DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
Textbände > Bd. I: Politik, Religion, Recht und Gesellschaft |
FERNANDO SÁNCHEZ-MARCOS Freiheitsbestrebungen in Katalonien und Portugal* |
Im letzten Jahrzehnt des
Dreißigjährigen Krieges, als die Spannung zwischen Frankreich und
Spanien in ihrem Kampf um die Hegemonie in Europa ihren Höhepunkt erreicht
hatte, kam es in beiden Königreichen zu bedeutenden revolutionären
Unruhen. Im spanischen Königreich begann dieser Aufstand im Jahre 1640 in
Katalonien und Portugal in einem Abstand von wenigen
Monaten.
Seit 1640 kämpften Katalonien und
Portugal, zwei Völker mit einem starken historischen Bewußtsein, um
ihre Befreiung von der Vorherrschaft Kastiliens. Dennoch darf man die um die
Mitte des 17. Jahrhunderts stattfindenden Ereignisse nicht allein auf dieses
Unabhängigkeitsstreben zurückführen: In beiden Ländern, vor
allem aber in Katalonien, blieb ein Gutteil der Bevölkerung, besonders die
Angehörigen der Führungsschicht, König Philipp IV. treu. Auf der
anderen Seite gab es in Katalonien erhebliche sozialen Unruhen, besonders zu
Beginn des sogenannten Krieges der Schnitter (katal. segadors). Die
politischen Unruhen in Portugal, die zu der Restauration (port.
Restauraçao) einer aus dem eigenen Lande stammenden regierenden
Dynastie führten, waren dagegen von geringeren sozialen Spannungen
begleitet. Die Aufstände des Jahres 1640 gegen den Hof von Madrid, die
sogleich von Frankreich unterstützt wurden, trugen entscheidend zum
Machtverfall des spanisch-kaiserlichen Blocks bei. Neben den Auswirkungen auf
die Entwicklung des Krieges in Europa und auf die Friedensverhandlungen von
Münster hatten die im Jahre 1640 begonnenen Feindseligkeiten auch eine
grundsätzlich nationale Dimension. Beide Aspekte haben tiefe Spuren im
kollektiven Gedächtnis sowohl der Katalanen als auch der Portugiesen
hinterlassen sowie auch die Einstellung der nicht-katalanischen Spanier
gegenüber den Katalanen und Portugiesen und umgekehrt
beeinflußt.
Laut der Mehrzahl der Chronisten
der Zeit Philipps IV. wurde die spanische Monarchie von den Katholischen
Königen, Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon, gegründet,
eine sich aus verschiedenen historischen Gebieten zusammensetzende [1]
und der Verfassung nach pluralistische Monarchie, deren verschiedene Gebiete je
eigene Verwaltungen und Gesetze besaßen. Mit der Heirat Isabellas und
Ferdinands wurden zwei ungleiche Königreiche
zusammengeschlossen. [2] Kastilien, auf der einen Seite, war ein
großes und dicht bevölkertes Gebiet mit einer einheitlichen
politischen Struktur; seit 1492 waren auch das Königreich Granada und die
amerikanischen Kolonien Teile des Königreichs. Nach seiner Eroberung durch
Ferdinand den Katholischen im Jahre 1512 wurde ein Großteil von Navarra -
auf das auch Frankreich Anspruch erhob - in das Königreich von Kastilien
eingegliedert und erhielt eine besondere rechtliche Ordnung. Das Königreich
Aragon, auf der anderen Seite, war dagegen von der Struktur her ein Staatenbund
(Katalonien war Teil dieses Bundes) und hatte seit dem frühen Mittelalter
erheblichen Einfluß auf das Westliche Mittelmeer
ausgeübt.
Noch bevor der Sohn Philipps des
Schönen und Enkel der Katholischen Könige als Karl V. zum Kaiser des
Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gewählt wurde, kam durch
Erbschaft Philipps des Schönen noch ein weiterer Staatenblock unter
spanische Herrschaft: die Niederlande und die übrigen zum Burgundischen
Reichskreis gehörenden Gebiete. Das Zusammenhörigkeitsgefühl
dieses Verbands von Völkern und Staaten gründete sichauf die
dynastische Treue den Habsburgern gegenüber sowie, mit Ausnahme des
nördlichen Teils der Niederlande, der Zugehörigkeit zum
Katholizismus.
