DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
Textbände > Bd. I: Politik, Religion, Recht und Gesellschaft |
ROBERT ORESKO und DAVID PARROTT Reichsitalien und der Dreißigjährige Krieg |
Italien als Schauplatz des
Dreißigjährigen Krieges wurde in der Forschung bisher durchweg
vernachlässigt. Viele wichtige Abhandlungen über diesen Krieg
beleuchten ihn von einem eher nationalen Standpunkt [1] aus, der eben
nur spezifische Perspektiven dieses Konfliktes - französische, deutsche,
schwedische, tschechische - behandeln konnte. Die italienische
Geschichtsschreibung jedoch läßt bis heute vergleichbare Studien zur
Rolle der italienischen Fürstentümer vermissen, obwohl diese einen
nicht unbedeutenden Teil des Heiligen Römischen Reiches ausmachten. Von
Aretin stellte ganz richtig fest: "Wer über Reichsitalien in der Neuzeit
schreibt, gräbt eine vergessene Geschichte aus." [2] Darüber
hinaus haben weitreichende und eher synthetisch angelegte Versuche, den
Dreißigjährigen Krieg zu erforschen, trotz ihrer unterschiedlichen
Ansätze das italienische Gebiet vernachlässigt. [3] Die
folgenden zwei Aufsätze versuchen, die Bedeutung des italienischen
Kriegsschauplatzes im weiten europäischen Kontext
herauszuarbeiten.
Die italienischen
Fürstentümer waren von Anfang an in den Dreißigjährige
Krieg involviert. Die Republik Venedig, das Großherzogtum der Toskana, die
Herzogtümer Savoyen und Mantua sowie der Heilige Stuhl reagierten schnell
auf die Krise von 1618-19. Das Herzogtum Mailand und das Königreich Neapel,
beide unter der Herrschaft der spanischen Linie des Hauses Habsburg, ebenso wie
kleinere abhängige Staaten, z.B. die Republik Genua, waren sofort in die
allgemeine habsburgische Politk verstrickt. Kleinere Fürstentümer wie
Modena, Parma, Guastalla und Carrara waren unvermeidlich in den Fortgang des
Konfliktes verwickelt. So wie im 16. und später im 18. Jahrhundert
entwickelten sich die Alpen und die oberitalienische Ebene zu besonders
wichtigen Kriegsschauplätzen.
Die Bedeutung
Italiens im Dreißigjährigen Krieg läßt sich grob in drei
Phasen teilen: die Veltlin-Krise wegen der Kontrolle über die
Alpenpässe, die 1620 begann und mit dem Frieden von Monzòn 1626
endete; der Mantuanische Erbfolgekrieg, der durch den Tod des Herzogs Vincenzo
II. von Gonzaga 1627 entzündet bis 1631 andauerte; und den formalen
Eintritt Frankreichs in den Krieg 1635, begleitet durch die Bürgerkriege in
den Ländern des Herzogs von Savoyen nach 1637. Während die Unruhen in
Savoyen 1642 zu einem Ende kamen, ging der Konflikt zwischen Frankreich, Spanien
und den italienischen Verbündeten weiter bis 1659, als der mediterrane Teil
des Dreißigjährigen Krieges durch den Pyrenäen-Frieden beendet
wurde.
Die Westfälischen
Friedensverträge definierten den rechtlichen und konstitutionellen Status
der christlichen Welt: die Vereinigten Provinzen und die helvetische
Konföderation wurden formal als vom Heiligen Römischen Reich
unabhängig anerkannt. Die Situation der italienischen
Fürstentümer war wegen des tief verwurzelten Rechtskonzepts
"Reichsitalien", zu dem ein Großteil der nördlichen Halbinsel
gehörte, und der Rolle der Reichsvikare [4] wesentlich
komplizierter. Es gab viele Reichsvikare nördlich und südlich der
Alpen, Fürsten, die das Recht besaßen, kaiserliche
Rechtsautorität ohne Rücksprache mit dem Hofkammergericht
auszuüben. Seit 1422 bestanden die Grafen bzw. seit 1436 Herzöge von
Savoyen auf ihrem Erbrecht, zu verhindern, daß "à tous les Sujets
du Duc des se pouvoir en appel par devant sa Majeste Impérial Sigismund,
des jugements rendus par le Duc ou par son conseil". [5] Jeder
Reichsvikar beanspruchte die endgültige Rechtsprechung ohne Berichtspflicht
in Fällen, die sich in den Gebieten ergaben, zu deren Vikar ihn das
Reichsgericht benannt hatte.
Der Versuch des
Hauses Savoyen, ein Monopol auf die Position des Reichsvikars für
Reichsitalien zu erhalten, wurde scharf kritisiert. Die eher relativ
unbedeutenden Marchesi di Finali erreichten einige Zugeständnisse für
ihre Länder, und die Gonzaga-Herzöge von Mantua stellten im 17.
Jahrhundert eine größere Herausforderung dar. [6] Die
Herzöge von Savoyen machten weiterhin ihre Rechte als "immerwährend" -
und daher erblich - geltend. Schon 1564, nur ein Jahr nach seiner Einsetzung in
Turin, sandte Emanuele Filiberto einen Boten nach Wien, um seine Kontrolle
über die kaiserlichen Lehen in solch bedeutsamen Bistümern wie Genua,
Grenoble, Macon, Genf, Nizza, Lausanne, Embrun (eine militärische
Schlüsselposition) und anderen zu sichern und auszudehnen, um den "servito
nelle cose d´Italia, di Franza et de Svizzani" des Kaisers zu
unterstützen. [7]
Wie grundlegend
ein Verständnis für die rechtliche Struktur Reichtsitaliens im
Zusammenhang mit dem italienischen Vorkommnissen des Dreißigjährigen
Krieges auch ist, es ist um so wichtiger, die praktischen politischen
Implikationen zu verstehen. Zum einen war es der Republik von Venedig, einer
Hauptmacht in Oberitalien, ohne daß sie sich selbst zu Reichsitalien
zählte, möglich, ihre Neutralität beizubehalten. Venedig bot sich
sogar an, als potentieller Schlichter in jedwedem Konflikt zu fungieren und
dabei militärischen Einsatz zu vermeiden, es sei denn der Gegner sei das
das Osmanische Reich. Die beiden großen dynastischen Erbfeinde, die
Häuser Savoyen und Gonzaga liefen, da sie ihre Mitgliedschaft zum Reich
immer wieder betonten, Gefahr, in die Konflikte zwischen der beiden Linien des
Hauses Habsburg und - auf europäischer Ebene - in die Konfrontation
zwischen den französischen Königen und dem Haus Habsburg, während
der Endphase des Dreißigjährigen Krieges hineingezogen zu werden.
