DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
Textbände > Bd. I: Politik, Religion, Recht und Gesellschaft |
ROBERT I. FROST Polen-Litauen und der Dreißigjährige Krieg |
Als sich im Sommer 1648 Europas
Aufmerksamkeit auf den dramatischen Höhepunkt der Friedensverhandlungen in
Münster und Osnabrück richtete, war die polnisch-litauische Union mit
anderen Problemen beschäftigt. Im Mai 1648 fügten aufrührerische
Saporoger Kosaken der polnischen Armee bei Zhovte Vody und Korsun in der
ukrainischen Steppe südlich von Kiew zwei vernichtende Niederlagen zu. Am
20. Mai, sechs Tage vor der Schlacht bei Korsun, stürzte der unerwartete
Tod von König Ladislaus IV. die Union in die Unsicherheit eines
Interregnums. Als sich die Gesandten zur feierlichen Unterzeichnung des
Vertrages am 24. Oktober in Westfalen versammelten, bereitete sich Polen-Litauen
auf die Wahl eines neuen Königs vor, während die Kosaken Lwów
belagerten und auf das 100 Kilometer von Vistula gelegene
Zamośč vorrückten.
Obwohl der Westfälische
Frieden oft als Eckstein einer neuen europäischen Ordnung gefeiert wird,
die bis zu den Kriegen in der Folgezeit der Französischen Revolution
Bestand haben sollte, war der Friedensschluß im wesentlichen ein
westeuropäisches Abkommen. Auch bevor die folgenschweren Ereignisse von
1648 so sehr für Aufmerksamkeit sorgten, spielte Polen-Litauen keine Rolle
in den Verhandlungen; die polnische Präsenz in Münster und
Osnabrück beschränkte sich auf Beobachter von niedrigem Rang, die nur
mit Unterbrechungen anwesend waren und die Ergebnisse der Verhandlungen in
keiner Weise beeinflussen konnten. Die Tatsache, daß eine der vor dem
Krieg fraglos größten europäischen Mächte in Westfalen
durch keine akkreditierten Repräsentanten vertreten war, hat
außerhalb Polens bei Historikern nur geringe Aufmerksamkeit
gefunden. [1] Dies ist überraschend, war man doch in Westfalen mit
Angelegenheiten befaßt, die für die Polen von offensichtlicher
Bedeutung waren, zumal die durch das Abkommen von 1648 bewirkte Veränderung
der internationalen Position Schwedens weitreichende Implikationen für die
Union hatte. Überdies spielte Polen-Litauen in der ersten Hälfte des
Dreißigjährigen Kriegs eine bedeutsame Rolle; von denen, die den
Krieg als ersten gesamt-europäischen Konflikt betrachten, wird
Polen-Litauen sogar häufig als integraler Bestandteil des
katholisch-habsburgischen Bundes dargestellt: In Polišenskýs
"feudalistisch-katholischem Block" spielt Polen die Rolle eines "Spanien des
Nordens"; für andere war es dagegen nur, wie Wedgwood sich ausdrückt,
der "Wachhund" der Habsburger, der zum geeigneten Zeitpunkt von der Leine
gelassen wurde. [2]
Versuche, den Krieg
als ein in sich geschlossenes kontinentales Phänomen darzustellen, erweisen
sich gerade dann als aussichtslos, wenn man die Rolle Polens in Betracht zieht.
Zwar wäre es töricht, die gegenseitigen Verbindungen zwischen den
verschiedenen europäischen Kriegen zu bestreiten; aber die lange Folge von
Konflikten zwischen Polen-Litauen, Schweden und Moskowien als bloßen Teil
eines umfangreicheren "Habsburgisch-Bourbonischen Hegemonialstrebens" zu
betrachten, wie Steinberg dies tut, würde bedeuten, ihre Dynamik
mißzuverstehen. [3] Die Nordischen Kriege, die 1558 mit der
Invasion Livlands durch Iwan IV. begannen, begründeten eine Epoche der
europäischen Geschichte von eigener innerer Gesetzlichkeit. [4]
Nachdem Iwans Versuch der Eroberung Livlands 1582 mit einer Niederlage endete,
war keine Macht in der Lage, eine Vormachtstellung in Nordosteuropa zu erlangen,
wo das komplexe Netz von Feindschaften zu drei Perioden umfassender Kriege
(1563-82, 1655-60 und 1700-21) und zahlreichen bilateralen Konflikten
führte. [5] Die westlichen Mächte mögen sich zwar
für diese Konflikte interessiert haben, aber in den Fällen, in denen
ihre Interventionen häufig von Bedeutung waren, konnten sie doch den Lauf
der Ereignisse in keiner Weise steuern, und Osteuropa blieb außerhalb des
in Westfalen etablierten Ordnungssystems. Erst als 1815 auf dem Wiener
Kongreß die Teilungen Polen-Litauens von 1772, 1793 und 1795 und
Rußlands Annexion von Finnland im Jahre 1809 besiegelt wurden, standen
Rußland und Preußen als Sieger der Nordischen Kriege fest, und
Nordosteuropa wurde vollständig in ein europaweites internationales
Ordnungssystem integriert.
Nichtsdestotrotz wurde
es durch die erweiterten Möglichkeiten der europäischen Staaten,
Kriege zu führen, sowie durch die dramatische Zunahme der Anzahl und Dauer
der Konflikte seit dem späten 16. Jahrhundert zunehmend schwierig, eine
gewisse Überschneidung von Konflikten zu verhindern, obwohl doch die Gefahr
eines Zweifrontenkrieges Regierungen gewöhnlich danach streben ließ,
Konflikte auseinanderzuhalten. Gustav Adolfs Beobachtung vom April 1628,
daß "sich die Dinge derart zugespitzt haben, daß alle in Europa
geführten Kriege miteinander verknüpft und zu einem geworden sind",
war sowohl ein Eingeständnis, daß er mit seinem Bestreben, sie
auseinanderzuhalten, gescheitert war, als auch ein Versuch, Axel Oxenstierna von
der Notwendigkeit einer Intervention im Reich zu überzeugen. [6]
Doch Schweden war 1630 dazu nur in der Lage, weil Polen dem äußerst
nachteiligen Waffenstillstand von Altmark (1629) zustimmte, der beinhaltete,
daß das lukrative Recht, Zölle auf preußische Häfen zu
erheben, an Schweden abgetreten wurde: Wenn es richtig ist, daß 1628 alle
Kriege in Europa zu einem geworden waren, so änderte sich dies im Jahre
1629. Angesichts der Rolle, die Schweden nach 1630 im Dreißigjährigen
Krieg spielte, bedarf die polnisch-litauische Passivität einer
Erklärung: Warum schlug der "Wachhund der Habsburger" seltsamerweise nicht
an, als sein vermeintlicher Herr nach Breitenfeld oder in den 1640er Jahren in
ernsten Schwierigkeiten war? Um dieses zu erklären, muß man den Krieg
aus polnischer Perspektive untersuchen.
