DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
Textbände > Bd. I: Politik, Religion, Recht und Gesellschaft |
WULF ECKART VOSS Zur Verhinderung noch größeren Leids - Vom Elend und Segen des Rechts im Kriege |
Die Sprichwort gewordene Erfahrung "Im Kriege schweigt das Recht" gilt vielfach auch
für das Kriegsrecht selbst. Wie oft und einschneidend sich das Recht auf
dem Papier von dem der gelebten und erlittenen Wirklichkeit entfernt, lernen die
Opfer des Krieges am schmerzlichsten kennen. Aus den erschütternden
Berichten über den Alltag im Dreißigjährigen Krieg und die
schier untragbaren Lasten derer, die auf ihren Gütern, Gehöften und
Höfen Fußvolk und Reiterschwadronen, bisweilen sogar ganze Regimenter
einquartieren mußten; ja, die mit ihrem Vieh und Korn den Krieg
ernährten und auf deren Pferde und Fuhrwerke man für Troß und
Reiter zugriff, ragt eine im Original weithin verschollene Sammlung von
Dokumenten besonders heraus, aus der hier einige Briefe, Schreiben und Urkunden
über die Praxis des Kriegsrechts zu Wort kommen
sollen.
Über die kriegsbedingten Geschehnisse
hatte der in Vorpommern bei Triebsees in nicht geringem Umfang begüterte
erbansässige Adlige Georg (auch "Jürgen" oder "Jörg") Behr
berichtet und offenbar in der Absicht, seinen von den Schweden zerstreuten und
verteilten Besitz nach dem Kriege auf dem Rechts- und Gnadenwege wieder
zusammenzubringen, ein Großteil der dafür einschlägigen Urkunden
gesammelt. Unter den Händen von Julius von Bohlen-Bohlendorf war das
Konvolut, das er über den Antiquariatshandel erworben hatte, um weitere
Urkunden, z.T. aus Hinterpommern, ergänzt worden, so daß es nun neben
den Berichten, Briefen und Urkunden Georg Behrs auch Schreiben schwedischer
Militärstellen bis hin zur Generalität enthielt. In erster Linie
betreffen sie das bei Triebsees an der Trebel nördlich Demmin und Anklam
gelegene, damals "Teufelsdorf" (auch "Düwelsdorff", heute: "Degelsdorf")
genannte Adelsgut, das in besonderer Weise unter den Generälen Wrangel und
Banér in die Kriegsgeschehnisse einbezogen war. Das Material wirft vor
allem Licht auf das Kriegsrecht der Praxis, und hier besonders auf die
Kontributionspraxis in Pommern unter den Generälen Hermann Wrangel und
Johan Banér, der seinerzeit Wrangels Kollege, aber auch erbitterter
Konkurrent um den schwedischen Oberbefehl in Deutschland gewesen
war.
Als sich Herzog Bogislav XIV. (1625-1637),
Georg Behrs Lehnsherr, nach dem Sieg der Schweden vom Februar 1631 über die
Kaiserlichen in Pommern gegen seine Interessen zu einem Bündnis mit Gustav
Adolf gedrängt gesehen hatte, war der pommerische Landadel, und mit ihm
Georg Behr, den "verbündeten" Schweden zu drückenden Kontributionen
verpflichtet worden. Seinem Bericht zufolge hatte alsbald eine Schwadron
Fußsoldaten, die "nebst dessen ganzer Bagage und Troß" nach
Teufelsdorf gelegt worden war, innerhalb von nur 6 Tagen auf dem Gutshof so
gehaust, "daß kein Stück Brod und Trunk Bier, noch Fisch im Teich
übrig geblieben, anderer Excesse, grober Verunreinigung und barbarischer
Befleckung der Kirche und des heiligen Altars zu schweigen". Vor dem sicheren
Ruin war Behr nur durch eine ungewöhnlich drastische
"Disziplinarmaßnahme" gerettet worden, die ebenfalls "Kriegsrecht" war:
Nachdem man seine Beschwerden und Eingaben zunächst überhört
hatte und er sich (wahrheitswidrig, wie er in seinem Bericht betonte) sagen
lassen mußte, er sei vordem von den Kaiserlichen geschont worden, war
eines Tages Obrist Wrangel erschienen und hatte den Regimentsmajor wegen des
Mißstandes "mit einer guten Maulschelle dergestalt tractiret, daß
die übrigen Offiziere dadurch zu sich selber kommen, ihre Unbilde erkannt
und seinen Hof verlassen". Daß die drückenden Kontributionen aber
weitergingen und das Land mehr und mehr zerrütteten, erwähnt Behr
selbst für die relativ ruhigen Jahre in Pommern, in denen das Herzogtum
nicht Kriegsschauplatz gewesen war.
Durch den Tod
des am 10. März 1637 kinderlos verstorbenen Herzog Bogislav XIV. war das
schwedisch besetzte Pommern führungslos geworden, weil sich die
Besatzungsmacht weigerte, das Land an Kurfürst Georg Wilhelm von
Brandenburg (1619-1640) als rechtmäßigen Erben herauszugeben. Da die
Bildung einer Interimsregierung auf den Widerstand Brandenburgs hin unterblieben
war, hatten sich schließlich die Vertreter der "hinterlassenen
Stände" der anfallenden Aufgaben angenommen, insbesondere der sehr
delikaten, bei den Beschwerden der Kontributionspflichtigen gegenüber der
schwedischen Militärverwaltung zu vermitteln. Als Pommern 1637 wieder
Kriegsgebiet geworden war und die Schweden unter Hermann Wrangels Oberbefehl im
Sommer die von den Flüssen Peene, Trebel und Recknitz gebildete
Verteidigungslinie gegenüber den Kaiserlichen unter General Gallas halten
konnten, mußte jener sich in die Umgebung Stralsunds zum Winterlager
zurückziehen. Wrangel sicherte Vorpommern, während sich Banér
nach Stettin und Hinterpommern begab. Für Georg Behrs Güter mitten in
der Verteidigungslinie am Trebel und im Bereich der "Cantonierungs-Quartiere"
hatte diese exponierte Lage schlimme Folgen.