En revanche zogen die Auseinandersetzungen innerhalb der Herzogtümer
Savoyen und Mantua oder zwischen ihnen unvermeidlich die Aufmerksamkeit der
größeren Mächte auf sich, provozierten ihre Verantwortung diesen
gegenüber als "Beschützer" und Vermittler und machten lokale
Auseinandersetzungen zu Fragen von gesamteuropäischer Bedeutung. Das
vertraute Bild von verfeindeten großen Höfen, die ihren Kampf
gegeneinander durch die Unterstützung gegnerischer Parteien in den
italienischen Fürstentümern führten, war kaum neu; es stellte
aber ein bedeutendes Strukturelement im 16. Jahrhundert dar und sollte im 18.
Jahrhundert im Kriegswesen und der Diplomatie als wichtiger Aspekt wieder
auftauchen. Die Bedeutung dieses Aspektes für die Auseinandersetzungen des
Dreißigjährigen Krieges wurde bislang nicht genug
berücksichtigt.
DAVID PARROTT Der Mantuanische Erbfolgestreit und der Dreißigjährige Krieg |
Die zweite Hälfte des
Dreißigjährigen Krieges war von einem traditionellen Konflikt
zwischen Frankreich und den beiden Zweigen des Hauses Habsburg gekennzeichnet,
in dem Frankreich an der Seite der wichtigsten protestantischen Mächte
kämpfte. Dieses starke Engagement Frankreichs im europäischen Konflikt
war jedoch in keinster Weise vorauszusehen. Der junge Ludwig XIII. (1610-1643)
unterstützte die rigorose Stärkung der katholischen Orthodoxie;
protestantischer Widerstand behinderte die königliche Autorität
entscheidend, und die Zerstörung der Unabhängigkeit, die sein Vater
den Hugenotten garantiert hatte, wurde zum Grundsatz seiner Politik. [1]
Der König zeigte keine Neigung, sich zugunsten der protestantischen Union
zu engagieren, nachdem der pfälzische Kurfürst Friedrich 1619 die
böhmische Königswürde angenommen hatte; und in der Tat war die
französische Diplomatie im Reich bestrebt, sicherzustellen, daß die
größten protestantischen Reichsstände der Union weder
Böhmen noch den pfälzischen Kurfürsten militärisch
unterstützten. [2]
Wie ist jedoch zu
erklären, daß der Dreißigjährige Krieg in erster Linie als
französischer Kampf gegen die Truppen der Habsburger ausgefochten wurde?
Eine wesentliche Rolle spielte die Tatsache, daß die drei großen
Herrscher Westeuropas im 17. Jahrhundert alte und konfliktträchtige
Interessen an der italienischen Halbinsel hatten. Seit dem 15. Jahrhundert
hatten mehrere Kaiser des Heiligen Römischen Reiches versucht, ihre Macht
als höchste Lehnsherren von Reichsitalien zu halten und zu erweitern; dies
gilt für jene großen Gebiete Nord- und Mittelitaliens, deren
jeweilige Fürsten die Oberhoheit des Kaisers anerkannten. Gegen Ende des
16. Jahrhunderts wurde Philipp II. von Spanien, der Herrscher über Mailand,
Neapel und Sizilien, im Hinblick auf den Einfluß in Italien zum
Hauptrivalen des Kaisers. Die dritte große, an Italien interessierte Macht
war Frankreich. Bemühungen Frankreichs, nach vier Jahrzehnten
Bürgerkrieg wieder eine starke Position in der italienischen Politik zu
erlangen, wurden seit der Regierungszeit Heinrichs IV. (1589-1610) deutlich.
Dieses Vermächtnis französischer Ambitionen in Italien wurde an Ludwig
XIII. weitergegeben. Alle drei Mächte waren zwischen 1620 und 1626 in einen
Kampf um die Kontrolle über die Alpen-Pässe im Veltlin verwickelt, die
die spanische Lombardei mit dem österreichischen Tirol verbanden. In den
Jahren 1619/20 nutzten die Spanier ihre militärische Verpflichtung
gegenüber dem Kaiser in Böhmen, indem sie das Veltlin okkupierten, was
sie mit der Verfolgung der katholischen Bevölkerung durch die
protestantischen Graubündener Herren - verbündet mit Frankreich -
erklären konnten. [3] Trotz mehrerer diplomatischer Versuche, die
sich anbahnenden Probleme zwischen Frankreich und Spanien zu lösen, hatte
sich die Situation bis zum Jahre 1623 so weit verschlechtert, daß die
Berater Ludwigs XIII. kaum mehr eine Chance zur Vermeidung des Krieges sahen.
Unter der Führung von La Vieuville und schließlich von Kardinal
Richelieu wurden die militärischen Vorbereitungen mit aller Macht
vorangetrieben. [4] Als jedoch gegen Ende des Jahres 1624 eine kleine
französische Armee ins Veltlin entsandt wurde, machten sich bei der
Durchführung des Feldzuges schnell logistische Probleme bemerkbar. Spanien
und die Österreicher, an deren Länder das Veltlin angrenzte,
würden an diesem Kriegsschauplatz jegliche französische Streitmacht
ohne Schwierigkeiten schlagen können. Dies vor Augen, fällten Ludwig
XIII. und sein premier ministre eine Entscheidung, deren Bedeutung sowohl
für die Entwicklung des Konflikts in Italien im Laufe der nächsten
Jahrzehnte als auch für den Verlauf des Dreißigjährigen Krieges
im weiteren Sinne schicksalhaft war. Sie schlugen vor, die spanischen Truppen
aus dem Veltlin zu locken, indem sie ihnen mit dem Verlust eines viel
bedeutenderen Teils des spanischen Gebiets drohten. Der Plan für das Jahr
1625 sah einen Angriff auf Spaniens Verbündeten in Norditalien, die
Republik Genua, vor, deren Hafen den Schlüssel für jegliche Verbindung
zwischen Spanien und Mailand darstellte.
