1630er Jahren in der
Umgebung Madrids hatte errichten lassen, in Auftrag gegeben. Die Zusammenschau
der spanischen Siege war wirklich beeindruckend. Im Laufe des Jahres 1625
rettete eine spanische Armee die verbündete Republik Genua vor einem
Angriff der vereinten Streitkräfte Frankreichs und Savoyens; die
Engländer, die jetzt mit Spanien gebrochen hatten, wurden bei einem Angriff
auf Cadiz zurückgeschlagen und auf dem transatlantischen Austragungsort des
spanisch-niederländischen Konfliktes vertrieb eine vereinte
spanisch-portugiesische Flotte die Niederländer aus Bahía im
portugiesischen Brasilien. An diesen letzten Sieg sollte ein glänzendes
Gemälde von Juan Bautista Maino im Saal der Königreiche erinnern, auf
dem die besiegten Niederländer vor einem Bild niederknien, das den
triumphierenden Philipp IV., von Olivares mit einem Lorbeerkranz gekrönt,
zeigt ("Die Rückeroberung von Bahía", Madrid,
Prado).
Der berühmteste Sieg Spaniens in
diesem Jahr gab auch Anlaß zu dem berühmtesten der
Schlachtengemälde: "Die Übergabe von Breda" von Velázquez
(Madrid, Prado). Nach langer Belagerung ergab sich die strategisch wichtige
niederländische Stadt Breda im Juni 1625 der spanischen Armee in Flandern
unter dem Befehl Ambrogio Spínolas. Spínola wird von
Velázquez als großmütiger Sieger dargestellt, der wohlwollend
seine Hand auf die Schulter des besiegten Justin von Nassau legt, der ihm den
Schlüssel der gefallenen Stadt übergibt. Diese idealisierte Szene
trennen Welten von den Schrecken und dem Elend des Krieges, die in den
Radierungen des französischen Zeitgenossen von Velázquez, Jacques
Callot, graphisch dargestellt wurden.
In seinem
Bestreben, aus den Erfolgen des Jahres 1625 möglichst großen Gewinn
zu ziehen, hatte Olivares die grandiose Vision, die Niederländer dadurch an
den Verhandlungstisch zu bringen, daß er ihnen den Zugang zum
Ostseehandel, der Grundlage ihres Wohlstands, versperrte. Dazu mußte ein
spanischer Flottenstützpunkt an der Ostsee errichtet werden, und Olivares
war der Überzeugung, in Wallenstein - einem Mann mit Visionen, die ebenso
grandios waren wie seine eigenen - das perfekte Instrument zur Erreichung seiner
Ziele gefunden zu haben. Die Belagerung von Stralsund, im Jahre 1628 mit
Genehmigung des Kaisers von Wallenstein unternommen, sollte Spanien seinen
baltischen Stützpunkt für Olivares' großen Plan
bringen.
Doch Stralsund leistete dem Angriff des
kaiserlichen Heeres erfolgreich Widerstand, so daß Wallenstein zum
Rückzug gezwungen wurde. Das Scheitern der Belagerung Stralsunds erwies
sich als schwerer Schlag für Spanien und die Sache Habsburgs.
Tatsächlich machte es den Ostseeplänen von Olivares ein Ende - genau
zu dem Zeitpunkt, als Spanien an einer anderen Front zunehmend in
Schwierigkeiten geriet, und zwar bei der Belagerung der Festung von Casale im
norditalienischen marquisate von Montferrat durch Gonzalo
Fernández de Córdoba, den Befehlshaber der spanischen Armee von
Mailand.
Herzog Vinzenz II. von Mantua, ein
kaiserlicher Lehnsfürst, war im Dezember 1627 gestorben und
hinterließ die Thronfolge von Mantua und Montferrat ungeklärt.
Hauptkandidat war der in Frankreich gebürtige Karl von Gonzaga, Herzog von
Nevers, der sich eilig anschickte, sein neues Erbe zu übernehmen, wobei er
versäumte, die formelle Erlaubnis des Kaisers als Oberlehnsherrn von Mantua
einzuholen. Olivares war verständlicherweise besorgt angesichts der
Möglichkeit, daß sich eine französische Dynastie südlich
der Alpen etablieren könnte. Außerdem erblickte er in Nevers'
überstürzter Aktion eine einmalige Gelegenheit, Spaniens Einfluß
in der lombardischen Tiefebene durch den Erwerb der buchstäblich
uneinnehmbaren Festung von Casale zu
stabilisieren.
Die spanische Militäraktion in
Italien im Jahre 1628 mußte in Paris zwangsläufig als Herausforderung
an den König von Frankreich angesehen werden, der Nevers zu Hilfe kam, als
dieser sein Erbe angefochten sah. Bis dahin hatte sich Frankreich weitgehend aus
den Konflikten an anderen Stellen Europas herausgehalten, obgleich es im Jahre
1625 Savoyen gegen Genua unterstützt hatte. Bis Kardinal Richelieu im Jahre
1624 leitender Minister Ludwigs XIII. wurde, war die französische
Außenpolitik zögernd und schwankend gewesen, und in seinen ersten
Jahren hatte Richelieu zu viele interne Probleme, als daß er der
Außenpolitik eine feste und konsequente Richtung hätte geben
können. Zwar war er der tiefen Überzeugung, daß Frankreich durch
die Erfolge der Casa de Austria Gefahr drohte, aber er mußte - auf
den stetigen Druck der mächtigen katholischen Fraktion der
dévots hin - seine Energien auf die Unterdrückung des
Protestantismus im eigenen Lande konzentrieren. Stellte er nicht zuerst den
dévots gegenüber seine Fähigkeiten, das Problem der
religiösen und politischen Herausforderung der Hugenotten zu
bewältigen, unter Beweis, würde es für ihn schwierig werden, die
protestantischen Mächte Europas zu hofieren, deren Hilfe zur Bildung einer
großen antihabsburgischen Koalition unerläßlich
war.
