DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
Textbände > Bd. I: Politik, Religion, Recht und Gesellschaft |
HERBERT LANGER Der "Königlich Schwedische in Deutschland geführte Krieg" [1] |
Am 22. Mai 1706 trug der Pfarrer des
Kirchspiels Voigdehagen bei Stralsund die Eheschließung des 102 Jahre
alten Hans Brüneck mit der etwa 50 Jahre zählenden Witwe Magdalena
Arens ins Kirchenbuch ein und fügte, da eine solche Verbindung wahrlich
nicht alltäglich war, einiges hinzu, was der Bräutigam zur
Bestätigung seines Alters erzählte: Er habe, so rühmte er sich,
mit 24 Jahren bei der erfolgreichen Verteidigung Stralsunds gegen die
kaiserlich-wallensteinschen Belagerer im Juni/Juli 1628 mitgekämpft, sei
danach auch noch Jahrzehnte unter den Fahnen geblieben. Den Brautleuten wie dem
evangelischen Pfarrer war das Ereignis als Beispiel für heldenhaften
Glaubenskampf denkwürdig und geläufig, es war Teil des historischen
Bewußtseins der Bevölkerung - wie viele andere Begebenheiten aus dem
Dreißigjährigen
Kriege. [2]
Auch in der großen
Politik hatte die Verteidigung Stralsunds einen wichtigen Platz, vor allem ihrer
Folgen wegen. Bei den Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück
wogen die Partner die Kriegsgründe und -anfänge sowie
Schuldzuweisungen gegenseitig ab, und dabei hatte Stralsund 1628 einen nicht
geringen Stellenwert. In seinem Brief vom 27. Februar 1646 (Linz) an seine
Gesandten beim Westfälischen Friedenskongreß beschuldigte Kaiser
Ferdinand III. den Schwedenkönig Gustav II. Adolf, dieser habe im Juli 1626
den Krieg gegen Polen im Preußenlande hauptsächlich deshalb
angefangen, um dort "seine völckher recht (zu) versamblen und hernach auf
deß Reiches boden Füehren" zu können. Er habe hier "alle
bereitschafft zum krieg in Teütschlandt angestellet" und nur auf eine
günstige Gelegenheit gewartet, seinen Einfall zu
"iustificiren". [3] Diesen "praetext" lieferte ihm die Bedrängnis
Stralsunds im Frühjahr 1628. Die Militärhilfe, die Gustav Adolf (nach
dem Dänenkönig) der Stadt leistete, nicht ohne ihr eine Allianz,
Truppenpräsenz und seine Protektion abzufordern, wertete der Kaiser in
einem späteren Schreiben vom 5. März 1646 als "ein recht principium
belli". [4] Das traf in dem Maße zu, wie die schwedische
Führung das von ihr besetzte Stralsund als Brückenkopf für die
zwei Jahre später folgende Invasion in Pommern benutzte. [5] Die
schwedische Seite rechtfertigte den "Stralsundischen succurs" und die
spätere "Expedition" auf Reichsboden als notwendige Abwehr der
kaiserlich-katholischen Macht, die Ende 1627 mit ganzen Armeen und einer,
allerdings kleinen, Kriegsflotte die südliche Ostseeküste beherrschte
und Schweden bedrohte. Die Diskussion im Reichsrat, ob man dem Gegner "domi"
oder "foris" - draußen in Stralsund oder daheim in Kalmar - entgegentreten
solle, wurde zugunsten des Angriffskonzepts, das der König leidenschaftlich
und mit pragmatischen Argumenten verfocht,
entschieden. [6]
Wesentlich für die
beschleunigte Rüstung in Schweden war die Tatsache, daß im September
1629 zu Altmark durch französische Vermittlung ein sechsjähriger
Waffenstillstand mit Polen zustande kam, der Gustav Adolf vom mühseligen
"polnischen Krieg" befreite und die Wendung nach Westen möglich machte.
Eine neue Phase der schwedischen Ostseepolitik begann: mittels Eroberungen der
Gegenküsten samt deren Häfen das dominium maris weiterzutreiben
und Rivalen (Dänemark, Polen-Litauen, Kaiser) auszuschalten. Dieses auf den
Ostseeraum ausgerichtete Ziel wurde im Laufe des Dreißigjährigen
Krieges weit überschritten und erfaßte weite Teile Mitteleuropas. Der
Eingriff Schwedens wuchs sich zur Dominante der zweiten Hälfte des Krieges
aus. Im Bewußtsein des Volkes, das erweisen zahlreiche Zeitzeugnisse,
begann der Krieg, der nicht enden wollte, eigentlich erst jetzt. Die seit 1631
nahezu jährliche und öftere Wiederkehr plündernder "Schweden"
(der Großteil der Soldaten war in Deutschland geworben) vermittelte u.a.
diesen Eindruck bei der Priorin des Klosters Mariastein im Bistum
Eichstätt. [7] Die Forschung hat der Tatsache, daß - vom
deutschen Blickpunkt aus - der Krieg in seiner längeren Hälfte ein
"schwedischer" war, bislang nicht genügend Rechnung
getragen.
Die folgenschwere Dimension und
Wirkungspotenz nahm der "deutsche Krieg" der Krone Schwedens mit der Landung
einer Invasionsarmee auf Usedom im Herzogtum Pommern am 26. Juni/6. Juli 1630
an. [8] Mit 13.000 Mann eine relativ kleine Streitmacht, wurde sie von
Kaiser und Reichsständen anfangs nicht als ernsthafte Kriegspartei an- und
wahrgenommen. Es gehört zu den ungeklärten Fragen bezüglich
dieser, für die Invasoren entscheidenden Phase, warum sie nur schwache
Gegenwehr der kaiserlichen Truppen im Landungsterrain, den Odermündungen,
fanden. Innerhalb der nächsten beiden Wochen stießen die
Landungstruppen nach Stettin vor, wo der König Herzog Bogislaw XIV. die
Allianz vom 10./20. Juli mit der Begründung aufzwang, dieser sei
außerstande, sein Fürstentum mit eigenen Kräften vor dem Feind,
den kaiserlichen Besatzungstruppen, zu schützen. Wie über Stralsund,
so errichtete der Schwedenkönig auch hier eine auf Militärpräsenz
gestützte Protektion. Die vorherrschend abwartende oder ablehnende Haltung
der Landstände und der Bevölkerung zeigte, daß sie darin keine
Alternative zur "Dreijährigen Drangsal" der Kaiserlichen
sahen.