Das Königreich Portugal und
seine bedeutenden überseeischen Besitztümer in Afrika, Ostasien und
Brasilien waren nach dem Tod des jungen portugiesischen Königs Sebastian
1578 in der Schlacht von Alcázarquivir (arab. Alkassar-el-Kebir)
im Jahre 1580/1581 an Philipp II. von Spanien übergegangen. Nach der nur
kurzen Herrschaft des Kardinals Heinrich, der ohne Nachwuchs verstarb, machte
Philipp II. als Sohn Isabellas von Portugal, der zweitältesten Tochter
Emanuels I., sein Anrecht auf den portugiesischen Thron geltend. Da es aber noch
weitere Thronanwärter gab [3], unterstrich er seinen Anspruch
militärisch. Im Jahre 1581 wurde er von den Cortes
(Ständeversammlung) von Tomar zum König von Portugal eingeschworen und
versprach dabei, alle Gesetze des Königreiches zu achten. [4] Zu
einer wirklichen Anerkennung Philipps II. und seiner Nachfolger durch das
portugiesische Volk kam es jedoch nie. Der Mythos des "Sebastianismus", die
Hoffnung auf die Rückkehr des im Kampf gegen die Mauren umgekommenen
ritterlichen Königs trug dazu bei, daß sich in Portugal das
Gefühl der nationalen Identität aufrecht
hielt. [5]
Philipp IV. nun war, so besagen
die feierlichen Dokumente der Katholischen Kanzlei, der König Spaniens oder
der Spanien [6] sowie Graf von Barcelona und König von Portugal,
den Algarven, von Kastilien, Leon, Aragon, Valencia und Granada, Herr von
Biskaya, usw. Die damals geltende Staatstheorie erwartete, daß der
König über jedes seiner Reiche regieren solle, als sei er nur
König dieses einen. Seine fast ständige Abwesenheit jedoch und die
wachsende Identifizierung der Habsburger mit ihrer kastilischen Umwelt blieben
nicht ohne Folgen: Obgleich die spanische Monarchie in der Theorie pluralistisch
war, wurde sie in der Praxis von einer vorwiegend kastilischen regierenden
Klasse dominiert.
Unter der Herrschaft Philipps
IV. plante sein Vertrauensmann, Gaspar de Guzmán, Conde Duque de
Olivares, und Vorkämpfer des katholischen Neoimperalismus in Spanien, die
Macht der Krone mittels einer Reihe von Reformen zu vermehren [7]:
Anstatt König von verschiedenen Gebieten zu sein, sollte Philipp IV., in
Anlehnung an das Vorbild Kastiliens, über ein vereintes Spanien herrschen.
Eines seiner größten Vorhaben war die Waffenunion (1625), die
festsetzte, daß sich jedes Königreich mit einer gewissen Anzahl von
Soldaten und einem bestimmten Geldbetrag an der Verteidigung der übrigen
Gebiete beteiligte. Als Gegenleistung würden Staatsämter, ohne die
regionale Herkunft der jeweilgen Kandidaten zum Kriterium zu machen, besetzt.
Diese mit der Waffenunion angestrebte Vereinheitlichung wurde von Katalonien
abgelehnt. Die Entfremdung zwischen der regierenden Schicht Kataloniens,
Verfechtern eines konstitutionellen Bündnisses, und Philipp IV. zeigte sich
auf den katalanischen Parlamentsversammlungen von 1626 und 1632. [8] Die
erhebliche Entfernung vom Madrider Hof beschränkte zudem die
Möglichkeit des katalanischen Adels, an der königlichen Gunst
teilhaben zu können. Auch gab es seit 1620 einen strittigen Punkt zwischen
dem Barcelona regierenden mächtigen Consell de Cent (Stadtrat) und
der Krone bezüglich der Zahlung der quintos (des fünften Teils
der eingetriebenen Steuern). Darüber hinaus hatte sich die
Diputació del General de Catalunya (Abgeordnetenversammlung von
Katalonien), der ständige Ausschuß der Cortes des
Fürstentums Katalonien und der Grafschaften Roussillon und der Cerdagne,
wiederholt beim König über die Verletzung der katalanischen
Verfassungen durch die verschiedenen Vizekönige
beschwert. [9]
Die offene Intervention
Frankreichs seit dem Jahre 1635 in den Dreißigjährigen Krieg,
verbündet mit den Niederländern und Schweden gegen den habsburgischen
Block, stellte die Madrider Regierung vor neue Fronten und Herausforderungen.