Daher erlangte die Lösung der
Hugenottenfrage für Richelieu erste Priorität. Die Hugenotten-Bastion
La Rochelle hielt der französischen Krone ständig vor Augen, daß
sie nicht vollständig Herr im eigenen Hause war, und im Jahre 1627 ging die
königliche Armee unter aktiver Führung Ludwigs XIII. und Richelieus
daran, sie zu belagern. Im Jahre 1628 waren so in Europa gleichzeitig drei
große Belagerungen im Gange, in Stralsund, Casale und La Rochelle, deren
Ausgang das Schicksal des Europa des 17. Jahrhunderts weitgehend bestimmen
würde. Der Fehlschlag Wallensteins in Stralsund zerschlug nicht nur den
großen antiniederländischen Plan Spaniens, sondern brachte zugleich,
da Wallensteins militärische Operationen eine direkte Herausforderung
für Schwedens Streben nach der Vorherrschaft im Ostseeraum darstellten,
Gustav Adolfs Intervention in den deutschen Konflikt beachtlich näher. Das
Unvermögen Gonzalo de Córdobas, Casale zur Kapitulation zu zwingen,
bedeutete durch das ganze Jahr 1628 hindurch eine enorme zusätzliche
Belastung der bereits überstrapazierten Ressourcen Spaniens und bot den
Niederländern die Gelegenheit, die Initiative im Kampf gegen die
spanisch-flandrische Armee zurückzugewinnen. Als der niederländische
Abenteurer Piet Heyn im September 1628 in einer wagemutigen Attacke auf den
cubanischen Hafen Mantanzas die Silberflotte kaperte, die die Jahreslieferung
von Amerika nach Spanien bringen sollte, war Madrid ernsthaft mit der Frage
konfrontiert, ob es sich die kostspieligen Feldzüge in Italien und Flandern
gleichzeitig leisten und zur selben Zeit dem Kaiser jährliche Subsidien
zahlen könne.
Während die Belagerung von
Stralsund scheiterte und die von Casale erlahmte, ging die von La Rochelle
langsam aber unablässig ihrem erfolgreichen Ende entgegen. Am 28. Oktober
1628 ergab sich die Stadt Ludwig XIII., womit Richelieu endlich, zum ersten Mal
seit seinem Amtsantritt vor vier Jahren, etwas Bewegungsspielraum hatte.
Olivares setzte darauf, daß Gonzalo de Córdoba, bevor Frankreich in
der Lage wäre, zugunsten des Herzogs von Nevers in Italien einzugreifen,
genug Zeit zur Einnahme Casales verbliebe. Doch er verschätzte sich
wiederum. Zum Erstaunen Madrids führte Ludwig XIII. seine Armee Ende
Februar 1629 durch heftige Schneestürme über die Alpen. Karl Emanuel
von Savoyen, der sich Hoffnungen gemacht hatte, Montferrat mit Spanien teilen zu
können, ging eilig einen Handel mit den Franzosen ein, so daß Gonzalo
de Córdoba keine andere Wahl blieb, als die Belagerung von Casale
aufzuheben.
Der von 1628 bis 1631 andauernde
Mantuaner Erbfolgekrieg hatte verheerende Folgen für Olivares' große
Strategie. Zwar wurde die Situation in Mantua durch die Intervention der
kaiserlichen Armee für die Habsburger gerettet, aber dies geschah unter
erheblichen Opfern. Die enge Beziehung zwischen den österreichischen und
den spanischen Habsburgern, die im Hinblick auf den dauerhaften Erfolg der
Strategie des Herzogs bedeutsam war, sah sich ernstlichen Belastungen
ausgesetzt, als die unterschiedlichen Prioritäten Madrids und Wiens
deutlicher zum Vorschein kamen. Ferdinand II. war unter dem Einfluß seines
jesuitischen Beichtvaters Lamormaini bestrebt, sein Programm der
Rekatholisierung in den deutschen Landen voranzutreiben. Im Jahre 1629
erließ er zum Entsetzen Madrids sein berühmtes Restitutionsedikt. Da
mit diesem Edikt der Ausschluß der Calvinisten und die Rückgabe der
Kirchengüter in großem Stil durchgesetzt werden sollten, konnte es
nur zu einer Ausweitung und Verlängerung des Konflikts in Deutschland
beitragen, und zwar zu einem Zeitpunkt, als Spanien die Hilfe des Kaisers in
Italien brauchte. Obgleich der Kaiser schließlich auf Madrids dringendes
Ersuchen um militärische Hilfe in Italien einging, setzte die
Rückführung der kaiserlichen Armee nach Mantua der Möglichkeit
eines vereinten spanisch-kaiserlichen Angriffs auf die Niederlande und damit den
Hoffnungen des Herzogs auf einen Frieden mit der niederländischen Republik
zu besseren Bedingungen als im Jahre 1609 definitiv ein
Ende.
Vor allem kündigte die
französische Intervention in Mantua, wie Olivares voraussagte, einen
allgemeinen Krieg zwischen Frankreich und Spanien an, nicht zuletzt weil die
Franzosen planten, zwei Stützpunkte südlich der Alpen beizubehalten,
Casale und Pinerolo. Für den Augenblick aber war keine der beiden Parteien
kriegsbereit, weshalb der Konflikt um Mantua eingedämmt wurde. Richelieu
mußte erst seine Position im eigenen Lande festigen, wartete daher ab und
ließ seine Kämpfe durch Stellvertreter ausfechten, während er
geduldig die diplomatischen Grundlagen für die antihabsburgische Koalition
schuf, ohne die es keine Aussicht auf einen erfolgreichen Krieg gegen die
umklammernde Macht Spanien gab.
Nachdem Frankreich
die niederländische Republik bereits seit 1624 unterstützt hatte,
wurden im Jahre 1630 die Subsidienvereinbarungen erneuert. Im Reich, wo die
deutschen Fürsten - katholische und protestantische gleichermaßen -
durch den Machtzuwachs des Kaisers und durch Ferdinands religiöse
Unnachgiebigkeit zunehmend beunruhigt waren, ließ sich die
französische Diplomatie auf einen schwierigen Balanceakt ein, indem sie
versuchte, Maximilian von Bayern und der katholischen Liga Angebote zu machen,
ohne sich die Protestanten zu entfremden. Doch zunächst setzte Richelieu
darauf, die gewaltige Militärmacht Schweden in die antihabsburgische Partei
einzubinden. Die wesentliche Vorbedingung dafür war ein Frieden zwischen
Schweden und Polen, den Frankreich im Jahre 1629 zu vermitteln half. Gustav
Adolf wußte nun, daß er für den Fall seiner Intervention in den
Konflikt auf die finanzielle Unterstützung Frankreichs zählen konnte
und landete Ende Juni 1630 mit seinen Truppen in
Peenemünde.