Angesichts der Unwägbarkeiten auf
deutschem Boden hielt es Gustav Adolf für nötig, seinen Eingriff in
einer "Deduktion" (auch als Flugschrift, betitelt "Schwedisches Kriegsmanifest",
verbreitet) zu rechtfertigen. Mit einer breiten Öffentlichkeit rechnend,
erfuhr sie 21 Auflagen in fünf Sprachen und begleitete das deutsche
Kriegsunternehmen in seiner Anfangsphase. Sie zählt die Beleidigungen und
Verletzungen, zurückhaltend auch die Bedrohung der Sicherheit Schwedens
durch den Kaiser auf, nennt als wichtigsten Grund des militärischen
Eingriffs den Schutz der "deutschen Libertät" und beteuert die
Friedenswilligkeit des Königs. Daß ein religiöses
Befreiungsmotiv fehlt, läßt sich wohl aus taktischer Rücksicht
auf die Reichsstände und das katholische Frankreich
erklären. [9]
In Schweden und
Finnland dagegen, wo die Bewohner streng und ausschließlich auf das
lutherische Bekenntnis festgelegt waren, hatten König und Reichsrat sowie
alle Stände des Reichstags sich schon Jahre vor 1630 auf den "deutschen
Krieg" als mögliches und schließlich unvermeidliches Unternehmen
eingestellt. Angesichts der katholischen Gegenreformation und des kaiserlichen
Restitutionsedikts griff die Darstellung dieses neuerlichen Krieges als
gerechtes Werk der Solidarität mit den deutschen Glaubensbrüdern im
schwedischen Kirchenvolk am ehesten. Zu seiner geistig-moralischen
Aufrüstung trugen Kanzelpredigten als Massenmedien jener Zeit und
verordnete Fast- und Bettage entscheidend bei. [10] Nach den Kriegen
gegen Rußland, Dänemark und Polen im militärischen Bereich
ausreichend disponiert und dank einer beispiellosen Rüstungsproduktion,
deren Initiator der eingewanderte calvinistische Niederländer Louis de Geer
mit seinem Kapital und seinen Verbindungen war, zeigte sich das schwach
bevölkerte Schweden imstande, auch die materiell-technischen
Voraussetzungen für ein noch größeres und schwer absehbares
Kriegsabenteuer zu erfüllen. [11]
Der
Grad der Disziplinierung und Mobilmachungsfähigkeit aller Stände der
schwedischen Gesellschaft, deren adlige Oberschicht vergleichsweise wenig
begütert war, spielte bei der Zurüstung zum "deutschen Krieg" eine
entscheidende Rolle. Ins schwedische Kirchenvolk trug die Führung ihm
verständliche, kämpferische Glaubensmotive hinein; in der
vorbereitenden Korrespondenz mit den deutschen Reichsständen überwogen
Begründungen, die sich aus der politischen Konfliktlage und der Reputation
herleiteten. Es besteht kein Zweifel, daß der König und die politisch
entscheidenden Gruppen den Krieg gegen den Kaiser führten, um in der
Offensive machtorientierte Ziele zu erreichen. Neben oder über dem
Glaubenszweck stand, wie schon seit langem verkündet, die "Sicherheit" und
"Größe" Schwedens. In den Kriegen vor 1630 konnten Glaubensmotive
kaum etwas bewegen, da die von der schwedischen Expansion betroffenen
Länder keiner befreierischen Mission bedurften oder gleichen Bekenntnisses
waren. Erst im Laufe des "deutschen Krieges" entfalteten sie je nach Lage und
Berechnung ihre Kraft. [12]
In der
Anfangsphase der schwedischen Invasion stießen religiöse
Begründungen und das bekundete Ziel, die Reichsverfassung schützen zu
wollen, nahezu ins Leere. Das erwies sich, als Gustav Adolf Mitte September 1630
von der pommerschen Basis aus zur Rückeroberung Mecklenburgs für die
vertriebenen Herzöge schritt. Er ließ dort, datiert auf den 12.
Oktober, ein "Mandat an die Untertanen der beiden Fürstentümer des
Mecklenburger Landes" verbreiten. Darin beschuldigte er die Einwohner der
Abtrünnigkeit von ihrer Obrigkeit und forderte sie auf, dieser wie seiner
Armee "beizutreten". Diejenigen, die Wallenstein als Landesherrn anerkannt, ihm
gedient und gehorcht hatten, sollte die Bevölkerung als "Feinde" und
"Räuber Gottes" fangen, niederschlagen und austreiben. [13] Das
Pamphlet fand, obwohl es auch die Gemeinsamkeit des Glaubens beschwor, keinen
Widerhall. An vielen Orten stießen die Schweden auf Gegenwehr, ihr
Vorstoß mißlang völlig. Erst in einem zweiten Anlauf Ende
Januar 1631, einige Monate nach Wallensteins Absetzung, gelang die Eroberung des
östlichen Mecklenburg und später die Rückführung der
Herzöge. Im Laufe des Winters 1630/31 hatte die schwedische Armee in
mehreren Operationen gegen die schwächer werdenden kaiserlichen
Streitkräfte die Besetzung Vor- und Hinterpommerns
abgeschlossen.
Nach der Abberufung Wallensteins
vom Generalat blieb die kaiserliche Armee vier Monate lang ohne
Oberbefehlshaber, bis der Liga-Feldherr Tilly Ende 1631 das Amt übernahm.
Damit gewannen die kaiserlichen Streitkräfte im Zug und Gegenzug zu Gustav
Adolf ihre taktische Mobilität zurück, verbunden mit
Rache-Feldzügen und Plünderungen wie in Pasewalk (im September 1630)
und Neubrandenburg (9. März 1631). [14] Ein Gegenstück dazu
lieferten die Schweden im April in Frankfurt/Oder, als sie nahezu 2.000 Soldaten
und Einwohner erschlugen. Mit dem Besitz dieser Stadt bedrohten sie nunmehr die
kaiserlichen Erblande; in Wien rechnete man mit ihrem Vorrücken
oderaufwärts. [15]
Weit weniger
erfolgreich als das militärische Vordringen waren die diplomatischen
Bemühungen Gustav Adolfs um weitere Bundesgenossen im Reich. Lediglich die
Stadt Magdeburg, bedrohte Hochburg des streitbaren Protestantismus, und der
abenteuernde Administrator des Erzstifts, Markgraf Christian Wilhelm von
Brandenburg, schlossen sich ihm durch ein Bündnis vom 1. August 1630 an.
