DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
Textbände > Bd. I: Politik, Religion, Recht und Gesellschaft |
JOHANNES ARNDT Der Kaiser und das Reich (1600-1648) |
I. Einleitung
Die Kaiser aus dem Hause Habsburg
spielten im 16. und 17. Jahrhundert eine "Dreifachrolle" (Volker Press) im
Kräftefeld von drei Interessen: Dynastie, Kaisertum und
Erblande. [1] Die dynastische Situation, d.h. das politische Mit- und
Gegeneinander der männlichen Herrschaftsträger des Hauses Habsburg,
hatte sich durch die Erbschaften in Burgund, Spanien, Böhmen und Ungarn im
späten 15. und frühen 16. Jahrhundert verkompliziert. Im
Reformationszeitalter beeinträchtigten Familienkonflikte die
Machtausübung Karls V., und die Auseinandersetzungen zwischen den
Söhnen Kaiser Maximilians II. zu Beginn des 17. Jahrhunderts waren
mitverantwortlich für die starken Ständebewegungen in den Landen der
österreichischen Linie der Dynastie. Das Kaisertum mit seiner Tradition,
seinen Chancen, aber auch Pflichten gewährleistete dem Haus Habsburg den
herausragenden Rang in Europa und die politische Kontrolle über das Zentrum
des Kontinents. Die hierarchische Ordnung des Reiches bot den Kaisern
Gelegenheit zu einer verfassungsmäßig begrenzten Herrschaft und zur
Rekrutierung geeigneter Persönlichkeiten für die politischen
Führungsaufgaben der eigenen Administration. Die habsburgischen Erblande
schließlich waren die Reichsgebiete in Österreich sowie der
Streubesitz in Oberdeutschland, wo der Kaiser gleichzeitig Reichsoberhaupt und
Territorialherr war. Hier strebte er ebenso eine staatliche Verdichtung an, wie
dies auch die großen Reichsfürsten in ihren Gebieten seit dem
Hochmittelalter betrieben. Kaiser Karl V. versuchte, nach dem Erwerb
mehrerer neuer Territorien in den Niederlanden die dortigen siebzehn Provinzen
nach dem Vorbild der österreichischen Erblande zu organisieren. Zu diesem
Zweck schloß er 1548 den "Burgundischen Vertrag" mit den
Reichsständen, nicht ohne dabei auf Widerstand zu
stoßen. [2]
Eine vierte Dimension
ist noch hinzuzusetzen: die konfessionelle. Es gehörte zu den Pflichten des
kaiserlichen Amtsinhabers, als Schützer der römischen Kirche
aufzutreten. Diese Schutzpflicht galt gegenüber äußeren Feinden
der Christenheit - im Mittelalter gegen Heiden, etwa den Langobarden, Ungarn,
Wikingern oder Sarazenen, in der Neuzeit gegen die Türken -, aber auch im
Umgang mit inneren Gegnern, d.h. gegen Ketzer und Schismatiker. [3] Im
Rechtssystem des Heiligen Römischen Reiches folgte daher üblicherweise
auf die Verhängung des päpstlichen Banns die kaiserliche Acht. Diesen
vier unterschiedlichen Interessenfeldern sowie den Bezügen zwischen ihnen,
die die Kaiser Ferdinand II. und Ferdinand III. stets zu komplizierten
Entscheidungsprozessen nötigten, soll im folgenden nachgegangen
werden.
II. Kaiser und Reich im
konfessionellen Zeitalter
Seit der Reformation
waren die meisten Fürstentümer und Reichsstädte protestantisch
geworden. Die reichsfreien geistlichen Stifte dagegen waren überwiegend
altgläubig geblieben. Ausgangs des 16. Jahrhunderts boten sie
entschlossenen Fürstbischöfen eine vorzügliche Basis, Staat und
Kirche im tridentinisch-gegenreformatorischen Sinne zu erneuern und zu straffen,
wodurch sie weiteren protestantisierenden Bestrebungen den Boden entzogen. Im
Reichsfürstenrat besaßen die katholischen Stände stets die
Mehrheit; auch vier der sieben Kurfürsten hingen dem katholischen
Bekenntnis an.
Es gehörte zur Rollenerwartung
der Reichsstände gegenüber einem jeden Kaiser, daß dieser sich
einer vorschnellen Parteinahme enthielt, um seine schiedsrichterliche Funktion
ausüben zu können. Dies verlangte eine kluge Amtsführung, die das
Recht und die praktisch-politische Vermittlung in den Vordergrund rückte.
Da nur ein mächtiger Territorialfürst Kaiser werden konnte, waren
Kollisionen zwischen den Interessen seines erblichen Territoriums und denen des
kaiserlichen Amtes unvermeidlich: Der Amtsinhaber mußte in diesen
Fällen Augenmaß und Fingerspitzengefühl beweisen. Je deutlicher
der Kaiser für die Belange seiner Dynastie oder seiner Erblande eintrat,
desto weniger wurde er von den Ständen als Vermittler
akzeptiert.