Die Steuern wurden weiter erhöht, und die zur Eintreibung eingesetzten
Mittel verletzten häufig die Verfassungen sowohl Kataloniens als auch
Portugals. [10] Mit der Eroberung von Salses durch die Franzosen im
Jahre 1639 wurde Katalonien zum Kriegsschauplatz zwischen Frankreich und
Spanien. Der Kampf um die in den nördlichen Pyrenäen gelegene
Grafschaft Roussillon - eines der vorrangigen Ziele Ludwigs XIII. und Richelieus
- erforderte die Einquartierung vieler Terzios Philipps IV. im Norden
Kataloniens. Das arrogante und oft brutale Verhalten dieses Heeres in den
Dörfern, die ihm Unterkunft zur Verfügung stellen mußten,
führte unter den Bauern zu großem Unmut [11], der von den
katalanischen Regierenden manchmal verdeckt, häufig aber auch offen
ausgesprochen wurde. Die Konflikte zwischen den Bauern und den königlichen
Truppen nahmen an Intensität und Ausmaß zu. Sie erhielten sogar, vom
katalanischen Standpunkt aus betrachtet, religiöse Legitimität, als
Soldaten Philipps IV. die Kirche von Riudarenas entweihten und der Bischof von
Gerona den Kirchenbann über die Täter
verhing.
Im Frühjahr des Jahres 1640
führten die sozialen Spannungen und die allgemeine Ablehnung des
"kastilischen" Heeres zusammen mit den bereits länger anstehenden
Verfassungskonflikten zu einer vorrevolutionären Situation in
Katalonien. [12] Seinen Anfang nahm der Aufstand dann in Barcelona, der
Hauptstadt des Fürstentums, in zwei Phasen: Am 22. Mai kamen mehr als 2.000
Aufständische in die Stadt, was die Consellers (Räte) weder
verhindern wollten noch konnten, und befreiten Francesco Tamarit, Abgeordneter
der Generalitat Kataloniens, aus dem Gefängnis, der am 18. März
auf Befehl von Olivares inhaftiert worden war. Die Aufständischen riefen
"Visca la fé!" [Es lebe der Glaube], "Visca le rey" [Es lebe der König] und "muyran los traydors y el mal gobern" [Tod den Verrätern und der schlechten Regierung]. Legendäre
Berühmtheit erlangte jedoch der 7. Juni 1640, das Fronleichnamsfest (Corpus
Christi), in Katalonien von nun an bekannt als "Corpus de Sang" [Corpus des
Blutes]. [13] An diesem Tag pflegten große Scharen Schnitter
(segadors) auf der Suche nach Arbeit nach Barcelona zu kommen. Zusammen
mit ihnen kamen diesmal aber auch bewaffnete Aufständische und bald gab es,
trotz der Bemühungen verschiedener Vertreter der Kirche und Räte, den
Konflikt zu schlichten, die ersten Toten. Als das Gerücht umging, einer der
Räte sei von Bediensteten eines hohen königlichen Offiziers umgebracht
worden, richtete sich der Zornesausbruch des Volkes gegen einige Minister der
Audiencia (wichtigstes Gericht und dem König in Katalonien zur Seite
stehender Rat) und erreichte auch den katalanischen Vizekönig, den Grafen
von Santa Coloma, der bei seinem Fluchtversuch erstochen wurde. Die Schnitter
herrschten einige Tage lang über die Stadt. Sowohl in Barcelona als auch in
einigen Gebieten Kataloniens war die Auflehnung des Volkes gegen die Reichen von
Feindseligkeiten gegenüber den Vertretern der kastilischen Regierung
begleitet. Obgleich die katalanischen Obrigkeit die Situation in der Stadt
beruhigen konnte, blieb doch eine Frage offen: Wie würden sich die
Ereignisse in Katalonien weiterentwickeln und wie würde Madrid auf die
Nachricht des Todes des Statthalters Philipps IV.
reagieren?
