DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
Textbände > Bd. I: Politik, Religion, Recht und Gesellschaft |
JEAN MEYER Der andere Dreißigjährige Krieg oder Von der Natur des Krieges Frankreich im Dreißigjährigen Krieg |
Der Dreißigjährige Krieg war
nicht nur Höhe- und Endpunkt des nicht enden wollenden holländischen
Unabhängigkeitskrieges, sondern auch eine Art "Malstrom" im Herzen von
Europa. Für gewöhnlich aber verdeckt er das stumme, harte und
heimtückische, "friedliche" Ringen, welches die Länder Nordwesteuropas
zu Rivalen um die Beherrschung der großen Handelsadern zwischen Nord- und
Südeuropa machte. Die Konkurrenz um die Märkte konnte dabei leicht in
offene Seekriege übergehen, da wirtschaftliche Vorherrschaft in der Regel
mit militärischer Herrschaft einherging. Im Zentrum der europäischen
Wirtschaft aber befindet sich der französische
Markt.
Der Westfälische Friede ist in diesem
Kontext nur ein sehr begrenzter Friedensvertrag, da er sich vor allem auf
Kontinentaleuropa bezieht, das Heilige Römische Reich und den Süden
der Ostsee umfaßt. Der Konflikt zwischen der Krone Frankreich und dem Haus
Habsburg dagegen, fortgeführt als französisch-spanischer Krieg, endete
erst elf Jahre später mit dem Pyrenäenfrieden (1659). Zur gleichen
Zeit wurde im Ostseeraum erneut gekämpft - mit massiver Einflußnahme
der an einem ungehinderten Sundzugang interessierten niederländischen
Republik, die im dänisch-schwedischen Krieg (1643-1645) Schweden
unterstützte, in der folgenden Auseinandersetzung dieser beiden Staaten
(1657-1660) dagegen Dänemark. Die entscheidenden Kämpfe aber waren die
drei englisch-holländischen Kriege (1652-1654, 1665-1667, 1672-1674). Denn
diese waren keine Unabhängigkeitskriege mehr, sondern weitestgehend
Handelskriege, die sich auf die Gesamtheit der europäischen Märkte
auswirkten.
Die französische Wirtschaft
und der Dreißigjährige
Krieg
Während der Kriege mit England ist
Frankreich das entscheidende Glied in der Kette des holländischen
Konvoi-Systems. So finden die zwei großen Schlachten der ersten
englisch-holländischen Auseinandersetzung 1652/53 auf dem Ärmelkanal
statt. Dort verteidigt der niederländische Admiral Tromp zunächst
einen "Ausfahrts"-Konvoi mit Ziel La Rochelle und später die
zurückkehrenden 150 Segelschiffe - was nicht gerade wenig ist -, die sich
in La Rochelle gesammelt hatten. [1] Somit stellt sich indirekt die
Frage nach den Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges und folglich
des Westfälischen Friedens auf die französische Wirtschaft.
Gewöhnlich beschreibt man nur die auffälligste, spektakulärste,
das Festland betreffende Seite dieser gewaltigen europäischen Katastrophe.
Für Frankreich jedoch ist eine feinere Unterscheidung nötig: Dort sind
der Norden und Nordosten Träger und Opfer der militärischen
Anstrengungen, Zielscheiben von Verwüstungen und Zerstörungen; der
Westen dagegen, der sich im Seehandel engagiert und Export betreibt, ist relativ
geschützt. Was die Mittelmeerküste betrifft, so lebt sie ihr eigenes
Leben, das sich um den Stoff- und vor allem Tuchexport Richtung Osten dreht, den
Colbert noch 1664 für den dem Wert nach größten Exportzweig
Frankreichs hält.
Bei näherer
Betrachtung stellt man fest, daß der Hollandkrieg (1672-1678) eine
Umkehrung der Fronten bewirkt. Frankreich, das sich von nun an mit den
englischen und holländischen Seestreitkräften messen muß,
läßt sich, gestärkt durch seine Neuerwerbungen, unter der
Führung Vaubans und Condés in eine "Reunions"-Politik hineinziehen,
eine Politik des "pré carré" [d.h. das Königreich Frankreich
in seinen geographischen Grenzen, Anm. d. Übers.], die in Wahrheit
zunächst nur darauf abzielt, eine zusammenhängende Verteidigungs- bzw.
Angriffslinie zu schaffen. Dabei ist der wirtschaftliche Kontext all dieser
Ereignisse von Bedeutung: Frankreich kauft fast alle seine Waffen im Ausland,
insbesondere die schweren Waffen. Die technische Ausstattung der
französischen Armeen galt lange Zeit zu Recht als ausgesprochen veraltet.
So schätzen auch die deutschen Enzyklopädien der zweiten Hälfte
des 17. Jahrhunderts die Qualität der französischen Armeen recht
gering ein, wobei die Bewertung nach 1680 weniger kritisch wird. [2] Aus
diesem Grunde bemüht man sich um die Modernisierung der französischen
Metallurgie. Diese Entwicklung wird zum Teil durch die Bedürfnisse des
Krieges von 1635 bis 1659 bestimmt. Vorteile bringt sie den armen und
waldreichen Regionen, den Besitztümern des Hochadels. Erst mit der
verzweifelten Anstrengung Colberts wird Frankreich im Bereich der
Waffenproduktion unabhängig und dann sogar allmählich Exportland.