Kaiser Ferdinand I. und Kaiser
Maximilian II. wußten in ihrer Schiedsrichterrolle das Vertrauen der
meisten Reichsfürsten zu finden. Anders Kaiser Rudolf II., der
einerseits eine zunehmende Führungsschwäche und andererseits immer
deutlichere Anzeichen einer gegenreformatorischen Politik zeigte. Der
langjährige, schwere "Bruderstreit" zwischen dem Kaiser und einem seiner
Brüder, Erzherzog Matthias, schwächte die kaiserliche Autorität
zusätzlich und führte zum Verlust des habsburgischen Einflusses auf
den konfessionellen Konflikt im Reich. Die Protestanten organisierten sich 1608
in der "Union", die katholischen Stände antworteten ein Jahr später
unter Führung Bayerns mit der Gründung der "Liga", ohne daß der
Kaiser darauf hätte einwirken können. Gleichzeitig schwand Rudolfs
Einfluß auf die Reichskirche, da mehrere geistliche Fürsten auf eine
enge Kooperation mit Herzog Maximilian von Bayern setzten. [4] Die
kaiserliche Nicht-Präsenz zeigte sich auch in der Vorphase des
Jülicher Erbfalls: Als Herzog Johann Wilhelm im März 1609 starb,
scheiterte eine schnelle Regelung zugunsten der katholischen
Interessenten. [5]
Kaiser Matthias trieb
nach 1612 unter der Leitung seines Vertrauten, Kardinal Melchior Klesl, eine
Politik der verbalen Beschwichtigung der Protestanten. Dahinter ließen
sich praktische Maßnahmen zur Fortsetzung der katholischen
Konfessionalisierung kaum verbergen. [6] Angesichts der anhaltenden
Schwäche des Kaisers betrieb Erzherzog Ferdinand von Innerösterreich
seine Nachfolge im Amt. Im Gegensatz zu Rudolf und Matthias besaß er den
Willen und die Fähigkeiten, die herrscherlichen Aufgaben entschieden
wahrzunehmen und gleichzeitig die Rechte der Kirche in vollem Umfang
wiederherzustellen. In Innerösterreich hatte er dies zwei Jahrzehnte lang
demonstrieren können, bevor er an die Reichsspitze trat. [7] Der
Beifall der katholischen Reichsstände wie der römischen Kurie war ihm
dafür bereits vorab sicher.
Es bedurfte
jedoch noch einiger Familienvereinbarungen im Hause Habsburg, bevor Ferdinand
für das kaiserliche Amt kandidieren konnte. Vermittelt durch den spanischen
Gesandten Oñate schloß er 1617 mit König Philipp III. von
Spanien einen Vertrag, der den Spaniern das Elsaß, dem Erzherzog
dafür die spanische Unterstützung seiner Kaiserwahl einbringen
sollte. [8] Auch der letzte lebende Sohn Maximilians II., Erzherzog
Albert, verzichtete 1619 auf sein Erbfolgerecht zugunsten von
Ferdinand. [9]
III. Der böhmische
Aufstand und die kaiserliche Machtexpansion
Der
Ausgangspunkt des großen Krieges lag in den Ländern der
böhmischen Krone: Hier entwickelte sich die existentielle Herausforderung
des habsburgischen Kaisertums genau zu der Zeit, als Kaiser Matthias das Ende
seiner Regierungszeit herannahen sah und Erzherzog Ferdinand von
Innerösterreich sich anschickte, das oberste Reichsamt zu
übernehmen. [10] Unmittelbar nach der Einigung mit Spanien nahm
Ferdinand seine böhmische Königserhebung in Angriff und erhielt am 5.
Juni 1617 die ständische Zustimmung. Dabei vermied er alles, was auf eine
Anerkennung eines ständischen Wahlrechts hätte hindeuten
könnten.
Als die Krönungsfeierlichkeiten
nach dem 19. Juni 1617 vorüber waren, hatte eine große Zahl der
böhmischen Ständevertreter die Einsicht gewonnen, daß man mit
dem Erzherzog von Innerösterreich nicht nur den Betreiber der
Gegenreformation, sondern auch den Feind des Ständeregiments als König
anerkannt hatte. Eine kleine Gruppe von scharfen Gegnern der habsburgischen
Herrschaft trieb die gemäßigte Mehrheit durch immer radikalere
Aktionen von der kaiserlichen Seite fort: Der Prager Fenstersturz war zu dem
Zweck geplant, den Abfall unumkehrbar zu machen, um nach einem siegreichen Kampf
einen neuen böhmischen Staat unter ständischer Dominanz entstehen zu
lassen. [11]
Durch die Zuspitzung des
böhmischen Aufstands war Ferdinand in doppelter Weise angegriffen: Ein Teil
seines Herrschaftsgebietes hatte sich seiner Kontrolle entzogen, und die zu
erwartende Wahl des Pfälzer Kurfürsten verschaffte diesem zwei
Kurstimmen sowie den Protestanten im Reich vier, die Mehrheit im Kurkolleg.