Während sie sich zur Verteidigung gegen den Kaiser und zur Vorreiterrolle
in einem Aufstand verpflichteten, sicherte der König ihnen jegliche Hilfe
zu. Doch weder folgte jemand dem Beispiel der aufrührerischen
Bürgerschaft, noch setzte sich der Administrator im Stift durch. Gustav
Adolf wagte nicht, dorthin, weit ins Landesinnere, vorzustoßen. Die
Katastrophe folgte, als die kaiserlichen Belagerer am 20. Mai 1631 die Stadt
einnahmen und das entsetzlichste Massaker des ganzes Krieges anrichteten. Ein
nicht aufgeklärter Großbrand zerstörte anschließend fast
alle Gebäude. Der Fall Magdeburg, den zahlreiche Flugblätter anklagend
ins öffentliche Bewußtsein trugen und der dem Ansehen der
kaiserlichen Seite sehr schadete, signalisierte jedoch auch die
Unwägbarkeiten und Fehlrechnungen der schwedischen Expansion. Gustav Adolf
hielt es daher für nötig, eine Rechtfertigungsschrift zu verbreiten,
um sich von jeglichem Verdacht auf Mitschuld am Schicksal Magdeburgs zu
reinigen. Diesem Verdacht setzte er u.a. auch die neutralisierenden
Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen aus. [16] Ein Bündnis,
das allerdings zunächst wenig nützte, hatte der reformierte Landgraf
Wilhelm von Hessen-Kassel schon im November 1630 mit Schweden
geschlossen.
Die erreichten Erfolge zu Beginn der
schwedischen Invasion einerseits, andererseits aber auch die nicht zu behebende
Schwierigkeit, die wachsende Masse der Soldaten und deren Unterhalt zu
finanzieren, rief wiederum die französische Diplomatie auf den Plan. Nach
monatelangen Verhandlungen kam im Bärwalder pommerschen Hauptquartier
Gustav Adolfs am 13. Januar 1631 der Subsidienvertrag zustande. Er verpflichtete
den König dazu, eine Armee von 30.000 Fußsoldaten und 6.000 Reitern
kampftüchtig zu halten; dafür zahlte Frankreichs katholischer
König bis 1636 jährlich 400.000 Reichstaler. Das dem Nimbus des
schwedischen "Glaubensstreiters" abträgliche Problem, den Krieg mit Hilfe
einer nach innen militant katholischen Macht fortzusetzen, fand folgende
Lösung: Der schwedische König verzichtete auf jegliche
Konfessionsänderung und zeigte sich bereit, mit Bayern bzw. der Liga ein
Neutralitätsverhältnis anzustreben, falls diese auf Kampfhandlungen
gegen ihn verzichteten. Das stand indes der politischen Position des bayerischen
Kurfürsten entgegen, der seinerseits am 28. April 1631 ein geheimes
Bündnis mit Frankreich abschloß. Trotz zeitweiliger Störungen
funktionierte das Zusammenwirken Schwedens und Frankreichs in und nach dem
Kriege; es gehört zu den wichtigsten Indizien für die starke
machtpolitisch-pragmatische Komponente der schwedischen Teilnahme. Der
König selbst verdeutlichte sie, indem er den Bärwalder Vertrag
öffentlich feierte.
Je mehr sich der
Aktionsradius der reichsfremden Macht vergrößerte, desto dringlicher
empfanden die mächtigsten evangelischen Reichsstände ihre Sammlung zu
deren Abwehr. Sie fanden sich mit großer Mehrheit im Leipziger Konvent vom
16. Februar bis 12. April 1631 zusammen, um sich als "dritte Partei" zwischen
Schweden und der kaiserlichen Seite zu formieren, wobei letztere durch ihre
Unnachgiebigkeit den Boden bereitet hatte für das schwedische Eingreifen
ins konfliktgeladene Reich. Es wurden Werbungen und eine gemeinsame Streitmacht
von 40.000 Mann beschlossen, zu der Kursachsen allein 12.000 stellte. Auch die
katholischen Reichsstände verstärkten ihre Sammlungsbewegung unter
Bayerns Führung. [17]
Der Wiener Hof
trat diesen Bestrebungen mit unwandelbarer Härte entgegen. Zum Nachdruck
marschierte kaiserliches Militär in Sachsen und Leipzig ein. Diese
prätentiöse Politik der Stärke trieb die beiden protestantischen
Kurfürsten an die Seite Gustav Adolfs: Er verfügte
vertragsgemäß in Brandenburg über ein Aufmarschgebiet und
Festungen und schloß mit Johann Georg von Sachsen die Allianz vom 12.
September. Wenige Tage darauf, am 17. desselben Monats, kam es zur
denkwürdigen Schlacht bei dem Dorfe Breitenfeld nahe Leipzig. Neben der
zahlenmäßigen Überlegenheit von 30 Prozent über die
Kaiserlichen trug die von Gustav Adolf meisterhaft gehandhabte Taktik der
schmalen, beweglichen Linien und der Einsatz überlegener und leichter
Feldartillerie zu einer eindeutigen Entscheidung bei. Tillys Armee wurde
innerhalb von zwei Stunden vernichtend geschlagen, nur ein Drittel entkam, wovon
(nach Aussage von Chronisten) viele Hundert von den Bauern erschlagen
wurden. [18] Es gab praktisch keine kaiserliche Armee mehr, die der
Siegermacht das weitere Vordringen hätte verwehren können.
Sächsisches Militär besetzte unvermutet Schlesien und Böhmen,
während sich die schwedische Armee dem Thüringer Wald
näherte.