Durch die militärische
Intervention Schwedens in Deutschland wurde eine starke und disziplinierte
Kriegsmaschinerie unter einem genialen Befehlshaber entfesselt. Der Zweck des
Eingreifens Gustav Adolfs scheint zunächst begrenzt gewesen zu sein. Durch
Spaniens Ostseepläne provoziert, wollte er Norddeutschland von feindlichen
Kräften befreien, den Status quo der Vorkriegszeit in der Region
wiederherstellen und einen Seestützpunkt an der deutschen Küste
errichten, der die Sicherheit und Freiheit des Ostseehandels sichern helfen
würde. Doch - wie bei so vielen anderen Kriegsbeteiligten - brachte jeder
neue Vorstoß neue Verwicklungen mit sich, und für Gustav Adolf gab es
kein Zurück, weil er im gesamten antihabsburgischen Europa sowohl als
Garant der "deutschen Libertät" als auch als Anführer der
protestantischen Sache begrüßt
wurde.
Gustav Adolf hatte den Zeitpunkt für
seine Invasion in Pommern gut gewählt. Indem sie die Absetzung Wallensteins
forderten, hatten die deutschen Fürsten versucht, dem Kaiser die
Flügel zu stutzen, und nur wenige Wochen nach der schwedischen Landung in
Deutschland sah Ferdinand sich genötigt, den General, der so glänzende
Erfolge für die habsburgische Sache errungen hatte, zu entlassen.
Diejenigen Teile der kaiserlichen Armee, die aus Mantua zurück waren,
verschmolzen mit Truppen der katholischen Liga unter dem Oberbefehl Tillys, und
die vereinten Streitkräfte belagerten die standhafte, protestantische Stadt
Magdeburg, die dem Kaiser getrotzt und sich zur Unterstützung Gustav Adolfs
bekannt hatte. Die Schweden waren nicht in der Lage, rechtzeitig
durchzustoßen, um ihren Verbündeten zu retten. Am 20. Mai 1631, nach
dem sie entsetzliche Not gelitten hatte, kapitulierte Magdeburg, und die
siegreichen kaiserlichen Truppen machten die Stadt plündernd und
brandschatzend dem Erdboden gleich und töteten einen Großteil der
20.000 Einwohner - ein Ereignis, daß als Inbegriff des
Dreißigjährigen Krieges gilt.
Die
Zerstörung Magdeburgs - dargestellt und beschrieben auf Flugblättern
und in Zeitungen, die die Leser auf dem Kontinent über den Krieg auf dem
laufenden hielten - löste im protestantischen Europa Wellen der
Empörung aus. Die gesamte Hoffnung richtete sich nunmehr einzig auf Gustav
Adolf und seine Schweden als Retter. Im Juni 1631 verband Georg Wilhelm, der
Kurfürst von Brandenburg und eigentliche Anführer der deutschen
Calvinisten, sein Schicksal mit dem des schwedischen Königs. Drei Monate
später, als er sein eigenes Kurfürstentum durch Tillys Armee bedroht
sah, schloß sich der lutherische Rivale Johann Georg von Sachsen dem
Bündnis an. Unterstützt durch seine protestantischen deutschen
Verbündeten errang Gustav Adolf am 17. September bei Breitenfeld einen
großen Sieg über Tilly, und die Feldzüge des Jahres 1632 sollten
ihm weitere Erfolge bringen. Zu Beginn des Frühlings wurde Tilly
getötet, und die schwedische Armee marschierte weiter nach Bayern hinein.
Im Mai zog Gustav Adolf in Begleitung des pfälzischen Kurfürsten
Friedrich im Triumph in Maximilians Hauptstadt München ein, während
protestantische Streitkräfte das Herzogtum
verwüsteten.
Nun, da Wien selbst bedroht war,
wandte sich Ferdinand in seiner Verzweiflung an Wallenstein und holte ihn
zurück, damit er eine neue kaiserliche Armee aufstelle und anführe, um
in einem letzten Aufgebot die Sache Habsburgs zu retten. Am 16. November 1632
standen sich die Armeen Gustav Adolfs und Wallensteins in Lützen
gegenüber. Obgleich die Kaiserlichen in der dann folgenden Schlacht schwer
getroffen wurden, erlitten die Schweden einen unersetzlichen Verlust. Als sich
das Schlachtengetümmel auflöste, fand sich Gustav Adolf unter den
Gefallenen.
Mit seinen zwei kometenhaften
Feldzugsjahren im Reich hatte Gustav Adolf den Verlauf des Krieges
verändert. Die schwedische Intervention verwandelte ganz Deutschland
endgültig in ein Schlachtfeld und brachte Tod und Zerstörung in
große Gebiete wie Bayern, das vorher ungeschoren davongekommen war.
Außerdem rettete sie in einem kritischen Augenblick die protestantische
Sache und damit die Freiheiten der deutschen Fürsten, die sich durch das
Wiedererstarken der kaiserlichen Macht bedroht sahen. Und wenngleich das
protestantische Europa nun seinen Retter verloren hatte, so blieben die Schweden
doch als starke Macht präsent, was vor allem den Fähigkeiten des
Kanzlers Gustav Adolfs, Axel Oxenstierna, zu verdanken war. Er übernahm die
Regentschaft für Schwedens neue Monarchin, die sechsjährige
Königin Christina. Allerdings waren die Unterhaltskosten für die
große schwedische Armee im Reich enorm, und nicht einmal die
diplomatischen Fähigkeiten Oxenstiernas vermochten es, seine deutschen
Verbündeten zusammenzuhalten.