Es folgte eine Zeit gespannten Wartens.
Die regierende Schicht Kataloniens versuchte, die Brücken zum Madrider Hof
nicht völlig abzubrechen. Sie gaben ihrem Bedauern über den Tod Santa
Colomas Ausdruck, betonten aber die Rechtmäßigkeit der Verteidigung
der Katalanen gegen die Übergriffe des königlichen Heeres. Zugleich
erinnerten sie an die von den Ministern des Königs begangenen
Verfassungsbrüche, machten aber den Conde Duque de Olivares dafür
verantwortlich. In Madrid führte die Nachricht vom Tode des Vizekönigs
zu schweren Unruhen. Die Verwaltung des Königs in Katalonien war
gescheitert, insbesondere nach dem krankheitsbedingten unerwarteten Tod des
neuen Vizekönigs von Katalonien, des Herzogs von Cardona, einem Mitglied
des katalanischen Hochadels, der sein Amt am 20. Juni 1640 angetreten hatte.
Nach langen Auseinandersetzungen in den beratenden Gremien beschloß die
Regierung im Oktober, ein Heer nach Katalonien zu entsenden. Während dieses
Heer unter der Führung des neuen Vizekönigs, dem Marquis von Los
Vélez, langsam gegen Barcelona marschierte, begann eine
geschichtlich-juristisch und propagandistisch geführte Polemik. Auf der
Seite der Generalitat von Katalonien sind unter den Klerikern und
Juristen insbesondere Gaspar Sala Berart und Francesc Martí Viladamor zu
erwähnen. Letzterer betonte in seiner "Noticia Universal de Catalunya" die
Bedeutung des Verfassungspaktes und verteidigte das Recht der Katalanen, ihren
König frei wählen zu können, und, falls notwendig, ihre Treue auf
einen anderen zu übertragen. [14]
In
dieser angespannten Situation übernahm der Domherr Pau Claris [15],
Präsident der Generalversammlung Kataloniens, die Führung. Unter
seinem Vorsitz wurde eine, die Volksgemeinschaft Kataloniens
repräsentierende Junta de Braços (Ausschuß der
Reichsstände) einberufen, die am 16. September 1640 zusammentrat, um
angesichts des möglichen Angriffs des spanischen Heeres [16]
über die Politik des Fürstentums zu entscheiden. Diese Corts
(Ständeversammlung) gaben den sozialen Unruhen eine gewisse Wende und
institutionellen Rückhalt. Claris war sich bewußt, daß er
militärische Hilfe benötigte und verhandelte mit Richelieu, der ihm
auch gleich Hilfstruppen
schickte. [17]
Die Nachrichten von der
Einnahme der Stadt Tarragona durch das Heer Philipps IV. und der sich in
Cambrils zugetragenen Grausamkeiten führten zu einem erneuten Ausbruch der
Volkswut in Barcelona. Angesichts der drohenden sozialen Revolution einerseits
und der Nähe der königlichen Truppen andererseits sahen die
katalanischen Führer als einzigen Ausweg, sich unter den Schutz Frankreichs
zu stellen. Nach dem vergeblichen Versuch, unter französischem Schutz eine
katalanische Republik zu begründen, entschied sich die Junta de
Braços am 23. Januar 1641, Ludwig XIII. als Grafen von Barcelona und
somit als Herrscher über Katalonien anzuerkennen. Der genaue Wortlaut
dieses Abkommens wurde jedoch erst etliche Monate später in dem am 19.