Auf den
ersten Blick scheint es nicht unangemessen, Polen-Litauen als Teil des
habsburgisch-katholischen Machtblocks zu betrachten. Sigismund III. (1587-1632),
der Sohn von Johann III. von Schweden und Katharina, der Schwester von Sigismund
II. August, dem letzten jagiellonischen König von Polen-Litauen, wurde von
seiner Mutter als Katholik erzogen und erwies sich als eifriger und
erfolgreicher Verfechter der Gegenreformation. Von Beginn seiner Regentschaft an
verfolgte er eine ausgeprägt prohabsburgische Politik. 1592 heiratete er
Anna, die Schwester des späteren Kaisers Ferdinand II., um eine enge
dynastische Verbindung aufzubauen, die ein halbes Jahrhundert Bestand hatte:
Nach Annas Tod im Jahre 1598 heiratete Sigismund 1605 ihre Schwester Konstanze;
sein ältester Sohn Ladislaus IV. (1632-1648) heiratete 1635 Cäcilia
Renate, die Tochter Ferdinands II.
Die
Verbindungen waren nicht nur dynastischer Art. Als 1613 innere Spannungen im
Reich aufkamen, unterzeichnete Sigismund eine Übereinkunft mit Kaiser
Matthias, in der jeder Monarch dem anderen Hilfe gegen innere Aufstände
versprach. 1619, auf dem Höhepunkt des Böhmischen Aufstands,
löste Sigismund sein Versprechen ein und gewährte die Rekrutierung
einer 8.000 bis 10.000 Mann starken Truppe - der berühmten "Lisowczyk-"
oder "Kosaken-" Kavallerie - die die Karpaten Richtung Ungarn überquerte
und die Schlacht bei Humienne (23./24. November 1619) gewann, wodurch Bethlen
Gabor gezwungen wurde, seinen Angriff auf Wien abzubrechen. [7] Die
Lisowczyks kämpften auch mit ungefähr 4.000 Mann in Böhmen in der
Schlacht am Weißen Berg. Obwohl der Pfälzer Feldzug von 1622 die
letzte große Lisowczyk-Expedition war, kämpften viele Polen in den
1630er Jahren für die Habsburger.
Doch die
Verbindung Habsburg-Wasa war keinesfalls reibungslos. Sigismund wurde 1587 als
der antihabsburgische Kandidat gewählt und konnte seine Krone nur sichern,
indem er seinen Rivalen, den Erzherzog Maximilian, im Januar 1588 bei Pitschen
besiegte und gefangensetzte. Diese Angelegenheit warf einige Jahre einen
Schatten auf die Verbindungen zwischen den Habsburgern und den Wasa. Maximilian
verbrachte ein Jahr in Gefangenschaft bis zu seiner Freilassung im März
1589 entsprechend dem Vertrag von Bytom-Będzin,
der von ihm den Eid verlangte, daß er seinen Anspruch auf den Thron
aufgebe. Sobald er jedoch wieder auf habsburgisches Territorium kam, brach er
sein Versprechen und benutzte weiterhin den Titel rex electus. Obwohl
Rudolf II. und Sigismund den Vertrag ratifizierten, weigerten sich Maximilian
wie auch Philipp II., ihn zu akzeptieren. [8] Dies hatte eine gewisse
Ironie, insofern Sigismunds frühe Erfahrungen in Polen-Litauen ihn schon
bald dazu brachten, seine Wahl zu bedauern: 1589 erwog er, zugunsten von
Maximilians Bruder Ernst abzudanken. Doch Maximilians Hartnäckigkeit sollte
seinen Plan durchkreuzen, denn in seiner Empörung über dessen
wortbrüchige Weigerung,
Bytom-Będzin zu akzeptieren, erließ der polnische Sejm eine Verfügung, die ihn
verpflichtete, seinem Eid binnen 20 Monaten nachzukommen; im Falle seiner
Weigerung würden die Habsburger für immer vom polnischen Thron
ausgeschlossen. [9]
Die Entwicklungen in
Schweden brachten Sigismund jedoch bald dazu, seinen Plan fallenzulassen. Als er
nach dem Tod seines Vater 1593 nach Schweden zurückkehrte, fand er ein
politisches System vor, das vorsah, ihn an seine Stelle zu setzen. Ein ziemlich
unbequemes Bündnis zwischen seinem Onkel, dem Herzog Karl von
Södermanland, und dem Kronrat war dazu bestimmt, die umstrittene
Religionsfrage zu klären; Sigismund wurde gezwungen, zahlreiche
Einschränkungen seiner Macht sowie den endgültigen Triumph des
Luthertums durch die Annahme der confessio augustana durch die Kirche von
Schweden zu akzeptieren. Als Sigismund um 1594 nach Polen zurückkehrte,
hatte er begriffen, wie prekär seine Lage in seinem Heimatland war; unter
diesen Umständen wäre es eine Dummheit gewesen, auf seinen polnischen
Thron zu verzichten. Seine Position in der Union war jedoch ebenfalls schwierig:
Seine Kontakte zu den Habsburgern waren äußerst unpopulär, und
er mußte schwere Angriffe von der Inquisition des Sejm von 1592
hinnehmen.
Die Freundschaft zwischen den
Habsburgern und den Wasa bestand durchaus nicht zwangsläufig, und Mitte der
1590er Jahre kühlten die Beziehungen deutlich ab. Von Schweden besessen,
zeigte Sigismund wenig Interesse an den Versuchen Habsburgs, polnische
Unterstützung im 1593 ausgebrochenen türkischen Krieg zu erlangen.