Zugleich bewirkt der Krieg die Entstehung eines Stabes von
Militäringenieuren: Der italienische Einfluß ist dabei
beträchtlich. [3] Diese neuen Techniken bleiben natürlich
nicht ohne Einfluß auf die Wirtschaft: Der Bau von Festungen und Arsenalen
läßt große Kapitalmengen in die Randgebiete strömen, wovon
besonders die am stärksten zerstörten und ärmsten Grenzgebiete
profitieren (mit Ausnahme des Elsaß und der
Franche-Comté).
Die französische
Wirtschaftsbilanz des Dreißigjährigen
Krieges
Wie wir feststellen konnten,
läßt sich die Entwicklung der französischen Wirtschaft nur im
europäischen Kontext begreifen. Deshalb sind die französischen
Entwicklungen sehr verschiedenartig, ja sogar widersprüchlich. Die Periode
von 1648-1660 erscheint unendlich komplex, denn sie beruht auf sehr heiklen
Gleichgewichtsverhältnissen. Der Osten und vor allem der Nordosten bleiben
weiterhin Schlachtfelder, die Plünderungen und "Wüstungen"
ausgeliefert sind. Das Elsaß und Lothringen gehören bis 1659 zu den
von den Kriegen am stärksten zerstörten Landschaften.
Wiederbevölkerung und Wiederaufbau fangen erst spät an, irgendwann
zwischen 1670 und 1680. Die drei Bistümer von Toul, Metz und Verdun
erlitten nur etwas geringere demographische und wirtschaftliche
Einbrüche [4]; die Champagne, das Gebiet von Laon, das Vexin und
die Picardie sind zwar weniger betroffen, erfahren aber dennoch schwere
Verluste. Die Klagen der Bauern beim "Secrétariat d'Etat à la
guerre" [Staatssekretariat für den Krieg] markieren einen "roten Streifen"
von einigen hundert Kilometern Länge entlang der Somme, dann der Mosel und
der Maas bis schließlich zur Saône. [5] Im Hinterland wird
das Zentrum des Pariser Beckens, das schon während der letzten
Religionskriege schwer in Mitleidenschaft gezogen worden war, erneut Opfer der
Greuel der Fronde.
Hinter dieser Zone von
Zerstörungen und abnehmender Bevölkerungsrate gelingt es allerdings,
eine Kommunikationsader zu erhalten, die ebenso bedeutend wie unbekannt ist: die
Verbindungslinie Lyon - Troyes - Niederlande. Es scheint, als ob die unsichere
Lage im Gebiet Elsaß/Lothringen/Champagne diese Route begünstigt habe
und sogar einen gewissen Aufschwung der Stadt Lyon bewirkt habe. Die
Rhônestadt bleibt ein mächtiges Finanzzentrum, bietet sie mit ihrer
Lage doch eine doppelte Alternative: einerseits über Savoyen nach Italien
und andererseits nach Genf und in die Schweiz. So kann man das Hindernis des
oben genannten "roten Gürtels" südlich
umgehen.
Der Westen Frankreichs mit seinen
verschiedenartigen Komponenten und die Mittelmeerküste bilden dazu einen
recht klaren Kontrast. Und dies trotz des französisch-spanischen Krieges.
Das Beispiel Saint-Malo macht dies deutlich. Sofern man die Geschichte dieser
Stadt nachvollziehen kann, erkennt man eine deutliche Entwicklungskurve: ein
starker Anstieg während der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, ein
wenig gebremst durch eine Phase eingeschränkter Unabhängigkeit im
Zusammenhang der Auseinandersetzung zwischen Heinrich IV. und der Liga; dann -
bis ca. 1650 - eine gleichbleibend stabile horizontale Bewegung der Kurve, die
einer Phase der Konsolidierung und Orientierung entspricht, und
schließlich von 1650 bis 1688 ein starker Aufschwung, der von den Kriegen
gegen Ende der Herrschaft Ludwigs XIV. aufgehalten wird. Nun ist aber der Handel
von Saint-Malo der Stützpfeiler des Handelsverkehrs mit
Sevilla [6]: Der Krieg hat also den Handel mit Spanien noch nicht einmal
vermindert. Gleiches gilt für die Kontakte des Poitou mit der iberischen
Halbinsel: Das Poitou exportiert in großem Maße Getreide (wie auch
das Morbihan) und mehr noch Maulesel. Wir haben es folglich mit einer Zahl von
mehr oder weniger voneinander unabhängigen Märkten zu tun, die sich an
ihren Rändern überlappen. Statt von "Weltmarkt" (F. Braudel und
Wallerstein) sollte man eher von Handelsräumen mit je nach Produkt
wechselnder Geographie sprechen.