Diese
Entscheidung, eine zweite Front zu eröffnen, hatte bedeutsame Folgen.
Erstens rückte Frankreich von einer nicht offiziell erklärten
kriegerischen Auseinandersetzung um das Veltlin, das - wie seit der
Regierungszeit Franz' I.
behauptet wurde - in französischem Einflußgebiet lag, ab; und es
begab sich auf einen Feldzug, der auf die Annexion und Spaltung eines
Hauptverbündeten Spaniens auf der italienischen Halbinsel abzielte. Der
Angriff auf Genua machte deutlich, daß Frankreichs bisherige
Neutralität beendet und der neue Ministerrat Ludwigs XIII. mit den
Kriegszielen der europäischen Feinde Habsburgs auf gleicher Linie war. Da
Frankreich zweitens nicht in der Lage war, auf eigene Faust eine Armee nach
Genua hinunterzuschicken, die die Stadt belagern und die Belagerung
anschließend halten sollte, mußte die Neutralität - oder besser
noch die offene Unterstützung - des Herzogs von Savoyen erreicht werden,
dessen Gebiet die französischen Truppen zu durchqueren hatten. Die Aussicht
auf beträchtliche territoriale Zugewinne auf Kosten der Republik Genua
bewog Herzog Karl Emanuel I. zu einem uneingeschränkten
Militärbündnis [5], und die vereinten Truppen begannen im
April 1625 mit der Belagerung der Hafenstadt. Damit überschritten erstmals
seit den 1550er Jahren französische Truppen als Bündnispartner
italienischer Fürsten die italienische
Grenze.
Dies ließ für Habsburg das
Schlimmste befürchten. Als eine Möglichkeit erwogen Spanien und der
Kaiser, einen weiteren Kriegsschauplatz zu eröffnen, indem Frankreich
entweder mit einem Einmarsch an der Ostgrenze oder über das spanische
Roussillon bedroht wurde. Hätte man sich für diese Option entschieden,
wäre Ludwig XIII. ein Jahrzehnt vor 1635 und dem tatsächlichen Beginn
der guerre ouverte in den großen europäischen Konflikt
hineingezogen worden. Jedenfalls erwies sich eine solche Kriegsausdehnung als
unnötig, da der Versuch, Genua zu belagern, zum Desaster wurde. Eine
spanische Hilfstruppe drängte die französischen und savoyischen
Truppen ins Piemont zurück, und die herzoglichen Ländereien waren
übertriebenen Forderungen und Plünderungen der spanischen Truppen
ausgesetzt, während die Situation im Veltlin für Frankreich nicht viel
besser aussah. [6] Angesichts der Tatsache, daß Richelieu als
premier ministre eingesetzt worden war um mit strenger Hand die Kontrolle
über das Veltlin auszuüben, hätte seine Stellung sicherlich ein
stärkeres militärisches Engagement Frankreichs in Italien beim
folgenden Feldzug (1626) erfordert. Diese gefährliche Strategie blieb ihm
aufgrund eines Hugenottenaufstandes innerhalb Frankreichs erspart. Während
sich Richelieu angesichts der Verschlechterung der militärischen Situation
in Italien ursprünglich dafür ausgesprochen hatte, daß die
opportunistische Hugenottenrevolte des Herzogs von Soubise in Kauf genommen
werden sollte [7], änderte er jetzt seine Meinung. Sein Ratschlag
lautete nun, daß Frankreich das Veltlin aufgeben solle, um der Bedrohung
durch die Hugenotten Herr zu werden. [8] Der mit Spanien im Mai 1626
geschlossene und in Monzón unterzeichnete Vertrag räumte den
Habsburgern in der Tat die volle Kontrolle über das Veltlin ein und
markierte Frankreichs gegenwärtigen Verzicht auf Versuche, seinen
Einfluß in Italien geltend zu machen. Die weitreichendste Folge des
Vertrags für die französischen Ambitionen bestand darin, daß er
hinter dem Rücken des Verbündeten, des Herzogs von Savoyen
ausgehandelt worden war, der immer noch - ohne französische Hilfe - gegen
die von Spanien unterstützte genuesische Republik kämpfte. Die durch
den "Verrat" von Monzón hervorgerufenen Feindseligkeiten auf savoyischer Seite wurden zum entscheidenden Faktor in der folgenden großen Militärkrise in
Italien - im Mantuanischen
Erbfolgekrieg. [9]
Einige Historiker, die
sich mit dem Spanien des 17. Jahrhunderts beschäftigen, betrachten die
Mantuanische Erbfolgekrise von 1628-31 als den Wendepunkt für das Schicksal
der spanischen Monarchie und als entscheidendes Moment im Verlauf des
Dreißigjährigen Krieges. [10] Bis zu diesem Zeitpunkt
schienen die Bemühungen
Olivares',
die militärischen Ressourcen Spaniens zu reformieren und einer
einheitlichen Strategie zu unterwerfen, und das gemeinsame Angebot der beiden
Habsburger Linien, die Hegemonie in Europa wiederherzustellen, kurz vor dem
erfolgreichen Abschluß. In diesem Zusammenhang wurde
Olivares' Entscheidung aus dem Jahre 1628, in die Mantuanische Erbfolge einzugreifen, als
ein Akt bloßer Hybris angesehen, als ein Akt der unbeugsamen
Entschlossenheit Spaniens, keiner wie auch immer gearteten Macht in Europa zu
erlauben, in Italien Fuß zu fassen. [11] Selbst Historiker, die
vielschichtigere Motive aufdeckten und annehmen, daß Philipp IV. und
Olivares die langfristige Bedrohung, die von Frankreich auf das habsburgische
Italien ausging, erkannten und den Mantuakrieg als eine Gelegenheit ansahen,
einen Präventivschlag auszuführen, interpretieren diese Motive immer
noch in einem in erster Linie
"europäischen" Kontext. [12]
Aber die Kräfte, die
wirklich im Hintergrund der Mantua-Kriese wirkten, zeigen, daß interne
italienische Angelegenheiten entscheidenden Einfluß hatten. Das Paradox
des Mantuanischen Erbfolgekrieges bestand darin, daß Frankreich, Spanien
und der Kaiser 1628 einen Konflikt in Norditalien zu vermeiden suchten; sie alle
waren anderweitig in militärische Angelegenheiten verwickelt. [13]
Hineingezogen wurden sie, da sich die wichtigsten italienischen
Fürstentümer weigerten, Kompromisse zu schließen, und letztlich
außenstehende Mächte um Unterstützung baten. Die
europäischen Hauptmächte, die ein Eingreifen ablehnten,
fürchteten mehr noch, daß der Streit ausgerechnet durch die
Intervention eines Staates geschlichtet werden könnte, der selbst seinen
Einfluß in Italien auszubauen bestrebt war. Nachdem alle drei Mächte
involviert waren, änderte der daraus resultierende Krieg in Norditalien den
Charakter des gesamteuropäischen Konflikts grundlegend und führte 1635
unvermeidlich zum uneingeschränkten
Krieg.