Aber das war eine ziemlich populäre Haltung. Die Habsburger und
Jagiellonen, die bis 1526 auch Böhmen und Ungarn beherrschten, waren lange
Rivalen in Südosteuropa gewesen. Die Polen hielten das ganze 16.
Jahrhundert hindurch einen lange währenden Frieden mit den Osmanen und
lehnten es ab, den Habsburgern in den habsburgisch-türkischen Kriegen nach
1526 beizustehen. Falls der türkische Zugriff auf Ungarn und den Balkan
einmal gelockert sei, wären Polen und Habsburg eher Rivalen als
Verbündete. In den 1590er Jahren allerdings versuchte Polen-Litauen seinen
Einfluß in Transsilvanien, Moldavien und der Walachei auszuweiten,
während Sigismund über Rudolfs 1594 unternommenen Versuche, die
Saporoger Kosaken für den Krieg gegen die Türken anzuwerben,
verärgert war. [10] Obwohl Maximilian 1598 seinen Anspruch auf den
polnischen Thron aufgab und Philipp II. den Vertrag von
Bytom-Będzin
ratifizierte, war es zu spät. 1598 unternahm Sigismund einen bewaffneten
Versuch, sein schwedisches Erbe zu sichern, was mit einer Niederlage und seiner
Amtsenthebung im Jahre 1599 endete; als Karl 1600 in Livland einfiel, begann
eine lange Folge polnisch-schwedischer Kriege. Den Habsburgern blieb nichts
übrig, als alleine gegen die Türken zu
kämpfen.
Nichtsdestoweniger ließ
Sigismunds Amtsenthebung sein Interesse am Habsburger Bündnis
wiederaufleben. Der Verlust des schwedischen Throns brachte die polnischen Wasa
in eine besonders verwundbare Lage. Denn Sigismunds polnische Untertanen
erinnerten ihn unablässig daran, daß die Union eine Wahlmonarchie war
und es keine Garantie dafür gab, daß sein Sohn Ladislaus nach seinem
Tod gewählt werden würde. Im Falle seines Scheiterns wären die
polnischen Wasa Ausgestoßene. Die polnische Monarchie war völlig
verarmt, die Wasa hatten nur wenige private Besitztümer in der Union und
wurden nun ihrer ausgedehnten schwedischen Ländereien beraubt. So hatte
Sigismund gute Gründe für seinen Eifer, den schwedischen Erbthron
zurückzugewinnen. Um dieses Ziel zu verfolgen, würde er friedliche
Beziehungen mit seinen südlichen und westlichen Nachbarn benötigen,
denn aufgrund seiner Armut war ausländische Unterstützung unabdingbar.
Mit dem Ende des habsburgisch-türkischen Kriegs im Jahre 1606 war der Weg
zu einer engeren Beziehung wieder frei.
Hinter dem
erwähnten Vertrag von 1613 zwischen Sigismund und Mattias standen jedoch
mehr interne als internationale Erwägungen. Die entschlossene Verteidigung
des zentraleuropäischen "Ständestaats", die schließlich zum
Böhmischen Aufstand führte, war keineswegs auf die habsburgischen
Erblande beschränkt. Vielen Polen schien Sigismunds Unterstützung der
Habsburger verdächtig, besonders im Lichte dessen, was man als sein Streben
nach einem absolutum dominium ansah. Seit 1599 konzentrierte er sich
darauf, seine Autorität zu behaupten und die Lage der Monarchie zu
verbessern. Er nutzte seine umfangreichen Patronatsbefugnisse und die
Unterstützung eines Großteils der politisch bedeutsamen katholischen
Hierarchie, um eine mächtige königstreue Partei aufzubauen. Seine
Neigung, sich der einschränkenden Rolle der Senatsversammlung als
Hüter des Rechts zu entziehen, indem er seine Entscheidungen auf einen
inneren Kreis von Anhängern stützte, stärkte nur die Opposition.
Die Schaffung einer katholischen, königstreuen Partei und der folgende
Angriff auf protestantische Freiheiten, die durch die Warschauer
Konföderation von 1573 garantiert worden waren, verliefen genau parallel
zur habsburgischen Politik in den Erblanden. Die erfolgreiche Unterminierung der
politischen Stärke des Protestantismus demonstrierte die Effektivität
der Methoden Sigismunds, aber seine offenkundige Verachtung für den Geist
der Verfassung führte schließlich 1606/07 zu einem offenen
Aufruhr.
Das Hilfsangebot im Falle eines Aufruhrs
im jeweiligen Königreich war 1613 ganz im gegenseitigen Interesse der
Habsburger und der Wasa; es waren die Habsburger, denen es 1619/20 zugute kam.
Falls jedoch Sigismund von Ferdinand Dankbarkeit erwartete, sollte er
enttäuscht werden. Als der Böhmische Aufstand niedergeschlagen war,
verschlechterten sich die Beziehungen. Als Sigismund Hilfe suchte, um einen
türkischen Einmarsch im Jahre 1621 abzuwehren, wurde er höflich
zurückgewiesen: Ferdinand war lediglich bereit, sich beim Sultan für
ihn zu verwenden und die Lisowczyk-Kosaken aus seinem Dienst zu
entlassen. [11] Dies war kein großes Opfer: Die Lisowczyks hatten
sich in der harten Schule der Moskowiter Kriege einen Namen gemacht, in denen
sie bis zur Wolga und zur Küste des Weißen Meeres eine Spur der
Verwüstung hinterließen. Sie hatten ihren Hang zur Zerstörung
nicht abgelegt, und Ferdinand wurde mit Beschwerden über ihr Verhalten
überschüttet, das gemäß dem Klischee der Zeit häufig
mit dem der Türken und Tartaren verglichen wurde, zum Vorteil der
Ungläubigen. [12]
Ferdinand
gewährte Sigismund auch keine Unterstützung gegen Gustav Adolf, den
Sohn Karls IX., der zwischen 1617 und 1625 drei Überfälle auf Livland
unternahm und im Jahre 1621 Riga in seine Gewalt brachte. Ferdinand kam dies
tatsächlich entgegen: Solange Gustav Adolf mit Livland beschäftigt
war, war er nicht in der Lage, den antihabsburgischen Rebellen zu helfen, welche
ihn nach 1618 eifrig umwarben. Besonders nachdem Gustav Adolf 1626 ins Herzogtum
Preußen einmarschierte, zwang Schwedens militärischer Erfolg den
alternden Sigismund dazu, sich mit dem Problem der Zukunftssicherung für
seine Kinder zu befassen, im Wissen, daß er wohl sterben würde, ohne
den schwedischen Thron zurückzuerlangen.