Insgesamt
unterbricht der Krieg in keinster Weise den Export der wichtigsten
landwirtschaftlichen Produkte Westfrankreichs, wie groß das Unglück
auch sein mag, das die einzelnen Landstriche erleiden müssen. Aber
Frankreich ist ein größtenteils "passives" Exportland: Seine Reeder
(soweit man von solchen überhaupt sprechen kann) entstammen dem niederen
oder mittleren Bürgertum und verfügen über nur begrenzte
finanzielle Mittel. Die Häfen mit regem Verkehr liegen nicht notwendig an
Flußmündungen wie Nantes oder Bordeaux (Le Havre ist noch eine sehr
kleine Stadt). Rouen bildet den Hafen der Hauptstadt, litt aber sehr unter den
Religionskriegen. Die Häfen, die wohl den größten Schiffsverkehr
aufweisen und die ihre eigenen Flottenverbände mit gewaltigen Schiffen
ausstatten, sind Dieppe, Honfleur, Grandville, Saint-Malo und La Rochelle sowie
das diesem angegliederte Royan. [7] Es genügt ein Blick auf die
Landkarte, um festzustellen, wie weit diese Häfen vom Zentrum entfernt sind
und daß sie kein ausreichendes Hinterland besitzen. Außerdem weisen
sie nur eine geringe Wassertiefe auf und sind folglich mehr oder weniger
ungeeignet, den Erfordernissen eines größeren Handelsverkehrs
nachzukommen. Schlimmer noch: Die einzigen gewichtsmäßig bedeutenden
Waren sind Salz, Wein und Getreide. Diese Produkte aber weisen
beträchtliche Nachteile auf: Die Getreideernten unterliegen starken
Schwankungen, der Export ist also - gerade bei Teuerung und Hungersnöten -
äußerst unregelmäßig und die Preise, und somit der Gewinn,
schwankend. Was das Salz angeht, so sind die Wachstumsraten beschränkt und
aufgrund der hohen Besteuerung begrenzt. Gleiches gilt für den Wein, dessen
durchschnittliche Produktionsmenge bei Berücksichtigung der jährlichen
Schwankungen während des ganzen ancien régime konstant
bleibt. Der große Exportmarkt Frankreich - insbesondere Westfrankreich -
bietet also nur Waren mit beschränkten Entwicklungsmöglichkeiten,
wobei der Preis der einen zu gering, der anderen zu schwankend ist, als
daß man mit einer gleichbleibenden Rentabilität rechnen
könnte.
1582 besitzt England mehr als 55
Schiffe mit mehr als 100 t und 18 mit mehr als 200 t, 1629 sind es jeweils 178
und 145. Die gesamte Ladekapazität ist in der Zwischenzeit von 67.000 t auf
115.000 t gestiegen. [8] Davon ist man in Frankreich weit entfernt. Der
Großteil der französischen Handelsflotte befindet sich noch in einer
Vielzahl kleiner Häfen und ist überall entlang der Flüsse und der
bretonischen Küste verstreut. Die "Reeder" dieser Häfen sind kleine
Kaufleute, deren Flottenverbände an Zahl und Stauraum bescheiden sind. Die
Auswirkungen des Westfälischen Friedens auf diese Wirtschaftsstruktur
müssen beträchtlich gewesen sein. Er befreit nämlich die
holländische Handelsflotte von allen kriegsbedingten Verpflichtungen. Der
Aufschwung führt zu einer verstärkten Handelstätigkeit der
Holländer auf der Ostsee, im Mittelmeer und an der Westküste
Frankreichs. Seit 1640 wirken die Kaufleute von Nantes auf die Berater des
Königs ein: Sie wollen erreichen, daß Schutzmaßnahmen gegen die
holländische Vorherrschaft getroffen werden. In Nantes (und wahrscheinlich
auch in den anderen französischen Hafenstädten, mit Ausnahme von
Saint-Malo) gehören die holländischen Kommissionäre zur
Oberschicht. Sie sind dauerhaft ansässig, kontrollieren den gesamten
Warenverkehr des Loire-Hafens und kaufen das noch grüne Getreide direkt bei
den Erzeugern auf. Sie umgehen das ganze einheimische Handelsnetz, indem sie
ihre holländischen Produkte direkt an die Verbraucher verkaufen und deren
Produktion direkt aufkaufen. Erleichtert wird ihnen dies durch die konstant
niedrigen niederländischen Frachtpreise. So setzen sie die Preise nach
ihrem Gutdünken fest. Diese Kaufleute sollen im übrigen besonders
arrogant gewesen sein, und ein Beschwerdebrief zitiert einen ihrer
Leitsprüche: "Die Griechen - d.h. die Franzosen - kennen sich im Handel
nicht aus" (Originalzitat holländisch). [9] Es handelt sich um eine
Minderheit, deren ökonomisches Gewicht ihre zahlenmäßige
Bedeutung bei weitem übertrifft. [10] Und dies in einer sehr
katholischen Stadt - man stelle sich ihre Rolle in La Rochelle vor 1627 vor.