Unter den gegebenen Umständen mußte Erzherzog Ferdinand damit
rechnen, nicht zum Kaiser gewählt zu werden. Da Kaiser Matthias bereits
kränkelte, war mit dem Wechsel an der Reichsspitze in absehbarer Zeit zu
rechnen. Das Ausmaß der Bedrohung bewegte ihn, bereits im Juni 1618
König Philipp III. um militärische Hilfe zu
bitten.
Durch Matthias' Tod im März 1619
wurde das höchste Reichsamt vakant. In den folgenden Monaten liefen
Ferdinands Bemühungen, zum Kaiser gewählt zu werden, zeitlich synchron
mit den ständischen Königswahlvorbereitungen in Böhmen. Ende
August 1619 erfolgte Ferdinands Kaiserwahl in Frankfurt, und fast gleichzeitig
erhoben die Böhmen Friedrich V. von der Pfalz zu ihrem neuen
König. Sogleich setzte Ferdinand das politische Kapital des neuen Amtes
ein, um seinen Verhandlungspartnern in München und Dresden
Zugeständnisse zu machen: Im Oktober 1619 sicherte er sich die bayerische
Waffenhilfe durch das Versprechen, Herzog Maximilian die pfälzische
Kurwürde zu übertragen; im April 1620 sagte auch Kurfürst Johann
Georg I. von Sachsen dem Kaiser seine Unterstützung zu, wofür er
die Lausitzen als Pfandbesitz erhalten sollte. [12] Mit dieser Politik
war nicht nur ein Ausgreifen des böhmischen Aufstands auf benachbarte
Reichsgebiete ausgeschlossen, sondern die mächtigsten Fürsten im Reich
standen über die konfessionellen Grenzen hinweg auf der kaiserlichen
Seite.
Der optimalen diplomatischen Vorbereitung
folgten ein gelungener Feldzug der ligistischen und spanischen Truppen und
binnen weniger Wochen die völlige kaiserliche Kontrolle über
Böhmen. Die Länder der Wenzelskrone wurden wieder habsburgisch, die
pfälzische Kurwürde konnte durch die Ächtung Friedrichs
verfügbar gemacht und dem Bayernherzog übertragen werden, und die
Lausitzen trat der Kaiser vertragsgemäß an Kurfürst Johann
Georg I. von Sachsen ab. Mochte die Verpfändung von böhmischen
Gebieten noch zu den Vorrechten eines Territorialherren gehören, so
überstieg die Ächtung eines Kurfürsten samt seiner Deszendenz und
die Übertragung seiner Kurwürde ohne Zustimmung der Reichsstände
die Kompetenzen des Kaisertums bei
weitem. [13]
In Böhmen wurden 21
Hauptbeteiligte des Aufstands kurzerhand hingerichtet. Die Gegner des Hauses
Habsburg überall in Europa sahen sich in ihren schlimmsten
Befürchtungen bestätigt: Die Wiederkehr der "spanischen Servitut", der
allgemeinen Dienstbarkeit gegenüber der mächtigsten Dynastie Europas,
schien unmittelbar bevorzustehen. Ferdinand nutzte das Exil zahlreicher
gegnerischer Adliger, um ihre Güter einzuziehen und seinen politischen
Parteigängern zuzuwenden, von denen viele aus dem Reich oder den
österreichischen Erblanden stammten. Die Vermögensverschiebungen
nahmen ein erhebliches Ausmaß an und stärkten das deutsche Element
gegenüber dem tschechischen innerhalb der böhmischen
Stände.
Neben den Familien der kaiserlichen
Parteigänger dominierten in den ständischen Gremien die wieder in ihre
Besitzungen eingeführten Prälaten. Sie hatten seit Ausbruch der
hussitischen Revolution zwei Jahrhunderte zuvor keine derart starke Stellung
mehr besessen. Die übrigen böhmischen Stände wurden durch die
1627 verfügte absolutistische Verfassung, die "Verneuerte Landesordnung",
um den größten Teil ihrer früheren Rechte gebracht. [14]
Böhmen wandelte sich zu einer habsburgischen Erbmonarchie, und
Ferdinand II. verlegte die Böhmische Hofkanzlei zwecks besserer
Kontrolle nach Wien.
Nach dem verblüffend
vollständigen Sieg bei nur geringen eigenen Mitteln hielt der Kaiser - mit
göttlicher Hilfe - noch weitere politische Erfolge für möglich.
Wo die herrschende politische Tugendlehre einen Ausgleich mit den besiegten
Feinden im Sinne der Temperantia für nötig erachtet hätte,
entschloß sich der Kaiser, den Konflikt fortzusetzen. Die Restitution des
Pfälzer Kurfürsten in dessen Stammlanden lehnte er trotz spanischen
und kursächsischen Drängens ab. Statt dessen belehnte er auf dem
Regensburger Fürstentag 1623 Maximilian von Bayern mit der pfälzischen
Kurwürde. [15]
Nach mehreren Siegen
über die Reste der böhmisch-protestantischen Truppen und ihrer
Heerführer etablierten sich die Armeen Tillys und später auch
Wallensteins in weiten Teilen des Reiches. Nicht einmal der dänische
König Christian IV., der sich als Kreisoberst des
Niedersächsischen Kreises zum Schutz des Protestantismus und
Norddeutschlands berufen fühlte, war den katholischen Heeren gewachsen.