Georg
Behr waren im Zuge dieser Maßnahmen alle 200 Pferde auf einmal und damit
das letzte Reit- und Zugtier genommen worden. Er war danach, anders als seine
Nachbarn, die ihre wertvollste Habe per Fuhrwerk in die Stadt retten konnten,
vollkommen unbeweglich geworden und jenen übermäßigen
Einquartierungen, aber auch den Heimsuchungen von "Troß und Bagage", die
nachgezogen wurden und als "licentiose Soldatesque" die näheren und
ferneren Landstriche zusätzlich plünderten, hilflos ausgeliefert. Auf
Gut Teufelsdorf waren darüber hinaus ein Offizier mit 12 Dragonern
einquartiert worden. Was ihr täglicher Bedarf war, nennt eine Anweisung des
zuständigen Quartiermeisters. Und zur Erzwingung dessen, was man erwartete,
enthält sie ganz unverhüllte Drohungen, falls die Ansätze nicht
freiwillig geliefert würden
:
Requisitionszettel: "Eß sollen die
zugeordneten Dorffer, welche nach meinem Quartier Dreibohm zur Erhaltung meiner
Reuter Proviant geben sollen, muß vffß genaugste teglich, der anfank
oder erste tag ist der 3. September, vnd richtig anhero geschaffet werden, wie
folget: teglich 5 Tonnen Bier, - 200 Pfund Brod, - 60 Scheffel Haber, - 200
Pfund Rindfleißg, - 4 Fuder Heug, die gutt sein; - teglich an allerley
Gewürtze fohr mich vnd meine Officierer nach nohtorff; teglich ein fiertel
Butter, - teglich einen halben Scheffel Saltz, - teglich 30 Lichte. - In des
Hrn. Rittmeisters Küchen teglich, sowol auch fohr die andern Officierer: 2
Schaffe, - 12 Hüner, - 6 Gense, - 30 Eyer.- Solches sol
ohnaußbleiblich gelieffert werden teglich, vnd an welchem Dorffe es
mankieren [fehlen] wirt, solß also durch die Reuter selber geholet werden,
welches ihnen [d.h. den Pflichtigen] nicht gefallen
wirt.
Geben Quartier Dreibohm, den 4.September Ani
1637.
Georg Mittelstedt, Quartiermeister
mpr."
Beschwerden über den erzwungenen
Niedergang aller ordentlichen Bewirtschaftung hatten, wie Behr in seinem Bericht
andeutet, nichts gefruchtet. Dennoch konnte diese ruinöse Entwicklung der
schwedischen Militärverwaltung, die auf die langandauernde Erhaltung der
Gutswirtschaft und ihrer Leistungsfähigkeit bedacht sein mußte, nicht
gleichgültig sein. Hermann Wrangel hatte darum auch im September
entsprechende Anordnungen getroffen, um das Ausdreschen der eingebrachten
Kornernte durch militärischen Schutz gegen Plünderer, der von den
Kommandanten der Garnisonsstädte angefordert werden sollte, zu sichern
:
"Demnach über die vielfeltige publicirte
Mandaten und Ordres wegen anstellung der Insolentien und insonderheit des
Korntreschens in diesem Ort Landes noch teglich schwere klagten einkommen, zu
deren remedirung J. Exll. wie vorhin nichts unterlassen werden, und derhalben
krafft dieses dem Herrn Major Rawen volmacht ertheilet, die Commendanten in den
Stedten um Hüllf ansuchen und sie dem Beträngten zu seiner Defension
an die Hand zu geben: Als würdt hiemit allen Kommendanten, es seyn gleich
zu Stralsund, Greifswald, Anklam, Wolgast, Demmin, Tribsees oder wo es wolle,
angefügt, daß sie auf ermelten Herrn Commissarij Rawen begehren,
demjenigen, so gewaldt geschieht, mit so viel Volck als er nötig ihme
beispringen wollen, ahn Ort und Zeit, wie er solchs bescheiden würdt.
Signatum Loitz, den 25. Septembris Anno 1637. H. Wrangel m.
p."
Solche Schutzmaßnahmen erfolgten zwar,
offenbar aber nur sporadisch. Wie unfähig die Kriegsverwaltung war,
Besserung herbeizuführen, geben die hilflosen Antworten der Generäle
auf die Klagen aus der Bevölkerung zu erkennen: Auf die Beschwerden, die
von den "Fürstlichen Pommerschen hinterlassenen und daselbst anjetzo
anwesenden Räthen" unter ihrem Präsidenten Philipp Horn bei den
verbündeten Schweden zur Schonung des Adels und ihrer Bauern unbeirrt
einlegt worden waren, gab es nur fadenscheinige Bemäntelungen. Diese
Beschwerden, die z.T. an Wangel und Banér gemeinsam gingen, hatten im
wesentlichen den gleichen Inhalt: daß die von der Generalität
versprochenen oder von ihnen auch ins Werk gesetzten Schutzmaßnahmen
zugunsten der leistungspflichtigen Bevölkerung ins Leere liefen. Daß
keine spürbare Linderung eingetreten sei, man vielmehr nach wie vor unter
Plünderungen, Brandschatzungen, Vergewaltigungen und
Kirchenschändungen zu leiden habe, faßt z.B. die Petition der
Räte, die für den Landesteil Wolgast an Feldmarschall Wrangel
gerichtet war, zusammen:
" [...] und werden Sie aus
teils vnsers mittels notification, wie auch von den Herrn Feldkämerier,
deme wir desfals nottürtigen mündtlichen Bericht gethan,
hochgönstig vernommen haben, was für tägliche und
stündtliche Plünderungen, Erbrechung der Gotteshäuser und
abschewliche cruciatus mit Predigern und andern Landes=Einwohnern, welche auf E.
Exll. jüngsthin zu Loitz beschehenes rathsames erachten ihre Güter
wieder bezogen hin und wider vorgehen und vorgenommen
werden.
Nun nehmen solche unter Freunden und
Leuten eines glaubens vnerhörte Thätlichkeiten nicht abe, sondern thun
sich leider von Tage zu Tage vielmehr häufen, gestalt dan die Weibsbilder,
jung und alt, häufig bis vff den thott geschändet und theils alte vmb
gelts willen also torquiret und gemartert, daß sie auch ein bessers nicht
mehr, als des thodes begehren, so ist auch unter andern noch in jüngst
verwichner nacht das Hospital, so nahe bei dieser Stadt gelegen, erbärmlich
ausgeplündert und die Leute daraus geprügelt und geschlagen, auch der
Voigt Jacob Schröder von dem nahe an der Stadt belegnen Viehhoffe in dieser
nacht, ein anderer, Jacob Jeßke von Zipke, vor 3 Tagen gefangen weg
geführet, auch Ackerwerk und Mühlen allenthalben ruinirt
worden.
Vnd als etliche von den landverderblichen
Burße für hiesigen Thore ertappet und alhie eingebracht, stellen E.
Exll. wir unterdienstlich anheimb, ob Sie dieselben abfordern und ihnen ihr
recht anthun lassen wollen. Im übrigen haben wir vnterdienstlich zu pitten,
daß E. Exll. sich wollen belieben lassen, vorberegte Crudelitäten,
Insolentien und Plünderungen auf menschmöglichste maße
abzuschaffen und die anordnung zu machen, daß obbenannte und andere
Gefangene ohne Beschwerung auf freyen Fuß nicht allein wieder gestellet,
sondern auch, wie wir gestern bei dem Herrn Feldtkemmerirer erinnert, diese
Stadt mit einer Guarnison zu Fuß und die benachbarten vom Adel mit
Salvaguardien versehen werden mögen.