Mit dem Tode Vinzenz Gonzagas II. im
Dezember 1627 erlosch die männliche Hauptlinie der Gonzaga von Mantua. Die
Gonzaga hatten jedoch im 15. und 16. Jahrhundert ausgeklügelte Systeme von
Teilerbschaften entwickelt. [14] Auf diese Weise entstand eine
beträchtliche Anzahl von Gonzaga-Nebenlinien, und das Haupterbe mußte
an eine oder mehrere Nebenlinien gehen. [15] Darin lag die Wurzel des
Erbkonflikts begründet.
Im Hinblick auf seine
verwandtschaftliche Nähe zum letzten mantuanischen Herzog, hatte Karl von
Gonzaga-Nevers den berechtigtsten Anspruch auf das Herzogtum. Karl gehörte
einem Familienzweig an, der sich in den 1560er Jahren am französischen Hof
etabliert hatte, dem eine spektakuläre Heirat in das deutsche
Fürstenhaus der Kleve gelungen war und der auf diese Weise eine Anzahl von
kleinen, unabhängigen souveränen Territorien geerbt hatte,
während er gleichzeitig die französischen Herzogtümer von Nevers
und Rethel als Lehen von der französischen Krone erwarb. [16] Aus
der Perspektive von Kommentatoren, die Nevers und seinem Anspruch auf Mantua
feindlich gegenüberstanden, machten ihn diese Herzogtümer und ihre
Einnahmen zu einer Schachfigur des Königs von Frankreich. Dies war jedoch
nicht der Fall; er war ein selbständig denkender und selbstbewußter
souveräner Fürst, dessen Motto
"nec
retrogradior nec
devio"
seine Unnachgiebigkeit bei der Verteidigung seiner eigenen Interessen und seines
souveränen Status
formuliert. [17]
Das grundlegende Problem
bestand nicht in der vermuteten Verbundenheit Karl von
Nevers' gegenüber französischen Interessen in Italien, sondern in seiner
Abneigung, dynastische Konventionen zu akzeptieren, die stillschweigend
zuließen, daß Nebenlinien unter gewissen Voraussetzungen berechtigte
Erbansprüche geltend machen konnten. Hätte Vinzenz II. einen Sohn
gehabt, dann hätte dieser in direkter männlicher Linie das Herzogtum
ohne ernstzunehmenden Anspruch einer Nebenlinie geerbt, als aber die Erbschaft
nicht mehr in direkter Linie weitergegeben werden konnte, hatte sich die
Situation völlig geändert. Nun stand zu erwarten, daß ein
Abkommen ausgehandelt würde, durch das auch andere Antragsteller, die der
Hauptlinie weniger nahestanden als Karl von Nevers, gleichwohl territorial oder
finanziell für ihre Ansprüche ausbezahlt würden, die sie auf
Teile des Territoriums erhoben. Innerhalb des Herzogtums Mantua war der
Haupterbberechtigte nach Karl von Nevers der Gonzaga-Herzog von Guastalla, der
sich mit der nun ausgestorbenen Gonzaga-Hauptlinie in einem älteren Streit
um zwei Territorien, die an Guastalla angrenzten, befand und diesen Anspruch von
Karl anerkannt sehen wollte. Wichtiger jedoch waren die Anspüche, die ein
Außenseiter, der Herzog von Savoyen, auf Teile des anderen
Gonzaga-Herzogtums, Montferrat, anmeldete. Eine der Besonderheiten des
Herzogtums von Montferrat lag darin, daß es über die weibliche Linie
vererbt werden konnte. Das Gebiet hatten bereits mehrere Herzöge von
Savoyen begehrt, die mit den vorherigen Herrschern des marquisat eine
Anzahl von Absprachen getroffen hatten, die niemals realisiert worden waren; in
Turin nahm man es sehr übel, daß nach dem Tode des letzten Marquis
von Montferrat 1533 die Gonzaga die Erbschaft angetreten hatten, indem sie die
letzte Erbin der Linie heirateten. [18] Im Jahre 1612 erhielten die
Forderungen des Hauses Savoyen durch einen dynastischen Zufall ein noch
größeres Gewicht. Vier Jahre zuvor war durch eine Heirat eine
Verbindung zwischen dem ältesten der drei Söhne des Herzogs Vinzenz I.
von Mantua mit der Tochter Karl Emanuels von Savoyen eine Verbindung entstanden.