Nach einigen Niederlagen mußte er 1629 in Lübeck Frieden
schließen und sich aus den Reichsgebieten südlich von Holstein
zurückziehen. [16]
Während die
Kämpfe gegen Christian IV. von Dänemark zu Lande erfolgreich
verliefen, scheiterte das Bemühen der beiden Habsburger Linien, gemeinsam
mit den Hansestädten eine Flottenmacht an Nord- und Ostsee aufzubauen und
eine Front zur See gegen Schweden und die Vereinigten Niederlande zu
eröffnen. [17] Nachdem die Hansestädte hinhaltenden Widerstand
geleistet hatten und auch Verhandlungsversuche mit Dänemark und Polen ohne
Ergebnis geblieben waren, beendete die gescheiterte Belagerung Stralsunds durch
Wallenstein 1628 alle habsburgischen Seemachtsträume im
Norden. [18]
Trotz der ausgebliebenen
Erfolge auf den Meeren hatte Kaiser Ferdinand II. bereits im Vorfeld des
Lübecker Friedens damit begonnen, seine Politik als Gegenreformator im
Reich zu realisieren. Es entsprach seinem Selbstverständnis als
Schützer der Kirche, der katholischen Auslegung des Augsburger
Religionsfriedens nun die offizielle Anerkennung zu verleihen: Was die
altkirchliche Seite 1555 nicht hatte festschreiben können, jedoch danach
vielfach gefordert hatte, wurde nun zum Recht erhoben - ohne daß der
Kaiser die dafür notwendigen reichsrechtlichen Formalien beachtete. Weder
die Kurfürsten noch die Reichsstände insgesamt wurden konsultiert,
sondern der kaiserliche Wille in Gestalt eines Edikts publiziert. Da der
wichtigste Gegenstand die Rückgewinnung aller geistlichen Einrichtungen
mitsamt ihren Privilegien und Gütern war, erhielt dieser Rechtsakt den
Namen "Restitutionsedikt". [19]
Ob der
Kaiser, wie von protestantischer Seite gemutmaßt, tatsächlich die
vollständige Ausrottung des Protestantismus im Reich beabsichtigte, ist
nicht erwiesen. Nach allen Erfahrungen mit seiner bis dahin gezeigten Politik
dürfte am wahrscheinlichsten sein, daß er schrittweise weitergehen
und sich dabei auf die werbende und auch die drängende Kraft der
gegenreformatorischen Orden stützen wollte, um im Laufe einer Generation
den römischen Glauben wieder im gesamten Reich, vor allem in den
protestantischen Territorien, zu verankern. Dazu kam es allerdings
nicht.
IV. Der Wendepunkt des Krieges 1630 und
der Niedergang der kaiserlichen Macht
Bereits 1628
war in Italien ein Krieg zwischen Frankreich und Spanien um die Erbfolge im
Herzogtum Mantua ausgebrochen, der die spanischen Kräfte, die dem Krieg im
Reich zugedacht waren, absorbierte. Frankreich setzte seinen Kandidaten, den
Herzog Charles de Nevers, durch und sicherte den Sieg 1631 im Frieden von
Cherasco. [20] Auch wenn das Ergebnis des Krieges zu einer intensiveren
Zusammenarbeit zwischen dem Kaiser und Spanien in der Italienpolitik
führte, so muß doch betont werden, daß diese Kooperation aus
einer gemeinsamen Schwäche gegenüber dem französischen Vorgehen
resultierte und auch in den folgenden Jahrzehnten dadurch geprägt
blieb.
Zur selben Zeit erzwangen die
Kurfürsten auf der Regensburger Tagung die Abberufung Wallensteins und die
Reduzierung seiner riesigen Armee, wogegen der Kaiser die Römische
Königswahl für seinen ältesten Sohn, den späteren
Ferdinand III., nicht durchsetzen konnte. Kaiser Ferdinand II.
mußte erkennen, daß seine konfessionellen Parteigänger, die bis
1629 seinen Weg zum Restitutionsedikt begrüßt und unterstützt
hatten, keinesfalls bereit waren, eine Veränderung im
Kräftegleichgewicht zwischen Reichsoberhaupt und Kurfürsten
zuzulassen. [21]
Es folgte der kurze
Siegeszug des Schwedenkönigs Gustav Adolf, der allerdings die katholischen
Reichsstände schwerer betraf als die kaiserlichen Erblande. Der König
nahm in seinem Machtbereich Verfassungsänderungen vor, indem er geistliche
Territorien zur Versorgung von eigenen Parteigängern verwandte. Wegen der
Kürze seiner Herrschaft blieben seine reichspolitischen Zielvorstellungen
unklar. Die drei wichtigsten Protagonisten des militärischen Elements im
Dreißigjährigen Krieg, Gustav Adolf, Tilly und Wallenstein, starben
binnen weniger Monate zwischen 1632 und 1634. Damit gewann der Primat des
Politischen wieder an Gewicht, was den kaiserlichen Interessen nützte. Nach
der Niederlage von Nördlingen konnten die schwedischen Truppen
vorübergehend bis an den norddeutschen Küstensaum
zurückgedrängt werden.