Die Breitenfelder Schlacht markiert
die große Wende im deutschen Kriegsunternehmen der schwedischen Krone,
ohne daß das Dauerproblem des Heeresunterhalts und der Kriegsfinanzierung
gelöst worden wäre. Es gab wesentlich den Ausschlag, nun auch die
Südhälfte des Reiches mit ihren anderen Strukturen zu betreten - mit
schwer abschätzbaren Folgen. Hier begann jene Komponente des "deutschen
Krieges" Wirkung zu zeigen, die sich im Norden, vor allem in den Städten,
vage und durch dunkle Prophetien angekündigt hatte: Der ersehnte, rettende,
rächende "Leu aus Mitternacht" nahm endgültig die Gestalt Gustav
Adolfs an, kolportiert durch Kanzelworte und eine nie vorher gesehene Flut von
fliegenden Blättern - wohlfeiles Massenmedium für die Beeinflussung
des Alltagsdenkens der
Bevölkerung. [19]
Der schier
unaufhaltsame Siegeslauf der Schweden erklärt sich nicht allein aus einer
glaubensstarken "National-Armee" und den Talenten ihres Feldherrn-Königs,
sondern auch aus den Fehlern und Grenzen ihres Gegners. Bis 1630 von Erfolg zu
Erfolg schreitend, überschätzte die kaiserlich-katholische Seite ihre
Kräfte und achtete die ihrer Feinde gering, auch die Schwedens. Die
Gemeinsamkeit des Hauses Habsburg und die Militär- und Geldhilfen Spaniens
verpflichteten den Kaiser dazu, dessen Interessen in den Niederlanden und
Oberitalien mit starken Truppenkontingenten zu verfechten. Die große,
durch Wallenstein geschaffene, kaiserliche Streitmacht aber stellte sich den
Kurfürsten als Bedrohung ihres Einflusses dar, sie erzwangen beim
Regensburger Kurfürstentag sowohl die Entlassung Wallensteins als auch die
Reduzierung der Armee. Im Reich herrschte demzufolge im Sommer 1630 eine Art
Vakuum, das von der schwedischen Führung wahrgenommen und genutzt
wurde. [20] Der Einmarsch sächsischer Truppen in kaiserliche
Erblande und das Erscheinen der königlich-schwedischen Armee an der
Schwelle zu Süddeutschland nötigte dem Kaiserhof ungewöhnliche
Anstrengungen auf, worunter die Wiederberufung Wallensteins ins Generalat die
ungewöhnlichste war. Er allein schien imstande, dem Aufmarsch der
schwedischen Armee entgegenzutreten, der im Frühjahr 1632 bis nach Bayern
und Schwaben geführt hatte.
Die neue Etappe
des schwedischen Zuges durch das Reich eröffnete Gustav Adolf am 1. Oktober
1631 mit der Einnahme Erfurts, das zum Erzstift Mainz gehörte.
Würzburg fiel am 15. Oktober, ohne daß die kaiserliche Armee unter
Tilly zur Verteidigung beigetragen hätte. Der Weg durch die mit
Städten, Festungen, geistlichen Gütern reich gesegnete "Pfaffengasse"
stand offen. Nach dem Weltbild des kämpferischen Protestantismus, das den
schwedischen Soldaten eingeprägt worden war, befand man sich in
Feindesland, in dem nach Kriegsrecht Beute zu beanspruchen war. Der Bestand der
geistlichen Güter und die Privilegien der katholischen Geistlichkeit wurden
in Frage und zur Disposition (Säkularisierung) gestellt bzw. mit hohen
Abgaben belastet. Die höhere Geistlichkeit und stiftische Beamtenschaft
floh, das untere Personal und die niederen Kirchenstrukturen blieben
unangetastet. Die schwedischen Okkupanten übten keinen Glaubenszwang,
förderten aber nachdrücklich das evangelische
Kirchenwesen.
Die Stadt und Festung Mainz
eroberten die Schweden in der Vorweihnachtszeit 1631. Frankfurt am Main
öffnete Gustav Adolf die Tore und leistete ihm den Treueid, entzog sich
aber einem förmlichen Bündnis mit ihm. [21] Auf Distanz
blieben zunächst auch weiterhin protestantische Fürsten
(Hessen-Darmstadt, Württemberg), während er in den Reichsgrafen und
der Reichsritterschaft eine zahlreiche Klientel fand, die er durch Titel,
Ämter und Donationen an sich zu binden verstand. Bei den Donationen behielt
sich der König die iura superioritatis vor, wie er es schon davor
gegenüber den Herzögen Wilhelm und Bernhard von Sachsen-Weimar
(Erfurt/Eichsfeld, Herzogtum Franken) getan hatte. Donationen erhielten auch
hohe schwedische Beamte und Militärs, die eine neue Führungsschicht im
"schwedischen Staat" zu Mainz bildeten. [22] Sie begannen, angelehnt an
erzstiftische Strukturen, eine neue Zivil- und Finanzverwaltung aufzubauen, die
in der gegebenen Situation vorrangig den Bedarf von Militär und Krieg zu
bedienen hatte, vor allem durch Kreditbeschaffung, Kontributionen, Quartiere,
Ausrüstungen, Material und Arbeitsleistung für den Bau der Festung
Gustavsburg an der Mainspitze u.a.m. Gustav Adolf selbst entfaltete ein
glänzendes Hofleben in der erzbischöflichen Martinsburg in Mainz, von
wo er den neuen "Rheinischen Staat" regierte und seine Beziehungen zu
Reichsständen und Mächten pflegte, zugleich auch rüstete für
den Frühjahrsfeldzug 1632. [23] In den okkupierten Stifts-,
Kloster- und Ordensgebieten und -häusern sowie in Privatgebäuden nahm
die schon in früheren Kriegen regelmäßig betriebene
Beschlagnahme von "herrenlosem" Kunst- und Kulturgut das bis dahin
größte Ausmaß an. Derartige Beute war auch bei anderen
Kriegsparteien (Dänemark, Wallenstein, Bayern) üblich. Am Ende des
Krieges transferierten schwedische Generale noch einmal unschätzbare
Kultur-Kriegs-Beute aus Mähren und Böhmen nach Schweden. Allein den
Wert der Kunstschätze von der Prager Kleinseite im Juli 1648 schätzte
man auf 7 Millionen Reichstaler. Sachverstand und pfleglicher Umgang konnten
größere Verluste bei Transport und Lagerung
verhindern. [24]
Als Ziel der
Feldzugskampagne für das Jahr 1632 fixierte die schwedische Führung in
der Mainzer Residenz die Vernichtung der wieder aufgebauten kaiserlichen und der
Liga-Armee, die Besetzung der Liga-Territorien (besonders Bayerns) und den
Vormarsch gegen die kaiserlichen Erblande, der durch Bauernaufstände und