Wallenstein
ergriff die Gelegenheit, die ihm Gustav Adolfs Tod bot, in die Offensive zu
gehen. Gleichzeitig zog der Herzog von Feria, der spanische Gouverneur von
Mailand, eine große spanische Armee zusammen, die im Sommer 1633 nach
Norden marschierte, um die habsburgische Position in Süddeutschland
wiederherzustellen und die Durchmarschroute zwischen Mailand und Brüssel
zurückzuerobern. Sie war durch die schwedischen Siege versperrt oder
gefährdet und ihre Rückeroberung lebenswichtig für eine
erfolgreiche Fortführung des Krieges in den
Niederlanden.
Überall wuchs die
Kriegsmüdigkeit, und die einzige Hoffnung auf Frieden schien in einer
Versöhnung zwischen den deutschen Fürsten und Ferdinand II. zu liegen.
Doch solange die kaiserliche Armee von Wallenstein befehligt wurde, war an eine
Versöhnung nicht zu denken. In den letzten Jahren war Wallensteins
Verhalten so befremdlich geworden, daß seine Absichten tiefen Argwohn
erregten, nicht zuletzt am kaiserlichen Hof, wo auch der Sohn und Erbe des
Kaisers, Ferdinand, König von Ungarn, zu seinen zahlreichen Feinden
zählte. Madrid vermochte zwar nicht zu glauben, daß Wallenstein
Verrat plane, doch der Kaiser kam schließlich, bestärkt durch
Lamormaini, zu der Überzeugung, daß sein gefährlich
mächtiger Vasall eine Verschwörung organisiere, um selbst die Macht in
den habsburgischen Ländern zu ergreifen. So entschied der Kaiser ein
zweites Mal, daß Wallenstein vom Oberbefehl entbunden werden müsse.
Am 25. Februar 1634, einen Monat, nachdem Ferdinand seine Entscheidung getroffen
hatte, wurde Wallenstein in Eger ermordet. Dorthin hatte er sich
geflüchtet, als ihm klar geworden war, daß seine Armee ihn im Stich
ließ.
Das Wallenstein-Drama führte noch
einmal die Gefahren vor Augen, die Monarchen drohten, wenn sie zu sehr von den
großen condottieri, die der Krieg mächtig gemacht hatte,
abhängig wurden. Armeen, die von halbautonomen Satrapen ausgehoben und
befehligt wurden, drohten allzu schnell außer Kontrolle zu geraten. Nach
der Entlassung und dem Tod Wallensteins wurde die kaiserliche Armee dem
Oberbefehl Ferdinands von Ungarn, dem Sohn des Kaisers, unterstellt. Doch dem
Kaiser fehlten die Mittel, seine Armee zu bezahlen, so daß er auf die
Unterstützung Madrids angewiesen war. Madrid seinerseits nutzte die
Subsidien, um am kaiserlichen Hof die Mitwirkung bei der Fortführung des
Krieges gegen die Niederlande im Rahmen der großen Strategie Spaniens
auszuhandeln.
Ende Dezember 1633 starb Infantin
Isabella in Brüssel, nachdem sie Erzherzog Albert um zwölf Jahre
überlebt hatte. Philipp IV. hatte bereits seinen tatkräftigen
jüngeren Bruder, den Kardinalinfanten Ferdinand, als ihren Nachfolger als
Statthalter der Spanischen Niederlande ausgewählt. Es wurde entschieden,
daß der Kardinalinfant, an die ersten Feldzugserfolge des Herzogs von
Feria im Jahre 1633 anschließend, an der Spitze einer weiteren
mächtigen Armee von Spaniern und Italienern, die in Mailand zusammengezogen
worden war, nach Norden marschieren sollte, um seine Statthalterschaft in den
Niederlanden anzutreten. Unterwegs sollte er sich mit der kaiserlichen Armee
zusammenschließen und gemeinsam mit ihr Süddeutschland von den
Feinden der Habsburger befreien. Anschließend sollte der Kardinalinfant
seinen Marsch nach Norden fortsetzen und dabei die Spanische Straße von
Mailand nach Brüssel zurückerobern.
Die
beiden Armeen schlossen sich im September 1634 vor der protestantischen Stadt
Nördlingen zusammen, die Ferdinand von Ungarn belagerte - eine Szene, die
Rubens in seinem großen Gemälde "Begegnung König Ferdinands von
Ungarn mit dem Kardinalinfanten Ferdinand vor der Schlacht bei Nördlingen"
(Wien, Kunsthistorisches Museum) festhielt. Am 6. September errangen die 33.000
Mann starken habsburgischen Streitkräfte einen überlegenen Sieg
über die 25.000 Schweden und Sachsen, die von dem Schwiegersohn
Oxenstiernas, Gustav Horn, bzw. dem Lutheraner Herzog Bernhard von
Sachsen-Weimar befehligt wurden. Bernhard, der bereits in französischem
Sold stand, wechselte im darauffolgenden Jahr mit seiner Armee von der
schwedischen auf die französische
Seite.
Nördlingen - "der größte
Sieg unserer Zeit", wie Olivares ihn bezeichnete - bot einen beeindruckenden
Beweis für die anhaltende militärische Stärke Spaniens.
Während die Sieger ganz Süddeutschland besetzten, waren die mit
Schweden verbündeten norddeutschen Fürsten aufgerieben. Da
französische Streitkräfte im Elsaß und an Schlüsselpunkten
am Rhein stationiert waren, konnte die Spanische Straße nicht ganz
zurückerobert werden, ohne einen offenen Krieg mit Frankreich
heraufzubeschwören. Begleitet von einem der prominentesten spanischen
Befehlshaber der Zeit, dem Marquis von Leganés (P. P. Rubens, "Marquis
von Leganés", Wien, Graphische Sammlung Albertina), marschierte der
Kardinalinfant unaufhaltsam nach Norden und zog am 4. November 1634 im Triumph
in Brüssel ein.