September desselben Jahres unterzeichneten Vertrag von Péronne
festgelegt, mit der Aufzählung der "Pakte und Bedingungen, zu denen die
Generalversammlung des Fürstentums Katalonien [...] das Fürstentum und
die Grafschaften von Roussillon und Cerdagne dem König von Frankreich
unterstellen und welche in dem Schwur aufgenommen werden müssen, den seine
Majestät sowie seine Nachfolger zu Beginn ihrer Herrschaft ablegen
müssen." [18]
Am 26. Januar 1641
versuchten die Truppen des Marquis von Los Vélez, den Barcelona
dominierenden Berg Montjuich zu erobern, wurden jedoch von den katalanischen und
französischen Truppen zurückgeschlagen. So wurde der Bruch Kataloniens
mit Philipp IV. endgültig und machte gleichzeitig die Hoffnungen Madrids
auf ein schnelles Ende der Rebellion in Katalonien zunichte. Paradoxerweise
kämpften am Montjuich einige hundert katalanische Adlige und portugiesische
Soldaten auf der Seite Philipps IV. [19] Sehr wahrscheinlich ist,
daß sie noch keine Nachricht von dem sich am 1. Dezember 1640 in Lissabon
zugetragenen großen Ereignis hatten: der relativ friedlichen Proklamation
des Herzog von Braganza zum König von Portugal. Diese Proklamation kam
für Spanien - bis zu einem gewissen Punkt - überraschend [20],
besonders für die Vizekönigin Margarete von Savoyen, der Witwe des
Herzogs von Mantua und Enkelin Philipps II. Dennoch, wie wir gleich sehen
werden, hatte sich die Unzufriedenheit der Portugiesen mit der spanischen
Regierung bereits vorher bemerkbar gemacht.
Von
1630 an, insbesondere gegen Ende des Sommers und im Herbst 1637 war es in der
Stadt Evora (und in fast dem ganzen Alentejo, der Algarve und dem Ribatejo) zu
Volksaufständen gegen die von Olivares geplante Besteuerung
gekommen. [21] Die Madrider Regierung befürchtete, der bedeutendste
Adlige Portugals, der achte Herzog von Braganza, könne sich den
Aufständischen anschließen. Der Herzog war jedoch nicht gewillt, sich
in den Konflikt einzumischen. Ebenso wies er, wie auch andere portugiesische
Adlige, die Aufforderung des Conde Duque de Olivares zurück, sich im Sommer
1638 in Madrid mit dem portugiesischen Klerus und Adel zu versammeln. Einige
jedoch folgten dieser Aufforderung. Von dieser Versammlung ermutigt,
beschloß Philipp IV., den Rat von Portugal, eine die spezifische
Identität des Königreiches wahrende Einrichtung, abzuschaffen.
Obgleich ein Großteil des portugiesischen Adels sich gut in das spanische
System integriert hatte, gab es doch andere, die mit der Arroganz der Regierung
Olivares' und ihrem mangelnden Respekt gegenüber bestehenden Institutionen
unzufrieden waren. Zusätzlich hatten die Portugiesen weiteren Grund zur
Unzufriedenheit mit dem spanischen Regime: Es zeigte sich zunehmend
unfähig, das große portugiesische Reich im Atlantischen und Indischen
Ozean gegen die Niederländer zu verteidigen [22], und konnte die
wirtschaftlichen Einbußen nicht
kompensieren.
Die Nachricht vom Ausbruch der
Rebellion in Katalonien im Juni 1640 und die Anweisung aus Madrid an die
Portugiesen, sich an der Niederschlagung zu beteiligen, haben anscheinend in
Portugal die Vorbereitungen zum Sturz der spanischen Regierung beschleunigt.
Eine in Lissabon zusammengetretene Versammlung portugiesischer Adliger bot am
12. Oktober 1640 dem Herzog von Braganza die Krone Portugals an. Da dieser -
wenn auch außerehelich - vom Gründer der Avis-Dynastie, Johann I.,
abstammte, nahm er eine klare Sonderstellung unter den portugiesischen Adligen
ein und konnte den Mittelpunkt für den proto-nationalistischen Legitimismus
Portugals darstellen. Zudem verfügte er über ein enormes
Vermögen.