Denn eher als Nantes oder Bordeaux, ja sogar noch vor Marseille, hatte das
große Handelskapital La Rochelle zu seinem Sitz gewählt. Richelieu
profitiert schließlich vom Krieg zwischen Spanien und den nördlichen
Niederlanden, der 1621 wieder aufgenommen wurde. Da der holländische Handel
und das Militär nun anderweitig beschäftigt waren, mußte England
die Protestanten von La Rochelle ganz allein unterstützen. Die Macht La
Rochelles zeigt sich jedoch darin, daß die Stadt 1622 in der Lage ist, in
einer unentschiedenen Seeschlacht (Schlacht bei der Ile de Ré) einem
königlichen Geschwader Widerstand zu leisten. Allerdings besteht dieses aus
Galeeren (aus dem Mittelmeer) und bewaffneten Handelsschiffen. Eine
ähnliche Schlacht ereignet sich 1625 vor Lorient, wo die Flotte La
Rochelles sogar sechs königliche Schiffe in ihre Gewalt bringt. Erst im
September 1625 erleiden die Protestanten ihre erste Niederlage. Die
"französische" Flotte setzt sich jedoch aus englischen und
holländischen Schiffen zusammen, die sie von diesen zwei Mächten
"ausgeliehen" hatte. Die politische Verflechtung ist folglich sehr komplex und
wechselhaft. Die Schlacht endet mit dem Rückzug der englischen und
holländischen Schiffe. Der Seehandel (und folglich indirekt der
Flußhandel der ganzen französischen Atlantik- und
Ärmelkanalküste östlich einer Linie von den Hochebenen Burgunds
bis zu den Cevennen) aber bleibt trotz der Einnahme La Rochelles durch Richelieu
größtenteils unter der Kontrolle Hollands und in geringerem
Maße unter derjenigen Englands. Er spaltet sich jedoch in zwei Bereiche
auf: 1. Die Flußhäfen (d.h. an Mündungen), wo dieser
Einfluß am stärksten ist, und 2. die Hafenstädte vom Typ
Saint-Malo oder La Rochelle, die man zum Teil mit einem gewiß ungenauen,
aber erhellenden Terminus als "Seerepubliken" bezeichnete. Sie verfügen
nämlich über eine unbestreitbare Autonomie und betreiben bisweilen
eine eigenständige Außenpolitik. Erst die Einnahme La Rochelles
beendet diese Teilautonomie. Voraussetzung dieser Situation war die
Schwäche der französischen Zentralmacht und die Möglichkeit eines
politischen Taktierens im Seehandel zwischen Spanien, Holland und England. Es
ist möglich, daß der französische Außenhandel von 1650 an
einen erneuten Aufschwung erlebt: Indiz dafür ist die Erhöhung
verschiedener Hafensteuern. Da auch die Untersuchung Colberts aus dem Jahre 1664
die Existenz einer Flotte von ca. 150.000-180.000 t feststellt [12],
ist es wahrscheinlich, daß - bei der damaligen, ca. 15-18 Jahre langen
Nutzbarkeit eines Handelsschiffes - ein Großteil dieser Flotte zwischen
1640 und 1664 gebaut worden sein muß (sei es durch die Renovierung
älterer Schiffe oder als Neubauten). 1688 übersteigt diese Zahl
200.000 t, während die Ladekapazität englischer Schiffe bei 340.000 t
liegt.
Man kann aus diesen Feststellungen einige
allgemeine Schlußfolgerungen ziehen: Die feindselige Haltung
gegenüber Holland ist kein spezifisch französisches Phänomen.
Angst und Neid gegenüber dem beherrschenden Land sind von der Ostsee bis
Spanien weit verbreitet (der Kampf zwischen englischer und holländischer
Wirtschaft war dabei zwischen 1648 und 1652 besonders hart). Möglicherweise
sind es die Atlantikhäfen, die Colbert zu seiner feindseligen Haltung
bewegten: Es ist bekannt, daß einige der Vertrauten Colberts aus Nantes
stammten (Savary). Was Colberts Berechnung betrifft, ist sie im Kontext der
Epoche äußerst wahrscheinlich. Die quantitative Unterlegenheit der
französischen Handelsflotte gegenüber der englischen ließ sich,
so schien es, durchaus ausgleichen, da der Abstand nicht so groß war. Der
Abstand zur holländischen Handelsflotte war dagegen in absehbarer Zeit
nicht ausgleichbar. Colbert gibt im übrigen die strukturelle Schwäche
des französischen Handels offen zu: Die Kosten des holländischen
Schiffsbaus seien viel niedriger als die des französischen (und selbst des
englischen). Die Zölle auf holländische Produkte waren daher
ausdrücklich dazu bestimmt, ein Gleichgewicht zwischen den
französischen Reedern und ihren niederländischen Konkurrenten zu
fördern. Es ist übrigens bezeichnend, daß Colbert einer
möglichen holländischen Reaktion ruhig entgegensah: Er war der
Überzeugung, der französisch-holländische Handel wäre
für Holland kein Grund, einen Krieg zu beginnen oder in Kauf zu nehmen.