Während Olivares darauf
bedacht war, den habsburgischen Sieg von Nördlingen zu nutzen, um ein
formales Kriegsbündnis zwischen Wien und Madrid für Operationen gegen
die Niederlande - und vielleicht auch eines Tages gegen Frankreich - zu
schließen, waren der Kaiser und der König von Ungarn eher
bemüht, das neue, günstigere Mächteverhältnis in Deutschland
zu nutzen, um den Frieden im Reich wiederherzustellen. Dieses würde
Zugeständnisse an die Protestanten bezüglich des Restitutionsedikts
erfordern - Konzessionen, denen Lamormaini erbittert entgegenstand. Doch der
Beichtvater und Vertraute des Kaisers verlor seine Schlacht gegen die
gemäßigteren Geheimen Räte am kaiserlichen Hof. Um die
konservativeren protestantischen Fürsten wie den Kurfürsten von
Sachsen zu überzeugen, würde es notwendig sein, von Lamormainis
militantem katholischen Programm abzugehen. Am 30. Mai 1635 unterzeichneten
kaiserliche und sächsische Delegierte den Prager Frieden, dem sich
Brandenburg drei Monate später
anschloß.
Der Prager Friede - in den
Straßen von Wien jubelnd begrüßt - konnte nicht den Frieden im
ganzen Reich wiederherstellen, geschweige denn in Europa. Aber er stellte einen
wichtigen Schritt auf dem Weg zur Versöhnung in Deutschland dar, denn das
Aufgeben der aggressiven gegenreformatorischen Politik, die Ferdinand II. seit
Beginn seiner Herrschaft verfolgt hatte, trug stark zur Minderung der
konfessionellen und ideologischen Spannungen bei, die die Gemüter im Reich
seit den frühen Jahren des 17. Jahrhunderts so heftig erregt hatten. In
Wirklichkeit wurde das zugrundeliegende Prinzip des Augsburger Religionsfriedens
von 1555 - die Vereinbarung, in religiösen Fragen uneinig zu bleiben -
jetzt erneuert. Die Rückkehr zu dieser moderateren und versöhnlicheren
Politik im Reich sollte den Weg zum Westfälischen Frieden im Jahre 1648
weisen.
Der Sieg der Gemäßigten am
kaiserlichen Hof hatte auch direkte Auswirkungen auf die internen politischen
Verhältnisse im Reich. Ferdinand, der König von Ungarn, wurde im
Dezember 1636 auf dem Regensburger Kurfürstentag ordnungsgemäß
zum römischen König gewählt, womit nach dem Tod seines Vaters
Anfang 1637 der Weg für seine reibungslose Thronfolge als Kaiser Ferdinand
III. frei war. Der Tod Ferdinands II. symbolisiert das Ende des konfessionellen
Zeitalters im Europa des 17. Jahrhunderts auf denkbar gute Art und
Weise.
Obgleich die Aussichten auf Frieden im
Reich durch den Sieg von Nördlingen näherrückten, kündigte
er auch eine dramatische Ausweitung des größeren europäischen
Kampfes an. Die Niederlage der Schweden und die offensichtlich
überwältigende militärische Überlegenheit der Habsburger
bedeuteten, daß Richelieu nicht länger abwarten konnte. Frankreich
mußte nun seine Karten aufdecken und, um Europa vor einer spanischen
Vorherrschaft zu bewahren, auf seiten der Niederländer, der Schweden und
der oppositionellen deutschen Fürsten als Anführer einer
antihabsburgischen Koalition aus Katholiken und Protestanten intervenieren. Um
die europäische öffentliche Meinung auf seine Seite zu bringen, setzte
Richelieu seine Propagandamaschinerie in Gang, und Olivares reagierte
entsprechend für Spanien. Nachdem der Kardinal formelle Bündnisse mit
Schweden und den Niederlanden geschlossen hatte, traf am 19. Mai 1635 ein
französischer Bote in Brüssel ein, um die offizielle Eröffnung
der Feindseligkeiten zwischen der Krone von Frankreich und der von Spanien zu
proklamieren.
Der Kardinalinfant weigerte sich,
den Boten zu empfangen, der daraufhin gezwungen war, ein Exemplar der
Kriegserklärung in Brüssel auf die Straße zu werfen und ein
weiteres auf die Grenze zwischen Frankreich und den spanischen Niederlanden. Im
Europa des 17. Jahrhunderts war es offensichtlich leichter, Krieg zu
führen, als ihn zu erklären. Aber der Possencharakter dieses Vorgangs
strafte den Ernst der Auseinandersetzung, die nun eröffnet wurde,
Lügen - ein 24jähriger Krieg zwischen den beiden größten
Mächten Europas, Frankreich und Spanien, um die kontinentale Hegemonie.
Daß der Konflikt mit einem Sieg für Frankreich enden würde, war
im Jahre 1635 keineswegs absehbar.
Die Ressourcen
beider Mächte waren von Anfang an außerordentlich stark belastet.
Seine geographische Position verschaffte Frankreich offenkundige logistische
Vorteile, unter anderem die Möglichkeit, relativ schnell gegen die
Spanischen Niederlande loszuschlagen oder militärische Kontingente
über den Rhein, die Alpen und die Pyrenäen zu schaffen. Allerdings war
es in einem Land mit so vielen provinz- und korporationsrechtlichen Privilegien
schwierig, Soldaten auszuheben und Gelder zu beschaffen. Konfrontiert mit
breitem Widerstand gegen die Durchsetzung der Anordnungen des Königs,
stieß Richelieu bei der Kriegsmobilisierung seines Landes auf endlose
Schwierigkeiten. Olivares sah sich sehr ähnlichen Problemen gegenüber,
aber da Spanien sich schon länger im Kriegszustand befand, war seine
gewaltige Militärmaschinerie erfahrener und besser vorbereitet,
außerdem konnte Madrid immer noch auf regelmäßige
Silberlieferungen aus den Vizekönigreichen Mexiko und Peru zählen, die
zum Unterhalt seiner Armeen im Feld beitrugen.