einen erneuten Vorstoß des Fürsten von Siebenbürgen nach Wien
unterstützt werden sollte. Die politische Macht der schwedischen Sieger
sollte in einem Corpus Evangelicorum Gestalt annehmen - einem Bund
ähnlich der Union, aber unter schwedischer Führung. Als "Capo" sollte
der König über das gesamte Potential und die Ressourcen der
Verbündeten verfügen können. Nach seinem Feldzug nach Bayern und
Schwaben im Frühjahr und Sommer 1632 und seinem Sieg über die
Liga-Armee unter Tilly bei Rain am Lech im April hegte der König die
Absicht, sämtliche evangelischen Reichsstände der vier oberen
Reichskreise für den 12. September nach Ulm einzuladen, um den neuen Bund
zu schließen. Daß er der Reichsstadt Augsburg den Huldigungseid
abgefordert und sie aus allen Bindungen an Kaiser und Reich gelöst hatte,
deutet darauf hin, daß Gustav Adolf die Demontage der Reichsverfassung und
die Verdrängung der habsburgischen Kaisermacht anstrebte. Daß er sie
selbst übernehmen wollte, ist nicht belegt, also reine
Spekulation. [25] Flugblatt-Pamphletisten sahen ihn hingegen in den
Spuren der umherschweifenden Gotenkönige wandeln, die Alpen
überschreiten und das Papsttum austilgen - anknüpfend an die in
Schweden kultivierte Vorstellung, die Geschichte des Volkes gehe auf die Goten
und ihre Könige zurück (storgoticism). Der "neue Römerzug"
unterblieb, wenige Effekte zeigten auch die Kontakte zu Venedig und den
evangelischen Gliedern der
Eidgenossenschaft. [26]
Die Feldzüge
bis ins Alpenvorland und an den Bodensee hinterließen eine andere Spur -
die der Zerstörung und Vergeltung. Vom bayerischen Kurfürsten und
kaiserlichen Militärs aufgerufen, erwehrten sich die katholischen Bauern
der schwedischen Eindringlinge in zerstreuten, bewaffneten Aktionen. Im Gegenzug
übten die Truppen Rache, verfolgten gnadenlos die Bauern und praktizierten
in Niederbayern die Taktik der "verbrannten Erde". Angesichts dieser
Vorgänge und späterer Einfälle verfestigte sich in den
katholischen Donaugebieten bis über Passau hinaus der Topos von den
"grausamen Schweden". [27] Ihnen schrieb man auch die schreckliche
Folter, mittels Jaucheeinfüllens in die Speiseröhre Geständnisse
zu erzwingen, zu - den "Schwedentrunk", obwohl diese Quälerei auch von
anderen und schon früher geübt wurde. Die antischwedische
Erzähl-, Lied- und Wunderüberlieferung reicht bis ins 20. Jahrhundert.
Im Prozeß der alltäglich-friedlichen Begegnung bürgerte sich in
manchen Landstrichen die Speisebezeichnung "Kaltschale" ein - abgeleitet von der
kallskål, die sich finnische Soldaten zubereiteten, als sie ins
weinreiche Würzburg einzogen und dort quartierten. Sie füllten Wein in
ihre Sturmhauben, taten Semmeln dazu und genossen die Suppe als
Erfrischung. [28] Dem Bild der Schweden als Feinde standen auch andere
Tatsachen entgegen, so die schonungsvolle Behandlung beim Einzug in München
am 17. Mai 1632, wofür Gustav Adolf eine hohe Summe
forderte.
In den mehrheitlich protestantischen
Landstrichen und Reichsstädten Frankens und Schwabens, deren Kaufleute und
Bankiers den schwedischen Krieg wesentlich durch Kredite und Heereslieferungen
bedienten, entfachten Einmarsch und Präsenz der schwedischen Truppen eine
breite, teils enthusiastische Sympathiebewegung. Sie äußerte sich im
Willkommensjubel, Dankgottesdiensten, Geschenken, Dichtungen, rasch produzierten
und als wohlfeile Ware verkauften illustrierten Flugblättern,
Zeitungsnachrichten und einer massenhaften, vielgestaltigen Bildproduktion. Aus
Nürnberg, wo Gustav Adolf Ende März 1632 einzog, wird berichtet, viele
Bürger trügen ein aus Silber gegossenes Bildnis des Königs am
Hals, an anderen Orten knieten sie sogar vor Stichen mit seinem Konterfei betend
nieder. In Naumburg wehrte er solche Zeichen der Divinisierung selbst ab. Aus
der biblischen und antiken Überlieferung gespeist, feierte ihn die sich
befreit wähnende protestantische Bevölkerung als "zweiten Alexander",
"neuen Josua, Gideon und Judas Makkabäus", "Salvator" und "destinatus
liberator & restaurator patriae", der die Papisten und "Jesuwider"
(Jesuiten) zügeln und vertreiben werde. [29] Diese
vielfältigen, differenzierten Reaktionen auf das "Königlich
Schwedische" Kriegsunternehmen sind noch nicht in der Gänze erfaßt,
sie stellten zweifellos eine religiös motivierte und mancherorts auch
schwärmerische Massenbewegung inmitten des Krieges dar. Sie nahm diese
Ausmaße an, weil der König als Persönlichkeit sowie sein von der
Propaganda geformtes Ebenbild ungewöhnliche Ausstrahlungskraft
besaßen. Er war nicht nur strenger Herrscher, harter Forderer und
Befehlshaber, sondern auch ein schlicht-frommer Christ, begabter Redner (Deutsch
beherrschte er muttersprachlich), Meister in massenwirksamen Auftritten mit
einem feinen Gespür für Mentalitäten und ein Heerführer, der
die Unbilden des Kriegsalltags sowie die Gefahren des Gefechts mit den Soldaten
teilte. Kaum ein Herrscher des frühneuzeitlichen Europa erlangte eine
solche Popularität, die äußeren Glanzes nur wenig bedurfte, wie
Gustav Adolf als Eroberer in Deutschland. Ihr waren allerdings auch objektive
Grenzen gesetzt.
Das Werkzeug jeder
Konfliktpartei, die Streitkräfte, erreichten nie gekannte Dimensionen und
glichen sich in grundlegenden Zügen. Die Truppen fielen den Bewohnern,
gleich ob in "Feindes"- oder "Freundes"-Land, unmittelbar und "hautnah" zur
Last. Eines der vielen, meist ungenauen Verzeichnisse über den
Gesamtbestand der Streitkräfte Schwedens und seiner Verbündeten in
Deutschland kommt für Ende 1631 zu folgenden Zahlen (Tabelle
1). [30]
Das Fußvolk erreichte laut
dieser Liste 57 Prozent und die Reiterei nur 37 Prozent der Soll-Stärke.