Wichtiger noch: Das Beispiel Englands regte zur Nachahmung an. Ganz Europa war
von der englischen Politik beeindruckt, wirtschaftliche Schwächen durch die
massive Präsenz einer großen Kriegsmarine
auszugleichen. [12]
In den Kreisen der
französischen Wirtschaft aber war man Holland keineswegs durchweg feindlich
gesonnen. So ahnt man, welche Auffassung in La Rochelle vorherrschte, auch wenn
die Politik des Königs alles dafür tat, die katholischen Reeder zu
begünstigen. Die Meinung in den großen Hafenstädten jedoch wurde
von den kaufmännischen Milieus des Binnenlandes nicht geteilt.
Kurzwarenhändler aus Paris, königliche Steuerpächter wie auch die
Händler entlang der großen französischen Verbindungslinien von
Nord nach Süd verhielten sich mehr als reserviert. Denn wenn Frankreich
auch den größten landwirtschaftlichen Markt Europas darstellt, so ist
Holland der größte Produzent und Vertreiber aller Produkte für
die "höheren" Gesellschaftsschichten. Noch läßt sich schlecht
abschätzen, welch beträchtlichen Aufschwung diese neue Kategorie von
Luxuskunden - die im übrigen sehr heterogen war - im Frankreich der ersten
Hälfte des 17. Jahrhunderts erfahren hat. Diese Feststellung
überrascht jedoch in der Tat vor dem Hintergrund eines nicht enden
wollenden Krieges.
Die Hauptstadt
Paris
Paris, dessen Bevölkerung sich im Zuge
des Dreißigjährigen Krieges verdoppelt hat, wird infolge der
zunehmenden Kapitalhäufung ein bedeutender Abnehmer sowohl gängiger
Waren als auch von Luxusgütern - großer Wohlstand und krasse Armut
liegen dort wahrscheinlich dicht nebeneinander. Jedenfalls gibt es nirgendwo
sonst in Europa eine ähnlich starke Nachfrage nach Waren und Objekten aller
Art. Paris hat beinahe eine halbe Million Einwohner erreicht. In diesem einmalig
anregenden städtischen Zentrum konkurrieren Königtum, Hochadel und
Parlamentarierfamilien und bilden - mit gleicher Investitionskraft - die in
ihren Interessen gegensätzlichen Milieus der
Hauptstadt.
Die Metropole im Herzen des Pariser
Beckens läßt in ihrer Umgebung eine moderne, kapitalistische und sehr
leistungsstarke Landwirtschaft entstehen. [13] Selbstverständlich
spielen die natürlichen Gegebenheiten hierbei eine Rolle: Die
Lößböden der Beauce und des Brie, des Valois und der Ile de
France zählen zu den fruchtbarsten Frankreichs. Hier arbeiten Pächter,
die "nur" über ihr Gespann und ihr Handwerkszeug verfügen, und
Großgrundbesitzer, die die Bewirtschaftung ihrer Ländereien genau
überwachen. Die Landschaft wird davon für lange Zeit geprägt: Die
Familien der großen Höfe beginnen zu Anfang des 17. Jahrhunderts
ihren sozialen Aufstieg, der sich über mehrere Jahrhunderte hinziehen wird.
Ein unsicherer Wohlstand in einer unsicheren Zeit: Die Wirren der
Bürgerkriege, vor allem der Fronde, die Einfälle lothringischer
Truppen 1652 und die "Schäden", die durch marodierende Truppen entstehen,
ziehen die Umgebung von Paris stark in Mitleidenschaft. In den Tälern von
Marne und Seine drängen sich die Bauerndörfer dicht aneinander, und an
den Hängen der Täler betreibt man einen vielseitigen Weinbau, ein
Gürtel der Milch- und Gemüseproduktion umgibt Paris zusätzlich.
Diese Landwirtschaft ist vielseitig und
einträglich.
Bezüglich der Baustoffe
besitzt Paris einen doppelten Vorteil: Im Untergrund der Stadt befinden sich die
verschiedenartigsten Gesteinssorten - man muß also nicht in weiter Ferne
danach suchen. Allerdings wird der seit gallo-römischer Zeit genutzte
Untergrund allmählich zu einer Art Emmentaler. Zweiter Vorteil: Gips ist im
Überfluß vorhanden. Und schließlich werden auf Seine und Marne
die Warenströme herangeführt. Seit dem 16. Jahrhundert wurde die Seine
stark begradigt: Mit Flutbecken kann man künstliches Hochwasser erzeugen
und so die Schiffe sicher durch Engpässe und schwer passierbare, quer
verlaufende Deiche hindurchmanövrieren. Die große Innovation des
vorhergehenden Jahrhunderts war der Ausbau des Flusses für die großen
Holzfrachten, die hauptsächlich aus dem Morvan kamen.