E. Exll.
thun wir hiemit der gnadenreichen obacht des höchsten und uns zu dero
beharrlichen Faveur unterdienstlich empfehlen. Barth, den 30. Septembris 1637.
Ew. Excell. vnterwillige Fürstl. Pommerische hinterlassene und daselbst
anjetzo anwesende Räthe."
Wrangel war nichts
anderes übrig geblieben, als die beklagten Geschehnisse zu bestätigen,
ohne aber Abhilfe garantieren zu können: "da von der licentiosen
Soldatesque mit Plündern, Rauben und andern ohnzehligen hochstrafbaren
Insolentien also gehauset worden, daß es mehr zu beklagen als zu
remediren". Ein Strafgericht folgte aber befehlsgemäß auf dem
Fuße, und zwar hart. Die Beschwerde trug das Datum vom 30. September, und
der Gerichtstermin samt Exekution lag schon auf dem 3.
Oktober.
Die Rechtsgrundlagen für die in
diesen Fällen verhängten Todesstrafen waren die "Artikelbriefe" von
1621 mit Zusätzen von 1631. Die Vermehrung und Präzisierung der
Kriegsartikel war nach den anfänglichen schlechten Erfahrungen mit der
Truppendisziplin erforderlich geworden, offenbar wegen der zunächst
unzureichenden Rechtsgrundlage für Verfolgungen wegen schwerer Erpressung
von Kontributionen, wegen sinnloser Zerstörung von Schulen und wegen
Schändung von Kirchen, wegen Anmaßung von Privilegien, unerlaubten
Verlassens der Truppe und wegen Marodierens:
"Wir
Gustaff Adolph von Gottes Gnaden, [...]etc., Thun hiermit jedermäniglichen
kundt und zu wissen, Nach dem bishero die Kriegs Disciplin und Ordnung, welche
in Unsern Königreichen bey Unserm Kriegsvolck eyngeführt und
gebräuchlichen gewesen, in Abfall gerathen, und dagegen allerhandt
Unordnung, Ungehorsam und Widersetzigkeit bey den Soldaten erwachsen: Dahero
dann zum öfftern mercklicher Schade und grosse Niderlage zu des
Vatterlandts eussersten Verderben sich ereygnet, und aber Wir reifflich erwogen,
daß des Reichs Beschützung und Wolfahrt (nächst Gott) auff ein,
mit guten und tüchtigen Soldaten wolbestelltes Regiment und verfaster
Kriegsordnung bestehe."
Zusätzlich zu jenem
auf den 3. Oktober angesetzten Strafgericht erließ Wrangel an die
Stadtkommandanten von Triebsees, Demmin, Loitz und Anklam die Weisung, daß
die Ausgeplünderten die Gelegenheit erhalten sollten, ihr Hab und Gut
zurückzufordern und zur Identifikation ihrer Pferde, ihres Viehs und ihrer
Habe sogar in die Lager kommen sollten. Damit der Schutz nicht ins Leere ginge,
sollte weiter jeder Export von Vieh und Pferden aus der Region vorerst
unterbleiben. Erkennbar ist demnach, daß von seiten der Generalität
hin und wieder zu außergewöhnlichen Maßnahmen wie diesen
gegriffen wurde, um die Bevölkerung vom guten Willen der
Militärverwaltung zu überzeugen. Hilfreich wäre aber nur die
Unterbrechung oder zumindest eine Milderung der Kontributionen gewesen, die der
Landwirtschaft überhaupt erst eine Chance zu ihrer Erholung gegeben
hätte. Damit wäre aber das Kontributionssystem grundsätzlich in
Frage gestellt worden. Das aber wagten noch nicht einmal die Bittsteller. Ein
solcher Antrag wäre aber wohl selbst bei Wrangel, der sich noch am
weitesten den Anliegen der Räte geöffnet hatte, auf taube Ohren
gestoßen.
Banérs Reaktion auf die
beklagten Geschehnisse unterschied sich deutlich von Wrangels Maßnahmen.
Letztlich drehte Banér den Spieß um und beschuldigte seinerseits
die klageführenden Ständevertreter, sie hätten nicht im
erforderlichen Umfange darauf hingewirkt, daß die geforderten
Kontributionen rechtzeitig und vollständig erbracht würden. Wären
alle Forderungen zur Zufriedenheit der Militärverwaltung erfüllt
worden, würde es um die Disziplin der Soldaten viel besser stehen, und
Selbsthilfemaßnahmen hätten viel leichter unterbunden werden
können:
" [...] Muß aber gleichwoll
beklagen, daß die bei dem Lande und den Interessenten, die von itziger
Turbation vngemach ausstehen müssen, nicht bei zeit eine erkleckliche
Disposition zum Magazin angestellet, welches zu der Soldatesca vnterhalt
serviren und derselben Exorbitantien, die von mir keineswegs approbiret, sondern
vor ein gereuhl gehalten werden, also präcaviret und schon alle
entschuldigung ihres herumvagirens benommen werden könne. Nichts desto
minder will ich mich in allem als einem eyferigen osorem [d. i. Hasser] solcher
gewaldtahten erweisen und hergegen vom Lande und dessen Interessenten guhter
anstaldt zu der Soldatesca Alimentation versehen, wodurch sie dan so viel besser
beisahmen und eingeschlossen zu halten sein
werden [...]"
In dieser Unverhülltheit ist der
Hinweis, daß den Bewohnern des Landes wegen nicht vollständig
erbrachter Ablieferungen eine Mitschuld an ihrem Unglück nicht abzusprechen
sei, kaum anderes als eine Einschüchterung von höchster Stelle.
Banérs Schreiben, das ja ein Zeugnis der obersten Führungsebene der
schwedischen Expeditionsarmee ist, unterscheidet sich, was die Notwendigkeit der
Kontributionen angeht, wohl im Stil und der Form, kaum aber in seinem Geist von
jenem oben zitierten Zusatz des Quartiermeisters Georg Mittelstedt vom 4. 9.
1637.