In
den Anfangsjahren des Krieges war Spanien im Vorteil, denn es erhielt formell
Unterstützung von den österreichischen Habsburgern, nachdem der Kaiser
im März 1636 Frankreich den Krieg erklärt hatte. Im August desselben
Jahres stießen die Streitkräfte des Kardinalinfanten gemeinsam mit
den Einheiten der kaiserlichen Armee bis Corbie vor, gut 100 Kilometer von Paris
entfernt. Doch die spanische Militärmacht, gleichzeitig gegen Frankreich
und die niederländische Republik in Stellung gebracht, war überlastet,
und im Oktober 1637 eroberten die Streitkräfte Friedrich Heinrichs, des
Nachfolgers Moritz' von Oranien als holländischem Statthalter, Breda
zurück. Die Farbe auf der Leinwand des Gemäldes von Velázquez,
das die Übergabe der Stadt an Spínola im Jahre 1625 darstellte, war
noch feucht, als Breda fiel.
Die Kriegslasten
waren sowohl für Frankreich als auch für Spanien so groß,
daß die Frage, welche der beiden Mächte zuerst zusammenbrechen
würde, offen war. Papst Urban VIII. versuchte im Oktober 1639 mit dem
Angebot, einen Friedenskongreß in Köln auszurichten, den Frieden in
Europa wiederherzustellen, wurde jedoch von den beteiligten Parteien
zurückgewiesen, da keine seiner Unparteilichkeit traute. Richelieu und
Olivares begannen jedoch in einem frühen Stadium des Konflikts eigene
verdeckte Friedensverhandlungen und arrangierten im Jahre 1638 einen Austausch
ihrer jeweiligen Portraits als Beweis des gegenseitigen guten Willens
(Velázquez, "Der Conde Duque von Olivares", St. Petersburg, Eremitage).
Die Verhandlungen wurden zwar unregelmäßig fortgesetzt, doch beide
Parteien änderten je nach Kriegsglück ständig ihre
Friedensbedingungen. Da beide, der Herzog und der Kardinal, von einem
"ehrenvollen Frieden" sprachen und immer noch auf einen vollständigen Sieg
hofften, war ein Friede nicht zu erreichen.
In den
Jahren 1639/40 begann sich das Gleichgewicht des Krieges jedoch zugunsten der
antihabsburgischen Koalition zu verschieben. Als Bernhard von Sachsen-Weimar
Ende 1638 Breisach einnahm, war die Durchmarschroute von Mailand in die
Niederlande wieder unterbrochen. Die Alternative war, Soldaten und Vorräte
auf dem Seeweg von Spanien nach Flandern zu transportieren. Im Oktober 1639
wurde eine große spanische Armada mit Verstärkungen für die
Armee des Kardinalinfanten auf ihrem Weg durch den englischen Kanal in der
Schlacht vor den Downs an der Südküste Englands durch die
Niederländer zerstört. Englands Regierung unter Karl I. hatte für
eine vorsichtige - wenn auch prospanische - Neutralität optiert. Die
Vernichtung der Flotte war ein verheerender Schlag für die spanische
Seemacht und hinterließ die spanisch-flandrische Armee in einer
gefährlich exponierten Lage für niederländische und
französische Angriffe.
Das Jahr 1640 sollte
für Spanien ein Katastrophenjahr werden. Französische
Militärsondierungen jenseits der Pyrenäen auf katalanischem
Territorium hatten die seit langem bestehenden Spannungen zwischen dem
Fürstentum Katalonien und der Regierung Olivares' in Madrid, die auf einer
stärkeren Unterstützung Kataloniens für den Krieg gegen
Frankreich bestanden hatte, verstärkt. Im Frühjahr und Sommer 1640
breitete sich ein bewaffneter Aufstand, angestiftet durch eine wütende
Bauernschaft, wie ein Lauffeuer über die katalanische Landschaft aus. Sechs
Monate später kündigten die katalanischen Amtsträger als
Gegenleistung für französische Militärhilfe formell das
Treuebündnis Kataloniens Philipp IV. gegenüber auf und gingen ein
neues mit Ludwig XIII. ein.
Der Erfolg der
Katalanen im Widerstand gegen Madrid verschaffte einem weiteren unzufriedenen
Volk auf der anderen Seite der Iberischen Halbinsel die Gelegenheit, deren
Beispiel nachzuahmen. Portugal befand sich seit der Union der Kronen im Jahre
1580 unter dem unbehaglichen Joch Spaniens. Fünf Jahre nach ihrer
Niederlage vor Bahía im Jahre 1625 kehrten die Niederländer langsam
nach Brasilien zurück. Mit dem Scheitern einer weiteren spanischen
See-Expedition zu ihrer Vertreibung Anfang 1640 schwanden die greifbaren
Vorteile der Union für Portugal rapide. Spanien, so schien es, war
unfähig, Portugals Besitzungen in Übersee zu schützen. Am 1.
Dezember 1640 wurde das spanische Vizekönigtum in Lissabon in einem
brillant geplanten coup d'état gestürzt und der Herzog von
Braganza, der die Abstammung von der königlichen Linie Portugals für
sich geltend machen konnte, zum König Johann IV. eines wieder errichteten
unabhängigen Königreichs Portugal
erhoben.
Obgleich Olivares heroische Anstrengungen
unternahm, um den Schaden zu mindern - bei zwei gleichzeitigen Rebellionen auf
der Iberischen Halbinsel war das Spiel so gut wie verloren. Im Januar 1643
erteilte Philipp IV. dem Mann, der 22 Jahre lang die Geschicke Spaniens gelenkt
hatte, die formelle Erlaubnis zum Rücktritt. Der Rückzug des Herzogs
von der Macht erfolgte etwas über einen Monat nach dem Tod seines Rivalen
Richelieu. Zum Zeitpunkt seines Todes konnte der Kardinal immerhin ahnen,
daß er sein Land auf den Weg zum Erfolg geführt
hatte.