Flußaufwärts vom Herzen der Stadt Paris verwandeln sich die beiden
Ufer des Flusses, vor allem im größten Elendsviertel Saint Marcel, in
gigantische Anhäufungen von Holzstapeln verschiedenster Art: Bauholz
für die Dächer, schwere Pfähle, die man im Akkord in den Schlamm
des Hauptbettes der Seine gerammt hat oder als Stützen für die
großen Brücken bestimmt waren, die buchstäblich auf einem Wald
aus Pfeilern ruhten; Brennholz schließlich, denn das Treideln der
Holzflöße erleichterte das Heizen in der Stadt. [14] Paris
riecht nach verbranntem Holz, während London mit Steinkohle
heizt.
Mit Blick auf eine mögliche Belagerung
Paris' durch von Norden heranströmende spanische Truppen (von Corbie her),
die die Landgebiete im Osten von Paris bis zur Marne ausraubten, hat Richelieu
1636 ausrechnen lassen, wieviel die Pariser Bevölkerung zum Leben braucht.
Daraus folgt, daß diese im Vergleich mit den Einwohnern anderer
großer europäischer Städte (mit Ausnahme von London,
Konstantinopel und möglicherweise Amsterdam) besonders privilegiert ist.
Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch von Fleisch aller Art
überschreitet die 50kg-Marke, und die übrigen Zahlen sind
entsprechend, was jedoch nicht die enormen Unterschiede des Lebensstandards
verwischt. Das Viertel Faubourg Saint-Antoine hatte schon seit Ludwig XI.
verschiedene Privilegien, die unter Ludwig XIII. und Richelieu garantiert und
erweitert wurden. Im wesentlichen handelt es sich dabei um eine vollkommene
Berufsfreiheit, die auf die engen Vorschriften der Pariser Zünfte keinerlei
Rücksicht nehmen muß. So erklärt sich der innovative Charakter
der handwerklichen Produkte dieser Vorstadt, in der ein Teil der
Bevölkerung aus Kriegsflüchtlingen besteht, die vornehmlich aus der
oben beschriebenen "roten Zone" stammen. Kunden dieser Betriebe sind neben dem
Hof die wohlhabende und sehr heterogene Gruppe des Hofadels, Parlamentarier und
hohe Würdenträger, schließlich auch das Bürgertum
unterschiedlichster Herkunft. Dadurch, daß diese Klientel sich durch oder
für den Krieg bereichern, können sie genauestens den immer schneller
wechselnden Moden folgen. Man muß nur das gesteigerte Bild der
französischen Künste, der Malerei und Architektur, betrachten, um den
Zustrom immenser Reichtümer in die Hauptstadt zu erkennen. Dies ist die
glorreiche Zeit der großen Kirchenbauten der Gegenreformation, der edlen
Pariser "Hôtels" und - mit mehr Unterbrechungen und je nach Finanzlage -
der Bauten des Königs. Mäzene und Sammler werden zahlreicher, und
Paris wird ein großes Kunstzentrum, das ausländische Künstler,
vor allem aus den Niederlanden, anzieht. So verwandeln sich die für den
Krieg bedingten Steuern teilweise in "Schönheit". Die Abgaben der
Landbevölkerung werden auf Armeen und Hauptstadt umverteilt. Als Konsequenz
markieren, wie man weiß, große Volksaufstände das halbe
Jahrhundert, die erst sehr langsam mit den Anfängen der Herrschaft Ludwigs
XIV. aufhören. [15]
Auswirkungen
auf die Bevölkerung
Die nötige
Erhöhung der Steuern, ihre Vervierfachung in weniger als einem Jahrzehnt,
kann natürlich nur mit Gewalt durchgesetzt werden. Die Steuereintreiber
sind oft gezwungen, sich von Bewaffneten begleiten zu lassen. Man kann und
sollte hier von Kriegsdiktatur und nicht von "absoluter" Monarchie sprechen.
Daß dies alles häufig von Improvisation begleitet ist, versteht sich
von selbst. Diese Kriegsdiktatur wird von einem ungeheuren Chaos begleitet, das
für den Historiker schwer faßlich ist, das jedoch allein
erklären kann, warum der Krieg mit Spanien nach dem Westfälischen
Frieden andauern wird. Die "öffentliche Meinung" oder zumindest das, was
man als solche ansehen kann, hat nicht verstanden, daß der Krieg sich
fortsetzte und daß im Grunde nichts entschieden
war.