Am 1. Dezember 1640 stürmte
eine Gruppe Verschworener, ohne große Gewalt, den Palast des
Vizekönigs in Lissabon. Eines der Opfer war der verhaßte
Sekretär der Vizekönigin, Miguel de Vasconcelos, der schwerverletzt
aus dem Fenster gestürzt und der Wut des Volkes überlassen wurde. Mit
dem Ausruf "liberdade, Portugueses" (Freiheit, Portugiesen) und "viva El Rey Don
Joao IV" (Es lebe der König Johann IV.) wurde der Herzog von Braganza zum
König Portugals mit dem Namen Johann IV. ausgerufen. Obgleich die
Bevölkerung Lissabons, anders als beim "Corpus de Sang" in Barcelona,
keinen bedeutenden Anteil an diesem Umsturz hatte, wurde er dennoch nur aufgrund
der stillen Duldung, wenn nicht gar Sympathie durch das Volk
möglich. [23]
Am 15. Dezember fand in
der portugiesischen Hauptstadt die feierliche, offizielle Proklamation des
Herzogs von Braganza zum König statt. Am 28. Dezember traten die
Cortes der portugiesischen Restauraçao [24]
zusammen und ratifizierten konstitutionell die Ernennung des Königs, der
anschließend den Eid auf die portugiesischen Gesetze ablegte. Vom
verfassungsrechtlichen Standpunkt aus festigten die Cortes ihren
Einfluß auf die Steuergesetzgebung und ihre Rolle als Repräsentanten
des Königreiches und aller seiner Gebiete, denn in gewisser Weise verstand
Portugal sich selbst als eine Republik der Republiken. Laut der offiziellen
Auslegung, die so auch in der zeitgenössischen "braganzistischen" Presse
ausgedrückt ist, war die rechtmäßige Dynastie und die Freiheit
Portugals wiederhergestellt worden. [25] Die übrigen Städte
Portugals schlossen sich Lissabon an. In den überseeischen Besitzungen
erfolgte die Anerkennung des Königs in verschiedenen Phasen, vom Februar
1641 an in Brasilien bis zum September 1641 in Indien. [26] Eine
fehlgeschlagene Verschwörung unter der Führung des Erzbischofs von
Braga und einigen Adeligen brachte der neuen portugiesischen Regierung erneute
Bestätigung.
Bei der Begründung der
Legitimität des Dynastiewechsels in Portugal waren die Predigten und
Mahnungen der Priester von großer Bedeutung. [27] Unter den
religiösen Orden und Kongregationen muß der Jesuitenorden wegen
seiner klaren Identifizierung mit der Restauraçao besonders
erwähnt werden. Ein Vertreter dieses Ordens, Pater Ignacio de Mascarenhas,
wurde gewählt, um der Abgeordnetenversammlung Kataloniens eine
Solidaritätadresse zu überbringen und anschließend Frankreich um
Hilfe zu ersuchen. Seine Ankunft in Barcelona am Tag der Schlacht von Montjuich
(26.1.1646) wurde von den Katalanen mit grosser Freude begrüßt. Wenig
später schickte die Generalitat ihrerseits die Boten Jacint Sala und
Rafael Cervera nach Lissabon, um von dort Hilfe zu erbitten. [28] Dies
ist ein guter Beleg dafür, daß sich Portugal und Katalonien in ihrem
Kampf um die Wahrung ihrer Identität gegenüber der spanischen
Monarchie der gegenseitigen Abhängigkeit bewußt waren. Die Tatsache,
daß im darauffolgenden Jahr die beiden katalanischen Botschafter in
Lissabon in den Dienst Philipps IV. traten, ist andererseits ein Zeichen
für den Zwiespalt innerhalb der aufständischen Führungsschichten
(mehr in der katalanischen als in der portugiesischen) in Bezug auf den Bruch
mit dem König von Spanien. [29]
Aber
trotz der großen symbolischen Bedeutung der gegenseitigen
Unterstützung des restaurierten Portugals und des Kataloniens von Pau
Clarís, hing die Zukunft beider Länder hauptsächlich von der
Haltung der mit dem spanischen König rivalisierenden Großmächte
(Frankreich unter Richelieu und der mit Frankreich verbündeten Niederlande)
und dem Glück der spanischen Armeen auf den Schlachtfeldern ab. Philipp IV.