Neuzuwerbende und Rekrutenzugänge aus Schweden hinzugerechnet, ergibt sich
eine Summe von 199.256 Mann. Andere Verzeichnisse für Anfang 1632 kommen zu
etwas niedrigeren Zahlen. [31] Die Soll-Stärke wurde kaum je
erreicht, da der Krankenstand hoch und die Zufuhr aus Schweden lückenhaft
war. Es kann also mit einer Gesamtstärke von etwa 150.000 Mann gerechnet
werden, den Troß ausgenommen. Aufschlußreich, weil propagandistisch
aufbereitet, ist eine Liste der vom König und seinen Armeen erschlagenen,
gefangenen oder in Dienst genommenen Feinde bis 6./16. Februar 1632. An siebzig
Kampfplätzen - von Stralsund 1628 bis Würzburg September 1631 -
verloren die Schweden 4.152 und die Kaiserlichen 75.440 Mann. Das
Verhältnis bei Breitenfeld wird mit 800:20.000 angegeben. [32] So
erscheint, wie auch auf illustrierten Flugblättern mit Veduten von (bis
über hundert) eroberten Städten und Festungen, das deutsche
Kriegsunternehmen als ununterbrochene Kette von leichten Siegen und Triumphen.
In Wirklichkeit verzehrte der deutsche Schauplatz in diesem Zeitraum etwa 50.000
Männer. Durch die fast jährliche Aushebung (utskrivning)
wehrfähiger Männer (zwischen 15 und 60 Jahren) in den schwedischen und
finnischen Dörfern sank deren Anteil ständig ab, denn mindestens drei
Viertel kehrten nicht wieder. [33] Die "demographische Katastrophe" in
Schweden, von der einige Forscher sprechen, war eine Art Gegenstück zum
Bevölkerungsrückgang in Deutschland, der allerdings vor allem auf
indirekte Kriegseinwirkungen zurückgeht. Der Einsatz nationalschwedischer
Truppenteile war jedoch unverzichtbar, da sie als zuverlässigster Teil der
"Royal Armee" in den Garnisonen der Ostseeküste (sjökanten) die
Nachschub- und Rückzugswege sicherten und in den Schlachten
Schwerpunktaufgaben zu erfüllen hatten. Eine weitere sozial-politische
Rückwirkung der Expansionskriege Schwedens war die Schrumpfung des
Krongutbestandes mit darauf sitzenden Freibauern zugunsten des
zahlenmäßig anwachsenden Adels, der Militärs und hohen Beamten,
die durch Donationen und Belehnungen belohnt wurden. Dieser Prozeß schritt
unter Königin Christina beschleunigt fort und konnte nur mit großen
Anstrengungen partiell umgekehrt werden in Gestalt der
"Reduktionen".
Mit der Okkupation Bayerns
erreichte der schwedische Vormarsch zu Lebzeiten Gustav Adolfs seinen Zenit,
aber nicht sein letztes Ziel. Die schwedische Streitmacht und die der
Verbündeten - die größte in Mitteleuropa - erhielt im
Frühjahr 1632 einen ebenbürtigen Gegner: Nach der Rückberufung
Wallensteins ins Generalat formierte die kaiserliche Seite in erstaunlich kurzer
Zeit eine Armee, die von Böhmen aus ins Fränkische vorstieß und
der schwedischen Hauptarmee den Weg nach Norden, ihre wichtigste Lebensader,
abzuschneiden drohte. Gustav Adolf mußte auf die Fortsetzung seiner
Operationen gegen die kaiserlichen Erblande verzichten und Wallensteins
befestigtes Lager bei Nürnberg im Sommer 1632 zu attackieren und zu
vernichten suchen. Doch alle Angriffe des Strategen mißlangen, begleitet
von hohen Verlusten beider Seiten durch Hunger und Krankheiten. Die Lage bei
Nürnberg beschrieb, nach drei Monaten verlustreicher Auseinandersetzung,
der Patrizier Lukas Behaim lakonisch mit den Worten: "Vom Feinde [den
Kaiserlichen] drei Monat belagert, vom Freund vier Monat
ausgefressen." [34] Beide ausgezehrten Armeen verließen Ende
August das erschöpfte Feld der Schlacht, Gustav Adolf diesmal ohne Sieg. Er
wandte sich wiederum nach Süden an die Donau, um den Weg nach
Österreich, wo die rebellischen Bauern seiner harrten, einzuschlagen. Doch
die Nachricht, die kaiserliche Armee marschiere nach Sachsen und Feldmarschall
Holcks Scharen verwüsteten - zur Warnung für den sächsischen
Kurfürsten - das Vogtland, zwang den König, sich nach Norden
zurückzuwenden, sollte nicht der unsichere Verbündete, der
Kurfürst, verloren sein. Die schwedische Armee marschierte eilig über
Arnstadt, Erfurt und Naumburg in die Leipziger Ebene. Wallenstein, im Glauben,
die Kampagne des Jahres 1632 sei zu Ende, ließ starke Kräfte unter
Feldmarschall Pappenheim nach Halle abmarschieren. Das erwies sich als fataler
Fehler, denn Gustav Adolf reagierte darauf mit unverzüglichen
Vorbereitungen zum Überfall auf die Kaiserlichen. Die "blut'ge Affär"
(Schiller) bei dem Städtchen Lützen nahe Leipzig am 6./16. November
1632 endete als knapper Sieg der Schweden. Die kaiserlichen Truppen
verließen in der Nacht das Schlachtfeld, aber in geordnetem Rückzug.
Der König, wahrscheinlich wegen seiner Kurzsichtigkeit in feindliche Reihen
geraten, fiel, auf der Gegenseite der talentierte General Gottfried Heinrich
Graf Pappenheim. In dessen Rock fand man die blutbefleckte Order von
Wallensteins Hand (datiert 15. November), er möge alles stehen und liegen
lassen und "sich herzu mitt allem volck und stücken" begeben. [35]
Den Leichnam des Königs, kaum bekleidet, fand man erst nach langem Suchen
im Schmutze. Er wurde nach Weißenfels gebracht, einbalsamiert und
aufgebahrt und, nachdem die See eisfrei war, im Frühjahr 1633 aus Wolgast
nach Stockholm überführt.