Kaiser
Ferdinand II. zog aus der politischen Konstellation den Schluß,
zunächst einen Frieden mit den Reichsständen zu vereinbaren, um
anschließend die ausländischen Mächte vom Reichsboden zu
vertreiben. Vor allem Kursachsen war in Prag im Frühjahr 1635 der
Verhandlungspartner der Kaisers. In der konfessionellen Frage trennte sich
Ferdinand II. von seinen ausgreifenden gegenreformatorischen Plänen,
indem das Restitutionsedikt für 40 Jahre ausgesetzt wurde. Dafür
versuchte er, seine Machtposition im Reich zu stärken: Eine Reichsarmee
sollte unter seiner Führung den Frieden sichern, ein Projekt, das bis dahin
am Mißtrauen der Stände gegenüber großer Truppenmacht in
den Händen des Reichsoberhaupts gescheitert war. Da der Friede weder die
geächteten Reichsfürsten noch die ausländischen Mächte
berücksichtigte, ließen sich seine Bestimmungen nicht
realisieren. [22]
Das Jahr 1637 brachte
den Herrscherwechsel von Kaiser Ferdinand II. zu Ferdinand III.
Letzterer sah sich einer wachsenden französischer Truppenpräsenz in
Süddeutschland gegenüber, während kaiserliche Feldzüge
mehrfach mit Desastern endeten. [23] Friedenssehnsucht war im gesamten
Reich spürbar: Angesichts des wachsenden Gewichts Frankreichs und der
spürbaren Abnutzungserscheinungen aller anderen Mächte wuchs die
Einsicht, daß ein großer Frieden unter Einschluß aller
Kriegsbeteiligten geschlossen werden müsse und daß die Grundlage
für diesen Frieden nur die aktuelle Machtverteilung sein könne, so
sehr dies auch von den Interessen, Zielen und Hoffnungen der jeweiligen Parteien
abweichen mochte.
V. Die kaiserliche Politik
auf dem Weg zum Frieden 1641-1648
Der
Westfälische Friedenskongreß gehört zu den längsten
kontinuierlichen Verhandlungen dieser Art in der Frühmoderne. Nachdem sich
Papst Urban VIII. bereits 1636 als Vermittler zwischen den katholischen
Kriegsparteien angeboten hatte, einigten sich der Kaiser, Schweden und
Frankreich 1641 auf die Städte Münster und Osnabrück als
Verhandlungsorte. Aus kaiserlicher Sicht war ein siegreicher Ausgang dieses
Krieges nicht mehr zu erwarten: Es mußte gerettet werden, was noch zu
retten war. [24]
Die kaiserliche
Strategie, zunächst mit Schweden und Frankreich Frieden zu schließen,
um dann die Angelegenheiten im Reich regeln zu können, wurde von den
ausländischen Mächten durchkreuzt, indem diese alle Reichsstände
zu den Verhandlungen hinzubaten. Der Kongreß schloß daher formal
einen kompletten Reichstag mit ein. Schweden und Frankreich forderten
Entschädigungen ("Satisfaktionen") für ihre kriegsbedingten
Aufwendungen.
Kaiser Ferdinand III. war auf
diese Weise von Anfang an in der Defensive, und da er einen Waffenstillstand
während der Gespräche abgelehnt hatte, mußte er zur selben Zeit
weitere militärische Niederlagen hinnehmen: Im März 1645 schlugen die
Schweden nahe der böhmischen Stadt Jankau eine kaiserliche Armee und
verschafften sich die Kontrolle über große Teile Böhmens.
Ferdinand mußte sich und Philipp IV. eingestehen, daß er weder
Geld noch Soldaten und geeignete Heerführer besaß. [25] Er
entschloß sich, seinen Spitzendiplomaten, den Grafen Maximilian von
Trauttmansdorff, mit weitreichenden Vollmachten nach Westfalen zu senden, um
einen Frieden auch unter erheblichen Opfern
zustandezubringen. [26]
Die Vorgaben
für Trauttmansdorff sowie die weiteren Diskussionen im Geheimen Rat und
anderen kaiserlichen Beratungsgremien deuten auf eine kaiserliche
Prioritätenhierarchie hin, die sich wie folgt schematisieren
läßt:
1. Sicherung der Erblande, die
absolutistisch regiert werden und katholischen Glaubens bleiben
sollten.
2. Erhaltung des Kaisertums beim Haus
Österreich und die Bewahrung des Reiches als Hierarchie unter Vermeidung
der reichsständischen Souveränität. Hierzu gehörte die
Gewährleistung der kaiserlichen Gerichtshoheit und der katholischen
Kurfürstenmehrheit.
3. Die
Konfessionsverhältnisse im Reich sollten nach dem Normaljahrsstatus von
1627 und nur bei hartnäckigstem Widerstand nach dem Modus von 1618 geregelt
werden.