Die Steuererhöhungen wirken in einer
Zeit der Mißernten besonders hart, und die Truppen schleppen Epidemien
ein. Mit ihrem Durchzug kommt es auch zur Zerstörung der Vorräte, die
Aussaat wird verhindert, Hungersnöte sind die Folge. So bildet sich ein
schrecklicher Kreislauf, ein wahrer circulus vitiosus, eine Spirale nach
unten. Die demographische Situation, die ein wesentlicher Faktor staatlichen und
wirtschaftlichen Lebens ist, ist von Region zu Region deutlich verschieden. Die
Geburtenraten zeigen im Westen eine Tendenz zur Steigerung, die bis um das Jahr
1640 über dem nationalen Durchschnitt liegt. Anderswo hat sie sich
stabilisiert oder nimmt mehr oder weniger deutlich ab - je nach Kriegslage. Mit
der Endphase der Religionskriege geht ein Absinken der klimatischen und
demographischen Kurve einher, das besonders in den Jahren zwischen 1580 und 1600
erschreckende Formen annimmt. Allerdings führt der
Bevölkerungsrückgang nicht nur dazu, daß die mäßig
ertragreichen Gebiete verlassen werden und man sich den fruchtbarsten Feldern
zuwendet, sondern auch - früher oder später - zu einem letztlich
ausgleichenden Wiederanstieg der Bevölkerung. Und dies um so mehr, als auf
den verlassenen Flächen nun Viehherden weiden. Die Ernährungslage
verbessert sich, die Löhne steigen, da Arbeit im Überfluß
vorhanden, Arbeiter aber knapp sind: Voraussetzung für einen
Wiederaufschwung, der nach einiger Zeit wieder von selbst
zurückgeht.
Dieses Muster kann man vor allem
in den Gebieten beobachten, die über eine große Menge wenig
ergiebiger Felder verfügen (also hauptsächlich Süd- und
Zentralfrankreich). Die Krise der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist
dramatisch, aber glücklicherweise erreicht sie trotz des Krieges und seines
Elends nicht das gleiche Ausmaß wie im 14. Jahrhundert. Es könnte
sogar sein, daß der Bevölkerungshöchststand noch etwas über
dem des ausgehenden Mittelalters liegt.
Einerseits
lassen Krieg, verschärfte Steuererhebungen und Epidemien allmählich
den Umfang der landwirtschaftlichen Produktion wie auch der Bevölkerung
allmählich absinken. Andererseits aber findet der Bauernstand (und mit ihm
die Lehnsherren, die direkt an der Steigerung der Bevölkerungsrate
interessiert sind) neue Kraft, um die Auswirkungen dieser negativen Faktoren zu
beschränken.
Ostfrankreich wird durch die
Verwüstungen zur Hälfte entvölkert, jedoch ohne daß dabei
das Ausmaß der Verheerungen Mitteleuropas erreicht wird. Dies bedeutet
allerdings nicht, daß auch jeglicher Handel verschwunden ist: Die aus den
Plünderungen stammenden Waren müssen wieder irgendwo Absatz finden, um
den Plünderern selbst einen, wenn auch geringen Gewinn zu bringen. Die
großen Handelsadern sind intakt geblieben, vor allem diejenigen von
Süden nach Norden über die Alpen. Auf dieser Route wird das Geld
transportiert, das die spanischen Truppen in den südlichen Niederlanden
unbedingt benötigen, und hier marschieren die italienischen Hilfstruppen
nach Norden, die die Truppenstärke von 18.000 Mann in den "spanischen"
Tercios [Span. Elitetruppe, Anm. d. Übers.] aufrechterhalten
sollen. [16] Die große spanische Kontinentalroute wurde im Laufe
des Krieges immer mehr nach Richtung Osten verschoben (Lothringen, Rheingebiet).
Ebenso erhält sich die oben erwähnte französische
Nord-Süd-Route, die das Rhône-Tal nutzt, bei Lyon die Wegkreuzung
nach Savoyen über Turin aufnimmt und sich dann gabelt: nach Norden
über Troyes nach Brüssel, und über die Seine (z.T. über die
Loire zwischen Nevers und Orleans) nach Paris.
Der
Kontrast zwischen dem Zusammenbruch von Agrarwirtschaft und Handel in
Mitteleuropa und Ostfrankreich und dem Aufschwung der englischen Seewirtschaft
ist besonders groß. Das Wachstum der englischen Handelsflotte in der
ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist beträchtlich. Trotz einiger
Schwierigkeiten - und obwohl Absatzmärkte an Ostsee und Atlantikküste
an England verlorengegangen waren - gedeiht auch der holländische
Seehandel, namentlich dank des Aufschwungs der V.O.C., die Gewinne erzielt, die
sie später nie wieder erreichen wird. Der latente
englisch-holländische Konflikt bleibt bis 1648 unterdrückt, da die
Niederlande sich auf die Auseinandersetzung mit Spanien konzentrieren. Durch
diese Konkurrenz kann sich in der Zwischenzeit in den von den beiden
Hauptprotagonisten zurückgelassenen Marktlücken die französische
Handelsflotte entwickeln und halten. Sie bringt sogar den Verkehr mit den
karibischen Inseln in Gang: Fouquet beginnt mit diesem Unternehmen, und Colbert
zieht Mazarin hinein. So sieht man, wie der Dreißigjährige Krieg den
beträchtlichen englischen Machtzuwachs überlagert und somit Frankreich
- oder genauer gesagt den französischen Küstenstädten - die
Möglichkeit gibt, sich geschickt und rechtzeitig zurückzuziehen.