Banér war die rigide Praxis
natürlich vertraut. Schon in einem "Patent" vom 6. Oktober war dies zum
Ausdruck gekommen: Zwar hatte er damals angekündigt, er werde das ihm
Mögliche tun, um das freie Requirieren von Marodeuren zu unterbinden. Aber
darauf sollte sein Engagement zugunsten der leistungspflichtigen
Bevölkerung auch beschränkt bleiben. Wo Soldaten im berechtigten
Auftrag auszogen und sie, weil ihren Forderungen nicht oder nicht in vollem
Umfang Folge geleistet wurde, zur Gewalt griffen, um die erwarteten Ansätze
aufzutreiben, gab Banér den Betroffenen zu verstehen, daß er in
diesen Fällen ihnen nicht helfen werde. Denn sie hätten ja selbst -
und wenn nicht persönlich, dann doch immerhin ihresgleichen - die Geduld
der Soldaten durch den anhaltenden Leistungsverzug, der seitens der
Heeresverwaltung zu beklagen sei, herausgefordert und sich den Unmut der
Soldaten zugezogen.
Es hat den Anschein, als sei
damals diese Warnung die eigentliche Botschaft gewesen. Denn mit der
Ankündigung, daß jenes "Patent" vom 6. 10. 1637 bis zu
fünfhundertmal veröffentlicht werden solle, wird ja geradezu
unterstrichen, daß sich Banér tatsächlich an die
Bevölkerung und nicht an die Soldaten wenden wollte, die es ja eigentlich
waren, deren Übermut gebremst und deren Zügellosigkeit unterbunden
werden sollte. Bestätigt wird dieser Verdacht auch dadurch, daß es
bereits in seinem Eingang, gleich nachdem jene schrecklichen Vorgänge
beklagt werden, auch schon warnend anklingt, daß es Banér
primär um die Versorgung des Heeres geht, selbst unter Inkaufnahme von Leid
und Verarmung der Bevölkerung. Die Sicherstellung des Unterhalts der Truppe
war und blieb sein eigentliches Ziel:
" [...] Obwol
hochgedachte Ihre Exll. vermeinet, es würden durch dero eine Zeit her sehr
vielfältige und offt, auch noch jüngsthin zu Stettin am 29. July
repetirte Poenal=Mandata, dero unterhabende Soldatesca von ihren grewsamen
Exzessen, Raubmord, Plünderung, Brand, Schändung der Frawen und
Jungfrawen, wol ohne vnterschied des Standes und Alters, Devastirung der Kirchen
und Gotteshäuser und Beleidigung der Prediger und Kirchendiener,
Verwüstung der Gaben Gottes und anderer barbarischen Crudelitäten
abgeschrecket worden sein, die Herren Obristen und nachgesetzten Offizirer auch
dermaßen darüber gehalten und solche disciplin angeordnet und
confirmiret haben, daß zu ihrem selbst eigenen besten, insonderheit
abwendung des, durch solche teuflische prozeduren angezündeten Zorn Gottes
viele Lande und Leute conserviret, die Armee also besser alimentiret und nicht
Noth und Mangel leiden dürfen, gestalten die Herren Obristen solches Ihrer
Exll. hochbetheuerlich versprochen und
angelobet [...]".
Zwar werden im Anschluß
daran die schrecklichen Verbrechen noch einmal hervorgehoben. Aber auch hier
wird deutlich, daß deren Verfolgung ebenfalls nur Mittel ist, um die mit
einer ungezügelten und ungeplanten Eintreibung für eine konstante
Heeresversorgung verbundenen Gefahren zu
vermindern:
"So hat doch bishero die Erfahrung
gelehret, daß die Soldatesca einen Weg wie den andern, zumahl bei der
einrückung in Vor=Pommern ganz exorbitant bei ihren unchristlichen und
abschewlichen enormischen Exzessen verharret und dieselbe von Tage zu Tage zu
und fast überhand genommen und jetzo mit vielen grewlichen und noch nie
erhörten Martern und Plagen des armen Landmannes vergrößert, die
arthen derselben vermehret und durch conniventz der Offizirer in vollen schwang
gerathen und daraus eine solche Gewonheit eingewurzelt, welche Gottes Zorn
dermaßen gehäufet, daß dessen effect die Armee bis dato nicht
wenig gespüret. Als haben Ihre Exll. aus obliegender Fürsorge, zu
Conservation dero anvertrawten Armee, protection der damit inne habenden Lande
und beybehaltung der Einwohner, insonderheit zu Beschützung der
eingeerndeten Früchte und Lebensmittel, auch wiederbestellung des Feldbawes
und Aussäens und Lebensmittel für hochnötig erachtet, dero
Mandata noch einmal und zum Ueberfluß zu
wiederholen [...]."
Dann wird den Räten
drastisch in Erinnerung gerufen, daß die Disziplin der Söldner trotz
Anordnung strengster Lagerzucht und deren Überwachung durch die Offiziere
und Unterführer nur eingehalten werden könne, wenn die Versorgung
klappe und die Ablieferungen vollständig und pünktlich erfolgten.
Andernfalls könne der für die Landbevölkerung versprochene und
von den Garnisonen bereitgestellte Schutz nicht garantiert
werden:
"Erinnern und admoniren demnach die Herren
Obristen, thun auch hiemit ernsten Befehl, bei dero unterhabenden gantzen Armee,
sie wollen alles obbesagte wol ponderiren, damit die Soldatesca ihr ordentlicher
Vnterhalt, ohne abgang gereichet werden könne, ein jeder bei seinem
Regiment die Reuter und Knechte beysammen halten, außer den nötigen
Herren Diensten keine Excursiones gestatten; wie dann alle diejenigen, so auf
den Straßen ohne gebührende Herren Dienste herumb terminiren, auch
ohne beglaubigten Paß, ein jeder von seinem Obristen oder
Regiments=Commendanten befunden werde, ohne einiges Bedenken und ferner
nachfrage, an Leib und Leben gestrafet werden
solle.
Hiebei die Herren Obristen den Landmann mit
gehörigen lebendigen Salva guardien also schirmen und schützen sollen,
daß sie nicht allein bei den ihrigen verbleiben, sondern auch die
Feldfrüchte ohngehindert genießen, und also der Armee ihren Quotam
zur Alimentation davon abstatten können, wie dann Seiner Excellenz bei
befindenden Excessen bei den Offizirern verbleiben, die Verantwortung bei ihnen
fordern und mit vnnachlessiger Strafe eifern,
[...]."