4. Gebietsabtretungen zugunsten von
Frankreich und Schweden sollten, soweit möglich, auf Kosten anderer
erfolgen (Tiroler Linie, Kurbrandenburg,
Reichskirche).
5. Ablösungszahlungen für
die schwedische Armee müßten durch die Reichsstände geleistet
werden.
Zunächst wurden im September 1646 und
Februar 1647 die auswärtigen Mächte zufriedengestellt. Frankreich
gewann ein Bündel an souveränen Rechten im Elsaß und einige
Festungen im rechtsrheinischen Gebiet, Schweden wurde Reichslehnsträger
für die Bistümer Bremen und Verden, Vorpommern und die Stadt Wismar.
Damit kontrollierte die skandinavische Macht die wichtigsten deutschen
Flußmündungen an Nord- und Ostsee. Ansprüche Schwedens auf Teile
Schlesiens konnte der Kaiser abwehren. Während die Abtretungen im
Elsaß auf Kosten der Tiroler Linie des Hauses Habsburg gingen, mußte
Kurbrandenburg auf sein pommersches Erbrecht verzichten. Gebiete der
Reichskirche dienten als Kompensationsmasse, nicht nur für Schweden,
sondern auch für Kurbrandenburg, das für seinen Verzicht auf Pommern
Minden, Halberstadt und die Anwartschaft auf Magdeburg
erhielt.
Das ungelöste Problem des
geächteten Kurfürsten von der Pfalz hatte mehrfach zur
Verlängerung des Krieges geführt. Die kurbayerischen Rechte wurden
gewahrt, indem Kurfürst Maximilian die pfälzische Kurwürde und
die Oberpfalz behauptete. Für Karl Ludwig von der Pfalz wurde eine neue,
achte Kurwürde geschaffen; zudem erhielt er die Rheinpfalz zurück,
vermindert um die kurmainzische Pfandschaft an der Bergstraße. Für
den Kaiser hatte die Regelung den zusätzlichen Vorteil, daß die
katholische Mehrheit im Kurkolleg gesichert
blieb.
Die Reichsstände erhielten alle
verfassungsmäßigen Rechte aus der Vorkriegszeit bestätigt und
gewannen das internationale Bündnisrecht (unter Vorbehalt der Reichstreue)
hinzu. Allerdings blieben die historischen Grundbedingungen des politischen
Miteinanders zwischen Kaiser und Reichsständen, d.h. das System aus
Reichstagen, Reichsgerichten, Reichskreisen und anderen Institutionen, erhalten.
Damit setzten sich Vorstellungen, das Reich in eine lockere Föderation
unter Schwächung der kaiserlichen Rechte zu verwandeln, nicht durch.
Gesichert wurde das restituierte Rechts- und Verfassungsgefüge durch die
Garantieklausel des Westfälischen Friedens, die allen Beteiligten,
insbesondere den Kronen Frankreich und Schweden, eine politische
Handlungsermächtigung zugestand für den Fall, daß jemand, d.h.
der Kaiser, versuchen sollte, den Verfassungskompromiß auszuhöhlen
oder gar aufzukündigen. [27]
In der
Frage der Konfessionen hatte sich Schweden für eine Gleichberechtigung der
Protestanten eingesetzt, während Frankreich der katholischen Seite
weitreichende Vorteile belassen wollte. Trotz seiner Gewissensbedenken
entschloß sich Kaiser Ferdinand III., für die Erlangung des
Friedens den Protestanten die völlige Parität und einen gesicherten
Besitzstand für vormals geistliche Güter in ihrer Hand
zuzugestehen. [28] Auch die calvinistischen Reichsstände wurden in
den Frieden mit eingeschlossen. Beide protestantischen Konfessionen wurden trotz
ihrer erheblichen Lehrdifferenzen zu einer reichskirchenrechtlichen Gruppe, den
"Augsburgischen Konfessionsverwandten", zusammengefaßt und standen als
solche den Katholiken gegenüber. Immerhin gelang es dem Kaiser, seine
Erblande im reinen katholischen Glauben zu behalten, auch und vor allem
Böhmen; nur für Schlesien mußte er geringe protestantische
Sonderrechte zugestehen. Über die Proteste des Papstes und einer kleinen
Gruppe katholischer Fundamentalisten im Reich ging Ferdinand III. dabei
hinweg. [29]
Es gehörte zu den
schwersten Entscheidungen, die Kaiser Ferdinand III. während der
Westfälischen Friedensverhandlungen zu fällen hatte, jegliche weitere
Hilfe an Spanien zu unterlassen und mit Frankreich Frieden unter Ausschluß
des Burgundischen Reichskreises zu schließen. [30] Erst die
tatsächliche Ohnmacht, dem drohenden Einmarsch schwedischer Truppen nach
Prag und anschließend nach Österreich etwas entgegensetzen zu
können, veranlaßte ihn zu diesem gravierenden Schritt gegen die
habsburgische Haussolidarität. Der Kaiser fürchtete überdies,
daß die Reichsstände ohne ihn einen Frieden mit den
Siegermächten schließen würden. [31] Später wurde
dennoch kaiserliche Hilfe für Spanien, jedoch nur in kleiner Dosierung,