Wie um das Werk Richelieus zu besiegeln,
brachten die Franzosen der spanisch-flandrischen Armee in der Schlacht von
Rocroi im Mai 1643 eine vernichtetende Niederlage bei. Die Spanische
Straße war jetzt an mehreren Stellen unterbrochen und der englische Kanal
durch die Niederländer versperrt. Damit waren die spanischen
Streitkräfte in den Niederlanden, vom Nachschub an Soldaten und Geld
abgeschnitten, in die Defensive gedrängt und nicht in der Lage, weitere
Invasionen nach Frankreich zu starten. Aber auch in Frankreich forderten die
Kriegsanstrengungen ihren Tribut. Ludwig XIII. überlebte den Kardinal nur
um sechs Monate. Sein Tod im Mai 1643 bedeutete eine Regentschaftsregierung
für seinen fünfjährigen Sohn, Ludwig XIV., die von dessen Mutter
Anna von Österreich, der Schwester Philipps IV., geführt wurde. Das
Land war unruhig und kriegsmüde, und Richelieus Nachfolger, der in Italien
gebürtige Kardinal Mazarin, früher päpstlicher Diplomat im Dienst
Urbans VIII., war sich der Notwendigkeit eines Friedensschlusses sehr
bewußt.
In dem Augenblick, da sowohl Spanien
als auch Frankreich wankten, die deutschen Lande weiterhin durch marodierende
Kriegsbanden verwüstet wurden und sich eine ausgeprägte
Kriegsmüdigkeit auf dem ganzen Kontinent von Schweden bis Norditalien und
Spanien ausbreitete, schien der Zeitpunkt gekommen für eine neue
Friedensinitiative. Seit 1634 hatte Urban VIII. immer wieder die Einberufung
eines europäischen Kongresses zur Beilegung der Streitigkeiten zwischen den
kriegführenden Parteien vorgeschlagen. Im Winter 1641 hatte der Kaiser
einen Vorschlag der Franzosen und Schweden angenommen, zwei Kongresse
gleichzeitig in Westfalen abzuhalten, wobei sich die Vertreter der katholischen
Staaten in Münster und die der protestantischen Staaten in Osnabrück
beraten sollten. Obwohl der Ruf nach Frieden - in Pamphleten, Flugblättern
und Predigten zum Ausdruck gebracht - unüberhörbar wurde, gab es immer
noch endlose Verzögerungen. Somit wurde es Spätsommer und Herbstanfang
1645, bis ernsthafte Verhandlungen in Westfalen begannen.
Letzten Endes versammelten sich in Münster
bzw. Osnabrück 176 Generalbevollmächtigte, die 194 Regenten vertraten.
Die Gespräche hätten schneller vorankommen können, wenn die
Staatsoberhäupter oder verantwortlichen Minister an der Friedenskonferenz
teilgenommen hätten, doch die Delegierten - fast zur Hälfte Juristen -
waren nicht mehr als Gesandte, die ihren Herren ständig Bericht erstatten
und auf neue Instruktionen warten mußten. Es ist daher nicht
verwunderlich, daß sich die Verhandlungen als lang und mühsam
erwiesen, wobei die Herrscher ständig ihre Position wechselten, je nachdem,
ob sie im letzten Feldzug Terrain gewonnen oder verloren
hatten.
Es war zwar ein europäischer
Kongreß, doch die wesentliche Vorbedingung für eine allgemeine
europäische Friedensregelung war die Herstellung des Friedens im Reich,
wofür große Konzessionen von seiten aller führenden
Konfliktbeteiligten einschließlich des Kaisers erforderlich waren. Ein
beständiges Hindernis für den Frieden im Reich war das ungelöste
Problem der Pfalz gewesen. Maximilian von Bayern hatte nicht die Absicht, seine
Kurfürstenwürde oder die Oberpfalz aufzugeben, und der Kaiser war
nicht in Lage, ihn abzusetzen. Am Ende wurde er in seinem Kurfürstentitel
bestätigt. Er behielt auch die Oberpfalz, während für Karl
Ludwig, den Sohn Friedrichs V., d.h. für die Rheinpfalz, eine achte
Kurwürde eingerichtet wurde. Ein zweites großes territoriales
Hindernis für den Frieden im Reich war das Schicksal Pommerns, das von
Schweden besetzt war, auf das es aber keinen Rechtstitel besaß. Im Jahre
1647 stimmte Schweden zögernd der Teilung Pommerns zu und trat den Ostteil
an den Kurfürsten von Brandenburg ab.
Es
blieb die Frage einer konfessionellen Regelung, wobei es hier möglich war,
auf den Vereinbarungen des Prager Friedens von 1635 aufzubauen und sie
weiterzuentwickeln. Es war ein Erfolg für die protestantischen
Fürsten, daß der Kaiser das Restitutionsedikt widerrief. Das
Referenzdatum zur Festlegung der konfessionellen Veränderungen wurde auf
ihr Beharren hin von 1627 auf 1624 zurückverlegt, und die Calvinisten, die
von dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 ausgeschlossen waren, wurden nun
endlich eingeschlossen. Die verhandelnden Parteien trafen die Neuregelung ohne
Rücksicht auf die Wünsche des Nachfolgers Urbans VIII., Papst Innozenz
X. Sie bestätigte die Fortdauer der konfessionellen Spaltung des Reiches,
die auf gegenseitiger Akzeptanz beruhte. Sie bestätigte auch definitiv die
föderalistische Verfassung des Reiches mit einer eigenen
Schiedsgerichtsbarkeit zur Beilegung von Streitigkeiten unter den
Mitgliedern.
Allen Verhandlungen in Münster
und Osnabrück lag die Entschlossenheit Frankreichs und Spaniens zugrunde,
den jeweils anderen - im Falle der Unmöglichkeit einer einvernehmlichen
Regelung - von dessen wichtigstem Verbündeten zu trennen. Dahinter steckte,
daß die französische Diplomatie das traditionelle Bündnis
zwischen Wien und Madrid aufzubrechen versuchte, indem sie mit dem Kaiser
Frieden schloß, während die spanische Diplomatie versuchte, Spaniens
militärische Belastungen zu reduzieren, indem sie die Niederländer von
den Franzosen trennte.
Spanien und die
niederländische Republik hatten während der 1630er Jahre gegenseitige
Annäherungsversuche gemacht, aber eine der großen Hürden
für eine Einigung war die niederländische Präsenz in Brasilien
gewesen. War es auch zu der Zeit nicht unmittelbar offensichtlich, so hatte doch
Portugals Wiedererlangung der Unabhängigkeit im Jahre 1640 zur Konsequenz,
daß dieses Friedenshindernis beseitigt war. Hatte Philipp IV. auch nicht
die Absicht, sich dauerhaft in den Verlust Portugals zu fügen, so
besaß doch die Vertreibung der Niederländer aus Brasilien, das seine
Treue zum Herzog von Braganza erklärt hatte, nun keine Priorität mehr.