Ganz anders verhielt es sich mit Soldaten
und Offizieren, die auftragsgemäß die Kontributions-Kollekte
einforderten, auch wenn sie hierbei, was den Umfang der Leistungen und die Art
ihres Vorgehens anging, in so unerhörter Weise über das übliche
Maß hinausgegangen waren, wie in jenen zwei Fällen, die die Räte
zur Veranlassung nehmen mußten, um erneut gegenüber der
Heeresführung aktiv zu werden:
Ein solcher
Vorgang dreistester Erpressung war im "Bublitzschen Quartier", einem
Requisitionsdistrikt in Hinterpommern, unter den dort ansässigen
Kontributionspflichtigen in die Tat umgesetzt worden, wobei offenbar findige
Juristen oder auch Winkeladvokaten im Heeresgefolge unter dem Schein des Rechts
Hilfestellung geleistet hatten: Die Eintreiber dort hatten tatsächlich die
Unterschrift der Pflichtigen in jenem Distrikt unter mehrere
Verpflichtungsscheine erzwingen können. Entsprechend werden die
"Contribuenten und Stifts=Stände" im Eingang dieser Schuldanerkenntnisse
als die genannt, die insgesamt für den Unterhalt des in ihren Distrikt
gelegten Regiments aufzukommen hatten. Da aber jene Pflichtigen bei der
Eintreibung der Abgaben mit einem stark überhöhten Ansatz veranschlagt
worden waren, den sie von Rechts wegen nicht zu erbringen brauchten, ihn aber
auch nicht leisten konnten, demnach wegen der erheblichen Restsumme, die sie
schuldig blieben, den Zorn und Mutwillen der Eintreiber herausgefordert hatten,
mußten sie sich schließlich dazu bereitfinden, die ihnen vorgelegten
Urkunden über die geforderten Summen zu unterschreiben. In dem einen Fall
hatten sie sich bis zu einem bestimmten Termin für die Zahlung von 2.500
Reichstaler zu verpflichten, wobei sie sich bei Säumnis ohne Anrufung eines
Gerichts der "militairischen Execution" unterwerfen mußten; eine
Härte, die die im übrigen parallele Urkunde über die Lieferung
von 5.625 Scheffel "Korn oder Getreydes", den Scheffel zu einem Gulden
gerechnet, nicht enthielt, was aber im Falle des Verzuges kaum eine schonendere
Behandlung zur Folge gehabt haben dürfte. Damit hatte sich aber die
Reiterschwadron, die zur Eintreibung ausgeschickt worden war, nicht zufrieden
gegeben. Zur Sicherung dieser ungesetzlichen immensen Ansprüche hatte sie
sich als weiteres Mittel der Strangulierung ausgedacht, zwei Adlige jenes
Bezirks, die eigentlich anteilig mitzuhaften hatten, für das vom gesamten
Distrikt zu erbringende Aufkommen gesamtschuldnerisch in Anspruch zu nehmen.
Wenn man sich erinnert, daß auf dem von Georg Behrs Vetter Christoff
bewirtschafteten Gut Semlow, als es im Zuge der akuten Kriegshandlungen an der
Trebel vom 27. 8. bis 16. 9. 1637 vier Regimenter hatte aufnehmen müssen,
durch die übermäßige Einquartierung ein Schaden in Höhe von
über 6027 Gulden entstanden war, der das Gut und die ihm zugehörigen
Dörfer ruiniert hatte, dann wird man das Übermaß der Last, die
jenen beiden Adligen im Rahmen der Erhebung "ordnungsgemäßer"
Kontribution zugemutet worden war, überschlägig ermessen können.
Weil aber jene beiden Adligen die für ihre Güter viel zu hohen Summen
und Mengen nicht leisten konnten, waren sie ergriffen worden, gemartert und wie
Kriegsgefangene oder Geiseln in einem Kerker in Beugehaft genommen worden, die
bis zur Begleichung aller Forderungen andauern sollte. Jene Urkunde, die zur
Erzwingung des kurzfristigen Geldbedarfs errichtet worden und auf den Betrag von
2.500 Reichstaler ausgestellt war, lautet:
"Wir
zum Bublitzschen Quartier anjetzo verlegte sembtliche Contribuenten und
Stifts=Stände Vhrkunden und bekennen hiermit vor jedermänniglich:
Demnach wir mit dem Herrn Rittmeister Melchior von Filtz wegen des Herrn Graffen
von Hoditz Regiment, welches vff den Bublitzischen Distrikt verwiesen, tractirt,
und so viele an bahrem gelde anreichet geschlossen, das wir ihme zweitausend
fünffhundert Reichsthaler abzutragen angenommen. Weil wir aber in so
schleuniger Frist zu ablage der völligen Summen nicht gelangen können:
So ist ferner verabhandelt, das wir jetzo alsfort, so viele wir immermehr an
gelde anschaffen und zu wege bringen können, ihme Herrn Rittmeister erlegen
wollen, und weil er vns mit dem Vbrigen 14 Tage nach Bartholomäi [24. 8. +
14 Tg. = 7. 9.] Dilation einzuräumen versprochen: Als verpflichten wir uns
darjegen auch hiermit bey unsern ehren, treuen, glauben und wahren worten, das
wir ihm solcher vbermaß, so hoch sich dieselbe nach eines jeden Quota
belauffen möchte, vff benante Zeit in Colberg bezahlen und ablegen wollen.
In verfeilung dessen, soll alsdann wider die säumigen mit der
militairischen Execution verfahren werden, und solches mit begebung aller
Wollthaten der Rechte, wie die nahmen haben muegen. Vhrkundlich etc.
Cößlin, den 30. July Ao.
1637."
Banérs zunächst recht
verbindliche Antwort billigte die Einforderung überhöhter Ansätze
der Sache nach nicht:
"Nun approbire ich zwar
vorerst die hohe und vbermeßige Praetension gedachten Regiments durchaus
nicht, vielweniger lasse ich mir ihre Procedere der Captivitet halber, bevorab
da die zweene vom Adel in dem Verstande, als Gefangene geachtet würden,
gefallen: [...] "
Dennoch ließ er die
Täter unbehelligt, da er die erpreßten Verpflichtungsscheine selbst,
aber auch was die überhöhten Summen angeht, als juristische Fakten
gültig sein ließ, ganz so als ob es sich um alltägliche
Schuldscheine handelte, so wie sie unter Soldaten für irgendwelche
Versprechungen, die dadurch, daß der Schuldner ein Anerkenntnis
darüber in entsprechender Höhe aufsetzte, verbindlich wurden; ein
Beispiel, das als Analogie für erpreßte Verpflichtungsscheine aber
ungeeignet war, was Banér jedoch nicht weiter
interessierte:
" [...] allein hetten die
Quartiers=Verwandten, worunter die beide vom Adell nicht die geringsten sein
werden, sich zu so einem hohen, ehe sie sich bei mir darüber beschwehret,
nicht verbunden, und also ihre Zusage und schriftliche Obligation zu einer
schuldt, wie solches bei Soldaten agnosciret wird, machen, viel weiniger do sie
es einmahl zu bezahlen angelobet entweichen und also gedachten Offizirern zu
ihrer Bemühung umb schadlos Bürgen Vrsach geben
sollen [...]"