Eine Kind aus dieser Ehe, Prinzession Maria, überlebte das Kindesalter und
erreichte entscheidende Bedeutung, als Vinzenz I. 1612 starb, dem einen Monat
später sein ältester Sohn folgte. Während der Erbe des Herzogtums
von Mantua unbestritten Vinzenz' zweiter Sohn, Ferdinand Gonzaga, war, stellte
sich zumindest juristisch die Frage, ob nicht Montferrat als feudo
feminino an Prinzessin Maria, die direkte Erbin des letzten regierenden
Herzogs, gehen sollte. [19] Der Herzog von Savoyen erkannte, daß
die Regentschaft der jungen Prinzessin, gefolgt von ihrer Heirat in das Haus
Savoyen, den höchstmöglichen Anspruch auf Montferrat bot, und er
suchte alles in seiner Macht Stehende zu tun, bis hin zur Kriegserklärung
an die Gonzaga, um sich ihrer zu bemächtigen; die Folge war eine Reihe
savoyischer Angriffe auf das Montferrat. Alle drei an Italien interessierten
Hauptmächte wurden in diese Auseinandersetzung hineingezogen - in den
ersten Mantuanischen Erbfolgekrieg (1613-1615) -, aber aus jeweils speziellen
unterschiedlichen Gründen hatte keine der drei Parteien ein Interesse
daran, daß die Gonzaga durch den Herzog von Savoyen das Montferrat
verlieren sollten. [20] In seinen territorialen Ansprüchen
enttäuscht und unfähig, Prinzessin Maria Gonzaga zu gewinnen, gelang
es Karl Emanuel zumindest, die Zusage zu erreichen, daß Maria nicht ohne
ausdrückliche Erlaubnis des Kaisers und ohne Rücksprache mit den
jeweiligen Parteien verheiratet werden
durfte. [21]
Bald wurde jedoch klar,
daß sich dem Herzog von Savoyen in jedem Fall bald eine andere Gelegenheit
bieten würde, seine Ansprüche auf das Montferrat geltend zu machen.
Weder Ferdinand noch sein jüngerer Bruder Vinzenz hatten vor ihrem Tod 1626
respektive 1627 legitime männliche Erben, so daß bei Vinzenz' Tod
Karl von Nevers seine Erbansprüche geltend machte. Aber diese beiden
Todesfälle trieben auch die Ambitionen des Herzogs von Savoyen auf die
Spitze, der seine lang erwarteten Ausgleichsansprüche auf das Herzogtum
Montferrat geltend machte. Fast alle interessierten Parteien,
einschließlich der Gesandten von Frankreich und Spanien, rieten, daß
Karl von Nevers angesichts der Savoyer, der Guastalla und anderer kleinerer
Thronanwärter einen Kompromiß eingehen sollte. [22] Nevers
jedoch scheint, zusammen mit einer Gruppe von Anhängern in Mantua, die
Ansicht vertreten zu haben, daß er Mantua und das Montferrat ohne
Einschränkung geerbt habe, und war nicht bereit, einen wie auch immer
gearteten Kompromiß bezüglich seiner legitimen
"Rechte"
zu akzeptieren. Die hieraus resultierende Krise brachte die größeren
Mächte Frankreich, Spanien und den Kaiser in eine extrem kritische
Situation. Obgleich Nevers nie ein guter Untertan des französischen
Königs gewesen war, rechnete er doch damit, daß seine
Unnachgiebigkeit gegenüber den rivalisierenden Erbansprüchen
letztendlich französische Unterstützung erfahren würde. Die
Tatsache, daß Nevers das Herzogtum Montferrat, das von Frankreich aus
durch Savoyen oder Piemont leicht erreichbar war, unter seiner Kontrolle hatte,
wirkte zweifelsohne attraktiv auf französische Politiker. Der
Schlüssel zum Montferrat war die Festung und befestigte Stadt Casale, eines
der größten und beeindruckendsten Befestigungssysteme in Norditalien.
Wenn es Frankreich auf längere Sicht gelänge, Nevers Casale zu
entreißen, hätte es damit ein zentrales "Tor" nach Italien erlangt,
einen Weg, der künftige militärische Eingriffe auf der Halbinsel
erleichtern würde.
Aber es gab noch andere
Gründe, durch die
Nevers' Unnachgiebigkeit in weniger günstigem Licht erschien. Bei seinem Versuch,
nach dem Debakel im Veltlin wieder grundlegenden Rückhalt in Frankreich zu
erlangen, war Richelieu unverzüglich eine Allianz mit den
dévots eingegangen, deren erstes Ziel lautete, den hugenottischen
"Staat im Staate"
endgültig zu zerstören. Im Jahr 1628 konzentrierte sich die
königliche Armee ganz auf die sich hinziehende Belagerung von La Rochelle.
Es blieben keine militärischen Ressourcen für ein italienisches
Abenteuer, und Richelieu war sich vollkommen darüber im klaren, daß
sein Überleben als Minister nun von einem sicheren Sieg bei La Rochelle
abhing, wann auch immer er sich einstellte. Und selbst wenn Frankreich
tatsächlich über zusätzliche Streitkräfte verfügt
hätte, so bleibt fraglich, ob Ludwig und Richelieu es für
opportun gehalten hätten, den kompromißlosen Erbfolgeanspruch Karl
von Nevers' zu unterstützen. Einen viel langfristigeren und wichtigeren Grundstein
französischer Politik in Italien bedeutete eine funktionsfähige
Allianz mit dem Herzog von Savoyen. Der Vertrag von Monzón von 1626 hatte
den französisch-savoyischen Beziehungen empfindlich geschadet, und es war
notwendig, daß Frankreich sein Engagement gegenüber den festen
Verbündeten deutlich zeigte, wenn die Beziehungen wiederhergestellt werden
sollten. Die naheliegendste Möglichkeit, eine Annäherung an den Herzog
von Savoyen zu erreichen, lag darin, Karl von Nevers davon zu überzeugen,
sich hinsichtlich des Erbes von Montferrat kompromißfähig zu zeigen
und die umstrittenen Gebiete des Herzogtums an der Grenze zum Piemont Karl
Emanuel zu überlassen. Wenn also Nevers dazu bewegt werden konnte, aufgrund
französischen diplomatischen Drucks mit Savoyen zu verhandeln, bestand
darin eine Möglichkeit für neuerliche gute Beziehungen zwischen
Frankreich und Savoyen. Zu Frankreichs Unglück war Nevers schlichtweg nicht
bereit, auf französische Interessen einzugehen. Trotz der Schmeicheleien
französischer Gesandter weigerte sich Nevers, mit Savoyen oder jeglichen
anderen Partnern über die Erbfolge zu verhandeln. Und als diese
Schmeichelworte zu Beginn des Jahres 1628 endgültig ihre Wirkung verfehlt
hatten, wurde klar, daß Frankreich nicht über die notwendigen
Streitkräfte verfügte, die die Erbfolge auf gewaltsamem Wege
hätten regeln können. Der Herzog von Savoyen sah sich aufgrund dieser
offenkundigen französischen Schwäche gezwungen, andere Optionen in
Betracht zu ziehen. Unmittelbar nach Vincenzos Tod erreichte die Nachricht
Turin, daß Karls Parteigänger in Mantua eine Heirat zwischen dessen
Sohn, dem Herzog von Rethel, und Prinzessin Maria, wohl der legitimen Erbin des
Montferrat, durchgesetzt hatten. Der schwächste Punkt in Karls
(Rechts-)anspruch auf die Nachfolge schien damit geregelt, wenn auch um den
Preis, daß eine Reihe internationaler Absprachen bezüglich vorheriger
Beratung und kaiserlicher Zustimmung zur Heirat Marias mißachtet wurden.