Darüber hinaus zeichnen sich die beiden
geographischen Aspekte der französischen Politik deutlich ab: der Landweg,
bei weitem der wichtigste Aspekt, und der Wasserweg, den der Staat so oft wie
möglich dem Privatwesen überläßt. Es ist erhellend,
daß sich Richelieu auf den Bau einer Kriegsflotte nur eingelassen hat,
weil er durch die Notwendigkeit des Kampfes gegen Spanien dazu gezwungen war. In
seinem Testament beschreibt Richelieu anschaulich die Notwendigkeit und
Bedeutung von Linienschiffen, betont aber zugleich ausdrücklich und fast
ausschließlich den Bedarf an Galeeren. Dies wurde bisher so nicht erkannt.
Mehr noch, diese lang und breit dargelegte Ansicht befindet sich in deutlichem
Widerspruch zu den Fakten. Dafür gibt es verschiedene Erklärungen: 1.
Das erklärte Ziel ist es, den Strom von Silbergeld (und Krediten), den die
spanischen Galeeren von Barcelona nach Genua transportieren, zu unterbrechen.
Diesen Transport wagen die spanischen Geschwader und Schiffe immer seltener auf
dem Ärmelkanal. 2. Für die politisch Verantwortlichen bleiben Stoffe
aus dem Languedoc der Hauptexportartikel Frankreichs. Stoffe aber gehören
zu jener Kategorie von Produkten geringen Volumens und hohen Wertes: Ihr
Transport erfordert keine große Ladekapazität (und folglich keine
große Schiffszahl). 3. Galeeren sind wesentlich billiger als
Kriegssegelschiffe, die Rekrutierung von Rudersklaven ist relativ einfach und
die Anzahl an nötigen Matrosen gering. Daher kollidiert der Personalbedarf
der Kriegsmarine nicht mit dem der Handelsflotte. Schließlich 4.: Es
vergeht immer einige Zeit zwischen einer Innovation (dem Linienschiff) und der
Erkenntnis ihrer Auswirkungen. Daher sind die Geschwader eines
Maillé-Brézé bunt zusammengewürfelt: 1646 finden sich
in seinem Geschwader, das am 14. Juni in der Schlacht bei der Insel Giglio (bei
Ortibello) zum Einsatz kommt, 36 Segelschiffe, darunter umgewandelte
Handelsschiffe und 20 Galeeren. Das spanische Geschwader setzt dem 22
Segelschiffe und 30 Galeeren entgegen. Die Schlacht wird nur deshalb eine
Niederlage für Frankreich, da der Admiral getötet und hierdurch die
Flucht der ganzen Flotte ausgelöst wird.
In
diesem Zusammenhang ist auch der Sieg Mazarins über die Fronde in gewisser
Weise ein Pyrrhussieg, denn Mazarin ist bis zum Pyrenäenfrieden nicht mehr
in der Lage, eine für große, und nicht nur für sporadische
Seeschlachten gegen Spanien ausgerüstete Flotte zu unterhalten. Die letzten
Attacken französischer Geschwader finden 1652 (Aufhebung der spanischen
Blockade von La Rochelle und französischer Versuch, Dünkirchen auch
vom Meer her zu blockieren - dies allerdings erfolglos, da die englische Flotte
die französische schlägt: 15. September 1652) und schließlich
1655 statt, als neun französische Schiffe vor Barcelona ein spanisches
Geschwader in die Flucht schlagen. Dann geschah bis 1659 nichts mehr: 1661
bleiben, neben einigen Galeeren, 18 französische Schiffe, von denen einige,
wie z.B. die "Saint Louis", von demselben holländischen Schiffskonstrukteur
erbaut worden waren, der in Schweden für den Bau der "Wasa" verantwortlich
war. Darüber sollte man jedoch nicht vergessen, daß die finanziellen
Anstrengungen Frankreichs sich auf die Stärkung Bodentruppen
konzentrierten.
Insgesamt ist die Wirtschafts- und
Außenpolitik Ludwigs XIV. viel weniger originell, als immer behauptet
wird. Sie entsteht in einer Situation, die teils durch den
Dreißigjährigen Krieg, teils durch den Westfälischen Frieden
bestimmt wurde. Der Dreißigjährige Krieg machte, indem er einen
demographischen und kulturellen Tiefstand in Mitteleuropa erzeugte, den Weg frei
für die politische und kulturelle Vorherrschaft Frankreichs unter Ludwig
XIV. Was den Westfälischen Frieden angeht, so kann zwar die Tatsache,
daß Holland einen Sonderweg ging und den Friedensvertrag mit Spanien
unterzeichnete, als Scheitern der französischen Politik gewertet werden.
Dennoch war der Vertrag für Frankreich auch ein Erfolg, mußte Spanien
doch nun gezwungenermaßen allein gegen Frankreich kämpfen. Der
Pyrenäenfriede schließlich wird Colbert die Möglichkeit geben,
die Finanzlage deutlich zu verbessern, die Armee auszustatten und die Marine
wieder aufzubauen. Langfristig bedeutet das, daß für England die
Gefahr nicht mehr aus Holland, sondern aus Frankreich kommt. Als Konsequenz aus
dem raschen Machtzuwachs Hollands und später Englands hat sich nunmehr das
politische Geschehen nach Nordwesteuropa
verlagert.