All diese
Vorgänge zusammengenommen bewirkten das Herannahen einer Krise der
schwedischen Macht in Deutschland. Im Unterschied zu 1631 blieb die kaiserliche
Armee als starker Gegner im Felde und übte Druck auf Schwedens
Bundesgenossen aus, sich aus der Allianz zu lösen, die ihnen nicht die
erhofften Vorteile zu bringen schien. Reichskanzler Axel Oxenstierna, der nach
dem Tode des Königs den "deutschen Krieg" militärisch und diplomatisch
weiterführte (gestützt auf talentierte Heerführer aus Gustav
Adolfs "Schule" wie Bernhard von Sachsen-Weimar, Johan Banér, Carl Gustav
Wrangel und Lennart Torstenson), erkannte, daß angesichts von
Armeeunruhen, Versorgungskrisen und sinkendem Kredit das ausufernde
Kriegsunternehmen nicht mehr wie bisher finanziert werden konnte. Schwedens
Beitrag konnte nicht weiter gesteigert werden, die Lasten sollten
größtenteils auf die deutschen Verbündeten abgewälzt
werden. [36] Darin bestand der Hauptzweck des am 27. April 1633
geschlossenen "Heilbronner Bundes". Als ein politisches Ziel dieser
militär-politischen Allianz wurde die Wiederherstellung der "Teutschen
Libertät, Observanz, des Heiligen Römischen Reiches Satzungen und
Verfassungen" verkündet, also eine restitutive, der Reichsverfassung
konforme Absicht. In der Praxis aber blieben die Tendenzen schwedischerseits,
die Reichsverfassung durch eigene Staatsbildungen und vielgestaltige
Abhängigkeiten zu sprengen. Die deutschen Bundesmitglieder übernahmen
die Finanzierung des gemeinsamen Krieges, die militärische Direktion
übte der Reichskanzler aus, die Finanzen verwaltete ein Ratskollegium, in
dem Schweden drei von zehn Sitzen einnahm. Frankreich, durch einen zweiseitigen
Vertrag mit Schweden verbunden, konnte seine Klientel im Heilbronner Bund
vergrößern. [37] In Schwedens vorrangigem Interesse lag die
Anerkennung seines Anspruchs auf "Satisfaction" - materielles Entgelt für
den opferreichen Einsatz zugunsten der evangelischen Sache und ihrer deutschen
Verfechter. Diesen Anspruch akzeptierten die Bundesgenossen. Als aber
Oxenstierna 1634 bekennen mußte, daß Schweden vor allem das
Herzogtum Pommern meinte, war an eine Gewinnung des brandenburgischen
Kurfürsten nicht mehr zu denken, denn nach Erbrecht und Reichsgesetzen
mußte Pommern nach abzusehendem Aussterben der herrschenden Dynastie an
Brandenburg fallen. Die Pommern-Frage blieb fortan eines der wichtigsten
Probleme des Krieges und der Friedensverhandlungen im Reich. Auch andere
norddeutsche Fürsten traten dem schwedisch dominierten Bund nicht bei,
nicht zuletzt unter dem Einfluß Kursachsens, das seine eigenen Wege
ging.
Die Stabilisierung der schwedischen Macht
mittels krig genom ombud (Krieg durch Stellvertreter) war nicht von
Dauer. Es scheiterten auch alle Versuche, durch Verhandlungen, u.a. mit
Wallenstein, zu einem Ausgleichsfrieden zu gelangen, dem der Reichsrat in
Anbetracht der wachsenden Schwierigkeiten in Schweden selbst zuneigte. Es
blieben weiterhin nur die militärischen Gewaltmittel, den Konflikt einer
Lösung zuzuführen. Auf Grund der schlesischen Erfolge Wallensteins,
dessen Ermordung im Februar 1634 nur eine zeitweilige Entlastung brachte, und
nach dem Aufmarsch einer spanisch-italienischen Armee unter dem Kardinalinfanten
Ferdinand in Süddeutschland trat erneut eine ernste Situation ein. Sie
gipfelte in der katastrophalen Niederlage schwedischer Armeen unter Bernhard von
Sachsen-Weimar und Gustav Horn bei Nördlingen am 27. August/6. September
1634. Die Folgen dieser Niederlage offenbarten die Brüchigkeit des
schwedischen Regimes und Bündnisgefüges: Die Truppen wurden aus
Oberdeutschland vertrieben, begleitet von allseits verübten Exzessen
gegenüber der Bevölkerung, so in Württemberg und
Hessen-Darmstadt. Der Heilbronner Bund zerfiel, aus seiner Konkursmasse suchte
Frankreich Nutzen zu ziehen. Die schwedischen Donationsgebilde und "Staaten"
hörten auf zu existieren. In solcher Form kehrte schwedische Macht nicht
wieder. [38]
Der Kurfürst von Sachsen
hatte schon im Juni mit dem Kaiserhof Friedensgespräche angeknüpft,
die über die Leitmeritzer Verhandlungen in die Pirnaer "Noteln"
einmündeten. Diese wiederum bildeten die Basis des am 30. Mai 1635 in Prag
geschlossenen kaiserlich-sächsischen Friedens. Der Kompromißcharakter
(u.a. wurde das Restitutionsedikt für vierzig Jahre ausgesetzt) sowie der
Rückzug Schwedens an die Ostseeküste, aber auch die Sorge wegen des
bevorstehenden Eintritts Frankreichs in den Krieg, bewogen die meisten
Reichsstände, dem Prager Frieden beizutreten. Dieser räumte dem Kaiser
Verfügungsgewalt über gemeinsame Streitkräfte ein, die gegen die
Schweden zu operieren begannen, um sie vom Boden des Reiches zu
verdrängen. [39] Ihre pommersche Basis war Angriffen ausgesetzt,
und schwer zu stillende Meutereien in der schwedischen Armee sowie stark
geschrumpfte Versorgungsquellen und Unterhaltsgebiete bezeichneten die nahezu
aussichtslose Lage. Im Reichsrat erwog man den völligen Rückzug aus
dem Reich, auch ohne Satisfaktion.
Um die
Kapitulation Schwedens zu verhindern, entschied sich Kardinal Richelieu, den
"verdeckten Krieg" mittels Schwedens gegen Habsburg aufzugeben; Frankreich
erklärte 1635, im Monat des Prager Friedens, Spanien den Krieg, was nun
auch die offene Feindschaft und den Kriegszustand mit dem Kaiser nach sich zog.