Karl Emanuel sah darin einen weiteren ärgerlichen Beweis, daß Karl
von Nevers beabsichtigte, die savoyischen Ansprüche auf Montferrat zu
ignorieren. [23] Militärisch gesehen, war Piemont-Savoyen deutlich
stärker als die Gonzaga-Herzogtümer, aber falls Karl Emanuel zu einem
Präventivschlag gegen Montferrat ansetzen sollte, würde er sicherlich
die Feindseligkeiten der Spanier in Mailand zu spüren bekommen. Die
Aussicht auf eine Annektion Montferrats bis hin zur mailändischen Grenze
durch den Herzog von Savoyen, der in der Vergangenheit immer zu Allianzen mit
Frankreich tendiert hatte, konnte von Philipp IV. und Olivares nicht akzeptiert
werden. Die Spanier wünschten genauso wie die Franzosen eine friedliche
Lösung, der zufolge Nevers und Karl Emanuel ihre Differenzen ohne die
Intervention einer anderen europäischen Macht beilegen sollten. Falls dies
aber nicht möglich sein sollte, waren die Spanier nicht bereit, sich
diplomatisch und militärisch einzusetzen, um Karl Emanuel von seinen
Ansprüchen auf Montferrat abzuhalten, nur um zu garantieren, daß das
gesamte, strategisch wichtige Herzogtum im Besitz von Karl von Nevers verblieb.
In Anbetracht seiner Lehenspflichten war es nämlich wahrscheinlicher,
daß dieser sich eher prospanisch
verhielt.
Nevers' Unnachgiebigkeit ließ den Spaniern also kaum eine andere Wahl, als direkt mit dem Herzog von Savoyen zu verhandeln, und bis März 1628 waren Karl
Emanuel und Gonzalo de Córdoba, der spanische Gouverneur in Mailand,
darin übereingekommen, wie Montferrat aufzuteilen sei: Savoyen sollten die
umstrittenen Grenzgebiete und Spanien Casale zufallen. [24] Philipp IV.
und Olivares waren weder bereit, Savoyen die Übernahme Montferrats im
Alleingang zuzugestehen, noch die Beendigung des Konflikts durch diplomatisches
Vorgehen von französischer Seite zu akzeptieren; der Teilungsvertrag
erschien also als die akzeptabelste Option. Spanien hatte wenig oder kein
Interesse an den Ereignissen, die sich im Hauptherzogtum Mantua abspielten;
dessen strategische Bedeutung war deutlich geringer als die Montferrats, und
seine Anfälligkeit für Druck von spanischer Seite so viel
größer, daß niemand, der nur Mantua besaß, eine Bedrohung
für die spanische Sicherheit darstellen konnte. Der Herzog von Guastalla,
der am lautesten Anspruch auf teile des Herzogtums Mantua erhob, war jedoch
nicht weniger von der unnachgiebigen Haltung Nevers' enttäuscht.
Während Savoyen Frankreich gegen Spanien ausspielte, um seine Ziele in
Montferrat zu erreichen, wandte sich Ferrante II. Gonzaga, Herzog von Guastalla,
wegen der umstrittenen Gonzaga-Gebiete innerhalb des Herzogtums Mantua an den
Kaiser. Als kaiserlicher Generalkommissar in Norditalien hatte Ferrante gute
Beziehungen zum Wiener Hof und zum kaiserlichen Geheimen Rat. [25] Der
Kaiser, der mit dem katholischen
"Kreuzzug"
beschäftigt war, der Wallensteins Armee an die Ostsee führte, hatte
kein Interesse daran, in den Disput zwischen den italienischen Fürsten
hineingezogen zu werden. Durch den Druck Guastallas und seiner Verbündeten
sowie der unverhohlenen Mißachtung der kaiserlichen Jurisdiktion von
seiten Nevers' wurde der Kaiser jedoch gezwungen, sich einzumischen. [26] Indem er die
Erbregelung der Herzogtümer als vom kaiserlichen Schiedsspruch
abhängig erklärte, forderte der Kaiser, daß Nevers seine
Territorien in die Hände eines kaiserlichen Verwalters legen
solle.