Auf dieser Grundlage war es möglich, die Gespräche wieder aufzunehmen.
Spanien steckte in einer verzweifelten Klemme: Während gleichzeitig im
Osten und im Westen der Halbinsel Feldzüge zur Rückgewinnung
Kataloniens und Portugals geführt wurden, brachen im Jahre 1647 weitere
Aufstände los, diesmal in den spanischen Vizekönigreichen Neapel und
Sizilien. Spaniens Generalbevollmächtigter in Westfalen, Graf
Peñaranda, spielte sein Blatt so geschickt aus wie irgend möglich,
und es gelang ihm, mit den Niederländern eine Regelung auszuhandeln -
angesichts eines übermächtigen Frankreichs vor ihrer Haustür
gerieten diese langsam in Sorge. Als Gegenleistung für den Frieden
bestätigte Spanien formell, was seit langem Fakt war, die Existenz einer
unabhängigen niederländischen Republik. Madrid wurde außerdem
gezwungen, die niederländischen Eroberungen in Ostindien und auf den
Westindischen Inseln anzuerkennen. Im Gegenzug mußten die
Niederländer akzeptieren, daß sie keinen direkten Zugang zum Handel
mit Spaniens amerikanischen Besitzungen erhielten. Am 30. Januar 1648 wurden die
79 Artikel des Vertragswerks im Namen des Königs von Spanien und der
Generalstaaten im Rathaus zu Münster
unterzeichnet.
Nachdem er seine
niederländischen Verbündeten verloren hatte, war Mazarin um so
stärker darauf bedacht, durch Friedensverhandlungen mit dem Kaiser die
österreichischen und die spanischen Habsburger zu trennen. Angesichts des
Aufstands der Fronde in Paris herrschte in Frankreich ein gefährliches
Klima sowohl für Mazarin als auch für die Monarchie. Doch wenn Mazarin
unter Druck stand, so erging es Ferdinand III. nicht anders. Im Juli 1648
erreichten die Schweden Prag erneut, plünderten die kaiserlichen Sammlungen
und schickten ihre Beute nach Stockholm. Um weiteres Unheil abzuwenden, stimmte
der Kaiser im August in Osnabrück dem Entwurf einer Friedensregelung mit
Schweden zu. In demselben Monat errangen die Franzosen bei Lens einen
großen Sieg über die spanische Armee unter dem Befehl von Ferdinands
Bruder, Erzherzog Leopold Wilhelm, der kurz zuvor zum Gouverneur der Spanischen
Niederlande ernannt worden war. Der Kaiser litt unter entsetzlichen Skrupeln,
seinen Schwager Philipp IV. von Spanien im Stich zu lassen, doch bei der
Unterzeichnung des Vertrags zwischen Frankreich und dem Kaiser am 24. Oktober
1648 in Münster gingen politische und militärische Realitäten
über familiäre
Loyalitäten.
Frankreich und Spanien, nun
ihrer führenden Verbündeten beraubt, aber ebenso von der Bedrohung
durch gefährliche Feinde befreit, entschieden, ihren Krieg fortzusetzen,
statt eine Regelung zu akzeptieren, die auf beiden Seiten schmerzliche
Zugeständnisse erfordert hätte. Es stand nichts Geringeres als die
Hegemonie in Europa auf dem Spiel, und angesichts der Unruhen in Frankreich
hegte Spanien weiterhin die Hoffnung, die Machtverhältnisse
wiederherzustellen, die sich seit 1640 so sehr zuungunsten des Landes entwickelt
hatten. Wenn auch der französisch-spanische Krieg weitere elf Jahre
andauern sollte, so wurden doch die Linien eines neuen Europa bereits
erkennbar.
Dieses Europa sollte, so wie es durch
den Westfälischen Frieden geprägt wurde, ein Kontinent werden, in dem
die säkularen Interessen der Staaten in der internationalen Politik eine
größere Rolle spielten als ihre religiösen Differenzen. Auf
diesem säkularisierten Kontinent hörte das Papsttum, das während
der Verhandlungen in Westfalen in den Hintergrund gedrängt worden war, auf,
die Rolle eines Schlichters der Christenheit zu spielen. In der Tat war es ein
Zeichen für die sich ändernden Zeitläufte, daß der Begriff
"Christenheit" mehr und mehr dem Begriff "Europa" weichen
sollte.
Grundlegend für die neue
europäische Ordnung nach dem Westfälischen Frieden war das Prinzip der
religiösen und politischen Vielfalt. Die Anerkennung der Verschiedenheit
bestimmte die Regelungen im Reich und gipfelte in der Anerkennung einer
unabhängigen niederländischen Republik. Spanien gelang es nicht, den
Niederländern sein politisches und religiöses Programm aufzuzwingen,
ebenso wie es dem Kaiser nicht gelang, sein politisches und religiöses
Programm dem Reich aufzuoktroyieren. Sein Scheitern sollte seine Nachfolger
darin bestärken, ihre Aufmerksamkeit weg von Deutschland auf die
habsburgischen Erblande zu richten und ihre Energien auf das zu verwenden, was
später die österreichisch-ungarische Monarchie werden
sollte.
Dreißig Jahre lang hatte der Krieg
zwischen konkurrierenden Staaten und religiösen Überzeugungen nicht
nur den Kontinent verwüstet, sondern sich über den Atlantik hinweg bis
auf die Westindischen Inseln und Brasilien ausgedehnt. Als der Friede im Jahre
1648 geschlossen wurde, war er fragil und unvollständig. Aber er erwies
sich als elastisch und beständig genug, um dem Reich Stabilität zu
geben und zumindest in Teilen eines kriegszerrissenen Europas - wenngleich nicht
in den böhmischen Landen, wo alles begonnen hatte - ein zögerndes
Wachstum politischer Freiheit und religiöser Toleranz zu
ermöglichen.