In
dieser Lage verwickelte er sich in weitere Streitigkeiten mit Ferdinand. Trotz
Sigismunds hartnäckiger Weigerung, seinen Anspruch auf den schwedischen
Thron aufzugeben, war er keineswegs blind für die politischen
Realitäten, und so versuchte er bereits, die Position der Dynastie zu
stärken, entweder als einen Schritt zur Wiedererlangung des Geburtsrechts
oder als Kompensation für dessen Verlust. Sein Hauptziel war es, eine
unabhängige, erbliche Machtbasis zu sichern, jenseits des
Einflußbereichs der Institutionen der Union. Unglücklicherweise waren
die hierfür am besten geeigneten Fürstentümer alle dazu angetan,
den Widerstand Habsburgs auf den Plan zu rufen: Livland, Kurland und das
Herzogtum Preußen waren ehemals Gebiete des Deutschen Ordens, die unter
Habsburgs Schutz gestellt wurden, nachdem Erzherzog Maximilian III. nach seiner
Herabsetzung in den Jahren 1587-1589 zum Hochmeister gewählt worden
war.
Dies galt um so mehr für die neue
Möglichkeit, die sich mit dem Böhmischen Aufstand ergab. Schlesien,
das der polnischen Krone im zwölften Jahrhundert verlorenging, hatte immer
noch eine große polnischsprechende Bevölkerung und war eine
wohlhabende und blühende Provinz. Noch vor der Absetzung Ferdinands als
König von Böhmen reiste Sigismunds ältester Sohn Ladislaus im Mai
1619 auf Einladung Erzherzogs Karl, seines Onkels und Bischofs von Breslau, ins
schlesische Neiße. Hier traf er Gesandte der schlesischen und
böhmischen Stände, die seine Kandidatur für den böhmischen
Thron vorschlugen. Nachdem er während eines langen Aufenthalts
Berichtigungen der polnisch-schlesischen Grenzen als Gegenleistung für
militärische Hilfe diskutiert hatte, kehrte Ladislaus im September mit Karl
nach Warschau zurück. [13]
Es gibt
Hinweise, daß Ferdinand in den dunklen Tagen nach seiner Absetzung vom
böhmischen Thron im Jahre 1619 den Wasa Hoffnungen gemacht
hat. [14] Sobald aber die unmittelbare Krise vorüber war,
änderte sich seine Haltung: Schlesien war viel zu wichtig, um es einem
potentiellen Rivalen zu überlassen. Ferdinand unterstützte Sigismunds
Bestreben, dessen dritten Sohn Karl Ferdinand 1625 zum Bischof von Breslau
wählen zu lassen, aber dies war nur ein geringes Zugeständnis: Die
Wahl war beim Domkapitel unpopulär, und so barg sie keine Risiken, die von
Dauer sein würden. Um seinen Kandidaten zum Erfolg zu führen,
mußte Sigismund darüber hinaus versprechen, daß Polen fortan
vom Domkapitel ausgeschlossen sein sollten, und er gab - ohne Rücksprache -
die traditionellen Ansprüche auf, welche die Erzbischöfe von Gnesen
auf das Bistum Breslau als Teil ihres Zuständigkeitsbereiches
erhoben. [15] Alle Versuche Sigismunds und Ladislaus', in Schlesien ein
erbliches Fürstentum der Wasa aufzubauen, wurden zunichte gemacht. Mit
großem Mißtrauen behandelte man die Angebote Ladislaus' aus dem
Jahre 1632, kurz vor dem Tod seines Vaters, und seines Bruders Johann Kasimir
aus dem Jahre 1635, eine in Schlesien stationierte Armee der Habsburger und Wasa
zu führen: Zustimmen wollte Ferdinand allein der Ernennung Johann Kasimirs
zum Oberst des Reiterregiments im August
1635. [16]
Die Aussichten der Wasa waren
in Madrid besser als in Wien. Seit den 1590er Jahren versuchte die spanische
Regierung Sigismunds Position in Nordeuropa zu stärken: Nachdem er den
schwedischen Thron bestiegen hatte, sah Philipp II. die Möglichkeit,
Schwedens einzigen Nordseezugang Älfsborg als Flottenstützpunkt
für Aktionen gegen die nördlichen Niederlande und England zu nutzen.