Nevers weigerte sich, das Urteil der
Zwangsverwaltung zu akzeptieren und zog Truppen aus seinen
Fürstentümern und französischen Herzogtümern zusammen, um
einen Ablenkungsangriff auf die savoyischen und spanischen Truppen in Montferrat
zu starten, und brachte auf diese Weise einen allgemeinen Konflikt in
Norditalien näher. Sein eigenes militärisches Vorhaben schlug fehl,
aber seine Mißachtung der kaiserlichen Autorität sowie seine
Bereitschaft, sich der Besetzung des Montferrat mit Gewalt entgegenzustellen,
eröffneten den Blick auf die Möglichkeit, daß er letztendlich
vollkommen von seinen Territorien abgeschnitten sein könnte, wovon eine
habsburgisch-savoyische Allianz profitieren würde. [27] Obwohl
Frankreich handlungsunfähig blieb, solange die Belagerung La Rochelles
nicht beendet war, begann Richelieu, Pläne für einen eventuellen
schnellen Militärschlag im Montferrat zu schmieden, die Belagerung von
Casale aufzuheben und den Herzog von Savoyen zurückzudrängen - nicht,
um ihn aus dem Montferrat herauszudrängen, aber um seine territorialen
Zugewinne wieder auf das zu beschränken, was er vor dem Teilungsvertrag
beansprucht hatte - eine Lösung, die in dieser Form von Frankreich
unterstützt würde, nicht jedoch von
Spanien. [28]
Im März 1629 wurde
dieser Plan realisiert, und das zweite Mal während Richelieus Regentschaft
fielen französische Truppen in Italien ein. Die Intervention brachte einen
kurzzeitigen Erfolg. Der Herzog von Savoyen war gezwungen, sein
Militärbündnis mit Spanien zu lösen und unter der Bedingung,
für seine Ansprüche auf das Montferrat Unterstützung zu erhalten,
zu einer französischen Allianz zurückzukehren. [29] Die
Spanier wurden aus dem belagerten Casale zurückgedrängt, und die
Festung wurde mit einer französischen Garnison belegt. Während die
Franzosen die restlichen Truppen bald abzogen, um den Kampf gegen die Hugenotten
wieder aufzunehmen, sahen sich die habsburgischen Mächte gezwungen,
aufgrund dieser direkten französischen Intervention ihre eigenen
militärischen Prioritäten neu zu überdenken. Insbesondere Spanien
war in Anbetracht eines zwischen Savoyen und Nevers geteilten Montferrat -
Savoyen und Nevers waren nun beide mit dem König von Frankreich
verbündet - und einer französischen Garnison in der
Schlüsselfestung Casale tief besorgt. Aus diesem Grund entschieden Olivares
und Philipp IV., ihren Einsatz zu erhöhen und eine weitere Belagerung
Casales durchzuführen, um die französischen Truppen zu vertreiben, und
die Rückgewinnung Savoyens für eine spanische Allianz zu
versuchen. [30] Darüber hinaus war Spanien nun bestrebt, sich
gänzlich von Nevers zu befreien, und der spanische Gesandte in Wien nahm
Kontakt mit der Partei Guastallas auf, um Strafsanktionen gegen Nevers
einzufordern, weil dieser sich dem Edikt der Zwangsverwaltung widersetzt hatte.
Obwohl er zögerte, Nevers mit dem kaiserlichen Bann zu belegen, wurde der
Kaiser überredet, Truppen bereitzustellen, die das Fürstentum Mantua
besetzen sollten, während die Entscheidungen über die
Erbansprüche noch
anstanden. [31]
Für den
französischen König war die Situation in Italien nun peinlich. Hatte
er zunächst gehofft, mit einem überraschenden Angriff auf Montferrat
dem französischen Interesse in Italien zu dienen, erforderte die
Verteidigung der Position Frankreichs nun die Bereitschaft, der Stärke der
spanischen und kaiserlichen Truppen zu entsprechen, die nach Montferrat und
Mantua einmarschierten. Die Bereitschaft Savoyens, zu einer Allianz mit Spanien
zurückzukehren, drohte Frankreich um allen Einfluß in Italien zu
bringen, wenn es nicht auf diese Herausforderung reagierte. Richelieu machte
sich keine Illusionen darüber, daß Frankreich im Fall eines Kampfes
militärisch im Nachteil wäre. [32] Die strategischen Probleme,
die sich aus der Unterstützung für das Fürstentum Mantua ergaben,
überstiegen sogar die Schwierigkeit, Truppen in das Veltlin zu bringen:
Frankreich mußte zusehen, wie die Stadt Mantua im Juni 1630 belagert und
geplündert wurde. Im Montferrat bereiteten sich spanische Truppen auf eine
lange Belagerung Casales vor, und jegliche Ablösetruppe mußte mit
einem erbitterten Kampf rechnen. Das Beste, was Frankreich erreichen konnte, war
die Einschüchterung des Herzogs von Savoyen durch die militärische
Besetzung seines Herzogtums an der Grenze zur Dauphiné und die
zehntägige Belagerung und Eroberung der savoyischen
"Super-Festung"
Pinerolo. [33] Eher noch als Casale wurde diese Festung als Einfallstor
für zukünftige französische Interventionen in Italien angesehen.
Es wurde schnell klar, daß Frankreich Pinerolo als Hauptgewinn des
Konflikts ansah und viel eher zu Konzessionen auf Kosten seines einstigen
Verbündeten Karl von Nevers bereit war, als diese Festung dem Herzog von
Savoyen zurückzugeben. Darüber hinaus sah die Situation für
Frankreich schlecht aus. Als Mantua gefallen und Norditalien von spanischen und
kaiserlichen Truppen überrannt war, bestand wenig Hoffnung, daß es
Frankreich gelingen würde, Casale erfolgreich zu befreien. Aber ebenso wie
die italienischen Ereignisse den größeren europäischen Konflikt
beeinflußten, änderten in diesem Fall militärische und
politische Ereignisse außerhalb Italiens den scheinbar unvermeidlichen
Ausgang des Kampfes in Montferrat. Weder Spanien noch der Kaiser konnten sich
einen längeren militärischen Feldzug in Italien leisten. Das spanische
Engagement in Montferrat wurde begleitet von einer beunruhigenden
Verschlechterung der militärischen Position Spaniens in den
Niederlanden. [34] Die Ankunft einer kleinen Armee unter König
Gustav Adolf in den späten 1630er Jahren in Pommern und die Errichtung
eines militärischen und politischen Stützpunktes der Schweden in
Norddeutschland stellte für den Kaiser eine ernstzunehmende Bedrohung dar,
zu deren Bekämpfung ihm nun die nötigen Streitkräfte
fehlten. [35] Aufgrund des Paktes mit Spanien befand sich der
Großteil der kaiserlichen Veteranentruppen nun in Italien. Der Kaiser
hatte die Notwendigkeit erkannt, in Italien wieder seine kaiserliche
Autorität herzustellen, aber die Beteiligung an einem längeren Krieg
in Norditalien akzeptierte er nicht. Nun wollte er seine Truppen außerhalb
der Landesgrenzen einsetzen, um einen Feldzug im Norden durchzuführen, und,
falls Spanien einem allgemeinen und sofortigen Friedensschluß nicht
zustimmen sollte, würde er seine Truppen einseitig zurückziehen und
damit Spanien im Kampf gegen Frankreich allein
lassen.