Immerhin entließ er die
gefangenen Adligen aus der Haft, weil Angehörige verbündeter
Mächte nicht wie Kriegsgefangene behandelt werden dürften. Doch
befreite er sie nicht von ihrer Haftung für das gesamte Distriktsaufkommen,
die zu übernehmen sie gezwungen worden waren. Vielmehr deutete er mit dem
Anschein fürsorgender Billigkeit jene Ungeheuerlichkeit der Geiselhaft in
eine angeblich zulässige Bürgschaft in Höhe des erpreßten
Gesamtbetrages um, was juristisch kaum weniger bedenklich
war:
" [...] Ich will gleichwohl nicht unterlassen,
das werck zu einem billigen wege, damit erwehnte zu Bürgen angenommene vom
Adel relaxieret werden können, zu
disponiren."
Die Begründung dafür
gerät zur Lektion über Kriegsrecht: Banér sei es leid, sich
dort, wo die "Kriegsräson" und die "Notwendigkeiten des Krieges"
(necessitas belli) solche Maßnahmen verlangten, beständig mit
den Beschwerden der provisorischen Regierung auseinandersetzen zu müssen.
Gerade weil Pommern zu den Verbündeten gehöre, dürften sich die
Adelsgüter mit den von ihnen abhängigen Dörfern und Hofstellen
den Aufgaben des Krieges nicht
verschließen:
" [...]Verhallte den Herren
hiebei freundlich nicht, das mir zwar leidt ist, und keineswegs lobe, das die
Soldatesca nicht weinig exorbitiret: Es wehre aber gut, weil ja vor diesmahl
diese Lande durch Raison des Krieges mit der Action in demselben nicht
geübriget sein können: Wan darin man solch anstalt zu machen hette
belieben wollen, darmit die Soldatesca in der disciplin, wie sich gebühret,
und ich nebst andern der Armee Inspectoren darzu unsere Begierde an tag gegeben
haben, entreteniret werden können, und nicht wegen Hungersnoth zur
conservation derselben man mehr, als man gerne gewollt, zu conniviren gezwungen
worden wehre. Die Alliance ist zwar von der glorwürdigsten,
höchstsäligsten, in Gott ruhenden Königl. Mayestät aus
Königlicher Clementz und Liebe gegen diese Lande und guter
Wohlbedachtsamkeit placitiret: Aber gleichwohl der necessität, welche auch
zu aller gesetzten Verenderung viel und oftmals anlaß giebet, keine regul
darin vorgeschrieben; wiewohl ich von Hertzen wünschte, daß die ratio
belli dieser pommerschen Quartiere repetir- (sic) und berührung niemals
suadieret hette. Es ist auch ohne das nie erhöret, das eine vnbezahlte
Armee so genaw als die Herren es desideriren, eingeschlossen und gleichsam in
schnüren geführet werden können.
[...]"
Geradezu drohend wird der Ton, wo
Banér die Räte beschuldigt, sie, die selbst kontributionspflichtig
seien, würden aus eigensüchtigen Motiven den Aktionsradius des
schwedischen Heeres einengen wollen und sich nicht genügend um dessen
Versorgung kümmern. Zusätzlich wurmte es Banér, daß die
provisorische Regierung die internen Spannungen zwischen ihm und Wrangel
ausnutzte und auch beim Oberkommandierenden vorstellig wurde, um sich über
ihn zu beschweren:
"Das sich sonsten die Herrn auf
die mit Herrn Feldmarschall Wrangellen über die vorpommersche Quartier
getroffenen Vergleich beziehen hat seine gebührende maße: Aber mit
dem, was in Hinterpommern notwendig practiciret werden müssen, nichts zu
schaffen und ist in comparatione hierin ein mercklicher Vnterschied zu machen.
Das die herren sich so oftmals über meiner Soldatesca insolentien beim
Herrn Feldmarschall Wrangel beschwehret, muß ich zwar an seinen ort
stellen, wie vngern ich aber solche proceduren erfahren und detestire weisen die
executiones und glaube wohl nicht, daß die Keißerschen als sie vor
etlichen Jahren in diesem Lande militiret, so viel exempla statuiret haben
werden, da doch das Landt damahls gleichwol auch nicht in besserer Conservation
erhalten worden, als itzo geschehen kan, sondern eine weit größere
detirioration gespüret worden. Gott verhüte, das sie dieser Lande
nicht dergestalt wieder Meister werden. Es ist kein Zweifel, das sie die
Crudeliteten, die sie bishero in der nachbarschafft und im Lande Mekelburg in
summo gradu perpetriret, alhie nicht mindern, sondern gutes teils vermehren und
vergrößern würden, hoffe aber nicht, daß den Herrn nach
ihrer Begästung verlangen werden und thue die Herren darmit der
göttlichen bewahrung empfehlen.
Datum Loitz,
am 13. Octobris Ao. 1637 [...] "
Die sich hier
ankündigende Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Banér
und den Räten blieb nicht aus. Als Wrangel - nicht zuletzt wegen seiner
Spannungen mit Banér - noch im selben Jahr nach Schweden
zurückgerufen wurde, hatte sich das Verhältnis Banérs zu den
Räten so abgekühlt, daß sie am 7. März 1638 geschlossen
zurücktreten mußten und Nachfolger nicht mehr bestimmt wurden.
Banér, der zum neuen Gouverneur in Pommern und zum Oberbefehlshaber der
Expeditionsarmee ernannt wurde, residierte demonstrativ im Stettiner
Schloß. Nicht nur gegenüber Wrangel, sondern auch gegenüber den
Landständen, die zudem auf Brandenburgs Pommernpolitik Rücksicht
nehmen mußten, hatte er sich auf ganzer Linie
durchgesetzt.
Die Exzesse durch das freie
Requirieren und die nicht weniger bedrückenden Vorgänge bei der
"ordentlichen" Erhebung der Kontributionen waren letztlich gar nicht zu beheben.
Insofern sprach Banér aus Erfahrung, wenn er hervorhob, daß auch
ohne diejenigen Greuel und Verbrechen, gegen die er sich mit den ihm
möglichen Mitteln wehren wollte, es "nie erhöret, das eine vnbezahlte
Armee so genaw als die Herren es desiderieren, eingeschlossen und gleichsam in
schnüren geführet werden
können."