Sigismunds Verlust des schwedischen Throns machte diese Pläne zunichte,
aber die Beziehungen blieben freundlich, und Philipp III. verlieh sowohl
Sigismund (1600) als auch Ladislaus (1615) den Orden vom Goldenen
Vlies. [17] In den frühen 1620er Jahren jedoch ging die Initiative
nicht von den Spaniern, sondern von Sigismund aus. In der Einsicht, daß
für die Wiedererlangung seines Throns eine Flotte vonnöten wäre,
richtete er einen Marineausschuß ein, der 1622 sein erstes Schiff zu
Wasser ließ und sieben Schiffe fertiggestellt hatte, als 1625 Sigismund
Spanien ein Bündnis
anbot. [18]
Sigismund, der Olivares'
Interesse an Angriffen auf den Handelsverkehr der nördlichen Niederlande
mit dem Baltikum kannte, war tief enttäuscht über die Antwort auf
seinen Vorschlag einer gemeinsamen baltischen Flotte. Man versprach ihm
Subsidien in Höhe von 200.000 Dukaten, betrachtete sie aber als Teil der
sogenannten Neapolitanischen Gelder, der unbezahlten Mitgift von Bona Sforza,
der Gattin Sigismunds I., welche durch die gesamte frühe Neuzeit hindurch
ein Gegenstand verbitterten Streits zwischen dem polnischen und dem spanischen
Königshaus war; obwohl Madrid anordnete, man solle die Subsidien aus den
neapolitanischen und sizilianischen Staatseinkünften entnehmen, lehnten es
die Vizekönige ab, diesem Befehl zu folgen, und so waren auch drei Jahre
später die Gelder noch nicht ausgezahlt. [19] Olivares ernannte
zwar Jean de Croy, den Grafen von Solre, und Charles de Bonnières, den
Baron d'Auchy, zu Gesandten an Sigismunds Hof, zeigte aber keine Eile, sie
tatsächlich nach Warschau zu schicken. Erst als 1626 die Armeen
Wallensteins und der katholischen Liga Norddeutschland eroberten, erwachte das
Interesse Spaniens an einem Bündnis mit Polen. Olivares entsandte Gabriel
de Roy, um mit den Hansestädten zu verhandeln, während Solre und
d'Auchy schließlich nach Polen reisten, wo sie ein Abkommen über die
Bildung einer gemeinsamen spanisch-polnischen Flotte
unterzeichneten. [20]
Doch die Interessen
der Habsburger und der Wasa waren zu gegensätzlich, um dem Projekt zum
Erfolg zu verhelfen. Sigismunds Hauptziel war es wieder einmal, den schwedischen
Thron zurückzuerlangen; für Olivares jedoch richtete sich das Abkommen
im wesentlichen gegen die nördlichen Niederlande. Dies war für
Sigismund wiederum problematisch, so lange sich Danzig beharrlich jedem
antiniederländischen Projekt entgegenstellte. Sigismunds Empfang für
Solre und d'Auchy war ausgesprochen kühl, weil diese für das Baltikum
keine spanischen Schiffe zusagen wollten und weil sie verlangten, daß die
polnische Flotte unter spanischen Befehl gestellt werde. Olivares' Plan beruhte
auf der unrealistischen Erwartung, die Unterstützung der Hanse zu gewinnen,
welche sich keinesfalls begeistert zeigte, und de Roy wurde lediglich
ermächtigt, die nötigen Schiffe zu bauen oder zu kaufen. Als Sigismund
im April 1628 Marineunterstützung von der flandrischen Kriegsflotte
für einen Angriff auf Pillau erbat, wurde sein Ersuchen von Olivares
schroff zurückgewiesen, der betonte, er habe stets deutlich gemacht,
daß er keine Kräfte von anderen Fronten abziehen
werde. [21]
Sigismund, der in den
maritimen Plänen der Habsburger keinesfalls eine untergeordnete Rolle
spielte, ließ man völlig ungeschützt. Obwohl es ihm im Jahre
1626 nicht gelang, die viel größere schwedische Flotte an der Landung
im Herzogtum Preußen zu hindern, verschaffte er sich durch die in einer
wagemutigen See-Operation erreichte Zurückeroberung von Putzig im April
1627 einen Stützpunkt, von dem er die schwedische Blockade Danzigs
angreifen konnte - eine Aktion, die schließlich zur Schlacht von Oliva
führte (28. November 1627), wo eine gut ausgerüstete polnische Flotte
die zahlenmäßig unterlegenen schwedischen Streitkräfte
besiegte. [22] Wallenstein versprach, 12.000 Mann zur Unterstützung
der Polen im Herzogtum Preußen zur Verfügung zu stellen, womit er zum
Teil auch Sigismund überreden wollte, seine Flotte nach Wismar zu schicken.
Am Ende jedoch brachte von Arnim im Jahre 1629 nur ungefähr 5.000
Mann. [23] Als die polnischen Schiffe schließlich Anfang 1629
Wismar erreichten, war der Zeitpunkt schon vorüber. Ladislaus, der
inzwischen ein größerer Eiferer als sein Vater war, wollte einen
Angriff der Marine auf Schweden, dies aber war ganz und gar nicht das, was
Olivares oder Wallenstein im Sinn hatten. [24] Entgegen den großen
Zusagen Habsburgs bildete das aus acht Schiffen bestehende polnische Kontingent
trotz seines geringen Umfangs gut ein Drittel der alliierten Kräfte;
darüber hinaus waren die polnischen Schiffe, angeführt durch die 400
Tonnen schwere und mit 33 Kanonen bestückte König David,
größer, besser bewaffnet und bemannt. [25] Sigismund
bedauerte sehr bald, seine Flotte entsandt zu haben, die in Wismar zugrunde
gehen sollte, wo ihre letzten Überreste im Januar 1632 in schwedische
Hände fielen. Der Hauptnutznießer des großen Baltikum-Projekts
der Habsburger und Wasa war der falsche Zweig der
Wasa-Dynastie.
Wenige Wochen nach diesem Debakel
war Sigismunds langjährige Herrschaft zu Ende; mit seinem Tod begann
für den habsburgischen Bund eine neue Zeit der Unsicherheit. Ladislaus IV.,
der im November 1632 nach einem beschwerlichen Interregnum gewählt wurde,
stellte schon bald unter Beweis, daß seine Außenpolitik bei weitem
flexibler und erfinderischer war als die seines Vaters. Durch den Tod Gustav
Adolfs im Jahre 1632, der die minderjährige Christina als seine
Nachfolgerin zurückließ, boten sich neue Möglichkeiten.
Ladislaus war sich längst über die Schwierigkeiten im klaren, die mit
der ultrakatholischen Haltung seines Vaters verbunden waren, und hatte sich mit
seinem Eintreten für religiöse Toleranz einen Namen gemacht. Man
streckte die Fühler nach Schweden aus, um die Möglichkeiten einer
Wiedervereinigung der Herrscherhäuser durch eine Heirat zwischen Ladislaus
und Christina zu erkunden; als man abgewiesen wurde, wandte sich Ladislaus an
England, um eine mögliche Heirat mit Elisabeth, der Tochter Friedrichs V.
von der Pfalz, in Erwägung zu
ziehen.
Ladislaus begann nicht, eine
antihabsburgische Politik einzuschlagen, sondern suchte lediglich andere Wege,
um an sein Hauptziel zu gelangen: die Rückgewinnung des schwedischen
Thrones oder eine Entschädigung für die Aufgabe seines Anspruchs.
Obwohl er 1633 den habsburgischen Bund erneuerte, war er unzufrieden mit dem
Abkommen, das Ferdinand das Recht zubilligte, in der Union ohne jede
Gegenleistung Rekruten auszuheben. Nichtsdestoweniger gab es zum habsburgischen
Bund keine Alternative. Angesichts der ernsten Probleme Schwedens in den Jahren
1632 bis 1635 und ermuntert durch seine militärischen Erfolge gegen die
Moskowiter und die Türken nahm Ladislaus mit neuem Eifer die Pläne
für einen Angriff auf Schweden wieder auf. Gerade Schwedens Schwäche
jedoch sollte seine Pläne durchkreuzen: Zwar gab es in Polen erstmals eine
starke Unterstützung für einen Krieg gegen Schweden, um die Kontrolle
über die preußischen Häfen zurückzugewinnen, aber als 1635
die schwedischen Verhandlungsführer in Stuhmsdorf bereit waren, auf die
Zollrechte zu verzichten, verlor Ladislaus den Boden unter den Füßen.