geleistet. Durch die Truppenleistungen erreichte Ferdinand, daß die
Spanier 1652 das besetzte Frankenthal räumten. In der Korrespondenz
zwischen den habsburgischen Linien tauchte mehrfach die kaiserliche
Befürchtung auf, daß der Widerwille gegen Spanien die
Reichsstände auch nach dem Friedensschluß zu nachteiligen
Verfassungsänderungen im Reich, zusammen mit Frankreich und Schweden,
treiben würde. [32]
Im Vergleich zu
den erheblichen Bedenken, die Ferdinand III. hinsichtlich der
konfessionellen und dynastischen Zugeständnisse während der
Friedensverhandlungen gehegt hatte, fiel ihm die Anerkennung der
Souveränität der Vereinigten Niederlande und der Schweiz weniger
schwer. Eine echte Entscheidung blieb ihm erspart: Die niederländischen
Generalstaaten hatten in ihrem Vertrag mit Spanien schriftlich niedergelegt,
daß der spanische König selbst um die Anerkennung durch den Kaiser
einkommen mußte, und Ferdinand folgte der Bitte aus Madrid. [33]
Auch die Anerkennung, daß die frühere Reichsstadt Basel von aller
Rechtsprechung des Reichskammergerichts und des Reichshofrats befreit sei,
konnte Ferdinand III. nach einigem Zögern
aussprechen. [34]
Der Münsteraner
Vertrag bekräftigte die Übertragung des Obereigentums und der
Landeshoheit an der piemontesischen Stadt und Festung Pinerolo an Frankreich,
wie schon im Frieden von Cherasco 1631 vereinbart worden war; dieser
Friedensschluß wurde an späterer Stelle im Vertrag
bestätigt. [35] Während die Reichsrechte in Oberitalien durch
den Westfälischen Frieden nicht grundlegend berührt wurden, erfuhr
Böhmen auf dem Wege der sicheren habsburgischen Aneignung auch eine
stärkere Einbindung in das Reich. Bis zur vollen Wiederherstellung der
böhmischen Kurstimme nicht nur bei Wahlen, sondern in allen politischen
Fragen, mußten allerdings noch weitere 60 Jahre vergehen. Dennoch waren
die böhmischen Lande ähnlich reichsnah wie die österreichischen
Erblande der Habsburger. [36]
Das
Gegenteil galt für den Burgundischen Reichskreis. Dieser westlichste der
Kreise wurde durch den§ 3 des Münsteraner Friedensinstruments aus dem Frieden ausgenommen bis zu
einem allgemeinen Frieden zwischen Spanien und Frankreich. Tatsächlich
wurde dieser Friede erst 1659 auf einer Insel im Pyrenäenfluß
Bidassoa vereinbart und hatte territoriale Abtretungen an Frankreich zur Folge.
Im folgenden Zeitalter Ludwigs XIV. mußte Spanien weitere
Gebietseinbußen seiner niederländischen und burgundischen Besitzungen
hinnehmen. Der Kaiser war an diesen Fragen nicht mehr unmittelbar beteiligt.
Seine Rechte auf den Burgundischen Reichskreis kamen erst nach dem Aussterben
der spanischen Linie der Habsburger im Jahre 1700 wieder zum Tragen und
führten 1714 zum Erbanfall der südlichen Niederlande an die
verbliebene, österreichische Linie der
Familie.
VI. Einige
Thesen
1. Die Bewertung des dynastischen
Ergebnisses des Westfälischen Friedens für das Haus Habsburg ist
geprägt von der Betonung der gebrochenen Haussolidarität zwischen den
beiden Linien in Wien und Madrid. Es wurde gezeigt, daß dieser Schritt dem
Kaiser sehr schwerfiel und erst im letzten Moment vorgenommen wurde. Dennoch
stellte man auch in Madrid in Rechnung, daß die Gesamtlage in Mitteleuropa
im Jahre 1648 den Friedensschluß für Ferdinand III. zwingend
vorschrieb, wollte er nicht seine Erblande durch schwedische und
französische Truppen besetzt sehen. So konnte der spanische König
darauf hoffen, daß der Kaiser nach einer Frist den spanischen Verwandten
wieder zur Seite treten würde. Fürs erste jedoch mußte Spanien
die Last des Krieges gegen Frankreich allein
tragen.
2. Angesichts radikaler Parolen vor allem
aus dem schwedischen Lager bedeutete die Bewahrung des Kaisertums für die
österreichischen Habsburger eine beachtliche Selbstbehauptung. Zwar
mußte Ferdinand III. allen Ambitionen entsagen, die seinen Vater
einmal angetrieben hatten, doch rekonstituierte sich das Reich neuerlich als ein
hierarchischer Verband und entging damit der Gefahr, in einen losen Staatenbund
verwandelt zu werden. Die katholische Kurfürstenmehrheit sicherte den
Habsburgern auch künftig die Wahlchancen auf das Kaisertum. Problematische
Forderungen nach einem Verbot der Wahl zweier aufeinanderfolgender Kaiser aus
demselben Haus, nach dem Verbot der Römischen Königswahl zu Lebzeiten
des Kaisers und nach einer ständigen Wahlkapitulation blieben unrealisiert.