mußte auf der iberischen Halbinsel an zwei Fronten kämpfen, maß
aber der Rückgewinnung Kataloniens die größere Bedeutung bei, da
hier die Grenze zu seinem Erzfeind Frankreich verlief. Der portugiesische
Aufstand geriet in den Hintergrund. Katalonien war ein hart umkämpftes
Gebiet. So wurde um die dem Königreich Aragon am nächsten liegende
Stadt Lérida, schon vor und auch während der Friedensverhandlungen
von Münster, mehrfach gekämpft. Diese Verhandlungen wurden durch das
Abtreten zweier Hauptfiguren möglich: Richelieu starb im Dezember 1642 und
der Conde Duque de Olivares mußte im darauffolgenden Januar von seinem Amt
zurücktreten. Die flexiblere Einstellung des neuen Vertrauten des
Königs, Luis de Haro, sowie der feierliche Schwur Philipps IV. auf die
katalanischen Verfassungen nach seinem siegreichen Einzug in Lérida im
Jahre 1644 - auch sein Versprechen einer allgemeinen Begnadigung -
eröffneten der in Katalonien regierenden Schicht neue Perspektiven und
ermöglichten die Aussöhnung beider
Länder.
Die französische Monarchie war
jedoch ebenfalls in Katalonien involviert. [30] Nachdem die
Rückgewinnung des Roussillon gelungen war, hielt Mazarin es nicht für
unmöglich, in den Besitz des ganzen Fürstentums Katalonien zu
kommen. [31] Dr. Josep Fontanella, der Delegierte der Deputation von
Katalonien und Barcelona in Münster, wußte dies sehr wohl - er war
nach Münster entsandt worden, um die französischen Delegierten in den
katalanischen Angelegenheiten zu beraten bzw. die Interessen Kataloniens zu
wahren. [32] Ebenfalls im Umfeld und unter dem Schutz der
französischen Delegation hielten sich die Repräsentanten Johanns IV.
in Westfalen auf, Luis Pereira de Castro und Francisco de Andrade Leitao in
Münster und in Osnabrück Rodrigo Botelho de Morais, der nach seinem
Tod durch Cristovao Soares de Abreu ersetzt wurde. [33] Unter dem
starken Druck der Gesandten Philipps IV. hielten es die Mittler, insbesondere
der päpstliche Nuntius Fabio Chigi, nicht für angebracht, die
Repräsentanten Portugals und Kataloniens formell anzuerkennen. Die Zukunft
dieser beiden Staaten wurde bei den Verhandlungen von Münster zu einen
sujet brûlant, zu der - entsprechend dem Stand der Kampfhandlungen
- verschiedene Vorschläge gemacht wurden. Eine falsche Beurteilung der Lage
in Madrid und Paris - beide Regierungen waren der Meinung, den Gegner mit einer
zusätzlichen Anstrengung in die Knie zwingen zu können - führte
dazu, daß sich die in Münster ausgehandelten Friedensverträge
nicht auf die spanische Monarchie und das Königreich Frankreich
erstreckten.