Die Unterstützung für den Krieg schwand dahin, und so war er
gezwungen, den Vertrag über einen 26 Jahre währenden Waffenstillstand
zu unterzeichnen, was ein Triumph für die französischen Vermittler
bedeutete. [26]
Obwohl Ladislaus 1635
Ferdinands Tochter Cäcilia Renate heiratete, war er bereits
desillusioniert. Als 1637 die Habsburger im Reich wieder einmal in der Defensive
waren, nutze er die Gelegenheit, um einen neuen Vertrag zustande zu bringen, in
dem Ferdinand ihm schließlich Unterstützung für seine
Bemühungen zusagte, den schwedischen Thron zurückzugewinnen. Im Falle
eines Mißerfolgs, würde er der Einrichtung eines erblichen - nicht
als habsburgisches Lehen gedachten - Fürstentums der Wasa in den
Ländern zustimmen, die in einem künftigen
österreichisch-türkischen Krieg von den Osmanen erbeutet werden
sollten. Im Gegenzug sicherte Ladislaus den Habsburgern Anwartschaftsrechte
für Schweden zu, falls die männliche Linie der Wasa aussterben
sollte. [27]
Der Vertrag von 1637 wurde
von den Habsburgern nicht begrüßt. Das Zugeständnis, Ladislaus
bei seinem Versuch, auf den schwedischen Thron zu gelangen, zu unterstüten,
würde bei allen Friedensgesprächen mit Schweden ein Hindernis sein,
während die Vereinbarung, für den Verzicht auf den Anspruch auf
Schweden eine Kompensation zur Verfügung zu stellen, den Druck erzeugen
könnte, einen Teil der habsburgischen Erblande an die polnischen Wasa
abzutreten. [28] Dennoch hatte der Kaiser unter den militärischen
und politischen Umständen der späten 1630er Jahre kaum
Möglichkeiten, sich mit diesem Dilemma zu befassen. So war es einmal mehr
Ladislaus, der enttäuscht werden sollte. Seinem erneuten Versuch, Ende 1637
eine baltische Flotte ins Leben zu rufen, begegnete Danzig mit Widerstand und
Ferdinand III. mit Gleichgültigkeit, während sein Beharren auf einer
Zusammenkunft mit Ferdinand in Nikolsburg im Oktober 1638 zu einer
diplomatischen Katastrophe großen Ausmaßes
führte. [29]
Die Zusammenkunft in
Nikolsburg markiert den Beginn einer Abkehr vom Bund, der seit 1613 eine
zentrale Rolle in der Außenpolitik der Wasa gespielt hatte. Der Vertrag
von 1637 gab Ferdinand III. eine hervorragende Begründung, um Ladislaus von
jeglicher Rolle in Friedensgesprächen auszuschließen, weil ansonsten
die Verhandlungen mit Schweden extrem verkompliziert worden wären. Solange
die polnischen Wasa mit Abfällen vom Habsburger Tisch abgespeist wurden,
erhielten sie nichts Nahrhaftes. [30] Erst im Mai 1645, während der
Krise nach Jankau, erzwang Ladislaus schließlich ein Zugeständnis.
Indem er erneut die Frage der unbezahlten Mitgiften von Anna, Konstanze und
Cäcilie Renate aufwarf, erlangte er Ferdinands Zustimmung, daß die
Herzogtümer Oppeln und Ratibor für fünfzig Jahre an seinen Sohn
Sigismund Kasimir verpfändet werden; er schaffte es jedoch nicht, sie
dauerhaft in seinen Besitz zu bringen. Und selbst was er erreichte, gelang ihm
nur mit Mühe: Ladislaus mußte einem beträchtlichen Darlehen
zustimmen und sich mit einer Klausel einverstanden erklären, die besagte,
daß die Herzogtümer niemals von einem regierenden König
Polen-Litauens beherrscht werden
sollen. [31]
Dies war eine geringe
Belohnung für die über dreißig Jahre währende
Unterstützung der Habsburger, und nachdem es auch noch Schwierigkeiten bei
der Inkraftsetzung der Vereinbarung gab, distanzierte sich Ladislaus ostentativ
von seinem Schwager. Im März 1646 heiratete er die am französischen
Hof aufgezogene Louise Marie Gonzaga und sicherte Frankreich das Recht zu, in
Polen-Litauen Soldaten zu rekrutieren. Mazarins Versprechen, auf Ladislaus'
Bitte hin bei den Verhandlungen in Westfalen zu vermitteln, war wertlos, da
wenig Chancen bestanden, daß die Habsburger zustimmen würden. Die
großen Hoffnungen, die durch die ersten beiden siegreichen Jahre seiner
Regentschaft geweckt worden waren, hatten sich längst zerschlagen.
Ladislaus wandte sich von Westeuropa ab und beschäftigte sich in seinen
letzten beiden Lebensjahren mit großangelegten, aber verfrühten
Plänen für einen Krieg mit der
Türkei.
Der langwährende Bund zwischen
Habsburg und Wasa erwies sich als eine Vernunftehe, aus der jede Seite nur
geringen Nutzen zog. Man sollte jedoch die Politik der polnischen Wasa nicht mit
der Politik der Union gleichsetzen. Seit 1574 war die Formulierung und
Handhabung der Außenpolitik ausdrücklich eine Angelegenheit der Union
als Ganze. Obwohl der König mit der Leitung der Regierung beauftragt war,
konnte er ohne die Erlaubnis des Sejm oder der Senatsversammlung, die zwischen
den Sitzungen des Sejm sicherstellen sollte, daß der König den
Gesetzen Folge leistete, keine Botschafter entsenden oder empfangen, Krieg
erklären oder Frieden schließen. Sein Handlungsspielraum hatte auch
ganz praktische Grenzen. Der Sejm bewilligte Steuergelder nur von einer Sitzung
bis zur nächsten, zum einen, weil er auf einer sorgfältigen
Prüfung der zurückliegenden Politik des Königs bestand, um
sicherzustellen, daß alle von ihm bewilligten Gelder auch in seinem Sinne
ausgegeben wurden, zum anderen, weil er auf einer genauen Beurteilung der
zukünftigen Pläne des Königs
beharrte.