Denn das wilde Marodieren und die
Exzesse bei der ohnehin harten, aber angeordneten Eintreibung der zugestandenen
Kontributionen beruhten auf demselben Umstand: nämlich auf der an
höchster Stelle getroffenen Entscheidung, daß der Krieg die
Staatshaushalte so wenig wie möglich, am besten gar nicht belasten solle,
daß seine Kosten darum weitgehend aus dem Land, in dem er geführt
würde, aufzubringen seien. In diesem Sinne hatten es Gustav II. Adolf und
Oxenstierna beschlossen; so hatte sich aber auch schon Wallenstein dem Kaiser
empfohlen, und so verfuhren auch die Führer aller anderen Truppen. Die
Gelder aus offiziellen Quellen wie der Staatskasse, den ausgehandelten
Subsidienleistungen der Bündnispartner und den bei Dritten aufgenommenen
Krediten machten nur den geringsten Teil der eigentlichen Kriegskosten aus und
dienten allenfalls als "Anschubfinanzierung". Die laufenden Kosten hatte dagegen
das Land, das die Stationierung zu ertragen hatte und in dem gekämpft
wurde, zu erbringen, gleichgültig ob es Freundes- oder Feindesland war. Was
den Vergleich der Belastungen Pommerns unter den Schweden mit denen anging, die
die kaiserlichen Truppen unter Wallenstein bis zu ihrer Vertreibung dem Lande
zugemutet hatten, konnte Banér immerhin zu Recht darauf verweisen,
daß die Schweden in Pommern jedenfalls nicht schlimmer hausten, als es die
Armada des Kaisers getan hatte. Das Schicksal Georg Behrs war darum auch nur
eines unter vielen, wenn auch eines der wenigen, deren Leid dokumentiert worden
ist.
II.
Für
Georg Behr, um wieder auf ihn und seine Berührungen mit dem Kriegsrecht
zurückzukommen, war es bei bloßen Sach- und
Vermögensschäden durch die Verwüstung und den wirtschaftlichen
Niedergang seiner Güter nicht geblieben. Das Schicksal hatte ihn auch
persönlich nicht verschont. Denn kurz nachdem sein Hof 1637 von jener
Schwadron Reiter besetzt worden war und er sich eines Tages unter deren Schutz
auf einem Transport befunden hatte, waren allesamt von Kaiserlichen gestellt
worden. Deren Heer hatte den Übergang über die Trebel durch einen
Kundschafter in Erfahrung gebracht und die Passage in einem spektakulären
Kampf gleichsam im Handstreich erzwungen, so daß ausschwärmende
Schwadronen der Kaiserlichen sich derartigen Geleitzügen unverhofft in den
Weg stellen und kleinere militärische Einheiten gefangennehmen konnten.
Unter dem Verdacht, ein Spion zu sein, wurde Georg Behr gleich mitverhaftet und
im kaiserlichen Lager im Beisein des General von Bredow verhört. Weil man
gegen ihn schließlich doch nichts vorzubringen hatte, wurde er aber wieder
laufengelassen, was nun aber den Schweden verdächtig vorkam. So wurde ihm,
der seine Güter an der Trebel hatte, von den Schweden unterstellt,
daß er es gewesen sei, der dem Feind den Weg über die Trebel und den
Triebseer Paß verraten habe. Die Folge war, daß er abermals, jetzt
jedoch in schwedische Haft geriet. General Wrangel war von Behrs Unschuld nicht
zu überzeugen gewesen, offenbar weil man für die schwere Schlappe der
schwedischen Verteidiger an der Trebel ein Fremdverschulden brauchte, für
das nur Verrat in Frage kam. Entsprechend wurde Georg Behrs kurze Gefangenschaft
bei den Kaiserlichen als Finte gedeutet, die nur seine Kollaboration mit dem
Feind verdecken sollte. Georgs Behrs Lehnsgüter wurden darum als
heimgefallen angesehen, eingezogen und an einen in schwedischen Diensten
stehenden Offizier aus dem Braunschweig-Lüneburgischen neu zu Lehen
ausgegeben. Als Behr dann aber doch nichts Konkretes nachgewiesen werden konnte
und seine schwere Kerkerhaft sich nicht länger rechtfertigen ließ,
wurde er gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt. Weil er aber von da ab
unter der schwedischen Regentschaft kein Auskommen mehr finden konnte, trat er
bei den kaiserlichen Kürassieren des Grafen von Puchheim als Rittmeister in
den Dienst, wurde aber schon bald nach ersten Gefechten erneut von den Schweden
gefangen, wieder wegen Spionage angeklagt, wobei der Verdacht nun wegen des
Dienstes beim Feind erhärtet schien, zum Spießlauf und damit zum
sicheren Tode verurteilt. Bezeichnenderweise sollte die Exekution am Ort des
angeblichen Verrates, am Triebseer Paß vollzogen
werden.
Und doch bewahrte ihn ein gnädiges
Schicksal vor dem sicheren Tod, diesmal in Gestalt einer ganz anderen Seite des
Kriegsrechts: Die kurze Meldung des Kriegsgerichtes an General Banér,
daß das Verfahren gegen Behr abgeschlossen sei und die Vollstreckung des
Urteils bevorstehe, wird von den Kaiserlichen abgefangen und General von Bredow
überbracht. Jene Meldung an Banér hatte
gelautet:
"P. S. Sonsten ist nichts
hauptsächliches bei der Armada vorgegangen, außer daß Obrist
Erich Schlange Jürgen Behren heute gefangen in unser Lager eingebracht,
welcher auch alhie am Passe, da der Kaiserl. General=Wachtmeister Bredow
hereinkommen, morgen gespießet werden
soll."
Was nun folgte, ist kaum zu glauben, aber
doch ein Zeugnis für eine Quelle des Kriegsrechts, an die sich Freund und
Feind gemeinsam gebunden fühlten. Zwischen den Feinden konnte
tatsächlich "aus christlichem Gewissen", wie es dann bei von Bredow
heißt, auf einen gemeinsamen Ehrenkodex Bezug genommen werden, der
für beide Seiten unbedingte Verbindlichkeit hatte. Denn als von Bredow von
dem sicheren Todesurteil erfährt, wendet er sich in einer langen
Erklärung an Wrangel und Banér, in der er preisgibt, mit wessen
Hilfe er über den Paß gekommen war und daß Georg Behr nicht
jener Kundschafter gewesen sei. In von Bredows Mitteilung wird Georg Behr
außerdem ein guter Leumund bezeugt und zugleich in einer
nachprüfbaren Weise ein Offizier aus Hamburg als derjenige benannt, der
jene, Behr unterstellte Hilfe geleistet habe. Georg Behr sei demnach unschuldig.