Zudem erhielt sich die kaiserliche Gerichtshoheit, in unmittelbarer Weise am
Wiener Reichshofrat, aber auch in formalisierter Form am paritätisch
besetzten Reichskammergericht in Speyer. Gemessen an den Machtpositionen, die
die Könige von Frankreich und Spanien innehatten, mochte das wenig sein,
doch konnten die Habsburger auf der Verfassungsordnung von 1648 aufbauen - ein
Prozeß, der sich bis in die 1670er Jahre hinzog, als Kaiser
Leopold I. bei gleichzeitiger Bedrohung des Reiches durch Frankreich und
die Türken wieder die Rolle eines schützenden Koordinators aller
Armierungsmaßnahmen erwarb. Ferdinand III. und Leopold I. nahmen
demonstrativ von Versuchen Abstand, das System von Münster und
Osnabrück auszuhebeln, und schufen dadurch ein Vertrauen auch der
protestantischen Stände in die Zentralinstitutionen des Reiches, das bis
ins späte 18. Jahrhundert hinein die Grundlage für das Funktionieren
der Reichsverfassung darstellen sollte.
3. In
bezug auf seine Erblande hatte der Kaiser einen vollen Sieg errungen: Was
Ferdinand II. direkt nach der Niederschlagung des böhmischen Aufstands
politisch und konfessionell gewonnen hatte, konnte sein Sohn trotz einiger
Wechselfälle bis 1648 behaupten. Oberösterreich, das an Bayern
verpfändet worden war, konnte dadurch ausgelöst werden, daß der
Kaiser die Oberpfalz an den Münchener Herrscher übertrug. Die
Übereignung von fast der Hälfte der böhmischen Güter an
kaiserliche Parteigänger nach 1621 stiftete dort einen stabilen
kaiserlichen Hofadel, der später allen Neigungen zum Frondieren widerstand.
Böhmen und Österreich entsprachen in ihren ständischen und
konfessionellen Verhältnissen weitgehend den kaiserlichen Vorstellungen
ebenso wie denen des Papstes und der religiösen Orden. Die schwedischen
Versuche, die Rechte der Protestanten in den Erblanden und besonders die der
rückkehrwilligen protestantischen Exulanten zu stärken, scheiterten
fast gänzlich bis auf wenige Sonderrechte, die der Kaiser den Schlesiern
zugestand. Die Abtretung erbländischer Besitzungen im Elsaß wog
dagegen gering, zumal diese Gebiete bereits 1617 den Spaniern als Lohn für
ihre Hilfe versprochen worden waren.
4. In
Hinsicht auf die Stellung der Konfessionen im Reich ist der Westfälische
Friede als das Scheitern gegenreformatorischer Bestrebungen des Kaisers, des
Papstes und der geistlichen Fürsten interpretiert worden. In der Tat
freundeten sich die katholischen Reichsstände nicht ohne Mühen mit dem
Gedanken an, auf Dauer mit Andersgläubigen in einem Territorienverband
zusammenleben zu müssen. Die extensive katholische Auslegung des Augsburger
Religionsfriedens wurde obsolet, beide protestantischen Bekenntnisse wurden in
den Schutz der Reichsrechtsordnung einbezogen. Die Normaljahrsregelung erwies
sich als kompliziert, aber dauerhaft: Die alte Kirche behauptete den
größten Teil ihrer Stifte, die nach wie vor nicht durch
konvertierende Kirchenfürsten säkularisiert werden durften. Im
Reichstag und im Reichshofrat waren die Katholiken immer noch in der Mehrheit,
wobei eine funktionale Regelung die Majorisierung der Protestanten verhinderte.
Nur das Reichskammergericht wurde paritätisch besetzt. Für Kaiser
Ferdinand III. waren zwei Regelungen besonders wichtig: Zum einen behielt
das kaiserliche Amt seine traditionelle Bindung an den Schutz der Kirche, wie
sie in einer der Krönungsfragen niedergelegt war. Zum anderen hing die
Mehrzahl der Kurfürsten dem römischen Bekenntnis an, was die
Katholizität des Amtes ebenso wie die Wahlchancen der Habsburger
stabilisierte.
5. Für die habsburgischen
Kaiser, die den Dreißigjährigen Krieg ohne eine Armee begonnen hatten
und auch ohne ein militärisches Gegengewicht gegen Frankreich und Schweden
beendeten, war das Ergebnis des Westfälischen Friedenskongresses zwar alles
andere als ein Sieg, aber nicht ganz so negativ, wie es bisweilen interpretiert
worden ist. Als Kaiser Ferdinand III. die Ratifikationsexemplare
unterschrieb, konnte er unter Abwägung aller Umstände die
Überzeugung hegen, "einen annehmbaren Frieden erreicht zu
haben". [37]