Frankreich marschierte jetzt militärisch im Reich auf und operierte
hauptsächlich in Südwestdeutschland. Trotz der Proteste Oxenstiernas
nahm die französische Krone den schwedischen General Bernhard von
Sachsen-Weimar in ihre Dienste, der für jährlich 1,6 Millionen
Reichstaler 18.000 Mann gegen den Kaiser ins Feld führte. Die Verhandlungen
zwischen Oxenstierna und Richelieu mündeten über Vereinbarungen in
Compiègne Ende April 1635 in ein reguläres Militärbündnis
in Wismar vom 20./30. März 1636 ein, das 1638 verlängert
wurde.
Die positiven Wirkungen der
französischen "Diversion" und der erneuten Mobilisierung von Ressourcen in
Schweden stellten sich nur zögernd ein. Für Schwedens Position in
Norddeutschland bedeutete der Sieg bei Wittstock gegen ein
kaiserlich-sächsisches Heer am 4. Oktober 1636 eine Wende hin zur
offensiven Kriegführung. Das Land des brandenburgischen Kurfürsten,
der an der Seite des Kaisers stand, wurde von schwedischen Truppen als
Feindesland besetzt mit allen verheerenden Folgen für die Bevölkerung.
Der junge Kurfürst Friedrich Wilhelm suchte aus der verzweifelten Lage
einen Ausweg, indem er mit Schweden seit 1641 über einen
Neutralitätsvertrag verhandelte. Kursachsen folgte 1645 mit dem
Waffenstillstand von Kötzschenbroda. Der Versuch, das Reich gegen Schweden
ins Feld zu führen, war endgültig
gescheitert.
Das letzte Jahrzehnt oder die
"schwedisch-französische Phase" des Dreißigjährigen Krieges
trägt folgende Grundzüge: In wechselvollen Kämpfen behaupteten
die Schweden ihre wiedergewonnene Überlegenheit und bestimmten immer mehr
den gesamten Kriegsverlauf. Im Großteil des Reiches bewegten sich ihre
Armeen auf Durchzügen, in Einquartierungen und als Besatzungen. Am
schwersten waren Böhmen, Bayern und das westliche Süddeutschland
betroffen. Zugleich nahm die schwedische Krone Pommern unter provisorische
Verwaltung und bereitete die spätere Inbesitznahme vor. Im Zuge des
Krieges, den schwedische Truppen Ende 1643 gegen Dänemark durch einen
Überfall eröffneten und erfolgreich beendeten, besetzten sie unter
Hans Christoph von Königsmarck die Stifte Bremen und Verden. Damit war
König Christian IV. von Dänemark aus seiner Vermittlerrolle zugunsten
des Kaisers gedrängt. [40] Der schwedische Überfall auf den
protestantischen Nachbarn zeigte einmal mehr, daß sich der
konfessionell-ideelle Impetus, der anfangs Entscheidungen und Ereignisse
mitbestimmte hatte, weitgehend verlor, und das nicht nur bei den Schweden.
Materielle Triebfedern, Ringen und Feilschen um Territorien und Einkünfte
gaben dem Geschehen überwiegend die Richtung. Durch wiederholte Meutereien
und Unruhen angekündigt, erzwangen die unter schwedischer Führung
stehenden Armeen mit ihren spezifischen Interessen an Besoldung und Abfindung,
an Beute und Demobilisierung ihren Platz als "dritte Partei" in Politik und
Friedenslösungen.
Auf dem Westfälischen
Friedenskongreß, wo die schwedischen Hauptgesandten Johan Oxenstierna und
Johan Adler Salvius vor allem in Osnabrück residierten, gelang es, die
Ergebnisse des zwanzigjährigen "deutschen Krieges" folgendermaßen zu
verankern: Schwedens "Sicherheits"-Postulat sowie die "satisfactio coronae"
wurde mit dem Erwerb West-Pommerns, Bremen-Verdens und Wismars erfüllt. Die
"satisfactio militum" - die Abfindung der zum Abzug verpflichteten
Streitkräfte - regelte der Nürnberger Exekutionstag von 1649/50 vor
allem zugunsten der höheren Militärs. [41] Das einst
verkündete Kriegsziel, die deutschen "Glaubensverwandten" von der
Bedrückung durch katholische Gegenreformation und Kaisermacht zu befreien
und in ihren Rechten zu schützen, wurde nur teilweise erreicht: Im Reich
konnte mit schwedischem Beistand die prinzipielle und reziproke Gleichstellung
der evangelischen mit der katholischen Konfession und Kirche reichsgesetzlich
verankert und der Besitz-, Rechts- und Bekenntnisstand nach dem "Normaljahr"
1624 eingefroren werden. In den Erbländern des Kaisers aber kamen die
Protestanten nicht in den Genuß dieser Errungenschaften; sie zahlten den
Preis für den Ausgleich zwischen Schweden und dem
Kaiser. [42]
Die Friedensverhandlungen
liefen, da kein Waffenstillstand erhandelt werden konnte, in enger
Wechselbeziehung zum Kriegsgeschehen. Vor allem die mörderische Schlacht
bei Jankau in Böhmen im März 1645, in der die Schweden unter
Torstenson über eine gleichstarke kaiserliche Armee (die letzte ihrer Art)
siegte, nötigte der kaiserlichen Seite eine größere
Kompromißbereitschaft ab. In Mähren und Böhmen, wohin sich - dem
Bericht des holsteinischen Residenten zu Hamburg zufolge - der Krieg wieder
"wälzen werde", planten die Schweden wirksame Aktionen im Jahre
1648. [43] Der schwedische General Königsmarck unternahm im
September einen Handstreich auf Prag, konnte aber nur die Kleinseite einnehmen.
Doch auch so war der Gewinn gewaltig: Auf dem Hradschin erbeutete er den
großen Rest der Kunst- und Raritätensammlung Kaiser Rudolfs II. und
ließ ihn, trotz kaiserlichen Protests, nach Schweden transportieren. Von
der Nachricht, der Friede sei geschlossen, überrascht, mußten die
schwedischen Truppen alle weiteren Feindseligkeiten einstellen. Das war die
letzte Kampfhandlung des "Königlich Schwedischen Krieges in Deutschland",
der zwanzig Jahre davor auf Stralsunder Boden seinen Anfang genommen
hatte.