Und von Bredow schreibt:
" [...] In solcher
Vorbleibung aber bin auch ich aus christlichem Gewissen getrungen, ermeltes
Behren, hierin wenigst gehabter Wissenschafft, noch gegebene anschläg, mit
einer absonderlich ausgefertigten attestation zu bezeugen, es gleichmeßig
dem Herrn Obristen, als wolgedachten Herrn Feldmarschall Bannern, wahrhafftig zu
remonstriren, auch unmaßgeblich zu bitten, sie bei so gründlicher
Bewandnis, ihme Behren, aus der unverschuldten suspicion und disser meiner als
auch anderer vorher eingelangter ansehentlicher Intercessionen merklich
genießen lassen, der Herr Obrister auch seiner noch allezeit rhümlich
vorgekommener Discretion nach, weillen offtermelter Behr sein Gefangener ist,
mehrwolgedachter Herr Feldmarschall Banner dahin cooperiren helfen wolle, damit
er Behr gegen erleidentlicher Rantion dermaleins deliberiret und dadurch der
löbl. althergebrachte Kriegsbrauche nicht geschmellert noch beiderseits
böse Consequentien erweckt werden, wie dieses alles zu meines Herrn
Obristen weiteren Rhum gedeien und bei uns jederzeit observiert werden wirdt,
also getröste mich seines zu der Billigkeit tragenden belieben und ohne
präjudicio Herren Dienst verbleibe ich meines Herrn Obersten dienstwilliger
Knecht. Bredow, Freiherr, mppr."
Die Werte, an die
in dem Schreiben appelliert wird, werden offen genannt: Nach der (hier
weggelassenen) Sachverhaltsschilderung, die so neutral wie möglich gehalten
war, erinnert von Bredow an das christliche Gewissen, das ihn dazu
veranlaßt habe, sich für Georg Behr zu verwenden. Darauf folgen die
Gründe für Behrs Unschuld, die im Rahmen einer ordentlichen
Militärgerichtsbarkeit, die dem Gegner unterstellt wird, ausreichen
müßten, um eine "Remonstration" bei Wrangel und Banér als den
obersten Gerichtsherrn zulässig und erfolgreich sein zu lassen.
Schließlich endet von Bredow mit der Bitte um gnädige Beurteilung der
Lage, in die der unschuldige Behr aus den genannten Gründen gelangt sei,
und appelliert damit an die letzte Möglichkeit, auch außerhalb einer
formellen "Remonstration" das Urteil zu überdenken. Damit von Bredows
Interzession, die ja immerhin aus den Reihen des Feindes kam, das erforderliche
Gewicht habe und nicht einfach als Einmischung des Gegners in ein außerdem
schon für abgeschlossen erklärtes kriegsgerichtliches Verfahren vom
Tisch gewischt werden würde, appelliert er an Wrangels und Banérs
"Discretion", d.h. an ihr Urteilsvermögen, das sie einsehen lassen
möge, Behr nur noch als einfachen Kriegsgefangenen zu behandeln, der nach
altem Kriegsbrauch gegen ein erschwingliches Lösegeld ("Rantion")
freizulassen sei. Die Vernunft möge den Generälen weiter sagen,
daß, wenn die Schweden in vergleichbaren Fällen auf Gegenseitigkeit
und Billigkeit hoffen wollten, wenn auch ohne jedes Präjudiz, sie sich hier
entsprechend zu verhalten hätten.
Dieser
Brief "von der anderen Seite der Front" kam nicht nur an und noch dazu
rechtzeitig; er wurde auch verstanden. Wie wirksam jener Appell an die
gemeinsamen Werte des Kriegsrechts und des Kriegsbrauchs war, vielleicht auch
gerade, weil er vom Gegner kam und seine Mißachtung die Gefahr
begründete, daß in vergleichbaren Fällen die Schweden ebenfalls
auf taube Ohren stoßen würden, zeigen die Folgen: Das Urteil gegen
Behr wurde sofort ausgesetzt und er tatsächlich wie ein Kriegsgefangener
behandelt. Da sich aber die andere Seite für ihn so spektakulär
verwendet hatte, ließ dies das Lösegeld in solche Höhen
schnellen, daß es nicht aufgebracht werden konnte. Hier waren die Schweden
dem Vorschlag von Bredows, einen mäßigen Betrag festzusetzen ("damit
er Behr gegen erleidentlicher Rantion dermaleins deliberiret [...] ") nicht
gefolgt. Schließlich wurde Behr gegen Ehrenwort doch auf freien Fuß
gesetzt, kam aber durch mißgünstige Verleumdung seiner ehemaligen
Nachbarn erneut in Kerkerhaft, aus der nur noch seine Frau seine Rehabilitierung
betreiben konnte, der es in rastloser Weise und unter Einsatz ihres eigenen
Vermögens schließlich auch gelang, daß ihr Mann nach Vorlage
von Leumundzeugnissen aus befreundeten Adelshäusern und sogar kaiserlicher
Offiziere gegen Sicherheitsleistung freigelassen
wurde.
Aber auch der letzte Abschnitt seines
Lebens begann mit einem Schicksalsschlag: Nachdem sich der nun weitgehend
mittellose Behr bei Neustadt in Holstein ein Landgut gepachtet und es
einigermaßen erfolgreich bewirtschaftet hatte, entdeckten ihn die Schweden
1643 bei ihrem Vorstoß nach Norden auch dort, vertrieben ihn vom Hofe und
plünderten ihn ein weiteres Mal vollkommen aus. Das hatte bei Behr dazu
geführt, daß er sich nun an sein den Schweden gegebenes Wort nicht
mehr gebunden fühlte, trat bei demselben Reiterregiment nun als
Obrist=Leutnant erneut in kaiserliche Dienste, wo er wegen Tapferkeit bald zum
Obristen und danach zum Kommandeur der Festung Brieg im gleichnamigen
schlesischen Fürstentum befördert wurde. Erst nach der Generalamnestie
von 1648 sah sich Behr in die Lage versetzt, seine persönliche
Rehabilitierung auch vom schwedischen Vorpommern aus zu betreiben und sich von
dort aus auch um die Rückführung seiner Güter zu bemühen.
Doch als er sich Ostern 1650 von Brieg aus nach Pommern aufmachte, versehen mit
der Zusage, im Falle der Verweigerung seiner Ansprüche wieder in
kaiserliche Dienste treten zu dürfen, erkrankte er schwer und starb in
Rostock im 59. Lebensjahr, kurz nachdem er in Mecklenburg eingetroffen
war.
Die Rückerstattung seiner Güter
gelang seiner Frau Hedwig, seinem einzigen beständigen Beistand in allen
Wirren und Tiefen seines Leidens, nur zum Teil. Doch dieser Kampf um die
Rehabilitation ihres Mannes und um die Restitution der verlorenen Güter
gehören, was das Verfahren, die angewandten Vorschriften und den stummen
Kampf der streitbaren Witwen um (die letztlich entscheidende) Einflußnahme
auf den schwedischen Hof angeht, schon nicht mehr zum Kriegsrecht, sondern zu
den Wegen und Abwegen, die der Frieden von Münster und Osnabrück mit
der Amnestieregel des Art. II IPO (inhaltsgleich mit
§ 2 IPM) in rechtlicher Hinsicht allen kriegsbedingt Entrechteten
bot.
WEITERFÜHRENDE LITERATUR