Die Zeit war auf Richelieus Seite, und als
sich die kaiserliche Position bezüglich des Truppenrückzugs
verhärtete, verzichteten Olivares und Philipp IV. auf eine Ausweitung des
Krieges in Norditalien. Es war alles andere als klar, ob Frankreich den
entscheidenden Sieg hätte davontragen können, aber bis Oktober 1630
war die Bereitschaft der spanischen Krone zu einer Fortsetzung des Kampfes
verflogen, und es begannen Friedensverhandlungen, die in die zwei Verträge
von Cherasco im April und Juni 1631
mündeten. [36]
Obwohl der Vertrag von
Cherasco als das Ende der "italienischen Episode"
des Dreißigjährigen Kriegs angesehen wurde, stellte er zum Zeitpunkt
der Unterzeichnung weder eine Dauerlösung zu irgendeinem der Konflikte im
Zusammenhang mit der Mantuanischen Erbfolge dar, noch wurde durch ihn ein
"Gleichgewicht der Kräfte" zwischen den an Italien interessierten Hauptmächten erzielt. Der Vertrag
zwang den Kaiser, das Karl von Nevers auferlegte Edikt der Zwangsverwaltung
zurückzuziehen, und schadete der kaiserlichen Autorität in
Reichsitalien, da nun das kaiserliche Recht, in Erbfolgestreitigkeiten zu
vermitteln, aufgehoben war. Karl von Nevers stellte sich jedoch
gleichermaßen und erbittert dem ausgehandelten Vertrag entgegen, der nicht
nur den umstrittenen Teil Montferrats dem Herzog von Savoyen zuerkannte, sondern
auch das strittige Gebiet im Herzogtum Mantua dem Herzog von
Guastalla. [37] Die beiden Herzöge von Savoyen und Nevers zahlten
nun den Preis dafür, daß sie sich militärisch auf Frankreich
eingelassen hatten, sei es als Gegner oder als Verbündete. Obwohl die
Absprachen von Cherasco die Räumung der besetzten Gebiete durch Spanien und
Frankreich verlangten, hegten die Franzosen nicht die geringste Absicht, die
Schlüsselfestungen Pinerolo und Casale
aufzugeben.
Vielmehr benutzte Frankreich diese
Stützpunkte, nachdem es sie erobert hatte, zur Stärkung und
Erweiterung des eigenen Einflusses auf der Halbinsel. Aus diesem Grunde war der
italienische Kriegsschauplatz in den frühen 1630er Jahren geprägt von
beträchtlicher diplomatischer Aktivität, verschiedenen Allianzen und
Militärmanövern, die auf eine mögliche Wiederaufnahme des
Konflikts vorbereiten sollten. Der neue Fürst von Savoyen, Vittorio Amedeo
I., war der Ansicht, daß die Chancen auf eine Rückeroberung Pinerolos
und eine Stärkung seiner Ansprüche auf den Rest des Montferrat am
besten durch ein enges Bündnis mit den Franzosen durchzusetzen waren.
Andererseits waren Karl von Nevers und seine Nachfolger erschöpft von der
Belagerung Casales und sahen die Zukunft der mantuanischen Territorien in einer
erneuten Allianz mit dem Kaiser. An Frankreichs künftigen
Interventionsabsichten bezüglich Norditaliens bestanden kaum Zweifel. Es
stand ebenfalls fest, daß die Habsburger nur darauf warteten, die
Franzosen von der Halbinsel zu verdrängen, sobald sich die Gelegenheit
bot.
Aber die Auswirkungen der Mantuanischen
Erbfolgekrise reichten über Italien hinaus. Indem Richelieu trotz einer
erwarteten Niederlage den Sieg davontrug, hatte sich seine Glaubwürdigkeit
gegenüber Ludwig XIII. verbessert und sich seine Politik einzelner
gezielter Herausforderungen der Habsburgischen Macht als bewährt. Es war
davon auszugehen, daß eine Politik nun fortgesetzt würde, die es
Frankreich erlaubte, seine Kontrolle über die Gebiete jenseits seiner
Grenzen zu verstärken und gleichzeitig zur Unterwanderung der
Autorität und des militärischen Rufes Habsburgs beizutragen. Richelieu
war es offensichtlich gelungen, eine via media zwischen internationaler
katholischer Beschwichtigungspolitik und totaler Eingebundenheit in den
europäischen Krieg zu finden. Genauso wie Richelieu darum bemüht war,
Frankreichs vorteilhafte Position in Italien zu festigen, verfolgte er eine
Reihe von militärischen Aktionen und territorialen Besetzungen an
Frankreichs Ostgrenzen weiter. Nach Cherasco blieb er zuversichtlich, daß
ungeachtet der Provokationen, die von solchen französischen
Aktivitäten ausgingen, die Habsburger es nicht wagen würden, sich
Frankreich durch eine offizielle Kriegserklärung zum offenen Feind zu
machen. [38] Während jedoch Richelieus Spiel mit dem Feuer
Frankreich zu beträchtlichen Erfolgen bei der Ausdehnung der Grenzen sowie
bei der Unterbrechung der Verbindungslinien entlang des Rheins - gegen geringen
Widerstand - führte, brachte diese Politik in ihrer Gesamtwirkung die
Konfrontation unaufhaltsam näher. Als am 6. September 1634
österreichische und spanische Truppen gemeinsam und unerwartet die
schwedische und deutsche protestantische Hauptmacht bei Nördlingen
vernichteten, war dies der Anfang eines offen geführten Krieges. Die
Habsburger fühlten sich nun stark genug, das territoriale und politische
Vorrücken Frankreichs der vergangenen vier Jahre herauszufordern, sei es in
Norditalien oder im Rheinland. Ludwig XIII. und Richelieu sahen sich einer neuen
Situation gegenüber, in der der Krieg nur durch eine völlige
Kapitulation Frankreichs und damit der Aufgabe der jüngsten
Errungenschaften hätte verhindert werden
können.
Die Krise der Mantuanischen Erbfolge,
die einen Krieg in Norditalien beschleunigt hatte, der von keiner der
größeren europäischen Mächte gewollt war, hatte ebenfalls
zu einem größeren und längeren Krieg beigetragen, den diese
Mächte ebensowenig wollten. Im wahrsten Sinne des Wortes ebnete das
Ergebnis des Mantuanischen Erbfolgekrieges den Weg für diesen allgemeinen
europäischen Konflikt zwischen den Habsburgern und Frankreich und formte
damit entscheidend das Wesen des Dreißigjährigen Krieges
mit.