Nichtsdestoweniger ignorierten oder
umgingen die Monarchen häufig die gesetzlichen Beschränkungen ihrer
Machtbefugnisse, indem sie ihre eigenen, persönlichen Unterhändler
entsandten und Außenpolitik mit Unterstützung königstreuer
Senatoren hinter dem Rücken des Sejm betrieben. Diese Praxis hatte bereits
unter Bathory zu Spannungen geführt; unter den Wasa führte sie zu
einem offenen und erbitterten Konflikt. Zwar konnte die Legitimität von
Sigismunds Streben nach seinem schwedischen Erbe kaum bestritten werden, doch
man wünschte sich keinen abwesenden Monarchen, und so gab es wenig
Unterstützung für seine Reisen nach Schweden in den Jahren 1593/94 und
1598. Der Expansionsdrang der Union war im 16. Jahrhundert im wesentlichen
ostwärts und südwärts gerichtet; der Versuch der Wasa, ihn wieder
in Richtung Norden auszurichten, widersprach den Interessen vieler Magnaten, die
eine Expansion nach Moldawien, der Walachei und Transsilvanien wollten und
für die der Habsburger Bund höchst lästig
war.
Bis 1621 schien Sigismunds Verfolgung
persönlicher Interessen keine große Gefahr zu bedeuten: Die Versuche
Karls IX., in Livland einzufallen, wurden mit Verachtung beiseite gefegt.
Für die Verteidigung Livlands kam zunehmend Unterstützung auf, obwohl
niemals genug Geld zur Verfügung stand, um richtige Garnisonen anzulegen
oder wirkungsvolle Befestigungsanlagen zu bauen, und es zunehmend mehr als Last
denn als Vorteil für die Union betrachtet wurde. [32] Mit dem Fall
Rigas wurde Schwedens neue militärische Leistungsfähigkeit
offenkundig; die Zurückeroberung Rigas würde eine bedeutende
militärische Anstrengung erfordern. Den Streit mit Schweden betrachtete man
jedoch weitgehend als Privatangelegenheit des Königs; dies wurde besonders
deutlich, als Sigismund Angebote Gustav Adolfs ablehnte, die Eroberungen in
Livland zurückzugeben, falls Sigismund im Gegenzug auf seinen Anspruch auf
den schwedischen Thron verzichten würde. Obwohl nach 1626 eine Vertreibung
der Schweden aus Preußen mehr und mehr unterstützt wurde, war doch
die Ansicht noch verbreitet, daß die Invasion durch Sigismunds
Unnachgiebigkeit provoziert wurde, und es gab wenig Rückhalt für seine
ehrgeizigen Baltikum-Projekte, die weit über die bloße Verteidigung
der Union hinausgingen. Die starken Streitkräfte, die 1620/21 aufgestellt
wurden, um die türkische Bedrohung abzuwehren, und 1632-1634, um den
Angriff Moskowiens auf Smolensk zurückzuschlagen, zeigten: Die Schlachta
war immer noch in der Lage, beträchtliche Anstrengungen zu unternehmen, um
die Interessen der Union zu verteidigen. Um 1635 gab jedoch die ehrgeizige
Außenpolitik der Wasa der weitverbreiteten Ansicht Auftrieb, die Union
solle nicht den Krieg suchen, sondern lediglich zur Selbstverteidigung bereit
sein.
Überdies kamen durch Sigismunds
Unterstützung für die Habsburger noch weitreichendere Streitpunkte ins
Spiel. In Polen gab es große Sympathie für die böhmischen
Aufständischen und ihre Verteidigung der Ständerechte, zugleich war
man über Sigismunds ungesetzliche Hilfe für Ferdinand II. in den
Jahren 1619/20 verärgert. Der Sejm zeigte sich wohlwollend gegenüber
Annäherungen von seiten der böhmischen Aufständischen, wie etwa
gegenüber einer Botschaft von den schlesischen Landständen vom
November 1620, in der behauptet wurde, daß Sigismunds Vorgehen den alten
Bund zwischen Böhmen, Schlesien und der Union bedrohen würde. Obwohl
die königstreue Regierung die Schlesier ausmanövrieren konnte, indem
man ihnen nach Schließung des Sejm auf ihr Gesuch eine kühle Antwort
gab, gelang es Sigismund nicht, die offizielle Verurteilung des
Lisowczyk-Feldzugs zu verhindern. Der ganze Vorfall machte die Frage
unausweichlich, ob, wie Sigismund behauptete, internationale Abkommen zwischen
Monarchen geschlossen werden oder, wie seine Kritiker meinten, zwischen
Völkern, wie sie in ihren Ständen repräsentiert
werden. [33]
Der schärfste Angriff
auf Sigismunds prohabsburgische Politik kam in Gestalt einer gepfefferten
Streitschrift des oppositionellen Magnaten Jerzy Zbaraski, die 70 Argumente
dafür anführte, eine Verwicklung in den Böhmischen Aufstand zu
vermeiden. [34] Obwohl Zbaraski Katholik war, betonte er seine
Unterstützung für die protestantischen Aufständischen und
verdeutlichte die politische Qualität seiner Einwände, indem er die
Jesuiten angriff und zugleich behauptete, daß den Interessen der
katholischen Kirche in der Union am besten gedient sei, wenn man neutral
bleibe. [35] Er erinnerte daran, daß die böhmischen
Stände Rudolf II. an seinen Versuchen gehindert hatten, Erzherzog
Maximilian in den Jahren 1587/88 zur Hilfe zu kommen, und daß der
Widerstand der Ungarn und Böhmen gegen Habsburg vollkommen gerechtfertigt
sei: "inn deme sie ihnen alle Freyheiten und Leges fundamentales [...]
verdrucken, und auß einem
freyē Wahl Königreich ein Erbland machen wollen". [36]
Diese Attacke verfehlte ihr Ziel nicht. Das Recht
der freien Wahl wurde seit langem als die wirkungsvollste Garantie für die
Privilegien der Schlachta angesehen, und man erinnerte sich sehr gut an
Sigismunds Überlegungen, zugunsten der Habsburger abzudanken, und an seinen
Einsatz für die ungesetzliche Wahl Ladislaus' vivente rege. Die
skrupellose Niederschlagung des Böhmischen Aufstands und die folgende
Umgestaltung des politischen Systems in Böhmen - wie sie von zahlreichen
Aufständischen, die in den 1620er Jahren nach Polen flohen, detailliert
beschrieben wurden - bestätigten viele Polen nur noch in ihrer
Überzeugung, daß die Habsburger engagierte Befürworter des
absolutum dominium waren und verdeutlichte ihnen die Brüchigkeit
konstitutioneller Sicherungen gegen königliche
Macht.