Was Katalonien betrifft, so
erschwerte der Beginn der Fronde in Frankreich im Jahre 1648 erheblich die
Bezahlung der in Katalonien zum Kampf gegen Philipp IV. stationierten Truppen
und machte es Paris unmöglich, eine koordinierte politische und
militärische Aktion durchzuführen. [34] Hinzu kam, daß
die französischen Vizekönige Kataloniens dessen Verfassungen
ebensowenig achteten wie es vorher die Spanier getan hatten. Der Unmut sowohl
bei der katalanischen Bevölkerung, die die Ausschreitungen der
französischen Söldner erdulden mußte, als auch bei den
Führungsschichten wuchs, ähnlich wie bereits vor den Unruhen von
1639/40. [35] Die Verbindung Kataloniens mit Frankreich hatte, vom
wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen, darüber hinaus zum Verlust der
süditalienischen Märkte geführt. So kam es, daß im Jahre
1652, auf dem Höhepunkt der Fronde unter Condé [36] und nach
einer langen Belagerung durch die Truppen von Juan José de Austria, eines
unehelichen Sohnes Philipps IV., Barcelona an die spanische Krone
zurückfiel und danach viele andere Städte Kataloniens. Die Hauptstadt
des Fürstentums wurde mittels eines mehrdeutigen Paktes mit Juan
José de Austria und auch zum Teil mit Waffengewalt wieder in das
spanische Reich eingegliedert. [37] Der Friede zog in Katalonien jedoch
erst im Jahre 1659 mit dem Pyrenäenvertrag ein. Es war ein harter Friede,
denn die Grafschaft Roussillon und einige angrenzende Gebiete blieben unter
französischer Herrschaft. Aber obwohl Katalonien in diesen stürmischen
Jahren seine territoriale Einheit nicht aufrechterhalten konnte, gelang es doch,
diese schwierige Zeit zu überstehen und dabei die geschichtliche,
politische und sprachliche Eigenständigkeit, ebenso wie seine besonderen
Einrichtungen und einen Großteil seiner verfassungsrechtlichen Freiheiten
zu bewahren.
Portugal sah sich in der Zwischenzeit
dadurch begünstigt, daß Katalonien das Hauptschlachtfeld des
spanischen Königs war. Johann IV. konnte sich auf die Rückgewinnung
der überseeischen Besitztümer konzentrieren, die an die
Niederländer verlorengegangen waren. Seine Offensive wurde stärker,
als 1646/47 die Vereinten Provinzen einen Friedensvertrag mit Spanien
abschlossen und ihre Allianz mit Frankreich, dem großen Protektor
Portugals, auflösten. Die französische Protektion war jedoch eine auf
Distanz, ohne die Gefahr einer Annexion, wie sie Katalonien ausgesetzt gewesen
war. Im Jahre 1648 gewann Portugal Angola zurück, im Jahre 1654 die von den
Niederländern eroberten brasilianischen Gebiete. [38] Im Indischen
Ozean konnten allerdings die Niederländer die Mehrzahl der Portugal
abgewonnenen Gebiete bewahren. Mit dem wirtschaftlichen Rückhalt seiner
Kolonien, seiner engen Bindung an die eigene Herrscherdynastie und der
militärischen Unterstützung Englands [39] und Frankreichs
konnte sich das Portugal der Restauraçao zwischen 1663 und 1665
gegen die Angriffe der geschwächten Monarchie Philipps IV. erfolgreich zur
Wehr setzen. Obgleich das spanische Heer unter Juan José de Austria im
Jahre 1663 noch vorübergehende Erfolge erzielen konnte, wurde es kurz
danach bei Ameixial (Estremoz) von den Portugiesen mit Unterstützung der
französischen Truppen unter Marschall Schomberg geschlagen. Der
portugiesische Sieg von Montes Claros 1665 beendete den Krieg. [40]
Dennoch dauerte es noch einige Jahre bis zur formellen Anerkennung der
Unabhängigkeit Portugals durch die spanische Monarchie. Der Friedens- und
Freundschaftsvertrag zwischen beiden Staaten wurde erst nach dem Tod Philipps
IV. im Jahre 1668 geschlossen, der sich nie mit dem Verlust des portugiesischen
Königreichs abgefunden hatte. Hiermit wurde die Restauraçao
Portugals bestätigt. Im Dezenium davor hatte man in Lissabon sogar eine
iberische Vereinigung in Erwägung gezogen: Um 1649/50 war Johann IV. bereit
gewesen, zugunsten seines Sohnes Theodosius abzudanken, wenn dieser Maria
Theresia von Österreich - zu der Zeit Erbin Philipps IV. - heiratete und
beide ihren Hof nach Lissabon verlegten. Unter dieser Voraussetzung wäre
die Geschichte Spaniens und Portugals eng verbunden geblieben,
möglicherweise jedoch unter der Vorherrschaft
Portugals.