In den 1620er Jahren kam der Wendepunkt in
der Beziehung zwischen Monarchie und Union. Sigismunds Eingreifen in den
Böhmischen Aufstand sowie sein Versuch, Habsburgs Unterstützung
für seine antischwedische Politik zu gewinnen, brachten einen Konflikt zum
Ausbruch, der im Gemeinwesen seit langem untergründig schwelte. Mit
zunehmender Sorge beobachtete man, daß die komplizierten, seit 1574
installierten konstitutionellen Sicherungen Sigismund nicht davon abhalten
konnten, seine eigene Außenpolitik zu betreiben. Als Sigismund 1629 die
Verstärkungstruppen Wallensteins ohne Zustimmung des Sejm illegal nach
Preußen durchziehen ließ, schien dies vielen Beobachtern als
unheilvolles Indiz. [37] Wenn auch die Verteidigung des Herzogtums
Preußen bei weitem mehr Zustimmung hervorrief als dies bei Livland der
Fall war, so sorgte das Mißtrauen gegenüber Sigismunds Plänen
dafür, daß die Verhandlungsführer der Union bereit waren, den
Frieden von Altmark trotz hoher Kosten zu erkaufen.
Nach 1629 zeigte der Widerstand oder die
Gleichgültigkeit gegenüber ihren Plänen, daß die Wasa nicht
in der Lage waren, in den Dreißigjährigen Krieg einzugreifen oder
auch nur aus den Schwierigkeiten der österreichischen Habsburger eigenen
Vorteil zu ziehen, und so wurden sie von den führenden Mächten mehr
und mehr als Faktor außer acht gelassen. Schwedens Bündnis mit
Frankreich fesselte jedoch Ladislaus fest an den unbefriedigenden Habsburger
Bund. Die Tatsache, daß Ladislaus das Abkommen von 1637 ausdrücklich
als König von Schweden unterzeichnete, ohne seine polnischen Titel zu
erwähnen, veranschaulichte die Sackgasse, in die das Herrscherhaus sich
verrannt hatte. Als König von Schweden hatte Ladislaus überhaupt
keinen Einfluß; als König von Polen-Litauen hatte er durch die
Politik seines Herrscherhauses gründlich den Einfluß verspielt, den
er andernfalls hätte haben können. All dies war für
ausländische Mächte nur zu offensichtlich, die bereits zu lernen
begannen, wie sie auf die Meinung in der Union Einfluß nehmen konnten, um
ihre eigenen Ziele zu erreichen oder um diejenigen politischen Ziele des
König zu durchkreuzen, die sie nicht
billigten.
Es ist deshalb auch kaum
überraschend, daß die Staatsmänner in Westfalen Polen-Litauen
wenig Aufmerksamkeit schenkten. Dieses Versäumnis jedoch sollte das ganze
1648 so sorgfältig konstruierte Gebäude in Gefahr bringen. Der
schnelle Zusammenbruch des polnischen Widerstands gegen die schwedische Invasion
im Jahre 1655 brachte die erneute Aussicht auf einen Krieg gegen Schweden mit
sich, als die Kaisernachfolge für die Habsburger umstritten war. Zwischen
1658 und 1660 erhielt Polen-Litauen endlich militärische Unterstützung
von den österreichischen Habsburgern, aber diese kam nur langsam in Gang,
und das halbherzige Engagement der Österreicher, die eine Ausweitung des
Konflikts auf das Reich unbedingt zu verhindern suchten, verstärkte nur
noch die antihabsburgische Stimmung. Leopold I. konnte einen Neubeginn des
Dreißigjährigen Krieges verhindern, und der Westfälische Frieden
bestand seine erste große Bewährungsprobe, die Kosten für die
habsburgisch-polnischen Beziehungen jedoch waren
hoch.
Die großen Konflikte West- und
Nordosteuropas waren schließlich, trotz des hohen Grades von
Überschneidungen, getrennt geblieben. Wenn es richtig ist, daß die im
Westfälischen Frieden vollzogene Gründung eines
nicht-expansionistischen Heiligen Römischen Reiches im Herzen Europas
für die Zukunft der internationalen Beziehungen von fundamentaler Bedeutung
war [38] , dann ist es gleichwohl ebenso wichtig zu betonen, daß
die Konsolidierung des neuen internationalen Systems nach 1648 nur möglich
war, weil auch die Union zu einer nicht-expansionistischen Macht geworden war.
Dies war neu: Polen-Litauen war seit 1558 in beträchtlichem Maße
expandiert, seine Grenzen hatten allerdings schon 1619 ihren größten
Umfang erreicht. Die Ablehnung von Angriffskriegen in den Jahren 1619 bis 1648
mußte bedeutende Folgen haben. Mit der Weigerung, im Ausland zu
kämpfen, entfiel ein Weg, langfristige militärische Anstrengungen zu
unternehmen, während durch die Unfähigkeit des politischen Systems,
die Außenpolitik des König anders zu kontrollieren, als ihm die
Mittel für Aggressionen zu verweigern, der Union ein geschlossenes
Verteidigungssystem entzogen wurde, was nach 1654 in grausamer Weise deutlich
wurde. Obwohl sich die Union schließlich zusammenraffte, um die Invasoren
zu vertreiben, war der Frieden von Oliva, der den zweiten Nordischen Krieg
beendete und für die endgültige Aufgabe des polnischen Anspruchs auf
den schwedischen Thron sorgte, lediglich ein internationales Abkommen. Es gab
keine Vereinbarung in der Art des Westfälischen Friedens für die
Beilegung der inneren Probleme der Union. Dies sollte für die folgende
Geschichte Europas ebenso bedeutsam sein wie die erfolgreiche Neuordnung des
Reiches im Jahre
1648.